Gott lässt sich in seiner Gnade herab, für uns den Vorhang zu heben, der einst seine ewigen Ratschlüsse bezüglich der Menschen verhüllte, die Er eines Tages mit seiner eigenen Herrlichkeit und seiner eigenen Glückseligkeit vereinigen wollte. Jedoch gehört das Geheimnis der Auserwählung zu den «Tiefen Gottes», die nur der Geist erforschen kann (1. Kor 2,10). Daher benötigen wir seine Hilfe, um ein wenig in das Licht der Offenbarungen einzutreten, die Gott uns in seinem Wort über diesen Gegenstand gibt.
Dieses lehrt uns, dass uns Gott vor Grundlegung der Welt in Christus auserwählt hat, um aus uns seine geliebten Kinder zu machen, zu seinen Erben, zu Miterben Christi, und uns dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu gestalten. Aber in seiner vollkommenen Vorkenntnis aller Dinge wusste Gott, dass sich der Mensch gegen Ihn auflehnen würde. Es war somit in seinen ewigen Ratschlüssen eingeschlossen, dass Christus am Kreuz das Werk der Errettung vollbringen würde, damit sich seine Absichten bezüglich der Auserwählung trotz des Ungehorsams des Menschen erfüllen konnten. So war also beides, die Auserwählung und die Erlösung zur Verwirklichung der göttlichen Ratschlüsse erforderlich. Unzertrennlich miteinander verbunden, stellen sie die doppelte Grundlage dieses bewunderungswürdigen Vorsatzes Gottes gegenüber dem Menschen dar. Die eine wie die andere bringt seine unendliche Gnade ans Licht. Tatsächlich sind sowohl die Wahl des Auserwählten als auch dessen Errettung unverdiente Handlungen. Unergründliches Geheimnis der göttlichen Liebe, vor dem wir, ohne es zu verstehen, auf die Knie fallen und anbeten! Wie der Psalmist können wir sagen: «Der HERR hat Grosses an uns getan»(Ps 126,3).
Bevor wir in der Betrachtung dieses Geheimnisses weitergehen, möchten wir drei Bemerkungen machen:
- Erstens sei darauf hingewiesen, dass der Sohn, wie in allen Dingen, eins war mit dem Vater in seinen Ratschlüssen bezüglich unserer Erwählung und des Werkes der Erlösung. Soweit sie auch in die Annalen der Ewigkeit zurückreichen mögen, sind die Ratschlüsse der Gnade Gottes in Christus gefasst worden, wie sie auch in der Fülle der Zeit nur in Ihm ihre Erfüllung gefunden haben. Alle unsere Segnungen besitzen wir ausschliesslich in Ihm. Ausser Ihm haben wir nichts. Wenn also unsere Erwählung und unsere Berufung von Gott herrühren, so sind wir doch «in ihm» (in Christus) auserwählt und «in der Gnade Christi» berufen, was aus uns «Berufene Jesu Christi» macht (Eph 1,4; Gal 1,6; Röm 1,6).
- Zweitens weisen wir darauf hin, dass die Gläubigen der Gnadenzeit nicht als einzige Nutzniesser der Auserwählung sind, vielmehr sind es die aus allen Heilszeitaltern. Diese Wahl der göttlichen Gnade schliesst alle Auserwählten ein, von Adam an bis zum Ende des Reiches von Jesus Christus; die aus Israel wie auch die aus den Nationen. Wenn auch das Teil der Heiligen der verschiedenen Heilszeiten während der Ewigkeit verschieden sein wird, so sind sie doch alle geliebte Auserwählte Gottes, die in die Glückseligkeit und in die Herrlichkeit des ewigen Zustandes eingeführt werden, wo die Hütte Gottes bei den Menschen sein wird (Off 21,3-7).
- Drittens müssen wir wohl beachten, dass die Auserwählung und die Erlösung nur einen Teil des ewigen Ratschlusses Gottes darstellen. Dieser Ratschluss umfasst die Gesamtheit seiner Vorsätze und seiner Wege bezüglich aller Dinge, ob es nun Christus, die Kirche, Israel, die Nationen, die Schöpfung oder die Unbußfertigen, Satan und seine Engel betrifft. Gott hat von Ewigkeit her alles bei sich selbst festgesetzt, und nichts kann sich seinem souveränen Willen entziehen. «Sollte er sprechen und es nicht tun, und reden und es nicht aufrechterhalten?» 4. Mo 23,19). «Denn von ihm und durch ihn und für ihn sind alle Dinge; ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen» (Röm 11,36).
