Die ersten Jünger des Herrn Jesus

Johannes 1,35-51

«Siehe, das Lamm Gottes!» Zwei Jünger von Johannes dem Täufer hören diesen bewundernden Ausruf ihres Meisters, verlassen ihn und wenden sich Jesus zu. Sie folgen Dem nach, der das Lamm ist. – So wird einmal der Überrest Israels dem Lamm in jungfräulicher Zuneigung folgen, wohin irgend es geht (Off 14,4). Paulus wollte die Korinther als keusche Jungfrau dem Christus darstellen, damit sie Ihm in Einfalt anhingen (2. Kor 11,2). Folgen wir dem Lamm ebenfalls mit ungeteiltem Herzen?

«Was sucht ihr?» Diese Frage des Herrn, der sich den beiden Jüngern zuwendet, dringt als nächstes an ihr Ohr. Später kamen Menschen zu Ihm, die Heilung für sich selbst oder für Angehörige suchten, andere, um Antworten auf theologische Fragen zu bekommen, und wieder andere, um die Plätze zu seiner Rechten und Linken zu ergattern. Haben wir nicht manchmal auch selbstsüchtige Anliegen? Aber was suchten diese zwei Jünger?

«Rabbi, wo hältst du dich auf?», antworten sie auf die Frage des Herrn. Sie wünschen nicht etwas von Ihm, sie wollen einfach bei Ihm sein. Wie muss dieser Wunsch den Herrn gefreut haben! Später bestellte Er die Zwölf, damit sie als Erstes bei Ihm seien (Mk 3,14). Suchen wir auch die Gemeinschaft mit dem Herrn und schätzen wir sie über alles?

«Kommt und seht!», lautet seine Antwort auf ihre Frage. Er konnte keine Adresse angeben, denn Er hatte – anders als die Füchse und die Vögel – keinen festen Platz, wo Er sein Haupt niederlegen konnte (Mt 8,20). Einst hatte Er zu seiner Mutter gesagt: «Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?» Da war Er stets, und wer sich bei Ihm aufhielt, lernte den Vater kennen. Gerade dies ist ein grosses Thema des Johannes-Evangeliums. Heute ist der Herr Jesus zur Rechten Gottes verherrlicht. Alles, was erstrebenswert ist, ist dort zu finden. Darum werden wir aufgefordert: «Sucht, was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes» (Kol 3,1).

Es ist um die zehnte Stunde, als sie zu Ihm kommen. Einer von ihnen scheint der Schreiber des Evangeliums selbst gewesen zu sein. Er schrieb es erst in hohem Alter nieder, aber er hat die Stunde nie vergessen, in der er Jesus Christus zum ersten Mal begegnet ist. Manche Gläubige kennen genau die Stunde ihrer Bekehrung. Aber selbst wenn man sie nicht weiss – eine solche Stunde muss es geben, damit man ein Nachfolger des Herrn werden kann.

Der andere ist Andreas. Er wird hier als der Bruder von Simon Petrus vorgestellt, der unter den ersten Christen wohl der bekanntere war. Vielleicht spricht man von dir auch «nur» als Bruder oder Schwester von einer bekannteren Person. Sei nicht eifersüchtig. Füll den Platz aus, den der Herr dir gegeben hat.

Andreas macht sich an dem Tag, an dem er dem Herrn begegnet ist, auf die Suche nach anderen, um sie zum Herrn zu führen. Das tat er auch zwei Jahre später noch, als er den Griechen half, zu Jesus zu kommen (Joh 12,22). Haben auch wir uns vom Tag unserer Bekehrung an bis heute bemüht, andere zu Jesus zu führen?

Er findet zuerst seinen Bruder Simon. Auch unser Zeugnis sollte bei unseren Verwandten und Bekannten beginnen, in unserer direkten Umgebung. Der Missionsauftrag an die Apostel zeigt dasselbe Prinzip (Apg 1,8).

«Wir haben den Messias gefunden.» So lautet das kurze und klare Zeugnis, das Andreas seinem Bruder gibt. Auf diesen Messias haben die Juden gehofft (Eph 1,12) und einige haben auf Erlösung durch Ihn gewartet (Lk 2,38). Andreas ist sich ganz sicher. Auch unser Zeugnis darf so sicher und bestimmt sein, weil es der Wahrheit entspricht.

