Gewisse Taten und Worte des Herrn Jesus haben sich wiederholt oder werden in der Schrift zweimal erwähnt. Damit wird ihre grosse Bedeutung unterstrichen. Der Herr Jesus reinigte den Tempel zweimal, unter verschiedenen Umständen. Zweimal speiste Er die Volksmengen. Zweimal ermöglichte Er einen wunderbaren Fischfang. Bei zwei Gelegenheiten liess Er zu, dass seine Füsse gewaschen und geehrt wurden: einmal durch die Tränen einer Sünderin, und das andere Mal durch die Salbung einer Frau, die zu seinen Jüngern gehörte. Zweimal hat Er Petrus berufen: einmal als Menschenfischer und ein anderes Mal zum Hirtendienst unter seinen Schafen. Und bei zwei Gelegenheiten lehrte Jesus seine Jünger, wie sie beten sollten.
Das «Vaterunser» findet sich in Matthäus 6,9-13, in der Mitte der Bergpredigt, aber auch in Lukas 11,2-4, wo berichtet wird, dass Jesus an einem gewissen Ort betete, und die Jünger dadurch veranlasst wurden, zu Ihm zu sagen: «Herr, lehre uns beten!»
Wir können daraus ersehen, dass der Herr selbst diesem Gebet grosse Bedeutung beimisst. Das ist gut verständlich: denn das Gebet ist der Ausdruck der Abhängigkeit. Der Herr Jesus selbst suchte als Sohn des Menschen auf der Erde, in allen wichtigen Umständen, in abhängigem Gebet das Angesicht Gottes. Wie der Psalmist es ausdrückt: Er war stets im Gebet. (Ps 109,4).
Welch ein Vorrecht hat uns Gott darin gegeben, dass wir allezeit im Gebet vor Ihn treten dürfen! Aber was wir beten, muss ein wirkliches Gebet sein, nicht ein Beten, um bei den Menschen gut angeschrieben zu sein, oder eine Gewohnheit, immer die gleichen Worte zu wiederholen, in der Meinung, dass man um des vielen Redens willen erhört werde. Unser Gebet sei ein kindliches Darlegen unserer Bedürfnisse und Wünsche vor dem Herrn. Gott, unser Vater, weiss um unsere Bedürfnisse, ehe wir Ihn darum bitten. Aber Er ermuntert uns ausdrücklich, unsere Anliegen durch Gebet und Flehen und mit Danksagung vor Ihm kundwerden zu lassen. Auch tun wir gut daran, wie Samuel zu sagen: «Rede, Herr, denn dein Knecht hört!» Wir reden manchmal zu viel und hören zu wenig. Anderseits aber dürfen wir den Herrn auch bitten, auf uns zu hören. Unser Gebet soll kindlich sein; wir dürfen Ihm alles sagen, was uns beschäftigt.
Unser Beten trägt einen persönlichen Charakter, denn jeder von uns hat seine eigenen Bedürfnisse und Schwierigkeiten. Daher gebietet uns der Herr, zum Gebet in unsere Kammer zu gehen, wo wir allein sind. Dabei dürfen wir aber der Verbundenheit mit den anderen Ausdruck geben: das Gebet des Herrn beginnt mit «unser Vater».
Es ist beachtenswert, dass der Herr Jesus den Jüngern vorerst sagte: «Wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler … Du aber, wenn du betest, so geh in deine Kammer, und nachdem du deine Tür geschlossen hast, bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist» (Mt 6,5.6). Das ist in der Einzahl. Selbst wenn der Herr im siebten Vers die Mehrzahl anwendet: «Wenn ihr aber betet, sollt ihr nicht plappern wie die von den Nationen … Betet ihr nun so», so nimmt Er auf das persönliche Gebet in der Kammer Bezug, wo der Betende zwar im Bewusstsein der Verbundenheit mit den andern stehen soll.
Beim Betrachten dieses Gebets des Herrn kommen wir zu folgenden Fragen:
- Wem wurde dieses Gebet gegeben?
- Wollte der Herr, dass dieses Gebet endlos wiederholt werde, oder soll es nur als Muster dienen?
