Für das Geschöpf besteht kein grösseres Vorrecht, keine reinere und erhabenere Quelle des Glücks, als der Lobpreis und die Anbetung Gottes.
Dies ist die Beschäftigung der Engel. Sie, die Diener Gottes, bereit, seinen Befehlen zu gehorchen, rühmen seine Herrlichkeit. Sie jubelten triumphierend und jauchzten vor Freude, als Gott die Erde gründete, als Er sie auf ihre Grundfesten einsenkte und dem Meer seine Schranken setzte (Hiob 38,4-11). Jesaja sah sie den hohen und erhabenen Thron des Herrn umringen und mit bedecktem Angesicht ausrufen: «Heilig, heilig, heilig ist der HERR der Heerscharen, die ganze Erde ist voll seiner Herrlichkeit!» (Jes 6,3). Auch lobten sie Gott, als sein geliebter Sohn, durch den alle Dinge erschaffen worden sind, hier auf der Erde als Mensch geboren und als schwaches Kind in eine Krippe gelegt wurde. Dieses kleine Kind war kein anderer als der HERR, den Jesaja auf seinem Thron gesehen hatte. Jetzt aber war Er «Gott, offenbart im Fleisch … gesehen von den Engeln» (1. Tim 3,16) – ein überaus würdiger Gegenstand der Anbetung und des Lobes der Engel! Wir sehen sie auch den Thron Gottes und des Lammes im Himmel umringen und sowohl den Herrn, Gott, den Allmächtigen als auch das Lamm, das geschlachtet worden ist, verherrlichen.
Aber dieses grosse und herrliche Vorrecht ist nicht nur den Engeln vorbehalten. Auch der Mensch kann es geniessen und sogar in einer tieferen und erhabeneren Weise als sie, denn er erkennt Gott so, wie sie Ihn nicht zu erkennen vermögen. Das Lob und die Anbetung werden durch die Erkenntnis dessen hervorgebracht, was Gott ist und was Er vollbracht hat. Das zeigen uns die eingangs erwähnten Verse.
Der Apostel Paulus beginnt in der Tat mit einem Lobgesang. Sein Herz überfliesst. «Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus!» ruft er aus. Weshalb dieser Ausruf seiner Seele? Wir werden es nun sehen, und möchte doch jeder von uns in der Lage sein, sich ihm anzuschliessen!
Was im Herzen des Paulus in erster Linie Lobpreis erweckte, war die Erkenntnis, die er von Gott hatte. Vor dem Christentum kannte man Gott als den Schöpfer, als den Allmächtigen, als den Höchsten, der Himmel und Erde besitzt, als den HERRN, den Ewigseienden. Gewiss, die Betrachtung seiner Majestät, erhaben über die Himmel, seiner Grösse, seiner herrlichen Wesenszüge, seiner Werke in der Schöpfung und zur Erlösung seines Volkes Israel – ist dazu angetan, dass der Mensch die Knie vor Ihm beugt und Ihn anbetet. Eine solche Anbetung finden wir in zahlreichen Psalmen und auch in den Propheten.
Aber das Christentum lässt uns Gott in einer viel innigeren und tieferen Weise erkennen. Für Paulus, wie auch für alle Christen, ist Er «der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus». Den «Gott unseres Herrn Jesus Christus» betet er an und vor dem «Vater unseres Herrn Jesus Christus» beugt er seine Knie. «Niemand hat Gott jemals gesehen», sagt der Apostel Johannes, «der eingeborene Sohn, der im Schoss des Vaters ist, der hat ihn kundgemacht» (Joh 1,18). Dazu ist Er Mensch geworden und hat Er uns Gott als seinen Gott kundgemacht.