Unter den Stellen der Schrift, die den Gegenstand behandeln, der uns beschäftigt, gibt es deren drei, die wie eine Zusammenfassung des Ratschlusses Gottes bezüglich seiner Wege der Gnade gegenüber den Auserwählten sind, nämlich:
- 1. Petrus 1,2: «Auserwählt nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters, durch Heiligung des Geistes.»
- Römer 8,29.30: «Denn welche er zuvor erkannt hat, die hat er auch zuvor bestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Welche er aber zuvor bestimmt hat, diese hat er auch berufen; und welche er berufen hat, diese hat er auch gerechtfertigt; welche er aber gerechtfertigt hat, diese hat er auch verherrlicht.»
- 1. Korinther 6,11: «Aber ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt, aber ihr seid gerechtfertigt worden in dem Namen des Herrn Jesus und durch den Geist unseres Gottes.»
Gemäss seinem Ratschluss der Gnade hat uns Gott also
- Zuvor erkannt: Gott kannte von Ewigkeit her alle, die seine Auserwählten sein würden. Es ist «nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters», dass wir in Christus auserwählt sind. In dieser Vorkenntnis sehen wir die ersten Strahlen der väterlichen Liebe erglänzen: Es ist Gott, der Vater, der uns zuvor erkannt hat.
- Auserwählt: gewählt, namentlich bezeichnet. Gott hat unsere Namen vor Grundlegung der Welt in das Buch des Lebens des Lammes eingeschrieben (Off 21,27).
- Zuvor bestimmt: zum Voraus dazu bestimmt, die gegenwärtigen und zukünftigen Segnungen zu geniessen, die aus der Auserwählung und aus der Erlösung entspringen. Eine der herrlichsten wird unsere vollkommene Gleichförmigkeit mit dem Herrn Jesus sein.
- Berufen: Gott beruft uns durch das Evangelium (2. Thes 2,14). Aber diese «Berufung» ist nicht nur die Einladung, die Gott durch die Predigt des Evangeliums an den Sünder richtet, dieser Begriff bezeichnet auch die Gesamtheit der geistlichen Segnungen, die die himmlische Berufung Gottes denen bringt, die Ihm gehorchen.
- Geheiligt: abgesondert für Gott durch die Kraft des Heiligen Geistes. «Auserwählt … durch Heiligung des Geistes…» (1. Pet 1,2). «Gott hat euch von Anfang erwählt zur Errettung in Heiligung des Geistes» (2. Thes 2,13). «Auserwählt … dass wir heilig und untadelig seien vor ihm in Liebe» (Eph 1,4). «Aber ihr seid geheiligt … durch den Geist unseres Gottes» (1. Kor 6,11), da wir durch das Blut Christi von unseren Sünden gewaschen und dadurch für die Gegenwart Gottes passend gemacht sind. «Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blut» (Off 1,5). Alle unsere Sünden sind am Kreuz gesühnt worden, dort ist zwischen der göttlichen Gerechtigkeit und dem heiligen Opfer alles geregelt worden, so dass Gott von den Gläubigen sagen kann: «Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken» (Heb 8,12).
- Gerechtfertigt: für gerecht erklärt, bekleidet mit der Gerechtigkeit Christi, in Ihm zur «Gerechtigkeit Gottes» geworden. «Welche er berufen hat, diese hat er auch gerechtfertigt» (Röm 8,30).
- Verherrlicht: berufen, Anteil zu haben an der Herrlichkeit Gottes im Himmel. «Welche er aber gerechtfertigt hat, diese hat er auch verherrlicht» (Röm 8,30). «Gott, der euch zu seinem eigenen Reich und seiner eigenen Herrlichkeit beruft» (1.Thes 2,12).
Betrachten wir nun etwas näher, was uns das Wort über den Gegenstand der Auserwählung offenbart.
1. Was ist die Auserwählung?
Sie ist die freie, von Gott getroffene Wahl, aufgrund derer Er Menschen bezeichnet hat, die Er dazu bestimmt, teilzuhaben an seiner ewigen Herrlichkeit und Glückseligkeit. In seinem unumschränkten Ratschluss und in der Fülle seiner Gnade hat Er uns vor Grundlegung der Welt in Christus auserwählt, damit wir heilig und untadelig seien vor Ihm in Liebe (Eph 1,4).
Gott sah in seiner Allwissenheit voraus, wer das Heil annehmen würde. Die Er zuvor erkannte, hat Er aufgrund der Erlösung auserwählt und sie zur ewigen Herrlichkeit zuvor bestimmt. Somit hat Er in seiner Gnade alles ausserhalb von uns erfüllt, um uns vollkommen glücklich zu machen.