Dann führt er ihn zu Jesus. Noch einmal die Reihenfolge: Er suchte ihn – er fand ihn – er bezeugte ihm den Messias – er führte ihn zu Jesus. Möchte uns dies auch öfters geschenkt sein. Wie oft ist diese Kette unvollständig!

Jesus blickt Simon an. Sicher war es ein Blick voll Liebe, so wie der Herr auch den reichen Jüngling anblickte und ihn liebte (Mk 10,21). Später lesen wir in Gottes Wort noch einmal, dass der Herr Simon Petrus anblickte – nachdem er Ihn dreimal verleugnet hatte (Lk 22,61). Dieser Blick brachte Petrus zur Besinnung. Möchte es auch uns bewusst sein, dass der Herr stets auf uns sieht.

«Du bist Simon, der Sohn Jonas, du wirst Kephas heissen.» So spricht der Herr Simon an, ohne dass dieser Ihm von Andreas vorgestellt worden ist. Sicher brannte Petrus die Frage auf den Lippen, ob Jesus wirklich der Messias sei, wie sein Bruder behauptete. Aber bevor dieser impulsive Mann etwas sagen kann, sagt der Herr ihm, wer er ist. Simon muss klar geworden sein: Wenn der Herr seinen Namen und den Namen seines Vaters kannte, dann war Er der Messias, der alles von ihm wusste. Aber Jesus Christus kannte nicht nur die Vergangenheit von Simon, sondern auch seine Zukunft als Kephas. Wenn Petrus später sagt: «Herr, du weisst alles», so ist er sich dieser Tatsache bewusst (Joh 21,17). Der Herr kennt auch uns ganz und gar. Da Er uns liebt, ist dies ein tröstlicher Gedanke.

In dem bisher betrachteten Abschnitt hat der Schreiber Johannes, geleitet durch den Heiligen Geist, drei hebräische Wörter (Rabbi, Messias und Kephas) für die Leser des Buches übersetzt, die nicht Hebräisch verstehen. Wenn wir mit Ungläubigen über den Glauben sprechen, sollten wir uns ebenfalls eines Vokabulars bedienen, das diese verstehen können.

Am folgenden Tag will der Herr nach Galiläa aufbrechen, doch da ist noch Philippus, den Er finden muss. Wie reagieren wir, wenn wir etwas vorhaben und uns dann jemand aufhält? Sind wir nicht oft ungeduldig und lassen das den anderen spüren? Nicht so der Herr.

Ein mit Autorität gesprochenes «Folge mir nach» macht Philippus zu einem Jünger des Herrn. Auch der Zollbeamte Matthäus wurde so in die Nachfolge des Herrn gerufen (Mt 9,9). Er und Philippus sind dem Aufruf des Herrn sogleich gefolgt. Ein anderer hat gezögert (Mt 8,21.22) und der reiche Jüngling folgte dem Aufruf des Herrn nicht (Mt 19,16-22). Bist du dieser Aufforderung des Herrn nachgekommen?

Philippus ist wie Andreas und Petrus aus Bethsaida. Wie schön, wenn es an einem Ort mehrere Gläubige gibt. Ist dies nicht immer ein Indiz dafür, dass der Herr an diesem Ort ein Zusammenkommen als Versammlung im Auge hat? Sind wir offen für diesen Wunsch des Herrn?

Der vom Herrn gefundene Philippus findet sogleich Nathanael. Darin gleicht er Andreas, der seinen Bruder Simon fand. Wie beeindruckt müssen diese ersten Jünger vom Herrn gewesen sein, dass sie sofort anderen von Ihm erzählten! Ist das bei uns auch so?

Andreas hat mit wenigen Worten das Wesentliche gesagt. Seine Aussage ist kurz und bündig: «Wir haben den Messias gefunden.» Philippus braucht mehr Worte, gibt aber auch mehr Einzelheiten an, wie z.B. den Wohnort des Herrn. Wir sind alle verschieden. Der Herr möchte jeden mit seinen Veranlagungen und Fähigkeiten gebrauchen.

