Das zweite Buch Mose ist das Buch der Erlösung. Das Volk Israel befand sich in der Knechtschaft des Pharaos in Ägypten. Ägypten ist für uns – im Licht des Neuen Testaments – ein Bild der Welt. In Pharao sehen wir den Fürsten dieser Welt, den Teufel. Von Geburt an befindet sich jeder Mensch – ob er es wahr haben will oder nicht – in seiner Gewalt. Er lebt in seinem Machtbereich und muss seinen Willen tun. Doch Gott sei Lob und Dank! So wie Israel einst aus der Sklaverei in Ägypten befreit wurde, gibt es heute Befreiung aus der Macht Satans. Gott kündigte seinem Volk an, dass Er es aus Ägypten herausführen wollte. Später erinnerte Er es immer wieder an diese gewaltige Tatsache. Selbst die Propheten sprachen Jahrhunderte später immer noch davon.
Zweierlei war nötig, um Israel aus dem Land Ägypten herauszuholen. Zuerst wurde das Passah geschlachtet (2. Mo 12). Das Blut des Lammes schützte sie vor dem gerechten Gericht Gottes. Dann zogen sie durch das Rote Meer (2. Mo 14). So entkamen sie dem Zugriff Pharaos und seiner Soldaten. Beide Bilder sprechen vom Tod des Herrn Jesus. Er ist einerseits für uns gestorben, um uns vor dem gerechten Gericht Gottes zu schützen. Wir haben die Vergebung unserer Sünden durch sein Blut. Das Gericht, das wir verdient hatten, hat Ihn für uns getroffen. Das ist Stellvertretung. Aber anderseits ist Er auch für uns gestorben, um uns aus der Macht Satans zu befreien. Sein Tod war nötig, um dies zu bewirken.
Die Erinnerung an den Auszug aus Ägypten sollte im Volk Israel lebendig erhalten bleiben. Sie sollten es nie vergessen. Genauso wenig sollten wir vergessen, was mit uns geschehen ist. Die Tatsache, dass der Herr Jesus «alle die befreite, die durch Todesfurcht das ganze Leben hindurch der Knechtschaft unterworfen waren» (Heb 2,15), sollte uns jeden Tag lebendig vor Augen stehen. Wir kommen einmal in der Woche zum Gedächtnismahl des Herrn zusammen, um seinen Tod zu verkündigen. Diese Zusammenkunft der örtlichen Versammlung zum Brotbrechen ist wichtig. Doch es wäre zu wenig, nur einmal in der Woche an unseren Erlöser zu denken. Gott möchte, dass das Geschehen von Golgatha täglich vor uns steht und wir unserem Herrn jeden Tag in unserem Leben für das danken, was Er getan hat.
Ein kurzer Text aus 2. Mose 6 soll uns helfen, einige Aspekte dessen, was Gott mit uns getan hat, greifbarer zu machen. Nachdem Mose und Aaron – beide sprechen im Bild vom Herrn Jesus – den Auftrag bekommen haben, zum Pharao zu gehen, gibt Gott durch diese beiden Männer seinem Volk eine besondere Ermutigung. Er lässt ihnen ausrichten:
«Ich bin der HERR, und ich werde euch herausführen unter den Lastarbeiten der Ägypter weg und werde euch erretten aus ihrem Dienst und euch erlösen mit ausgestrecktem Arm und durch grosse Gerichte. Und ich will euch annehmen mir zum Volk und will euer Gott sein; und ihr sollt erkennen, dass ich der HERR, euer Gott, bin, der euch herausführt unter den Lastarbeiten der Ägypter weg. Und ich werde euch in das Land bringen, das Abraham, Isaak und Jakob zu geben ich meine Hand erhoben habe, und werde es euch zum Besitztum geben, ich, der HERR» (2. Mo 6,6-8).