Diese Gefässe der Begnadigung hat Er zur Herrlichkeit zuvor bereitet (Röm 9,23). In sich selbst wären sie nur Gefässe des Zorns gewesen wie die übrigen und hätten von sich selbst aus nie Gott gesucht. «Da ist keiner, der Gott suche» (Röm 3,11). Ohne Auserwählung wären alle Menschen Satan gefolgt und hätten sein Los mit ihm geteilt, denn von Natur aus sind sie «Kinder des Zorns», freiwillig dem «Fürsten der Gewalt der Luft» unterworfen und Feinde Gottes «nach der Gesinnung in den bösen Werken» (Eph 2,2.3; Kol 1,21). Ohne Auserwählung würde niemand das Evangelium annehmen. Wie der Herr Jesus selbst gesagt hat, muss Gott den Sünder zu Ihm ziehen. «Niemand kann zu mir kommen, wenn der Vater, der mich gesandt hat, ihn nicht zieht» (Joh 6,44). Aber, kostbare Zusicherung für den Schuldigen, der zu Ihm kommt, Er sagt auch: «Alles, was mir der Vater gibt, wird zu mir kommen, und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstossen» (Vers 37). Das Heil all derer, die der Vater Ihm gegeben hat, ist gesichert. Welche Gnade, dass der Vater sie auserwählt hat, um sie dem Sohn zu geben und sie als geliebte Kinder in seine Gegenwart zu führen!
Doch ist es wichtig, daran zu erinnern, dass die Verantwortung des Menschen voll bestehen bleibt: Gott hat alles getan zu seinem Heil, denn Er will, «dass alle Menschen errettet werden» (1. Tim 2,4), aber Er zwingt niemand. Daher ist jeder Sünder verantwortlich, die ihm angebotene Gnade entweder anzunehmen oder auszuschlagen. Beim Verkündigen des Evangeliums, der guten Botschaft, muss man auch auf den Rechten des Herrn beharren, denn Er ist «aller Herr» (Apg 10,36). Wer Ihn als Heiland verwirft, weigert sich also gleichzeitig, seine universelle Oberherrschaft anzuerkennen. In dieser Beziehung ist der Mensch nicht «frei», die Rettung, die ihm Gott in Christus anbietet, geringzuschätzen; er verachtet sie nicht ungestraft: Tut er es dennoch, setzt er sich dem verdienten Gericht aus, das alle die erreichen wird, die heute wie damals erklären: «Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche!» (Lk 19,14).
Übrigens ist unser Geist unfähig, die geheimnisvolle Beziehung zu erfassen, die zwischen der Auserwählung aus Gnade und der Verantwortung des Menschen besteht, aber im Glauben und in heiliger Ehrfurcht nehmen wir an, was das Wort uns darüber offenbart. Einerseits hat Gott die auserwählt, die Er für die ewige Herrlichkeit bestimmt, und anderseits «gebietet er jetzt den Menschen, dass sie alle überall Buße tun sollen» (Apg 17,30). Von Anfang seines Dienstes hier auf der Erde an predigte der Herr Jesus mit Kraft eine gleichlautende Botschaft: «Tut Buße und glaubt an das Evangelium» (Mk 1,15). Der Mensch ist für seine Entscheidung gegenüber diesem Befehl verantwortlich, er kann gehorchen, d.h. glauben, oder auch nicht gehorchen, was ihn aber, wir wiederholen es, dem ewigen Gericht aussetzt. «Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben; wer aber dem Sohn nicht glaubt, wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm» (Joh 3,36). «Und dies ist sein Gebot, dass wir an den Namen seines Sohnes Jesus Christus glauben» (1. Joh 3,23).
Wir haben nicht die Absicht, diesen Gegenstand ausführlich zu behandeln, und die angeführten Stellen genügen, um die Verantwortung jedes Menschen gegenüber seiner Rettung aufzuzeigen, ohne dass diese Verantwortung durch den Ratschluss Gottes bezüglich der Auserwählung in irgendwelchem Mass gemildert würde. Aber an diese Verantwortung des Sünders, die Gnade anzunehmen, ist auch die eigene Verantwortung von uns Gläubigen geknüpft, die frohe Botschaft des Heils um uns her zu verbreiten und für die zu beten, die den Herrn Jesus noch nicht als ihren Heiland kennen. Wir sollen sogar, gemäss der Ermahnung des Herrn, die Menschen «nötigen, hereinzukommen» (Lk 14,23). Hat Er nicht zu den seinen gesagt, bevor Er sie verliess: «Geht hin in die ganze Welt und predigt der ganzen Schöpfung das Evangelium», und: «Ihr werdet meine Zeugen sein … bis an das Ende der Erde»? (Mk 16,15; Apg 1,8). «Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkündigte!», rief der Apostel aus (1. Kor 9,16). Möchten wir uns also unserer Verantwortung gegenüber den verlorenen Seelen bewusst sein und daran denken, dass wir alle Gesandte für Christus sind (2. Kor 5,20)!