Zur ersten Frage: Sowohl im Matthäus – wie auch im Lukas-Evangelium wurden die Jünger angesprochen. In Matthäus 5,1 lesen wir, dass die Jünger zu Jesus traten und Er seinen Mund auftat, um sie zu belehren. In Lukas 11,1 wird uns gesagt, dass einer seiner Jünger zu Ihm kam und sagte: «Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger lehrte.» Daraus sehen wir, dass dieses Gebet nicht für die Welt, sondern für die Jünger war; und diese Jünger gehörten damals noch nicht zur Versammlung Gottes. Damit soll freilich nicht gesagt sein, dass dieses Gebet nicht auch wichtige Belehrungen für die Versammlung Gottes enthalte; es gibt kaum einen anderen Schriftabschnitt, der mit so wenigen Worten jedem Glied des Leibes Christi mehr zu sagen vermöchte. Aber dieses Gebet trägt, wie wir noch sehen werden, die Kennzeichen der Kinder des Reiches; es wurde den Jüngern zu einem Zeitpunkt gegeben, als der Heilige Geist noch nicht ausgegossen war und der Geburtstag der Versammlung noch kommen musste. Darum wird in Lukas 11,13 vom Vater gesagt, dass Er den Heiligen Geist denen geben werde, die Ihn darum bitten. Die aber zur Versammlung gehören, haben den Heiligen Geist und beten daher nicht in dieser Weise; solche bitten vielmehr darum, dass der Geist sie leite oder sie erfülle. Später, als der Herr Jesus von den Juden verworfen war, sagte Er im Hinblick auf die Zeit nach seiner Auferstehung: «An jenem Tag (dem Tag seiner Verherrlichung, an dem Er den Heiligen Geist herabsenden wollte) werdet ihr (den Vater) bitten in meinem Namen … Bis jetzt habt ihr nichts gebeten in meinem Namen» (Joh 16,26.24).
Das «Vaterunser» findet seine wörtliche Anwendung vor allem auf den gläubigen Überrest während der Zeit der grossen Drangsal. Dann werden jene Gläubigen das Reich herbeisehnen und in ihrer äusseren Not um das tägliche Brot bitten. Sie werden zu Gott rufen, damit Er sie bewahre vor dem Bösen, dem Antichristen, der den Überrest verfolgen wird.
Was die zweite Frage anbelangt: Das «Vaterunser» ist uns nicht als eine Formel gegeben, sondern als ein Mustergebet. Das geht schon daraus hervor, dass das Gebet nach Matthäus verschieden ist von dem Gebet nach Lukas, was nicht der Fall wäre, wenn wir nach vorgeschriebenen Worten beten müssten. In der Matthäus-Stelle finden wir sieben Bitten und in Lukas nur fünf, weil es dort das Gebet des abhängigen Jüngers ist. Die Bitten: «Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf der Erde» und: «Errette uns von dem Bösen» finden wir in Lukas nicht. Der Herr sagt nach Matthäus: «Unser Vater, der du bist in den Himmeln»; nach Lukas aber nur: «Vater»; in Matthäus: «vergib uns unsere Schuld, wie auch wir unseren Schuldigern vergeben»; in Lukas dagegen: «Denn auch wir selbst vergeben.» Das ganze Gebet lautet nach dem Matthäus-Evangelium: «Unser Vater, der du bist in den Himmeln, geheiligt werde dein Name; dein Reich komme; dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf der Erde. Unser nötiges Brot gib uns heute; und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir unseren Schuldigern vergeben; und führe uns nicht in Versuchung, sondern errette uns von dem Bösen.»
Dieses Gebet ist, wie gesagt, in der sogenannten Bergpredigt enthalten, in der sich der Herr an seine jüdischen Jünger richtete und sie ermahnte, nicht zu beten «wie die von den Nationen». Die Bergpredigt enthält die Grundsätze des Reiches der Himmel, und die Jünger sollten sich als Kinder dieses Reiches kennzeichnen. Deshalb beteten sie:
«Unser Vater, der du bist in den Himmeln»
Beachten wir, dass hier der Name «Vater» verwendet wird, obwohl das Gebet den gläubigen Juden in den Tagen des Herrn Jesus gegeben war, wie auch den gläubigen Juden in einem zukünftigen Zeitalter. Es steht also auf einer höheren Ebene als die Segnungen des Alten Testaments. Es bezieht sich auf eine Übergangsperiode. Der Herr Jesus war gekommen, um den Vater zu zeigen; und wenn Er den Namen des Vaters auch erst völlig verkündigen konnte, nachdem das Werk des Kreuzes vollbracht war, so hat Er ihnen doch vorher schon etwas von der Schönheit dieses Namens gezeigt und ihn mehr und mehr enthüllt, indem Er die Jünger auf diese Weise zu einer lebendigen Gemeinschaft mit Ihm vorbereitete. So redete Er von den Herrlichkeiten ihres Vaters im Himmel und davon, dass sie dessen Söhne seien und vollkommen sein sollten, wie ihr himmlischer Vater. Das verleiht diesem Gebet eine tiefe Innigkeit.
