Der hinter uns liegende Jahreswechsel ist eine lebendige Erinnerung an die Tatsache, dass die Zeit schnell vergeht. Der Gottesmann Hiob sagte einst: «Meine Tage gleiten schneller dahin als ein Weberschiffchen» (Hiob 7,6); und Jakobus schreibt: «Die ihr nicht wisst, was der morgige Tag bringen wird; denn was ist euer Leben? Ein Dampf ist es ja, der für eine kurze Zeit sichtbar ist und dann verschwindet» (Jak 4,14).
Bei aller Schnelligkeit ist es immer wieder gut, wenn wir Augenblicke im Leben kennen, wo wir uns einmal besinnen, wo wir still werden, um über die Ausrichtung sowohl unseres persönlichen als auch unseres gemeinsamen Lebens nachzudenken. Ein Jahreswechsel ist dazu eine besondere Gelegenheit. Unter Gebet vor dem Herrn dürfen wir «unser Herz auf unsere Wege richten» (Hag 1,7).
Im Propheten Habakuk lesen wir dazu ein interessantes Wort. Es heisst dort:
«Gebet Habakuks, des Propheten. Nach Schigjonot. HERR, ich habe deine Kunde vernommen, ich fürchte mich; HERR, belebe dein Werk inmitten der Jahre, inmitten der Jahre mache es kund; im Zorn gedenke des Erbarmens!» (Kap. 3,1.2).
Diesen Bibelvers aus dem Alten Testament dürfen wir einmal auf unsere Zeit anwenden.
Das Gebet
Anlässlich des Zustands im Volk Gottes alter Tage empfand der Prophet Habakuk das Bedürfnis, mit seinem Gott zu reden. Der Zustand und die Entwicklung des christlichen Zeugnisses in unseren Tagen machen es mehr denn je nötig, dass wir zu Gott beten. Für unser persönliches aber auch unser gemeinsames Leben als Christen brauchen wir das Gebet. An vielen Stellen im Neuen Testament werden wir daran erinnert und zum Gebet aufgefordert. Hier sei nur der Hinweis erwähnt, den Paulus den Ephesern gab: «Zu aller Zeit betend mit allem Gebet und Flehen in dem Geist, und hierzu wachend in allem Anhalten und Flehen» (Eph 6,18). Wir brauchen Männer und Frauen des Gebets, die für das Volk Gottes am Thron der Gnade eintreten.
Furcht
Habakuk hatte Furcht, und er spricht auch davon: «Herr, … ich fürchte mich.» Beschleicht uns in der Zeit, in der wir leben, nicht auch oft eine gewisse Furcht? Wir sehen die Entwicklungen in unserer Gesellschaft und erkennen, wie viele Dinge, die klar gegen die Gedanken Gottes sind, vom Staat sogar legalisiert werden. Wir sehen die zunehmende Gottentfremdung, den erschreckenden Wertezerfall bei vielen Menschen. Aber auch unter Kindern Gottes treten Erscheinungen zu Tage, die uns zutiefst erschrecken. Laschheit und Weltförmigkeit auf der einen Seite, Härte und Gesetzlichkeit auf der anderen Seite, sind Trends, die wir auch in unserer Mitte deutlich sehen.
Ohne Frage bleiben wir solchen Dingen gegenüber nicht gefühllos. Sie machen uns traurig. Doch wir sollten nicht resignieren und uns fürchten. Der Herr ist da. Er sagte seinen Jüngern und damit auch uns: «Euer Herz werde nicht bestürzt, sei auch nicht furchtsam» und: «Ich bin es, fürchtet euch nicht!» (Joh 14,27; 6,20). Wir brauchen unsere Angst und Sorge nicht zu verdrängen, aber wir dürfen sie im Gebet vor unseren Herrn bringen, damit Er uns alle Furcht aus dem Herzen nimmt.
Der Unveränderliche
Habakuk wusste auch, mit wem er es zu tun hatte. Zweimal nennt er Gott «HERR». Unter diesem Namen hatte Er sich Mose gegenüber als der «Ich bin, der ich bin» offenbart (2. Mo 3,14). Dieser Gott war und ist der Unwandelbare, der sich nicht verändern kann. Wir denken an die grossartige Aussage im Hebräer-Brief: «Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit» (Kap. 13,8). Gerade im Wechsel der Zeiten darf uns dies eine besondere Ermunterung sein. Der Herr, mit dem wir es zu tun haben, ändert sich nicht!