2. Wann hat uns Gott auserwählt?
Das Wort antwortet auf diese Frage, indem es drei ähnliche Ausdrücke gebraucht:
- «vor Grundlegung der Welt» (Eph 1,4)
- «vor ewigen Zeiten» (2. Tim 1,9; Tit 1,2)
- «von Anfang» (2. Thes 2,13)
Gott hat also diesen Ratschluss der Gnade in der Ewigkeit gefasst. In seiner souveränen Weisheit hat Er, bevor die Welt entstand, einen bewunderungswürdigen Plan gefasst, der jeden der Auserwählten betraf, und entsprechend diesem Ratschluss beruft Er sie zu der von Ihm festgesetzten Stunde. «Dies zeigt, dass wir in den Ratschlüssen Gottes zu einem System gehören, das Er in Christus aufgerichtet hat, bevor die Welt bestand, ein System, das nicht von der Welt ist, solange diese besteht, und das bestehen bleibt, wenn die Gestalt dieser Welt vergangen sein wird. Unser Platz in Christus ist uns gegeben worden, bevor die Welt existierte» (J.N. Darby). Obwohl dieses Geheimnis in seinem ganzen Ausmass erst offenbart werden konnte, nachdem der Herr das Werk am Kreuz vollbracht hatte, wirft die Schrift doch im Alten Testament einige Lichtstrahlen auf den Ratschluss Gottes, um ihn anzukündigen. So ruft David aus: «Glückselig der, den du erwählst und herzunahen lässt, dass er in deinen Vorhöfen wohne! Wir werden gesättigt werden mit dem Guten deines Hauses, dem Heiligen deines Tempels» (Ps 65,5). Diese Stelle enthält wie eine zum Voraus gegebene, wenn auch unvollständige Offenbarung der Auserwählung («den du erwählst»), der Berufung («den du … herzunahen lässt») und der Einführung in die Herrlichkeit («dass er in deinen Vorhöfen wohne»). Aber erst das Neue Testament gibt uns eine vollständige Enthüllung dieses Geheimnisses.
Gottes eigene Gnade ist uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben worden, schreibt Paulus an Timotheus (2. Tim 1,9), und am Anfang seines Briefes an Titus redet er von «der Hoffnung des ewigen Lebens, das Gott, der nicht lügen kann, verheissen hat vor ewigen Zeiten» (Tit 1,2). Die Errettung, die Gnade, die Hoffnung des ewigen Lebens sind uns vor Grundlegung der Welt gegeben oder verheissen worden, denn sie sind mit unserer Auserwählung unauflöslich verbunden. Wie diese kommen sie aus den Entschlüssen hervor, die Gott in den unergründlichen Tiefen der Ewigkeit gefasst hat.
Diese Offenbarung bringt unserer Seele eine Gewissheit und einen Frieden, die unerschütterlich sind. Welche Macht könnte solche Ratschlüsse und ein solches Werk zerstören? Der Plan Gottes, der vor ewigen Zeiten in Christus gefasst und festgesetzt worden ist, bleibt völlig unantastbar für zeitliche Einwirkungen: Er ist ausserhalb und über der Welt wie auch über der Zeit, wenn er sich teilweise auch in der Welt und in der Zeit erfüllte, als Christus offenbart wurde. Entsprechend seiner vollkommenen Erkenntnis der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft hat Gott alles beschlossen, von Ewigkeit zu Ewigkeit, in Übereinstimmung mit seinem Geliebten, zu seiner eigenen Herrlichkeit. Seine Gedanken werden ihre volle Erfüllung finden, denn sie kommen von dem Gott her, «der nicht lügen kann», und sie sind alle in Christus gegründet. «So viele der Verheissungen Gottes sind, in ihm (Christus) ist das Ja und in ihm das Amen, Gott zur Herrlichkeit durch uns» (2. Kor 1,20).
3. Was ist die Grundlage der Auserwählung?
Das Wort verwendet in diesem Zusammenhang drei verschiedene Begriffe, obwohl sie eng miteinander verbunden sind:
- der Wille Gottes
- der Beschluss dieses Willens
- Seine Gnade
Alle drei kommen aus der Unumschränktheit Gottes hervor, der Licht und Liebe ist.