Zunächst fällt auf, wer zu dem Volk spricht. Es ist der HERR. Unter diesem Titel hatte Gott sich kurze Zeit vorher Mose im brennenden Dornbusch offenbart. Er hatte ihm klar gemacht, dass Er der Unwandelbare, der Unveränderliche ist. Dieser ewige Gott, der sich nicht verändern kann, spricht jetzt zu seinem Volk. Es sind Worte, die Mut machen.
Der Text enthält einige Details, die zeigen, was Gott mit seinem irdischen Volk tun wollte. Für Israel war es damals noch Zukunft. In der Anwendung auf uns denken wir daran, was Gott mit uns getan hat. Es ist Vergangenheit, für die wir nur danken können.
1) Ich werde euch herausführen
Israel befand sich in Ägypten. Dieses Land war für sie wie ein Gefängnis. Sie hatten keine Möglichkeit, von sich aus dieses Land zu verlassen. Der Bericht im zweiten Buch Mose zeigt uns, wie der Pharao alles aufbrachte, um das Volk Israel daran zu hindern, Ägypten zu verlassen. In 5. Mose 4,20 vergleicht Gott die Situation in Ägypten mit einem eisernen Schmelzofen, aus dem Er sie herausgeführt hatte.
Unsere Situation war keine andere. Wir waren Gefangene des Teufels. Wir hatten keine Möglichkeit, uns irgendwie selbst zu helfen. Wir befanden uns in der Finsternis. Tiefer nach unten konnte es nicht gehen. Wir brauchten jemand, der uns aus der Tiefe des Elends und der Not herausbrachte. Das konnte niemand anders als der Herr Jesus tun. Nach dem Ratschluss Gottes ging Er nach Golgatha. Dort hat Er am Kreuz die Grundlage gelegt, damit Menschen aus dem Elend herauskommen konnten (und immer noch herauskommen können). Paulus erinnert uns im Galater-Brief daran, dass wir aus der gegenwärtigen bösen Welt herausgenommen sind, und zwar nach dem Willen unseres Gottes und Vaters (Gal 1,4). Petrus schreibt davon, dass wir «aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht» berufen worden sind (1. Pet 2,9). Der Wechsel könnte nicht grösser sein: aus der tiefsten Tiefe zur höchsten Höhe.
2) Ich werde euch erretten
Errettung hat in der Bibel eine weite Bedeutung. Allgemein will Gott damit zeigen, dass Er Menschen aus einer bestimmten Gefahr herausbringt. Für das Volk Israel war es die Gefahr, im Land Ägypten unter der Sklaverei des Pharaos elend zugrunde zu gehen. Aus dieser Gefahr mussten sie errettet werden. Als sie dann auszogen, sehen wir, wie Pharao mit aller Macht versuchte, sie daran zu hindern, das rettende Ufer des Schilfmeers zu erreichen.
Im Neuen Testament wird die Errettung der Christen eine «grosse Errettung» (Heb 2,3) genannt. Die grösste Gefahr, in der jeder Mensch sich befindet, ist die, ewig verloren zu gehen. Deshalb haben wir Rettung nötig. Diese ist untrennbar mit dem Erretter verbunden. So wie Mose sein Volk durch das Rote Meer hindurch führte und rettete, sind wir durch den Tod des Herrn Jesus gerettet. Das war eine Voraussetzung für die Erfüllung des Ratschlusses Gottes.
Paulus schreibt den Kolossern: «Der uns errettet hat aus der Gewalt der Finsternis und versetzt hat in das Reich des Sohnes seiner Liebe» (Kol 1,13). Einst waren wir in grösster Gefahr. Jetzt sind wir in Sicherheit.
In seinem letzten Brief erinnert Paulus Timotheus daran, dass Gott uns «errettet hat und berufen mit heiligem Ruf, nicht nach unseren Werken, sondern nach seinem eigenen Vorsatz und der Gnade, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben» ist (2. Tim 1,9). Die Macht des Feindes kann uns nichts mehr antun. Wir sind für Zeit und Ewigkeit gerettet.