Als Mensch ist Er «unser Herr Jesus Christus», Namen und Titel, die das zusammenfassen, was Er für den Christen ist: Jesus, der Erretter, der Christus, der Gesalbte Gottes, um alle die Ämter auszuüben, zu denen Er berufen worden ist. Auch ist Er unser Herr, dem alle Gewalt gegeben ist. Paulus denkt an Ihn, seinen Herrn, den Sohn Gottes, der ihn geliebt, sich selbst für ihn hingegeben und sich so alle Rechte über seine Person erworben hat. Er denkt an Jesus und sieht Ihn in vollkommenem Gehorsam und in unbedingter Hingabe an Gott auf der Erde wandeln (Phil 2): Jesus diente Ihm, vertraute auf Ihn (Ps 16; Ps 22,9-11) und hatte Ihn als seinen Gott bis zum Kreuz, wo Er ausrief: «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?»
Jesus hat Gott, den Heiligen, den Gerechten, den Gütigen verherrlicht, weil Er sein Gott war. In Jesus sehen wir einen Menschen, dem Gott wirklich sein Gott war, der in vollkommener Weise sagen konnte: «Gott, du bist mein Gott! Früh suche ich dich» (Ps 63,2; vgl. mit Mk 1,35); und auch: «Dein Wohlgefallen zu tun, mein Gott, ist meine Lust; und dein Gesetz ist im Innern meines Herzens» (Ps 40,9, vgl. mit Joh 8,28-29). Und an einer anderen Stelle: «Meine Zuflucht und meine Burg; mein Gott, auf ihn will ich vertrauen» (Ps 91,2). Gott ist der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der auf der Erde als erniedrigter Mensch in seiner Vollkommenheit vor Ihm wandelte und der in seiner Vollkommenheit als verherrlichter Mensch jetzt im Himmel vor Ihm ist.
Aber Gott ist auch der Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er ist der Vater des eingeborenen und ewigen Sohnes – eine unergründliche Beziehung. Christus war auch der Sohn Gottes, als Er auf wunderbare Weise von der Jungfrau Maria geboren und so in die Welt eingeführt wurde. Gott hat Ihn öffentlich als solchen anerkannt. Schliesslich hat Er, der Mensch geworden ist, sich auch durch Toten-Auferstehung als Sohn Gottes in Kraft erwiesen (Joh 1,14.18; Lk 1,35; Ps 2,7; Heb 1,5.6; Röm 1,4). Das Verhältnis Vater – Sohn ist eine Beziehung der Liebe, und die Stimme des Vaters gibt sowohl bei der Taufe Jesu als auch auf dem heiligen Berg seiner Wonne Ausdruck, die Er an seinem Sohn fand: «Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe» (Mt 3,17; 17,5). Er ist «der Sohn seiner Liebe» (Kol 1,13).
Als Er auf die Erde kam, hat der Sohn den Vater offenbart. Dieser Name Gottes ist ein Name der Gnade, den wir nicht gekannt hätten, wenn der Sohn ihn uns nicht kundgemacht hätte. Das Herz Gottes hat sich geöffnet und uns einen göttlichen Gegenstand für seine Liebe gezeigt – seinen eingeborenen Sohn. Auch sehen wir, wie der Herr diesen Titel des Sohnes für sich beansprucht, wie Er seine Beziehung zu Gott als dem Vater bezeugt, die Er so sehr genossen hat. Wenn Er von Gott redet, so spricht Er nicht nur in einer absoluten Weise von Gott: Er führt Ihn als Vater ein bei denen, an die Er sich richtet, ob es nun seine Jünger oder die ungläubigen Juden waren, die sich die grosse Schuld aufluden, dass sie sowohl Ihn als auch seinen Vater hassten. Er redete nicht von Gott als dem Vater, wenn es um den Schöpfer ging, sondern dann, wenn Er die besondere Beziehung zu Ihm, seinem Sohn, hervorheben wollte. Jesus liebt es, so von seinem Gott zu reden und Ihn Vater zu nennen, und noch inniger sagt Er von Ihm: «mein Vater».