Der «Wille Gottes» ist – so könnte man sagen – der eigentliche Ursprung des Ratschlusses, den Er von sich aus in der Ewigkeit bezüglich der Ewigkeit gefasst hat: Gott hat diesen wunderbaren Plan «nach dem Wohlgefallen seines Willens … nach dem Rat seines Willens» entworfen (Eph 1,5.11). «Wer hat den Sinn des Herrn erkannt, oder wer ist sein Mitberater gewesen?» (Röm 11,34).
Dieser Wille Gottes ist tatsächlich durch eine Entscheidung zum Ausdruck gekommen, die seiner Absicht entspricht. Die Schrift nennt sie «seinen Vorsatz» (Röm 8,28), den «Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Rat seines Willens» (Eph 1,11), «seinen eigenen Vorsatz» (2. Tim 1,9).
Gott hat diesen Vorsatz – mit dem wir uns sogleich näher beschäftigen werden – in seiner unaussprechlichen Gnade gefasst und ausgeführt. «Nach … der Gnade, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben, jetzt aber offenbart worden ist durch die Erscheinung unseres Heilandes Jesus Christus» (2. Tim 1,9.10).
Das Wort lässt uns also die Einheit der dreifachen Grundlage – der Wille Gottes, der Vorsatz dieses Willens und seine Gnade – erkennen, auf der unsere Auserwählung ruht.
Dass die Wahl Gottes vor unserer Geburt, ja sogar vor Grundlegung der Welt getroffen wurde, gibt seiner Gnade einen ganz besonderen Glanz. Man könnte sich keine bedingungslosere Gnade vorstellen: Trotz allem was wir sein und tun würden, hat Gott in der Ewigkeit den unwiderruflichen Entschluss gefasst, aus uns seine Auserwählten zu machen und uns eines Tages die Segnungen zu verleihen, die mit diesem Titel verbunden sind. Angesichts seines so herrlichen Ratschlusses können wir die Worte Jesajas auch auf uns anwenden: «HERR, du bist mein Gott; ich will dich erheben, preisen will ich deinen Namen; denn du hast Wunder gewirkt, Ratschlüsse von fern her, Treue und Wahrheit» (Jes 25,1), und dürfen sogar darüber hinaus gehen, denn es ist der Ratschluss Gottes, in seiner ganzen Fülle und seiner unendlichen Einheit, womit das Neue Testament unsere Seele beschäftigen will.
Was wir soeben betrachtet haben, lässt die drei Eigenschaften der göttlichen Gnade hervortreten:
- Sie ist souverän, selbständig. Nur aufgrund seines eigenen Ratschlusses hat uns Gott auserwählt, in vollkommenem Einklang mit dem Sohn. Er hat nur mit sich selbst Rat gehalten. Niemand darf das Wort gegen Ihn nehmen (Röm 9,20) und zu Ihm sagen: «Was tust du?» (Hiob 9,12). Seine Auswahl ist «nach Wahl der Gnade» (Röm 11,5).
- Diese Gnade ist auch bedingungslos. Gott hat unsere Auserwählung tatsächlich keiner Bedingung unterstellt. Wäre es anders gewesen, könnten wir uns nur eines sehr mangelhaften Friedens erfreuen, denn unsere Auserwählung und folglich auch unsere Errettung wären dann von der Beobachtung der gestellten Bedingungen abhängig gewesen. Nein, der Ratschluss Gottes ist auf ewig in Christus fest gegründet.
- Schliesslich ist die Gnade unverdient. Diese dritte Eigenschaft berührt unsere Herzen tief, denn sie stellt die Tatsache ins Licht, dass sich Gott in seiner Wahl nicht aufhalten liess durch die völlige Verdorbenheit und Unwürdigkeit, die die kennzeichnen würden, an denen Er seine Gnade gross machen wollte, indem Er sie zum Heil und zu seiner Herrlichkeit zuvor bestimmte. Diese Verdorbenheit und diese Unwürdigkeit, die Gott zum Voraus kannte, unterstreichen nur die Gnade, auf die unsere Auserwählung gegründet ist.
Was sollen wir zu diesen wunderbaren Dingen sagen? Gott hat seine Blicke nur darum auf uns gerichtet, weil Er es so gewollt hat. Er hat sich nach seinem Wohlgefallen dazu entschlossen, ohne dass Ihn etwas in uns oder in der Welt dazu gezwungen oder auch nur geneigt gemacht hätte (Röm 11,34). Er hat uns auserwählt, so wie wir sein würden: als Sünder, ja sogar als Feinde, ohne jegliche Verdienste. Alle Herrlichkeit fällt auf Ihn allein zurück und wir können vor seiner unergründlichen Gnade nur in Anbetung niederfallen.