Nazareth ist das Stichwort für Nathanael. Er hat Vorurteile. Simon scheint Andreas gegenüber keine Einwände vorgebracht zu haben. Nathanael ist kritischer. Auch wir können nicht erwarten, dass jeder, dem wir das Evangelium sagen, sich gleich bekehrt.

Aber Philippus gibt nicht auf. «Komm und sieh», fordert er Nathanael auf. Ob er von den ersten zwei Jüngern gehört hatte, dass der Herr sie gerade mit diesen Worten veranlasst hatte, bei Ihm zu bleiben? Wir können auf jeden Fall von Jesus Christus lernen, wie wir Menschen für Ihn gewinnen können.

«Siehe, wahrhaftig ein Israelit, in dem kein Trug ist», so empfängt der Herr den skeptischen Nathanael. Er sieht die Aufrichtigkeit im Herzen dieses Mannes. Kritische, aber ehrliche Menschen sind dem Reich Gottes oft näher als oberflächliche oder heuchlerische Ja-Sager. Wir wollen die Flinte nicht gleich ins Korn werfen, wenn Menschen unseren evangelistischen Bemühungen mit einer gewissen Reserve begegnen.

Die anerkennenden Worte des Herrn Jesus sind keine Schmeichelei. «Woher kennst du mich?», fragt Nathanael, erstaunt über die Feststellung des Herrn. So wie Jesus den Namen von Simon und dessen Vater kannte, so kannte Er das Wesen dieses Mannes. Nichts ist vor Ihm verborgen.

Der Herr kennt aber nicht nur das Innere von Nathanael, Er weiss auch, wo er zuvor gewesen ist. Er ist der Allwissende, wie uns die ersten Verse von Psalm 139 zeigen. Für David war diese Erkenntnis nicht beängstigend. Ist sie es für uns?

Der Beweis seiner Allwissenheit, den der Herr gegeben hat, genügt Nathanael, seine Vorbehalte aufzugeben. Voller Bewunderung ruft er aus: «Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König Israels.» Er hat im Glauben erfasst, was Johannes der Täufer bereits von Jesus gesagt hat, dass Er der Sohn Gottes ist, der Messias, so wie Er im zweiten Psalm vorgestellt wird.

Der Herr, erfreut über diesen Glauben, verspricht ihm, dass er Grösseres sehen würde. Echter Glaube findet immer das Wohlgefallen Gottes und wird stets von Ihm belohnt (Heb 11,6).

So manche Herrlichkeiten des Herrn sind im ersten Kapitel des Johannes-Evangeliums bis dahin schon angeführt worden:

  • Er ist das ewige Wort, durch das alles geschaffen worden ist
  • In Ihm ist das Leben, das das Licht der Menschen ist
  • Er ist der Eingeborene vom Vater, voller Gnade und Wahrheit
  • Er ist Der, der mit Heiligem Geist tauft
  • Er ist der Sohn Gottes, der Messias

All diesen Herrlichkeiten fügt der Herr noch eine hinzu. Er ist auch der Sohn des Menschen, wie Er uns in Psalm 8 vorgestellt wird. Die Herrlichkeit des Sohnes des Menschen ist eine grössere als die des Messias. Als Messias ist Er der König Israels, als Sohn des Menschen ist Ihm dagegen die ganze Schöpfung unterworfen.

Einst hatte Jakob auf der Flucht in einem Traumgesicht die Engel Gottes auf einer Leiter auf- und niedersteigen sehen (1. Mo 28,12). Im Tausendjährigen Reich wird einmal eine solch wunderbare Verbindung zwischen Himmel und Erde bestehen. Aber als der Herr Jesus als Mensch hier lebte, gab es diese Verbindung des Himmels zu Ihm auf der Erde bereits, denn in Ihm war das Reich Gottes schon mitten unter den Menschen (Lk 17,21).

Welch einen herrlichen Abschluss hat dieses Kapitel! Möchten wir – wie die ersten Jünger – tief beeindruckt von der Herrlichkeit des Herrn, Ihm von Herzen folgen, Ihn bezeugen und Ihn immer besser kennen lernen.