Das Werk des Herrn
Habakuk wusste zudem, dass dieser Gott ein Werk hatte. Deshalb sagt er: «Belebe dein Werk inmitten der Jahre, inmitten der Jahre mache es kund.» Auch wir dürfen wissen, dass unser Herr ein Werk auf dieser Erde hat. Dieser Gedanke macht uns Mut. Es ist nicht unser Werk, in dem wir arbeiten, nicht das Werk von Brüdern oder Schwestern, nicht das Werk irgendeiner Organisation, sondern das Werk des Herrn. Das Feld, auf dem wir arbeiten, ist das «Feld des Boas». Der Weinberg ist der Weinberg Gottes. Das Ackerfeld und der Bau gehören Ihm. Die Ernte ist nicht unsere Ernte, sondern sie gehört ebenfalls Ihm. Auch die Arbeiter, die dort arbeiten, sind seine Arbeiter.
Uns allen gilt die Aufforderung: «Daher meine geliebten Brüder, seid fest, unbeweglich, allezeit überströmend in dem Werk des Herrn, da ihr wisst, dass eure Mühe nicht vergeblich ist im Herrn» (1. Kor 15,58). Es ist unsere Aufgabe und Verantwortung, diesen Auftrag auch in dem vor uns liegenden Jahr zu erfüllen, aber alles Weitere dürfen wir dann Ihm überlassen. Paulus sagt an einer anderen Stelle: «Also ist weder der da pflanzt etwas, noch der da begiesst, sondern Gott, der das Wachstum gibt» (1. Kor 3,7). Wir dürfen unserem Herrn auch in dieser Sache volles Vertrauen schenken. Im Alten Testament liess Gott seinem Volk einmal sagen: «Meine Kinder und das Werk meiner Hände lasst mir anbefohlen sein» (Jes 45,11). Diese Zusage dürfen wir mit in das neue Jahr hineinnehmen.
In seinem Gebet wünscht Habakuk eine Belebung in dem Werk seines Gottes. Mit diesem Wunsch machen wir uns gern eins. Trotz aller Schwachheit im Volk Gottes, trotz der eigenen Fehler dürfen wir diese Bitte immer wieder im Gebet vor unseren Gott bringen: «Belebe dein Werk inmitten der Jahre!» Das neue Jahr gibt neue Gelegenheit zur Belebung des Werkes unseres Herrn.
Wie Er sein Werk belebt, ist seine Sache. Darin ist Er souverän. Aber wir dürfen doch den Gedanken erwägen, dass Er dich und mich dabei gebrauchen möchte. Jeder von uns hat eine Aufgabe in diesem Werk. Wir dürfen uns an jedem Tag des Jahres neu motivieren lassen, mit Fleiss und Einsatz für unseren Herrn zu arbeiten, und zwar da, wo Er uns hinstellt. Die Schwachheit im Volk Gottes und der allgemeine Niedergang dürfen keine Ausrede sein, im Werk des Herrn nachlässig zu werden.
Wir erinnern noch einmal an die Worte Haggais: «Richtet euer Herz auf eure Wege!» Diese Botschaft Haggais ertönte zu einer Zeit, da das Volk Gottes im Werk des Herrn müde geworden war und eigene Interessen im Vordergrund standen. Aber Haggai weist auch auf den springenden Punkt hin. Es geht um unsere Herzen, die richtig ausgerichtet sein müssen. Wenn es um unsere Verantwortung geht und das Werk des Herrn Belebung erfahren soll, dann muss Gott unsere Herzen berühren, dann müssen wir Ihm in Liebe ergeben sein.
Göttliches Erbarmen
Unser Vers endet mit einer Erinnerung an das Erbarmen unseres Herrn. Erbarmen setzt einen mühevollen und elenden Zustand voraus. Diesen Zustand empfinden wir, und deshalb bitten wir um göttliches Erbarmen. Unser Gott ist «reich an Barmherzigkeit». Sein Erbarmen gilt den verlorenen Menschen in der Welt, es gilt aber auch uns, seinen Kindern. Mit diesem Erbarmen dürfen wir jeden Tag rechnen, «inmitten der Jahre». Wenn wir zu Ihm kommen und um sein Erbarmen bitten, dann wird Er unsere Bitte sicher nicht ohne Antwort lassen.