3) Ich werde euch erlösen
Erlösung und Errettung sind nahe verwandt. Dennoch sind die beiden Begriffe nicht identisch. Errettung hat mit einer Gefahr zu tun, aus der jemand gerettet wird. Erlösung ist die Befreiung aus einer Bindung, in der sich jemand befindet. In Ägypten war das Volk Israel kein freies Volk. Sie konnten nicht tun und lassen, was sie wollten. Sie waren Sklaven des Pharaos und mussten seinen Willen tun. Deshalb brauchten sie Erlösung. Dazu war die Kraft Gottes erforderlich, die uns im ausgestreckten Arm vorgestellt wird.
Mit uns war es nicht anders. Von Natur taten wir den Willen des Teufels. Wir brauchten Erlösung aus den Ketten des Teufels und der Sünde, in denen wir gebunden waren.
So wie es ohne einen Erretter keine Errettung gibt, so gibt es keine Erlösung ohne den Erlöser. Unser Erlöser ist der Herr Jesus. In Römer 3,24 heisst es, dass wir umsonst gerechtfertigt werden «durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist». Ohne Christus keine Erlösung. Epheser 1,7 erinnert uns an den Preis, der bezahlt wurde: «In dem (Jesus Christus) haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Vergehungen, nach dem Reichtum seiner Gnade» (vgl. 1. Pet 1,18.19). Mit dem Liederdichter sagen wir dankbar: «Welch Glück ist’s erlöst zu sein, Herr, durch dein Blut.»
4) Ich will euch annehmen
Bisher hatte sich Gott mit dem beschäftigt, was für das Volk Israel in Ägypten vorrangig war. Sie brauchten eine Lösung ihres Problems: Befreiung aus der Knechtschaft. Gott hatte sie herausgenommen, Er hatte sie gerettet und erlöst. Aber Gott wollte mehr tun. Er löste nicht nur das unmittelbare Problem, sondern wollte sie auch zu sich bringen. Sie sollten sein Volk sein. In 2. Mose 19,4 erinnert Gott sie daran, dass sie gesehen hatten, was Er an den Ägyptern getan hatte und wie Er sie zu sich gebracht hatte. Dreimal spricht Gott davon, dass Israel sein Eigentumsvolk sein sollte (5. Mo 7,6; 14,2; 26,18). Besonders zu Herzen gehend ist der Appell Gottes in 5. Mose 7,7.8: «Nicht weil ihr mehr wäret als alle Völker, hat der HERR sich euch zugeneigt und euch erwählt; denn ihr seid das geringste unter allen Völkern; sondern wegen der Liebe des HERRN zu euch.» Können wir dies nicht auf uns übertragen?
Wir sind ebenfalls zu Gott gebracht. Er hat uns angenommen. Epheser 1 sagt, dass wir Söhne Gottes sind. Unsere Annahme geht unendlich weiter als die Annahme des Volkes Israel. Dennoch wird der Begriff «Eigentumsvolk» auch im Neuen Testament auf uns angewandt. In Titus 2,14 heisst es: «Der sich selbst für uns gegeben hat, damit er uns von aller Gesetzlosigkeit loskaufte und sich selbst ein Eigentumsvolk reinigte, das eifrig sei in guten Werken.» Petrus schreibt: «Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, eine heilige Nation, ein Volk zum Besitztum» (1. Pet 2,9). So wie Israel aus Ägypten herauszog, um Gott zu dienen, sind wir heute dazu berufen, Gott als heilige und königliche Priester zu dienen. Das umfasst sowohl Lob und Dank als auch ein freudiges Zeugnis für Ihn in der Welt.