Der Vater findet seine Wonne in seinem Sohn, und der Sohn geniesst die Wonne im Schoss des Vaters, selbst als Mensch hier auf der Erde, in ununterbrochener Gemeinschaft mit Ihm. Er ist «der eingeborene Sohn, der im Schoss des Vaters ist», sowohl in der Ewigkeit als auch in der Zeit, als Er, das Fleisch gewordene Wort, auf der Erde wandelte. Wir hören Ihn als jungen Knaben sagen: «Ich muss in dem sein, was meines Vaters ist.»
Und wie oft liebte Er es im Verlauf seines Dienstes, diesen Namen, der Ihm so kostbar war, einzuführen! Er redet vom Willen seines Vaters; Er enthüllt die Gnade und die Liebe seines Vaters gegenüber den Kleinsten; Er redet von dem, was Er bei seinem Vater gesehen hat: Er ehrt seinen Vater durch Gehorsam, und sein Vater verherrlicht Ihn; Er handelt nur mit seinem Vater, er empfängt alles von seinem Vater und freut sich, zu seinem Vater in dessen Haus zurückzukehren. Sogar in Gethsemane, als der bittere Kelch vor Ihm war, betete Er zu seinem Vater, dass jener an Ihm vorübergehen möge; doch nimmt Er ihn an, aber aus den Händen seines Vaters. Welch heilige, Herzbewegende und tiefe Zuneigung in einem vollkommenen Gehorsam! Wie sollten wir uns nicht in Anbetung niederbeugen vor solchen Geheimnissen! Wenn Er auch durch die Stunden des Verlassenseins gehen musste, in denen Ihm das Angesicht seines Gottes verhüllt wurde, so fand Er sich, sobald der Kelch getrunken war, doch in ruhiger Glückseligkeit wieder bei seinem Vater ein, indem Er sagte: «Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.»
Ich habe mich etwas lange bei diesem Gegenstand aufgehalten – bei dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus –, weil es von so grosser Wichtigkeit für uns ist zu erkennen, was Gott für unseren kostbaren Heiland war. Auf diese Weise erwerben wir uns die wahre Erkenntnis Gottes für uns selbst. So hatte Paulus Gott kennen gelernt, nachdem sich ihm der Herr Jesus offenbart hatte. Doch hatte er noch mehr gelernt. Der Gott und Vater des Herrn Jesus Christus war auch sein Gott und sein Vater, wie Er auch der Gott und Vater all derer ist, die Jesus Christus als ihren Heiland und Herrn erkennen und Ihn von Herzen als den anrufen, der von den Toten auferstanden ist (Röm 10,9). In der Tat, die erste Botschaft, die der auferstandene Herr seinen Jüngern sandte, also denen, die an Ihn glaubten, lautete: «Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater und meinem Gott und eurem Gott» (Joh 20,17). So ist also der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus auch der Gott und Vater der Erlösten des Herrn. Jesus führt sie in dieselbe Stellung vor Gott ein, die Er selber einnimmt. Und der Gläubige darf wissen: mein Gott ist der Gott meines Heilandes; Er ist der Gott, den der Herr Jesus geliebt und dem Er gedient hat, auf den Er bis zum Tod vertraute und vor dem Er sich jetzt befindet. Auch ich kann sagen: «Gott, du bist mein Gott!»
Jesus führt die Erlösten auch in die gleiche Beziehung zu Gott ein, in der Er sich als Mensch befunden hat. Sein Vater ist ihr Vater. Sie sind geliebte Kinder (Eph 5,1). Es ist kostbar für uns, wie Paulus die Knie vor dem Vater unseres Herrn Jesus Christus zu beugen und Ihm zu sagen: «O Vater meines Herrn Jesus Christus, du bist auch mein Vater!»
Liebe Freunde, verkehren wir so mit Gott, in dem bewussten Genuss dessen, was Er für uns ist und was wir für Ihn sind? Dann begreifen wir den Herzenserguss des Apostels und können mit Ihm ausrufen: «Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus!» Die wirkliche Erkenntnis des Herzens bezüglich dessen, was Gott ist, bringt in der Seele Lob hervor. Das ist das Geheimnis des Gottesdienstes.