Im Gegensatz zu jenen Juden ist die Versammlung Gottes ein himmlisches Volk, das in Christus in die himmlischen Örter versetzt ist. Daher finden wir den Ausdruck «Vater im Himmel» in keinem Brief, dafür aber «den Gott und Vater», oder «den Vater unseres Herrn Jesus Christus». Und der Geist zeugt mit dem Geist der Gläubigen, die die Versammlung bilden, dass sie Kinder Gottes sind und leitet sie an, auszurufen: «Abba, Vater.»
Auch der Umstand, dass der Herr Jesus, bevor Er sagte: «Betet ihr nun so», seine Jünger ermahnte, in ihre Kammer zu gehen, macht es deutlich, dass es sich hier nicht um die Anbetung der Versammlung handelt, bei der das Lamm der Mittelpunkt ist. In diesem Gebet wird selbstverständlich nicht auf das Lamm Bezug genommen und auch nicht auf die vollkommene Erlösung in Ihm.
«Geheiligt werde dein Name»
Das ist die erste Bitte, die zu Ihm emporsteigen sollte. Gott wollte, wie schon die Propheten gesagt hatten, vor den Augen der Menschen in seinem Volk geheiligt werden. Und wenn sie über den Vaternamen Gottes nachdachten, sollten sie sich bewusst werden, dass die Heiligung oder Verherrlichung dieses Namens nur in der Trennung von allem Bösen in der ganzen Welt geschehen konnte. Daher ist dies auch ihr Gebet im Blick auf das kommende Reich auf der Erde.
Ein solches Gebet für die Verherrlichung des Namens des Vaters soll in dieser Zeit der Gnade auch im Innersten des Herzens von jedem Glied der Versammlung des Christus sein. Die «Ehre Gottes» soll unter den Gläubigen aller Zeiten den ersten Platz einnehmen.
«Dein Reich komme»
Die gläubigen Israeliten sehnten sich mit grossem Verlangen danach, dass der Christus, entsprechend den Ankündigungen der Propheten, sein Reich auf der Erde aufrichte. Noch war es sozusagen in der Hand ihres Vaters im Himmel. Aber wenn die Erde durch Gericht gesäubert ist, wird Christus vom Vater das Reich empfangen, und die Gerechten werden dann mit Ihm, der wahren Sonne der Gerechtigkeit, in dem Reich ihres Vaters wie die Sonne leuchten (Matthäus 13,43).
Auch der Christ sehnt sich nach dem Tausendjährigen Reich, obwohl er zu dessen himmlischem Teil gehört. Er freut sich darüber, dass sein Herr auf dieser Erde, die Ihn einst verworfen hat, verherrlicht werden wird. Doch erwartet er als erstes Ereignis das Kommen des Herrn in die Luft zur Entrückung der Seinen. Um dieses bittet der Gläubige in Christus vor allem und zuerst. «Der Geist und die Braut sagen: Komm!» Als Versammlung sehnen wir uns nicht nur nach dem König, sondern besonders nach dem Bräutigam, obwohl wir mit Ihm, dem König, regieren werden.
«Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf der Erde»
Die Erde wird einst «voll sein der Erkenntnis des HERRN, wie die Wasser den Meeresgrund bedecken» (Jes 11,9). So wie die Engel Gottes im Himmel jetzt seinen Willen ausüben, so wird Gottes Wille dann auch auf der Erde getan werden. Der Jünger des Reiches sehnt sich nach diesem Augenblick. Und auch wir sehnen uns danach. Aber die Versammlung, die hier auf der Erde ein Fremdling war, wird dann Jesus gleich sein und Ihn sehen, wie Er ist!
«Unser nötiges Brot gib uns heute»
In der Bergpredigt, in der dieses Gebet enthalten ist, werden die Jünger davor gewarnt, zu sorgen um das, was sie essen oder trinken oder anziehen sollen. «Nach all diesem trachten die Nationen», sagt der Herr Jesus, «denn euer himmlischer Vater weiss, dass ihr dies alles nötig habt» (Mt 6,32). Der Meister lehrte sie, für ihre leiblichen Bedürfnisse zu bitten. Aber sie sollten nicht um mehr als um Brot bitten und nicht für Brot auf Wochen und Monate hinaus, sondern nur für das, was sie für «heute» nötig hatten. Sie mussten einen Tag nach dem andern nehmen. Hatten nicht auch die Israeliten jeden Morgen das Brot für einen Tag zu sammeln? Wie wichtig ist dieser Hinweis für schlechte Zeiten! Die Jünger spürten etwas davon, als der Herr Jesus bei ihnen war. Da galt es Tag für Tag ein Leben der Abhängigkeit zu führen. Auch in der Zukunft, in den Zeiten der grossen Drangsal, werden die gläubigen Juden 1260 Tage ernährt werden (Off 12,6.14). So ist diese Bitte im «Vaterunser» zweifellos ein Gebet für alle Zeiten.
«Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir unseren Schuldigern vergeben»
Nicht nur der Leib, auch die Seele hat Bedürfnisse. Da ist vor allem die Schuld gegenüber Gott. Gott allein kann uns vergeben. Ein Sünder muss sich daher zu Gott wenden um Vergebung und Heilung. Er muss mit dem Gebet des Zöllners vor Ihn treten: «O Gott, sei mir, dem Sünder, gnädig!»
Aber nicht das ist hier gemeint. Hier bitten Gläubige um Vergebung. Diese Gläubigen gehörten noch nicht zur Versammlung und hatten noch nicht das Bewusstsein der vollen Vergebung ihrer Sünden. Dass sie aber wiedergeboren waren, geht aus den an sie gerichteten Worten hervor. Daher mussten sie auch willens sein, denen zu vergeben, die ihre Schuldner waren. «Wenn ihr aber den Menschen ihre Vergehungen nicht vergebt, wird euer Vater auch eure Vergehungen nicht vergeben» (Mt 6,14.15). «Und wenn ihr dasteht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemand habt, damit auch euer Vater, der in den Himmeln ist, euch eure Vergehungen vergebe. Wenn ihr aber nicht vergebt, so wird euer Vater, der in den Himmeln ist, auch eure Vergehungen nicht vergeben» (Mk 11,25.26).
Wie herrlich wird es in der Zukunft sein, wenn den Ungerechten in Jerusalem vergeben sein wird, und als Folge davon die gläubigen Juden die Heiden nicht länger hassen, sondern ihnen Gnade erzeigen werden.
Auch innerhalb der Versammlung gilt derselbe Grundsatz eines vergebenden Geistes. Wenn wir hart sind und nicht vergeben können, so kann auch unser Vater unsere Übertretungen nicht vergeben. Eine ernste Wahrheit, der wir oft zu wenig Aufmerksamkeit schenken!
Anderseits aber haben wir Christen einen viel höheren Beweggrund zum gegenseitigen Vergeben. Das Wort ermahnt uns, einander zu vergeben, «wie auch Gott in Christus euch vergeben hat» (Eph 4,32). Gott hat uns vergeben, und daher sollen auch wir in der gleichen Weise vergeben. Wir haben jederzeit die Gewissheit: «Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit» (1. Joh 1,9).
«Und führe uns nicht in Versuchung»
Jakobus hat gesagt: «Niemand sage, wenn er versucht wird: ich werde von Gott versucht» (Jak 1,13). Weshalb soll denn der Jünger bitten, dass ihn Gott nicht in Versuchung führen möge? Es ist klar, dass es sich hier nicht um eine Versuchung handeln kann, in die wir durch unsere eigene Begierde oder durch die Wirksamkeit des Teufels geraten können, sondern dass hier «Prüfungen» gemeint sind. Wir lesen zum Beispiel: «Es geschah … dass Gott Abraham prüfte» (1. Mo 22,1). Gott unterzog den Glauben Abrahams einer Prüfung.
Schon jene Jünger hatten grosse Schwierigkeiten. Und wie gross werden sie erst sein, wenn alle Arten von Bedrückung und Verfolgung das Teil derer sein werden, die treu zu Gott halten! Wie werden sie dann bitten, dass Gott sie angesichts der schwierigen Zeiten und ihres schwachen Glaubens nicht in Versuchung führen möge! Besonders «in der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird», d.h. während der Zeit der grossen Drangsal, wird dies der Fall sein.
Den Gläubigen in Christus Jesus wird zugerufen: «Haltet es für lauter Freude … wenn ihr in mancherlei Prüfungen fallt!» (Jak 1,2). Und Paulus sagt: «Wir rühmen uns auch der Trübsale, da wir wissen, dass die Trübsal Ausharren bewirkt, das Ausharren aber Bewährung, die Bewährung aber Hoffnung» (Röm 5,3.4). Das ist die hohe Stellung, in die die Christen durch die Gnade versetzt sind.
Praktisch stehen wir aber manchmal auf einem viel niedrigeren Standpunkt. Und dann ist diese Bitte, die hier von den Jüngern des Reiches geäussert wird, auch auf uns angepasst; denn dann könnten wir die Prüfung nicht ertragen; der Feind könnte unserer Seele den Frieden rauben und uns vielleicht zu Fall bringen.
«Sondern errette uns von dem Bösen»
Es kommen Angriffe des Teufels oder des Bösen. Wir können lesen:
- «Von dem Bösen» (Person) oder:
- «Vom Bösen» (Sache).
Beides ist schrecklich. Der Jünger kann sich nicht in eigener Kraft von ihnen befreien. Der Herr muss sein Helfer, seine Stärke sein. Besonders wenn der Antichrist da ist, wird dieses Gebet nötig sein. Aber auch wir haben es nötig. In Johannes 17,15 sagt der Herr zum Vater: «Ich bitte … dass du sie bewahrest vor dem Bösen.» Der Herr Jesus weiss, wie gross die Macht Satans ist. Es ist wichtig, dass auch die Gläubigen die Listen Satans kennen, sich nicht mit ihnen einlassen und vor allem Bösen fliehen. «Der HERR wird dich behüten vor allem Bösen, er wird behüten deine Seele» (Ps 121,7). Und der Psalmist denkt dabei an das Böse, das von aussen her an uns herankommt. Lasst uns nie vergessen, uns zum Vater zu wenden, um von allem befreit zu werden, was unserer Seele Schaden zufügen könnte!
Wie schön und vollkommen ist dieses Gebet! In wenigen Worten bringt es so viele Gedanken zum Ausdruck!
- Drei Bitten (in Lukas zwei) haben Beziehung zu Gott
- Eine Bitte bezieht sich auf unser irdisches Leben
- Drei Bitten (in Lukas zwei) sind mit unserem geistlichen Wohlergehen verbunden
Beachten wir, dass des Vaters Ehre, des Vaters Reich, des Vaters Wille, den ersten Platz in unseren Gedanken und Gebeten einnehmen sollte. Leider steht bei uns das «tägliche Brot» oft zuvorderst. Lasst uns nicht vergessen, dass wir als Christen, im Gegensatz zum «Vaterunser», gelernt haben, im Namen Jesu und in der Kraft des Heiligen Geistes zum Vater zu beten: «was irgend ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen, das wird er euch geben» (Joh 16,23). «Betend im Heiligen Geist» (Judas 20). Der Heilige Geist lehrt uns, wie wir beten sollen, und wenn wir in unseren Übungen nicht wissen, was wir bitten sollen, verwendet Er sich selbst für uns in unaussprechlichen Seufzern.
Lasst uns Gott danken für das herrliche Gebet, das «Vaterunser» genannt wird. Seine erhabene Sprache und sein reicher Inhalt erfüllen uns mit Bewunderung.
Der Gedanke, dass Gott, der Vater im Himmel, unser Vater ist, dass wir durch Christus freien Zugang zu Ihm haben, ist uns kostbar, ermunternd und tröstend. Unser kindlicher Glaube wird dadurch gestärkt.
Und wenn wir dieses Gebet auch nicht in der Weise beten, wie es im Wort Gottes für jene Gläubigen aufgezeichnet worden ist, die in einer anderen Beziehung zu Gott standen, so können wird doch daraus lernen und es als Muster gebrauchen. Es leitet uns an, zuerst Gottes Verherrlichung und Gottes Interessen zu suchen, aber auch alle unsere Bedürfnisse mit wenigen und einfachen Worten vor unserem Gott und Vater durch Jesus Christus kundwerden zu lassen. Wer dies erkennt, soll aber nachsichtig sein gegenüber denen, die die uns in Christus geschenkten Vorrechte nicht verstehen und fortfahren, dieses Gebet des Herrn – nicht nur als Formel – sondern von Herzen zu beten. Unser Gott und Vater sieht auf das Herz.