5) Ich will euer Gott sein
Es ist eine Sache, daran zu denken, was wir für Gott sind und was wir für Ihn tun können. Es ist eine andere Sache, damit beschäftigt zu sein, was Gott für uns sein will. Seinem irdischen Volk gab Er die Zusage, dass Er ihr Gott sein wollte. Im Lauf ihrer Geschichte hat Gott sie später immer wieder daran erinnert, dass Er ihr Gott war. Hier sagt Er es zum ersten Mal zu seinem Volk. Trotz aller Untreue des Volkes Israel blieb Gott treu. Obwohl Er in seinen Regierungswegen sein Volk oft strafen musste, wird Er am Ende zu seinem Ziel kommen und im Tausendjährigen Reich tatsächlich als ihr Gott anerkannt werden (vgl. z.B. Hes 36,28).
Wir kennen Gott nicht nur als den Allmächtigen, Allwissenden und Allgegenwärtigen. Wir kennen Ihn nicht nur als den starken und unveränderlichen Gott. Das Neue Testament gibt uns eine ganz andere – im Alten Testament unbekannte – Sichtweise. Es war der auferstandene Herr, der seinen Jüngern sagen liess: «Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater und meinem Gott und eurem Gott» (Joh 20,17). Israel wird einmal wie Thomas sagen: «Mein Herr und mein Gott!» (Joh 20,28). Wir reden mit glücklichem Herzen von dem «Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus» (2. Kor 1,3; Eph 1,3; 1. Pet 1,3). Das geht unendlich viel weiter. Im Herrn Jesus ist Gott unser Vater geworden. Wir sind seine Kinder, weil wir aus Ihm geboren sind. Wir sind seine Söhne, weil Er uns als solche angenommen (adoptiert) hat. Als seine Kinder und Söhne haben wir Gemeinschaft mit Ihm. Wir sind in der Lage, seine Gedanken über seinen geliebten Sohn mit Ihm zu teilen.
6) Ich werde euch in das Land bringen
Als Gott seinem Volk diese Zusage gab, lag die Reise nach Kanaan vor ihnen. Sie wussten nicht, dass es 40 Jahre dauern würde, bis sie das Land tatsächlich erreichten. Die Wüstenreise dauerte wegen des Unglaubens des Volkes so lange, und weil es sich immer wieder gegen Gott stellte. Dennoch hat Er seine Zusage wahrgemacht. Schon vorher hatte Er ihnen gesagt, dass es «ein gutes und geräumiges Land» sein würde, «ein Land, das von Milch und Honig fliesst» (2. Mo 3,8). Bevor sie in das Land kamen, mussten sie ein zweites Gewässer durchqueren, den Jordan. Erst dann waren sie im «Land der Verheissung» (Heb 11,9).
Wir Christen haben ebenfalls ein Land, in das Gott uns gebracht hat. Das Land Kanaan ist ein Bild der himmlischen Örter, wohin wir in Christus jetzt schon versetzt sind (Eph 2,6). Kanaan spricht nicht vom Paradies oder vom Vaterhaus, denn dort wird es keinen Kampf mehr geben. Der Jordan ist kein Bild von unserem natürlichen Tod. Wir brauchen nicht auf den körperlichen Tod zu warten, um in «unser Land», die himmlischen Örter, zu kommen. In Christus sind wir jetzt schon dort. Unser Teil ist da, wo Er als verherrlichter Mensch zur Rechten Gottes ist (Eph 1,20). Er musste sterben, um dorthin zu kommen. Deshalb spricht der Jordan ebenfalls vom Tod Christi. Aber es ist in diesem Bild nicht sein Tod, der uns Rettung und Erlösung brachte, sondern sein Tod, in dem wir mit Ihm einsgemacht sind. Wir waren tot und sind mit ihm lebendig gemacht worden. Gott hat uns «mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus» (Eph 2,6). Das war der Weg, um uns dieses wunderbare Land – die himmlischen Örter – zum Besitz zu geben.
7) Ich werde euch das Land zum Besitztum geben
Gott gab seinem Volk Israel das Land, damit sie es besitzen sollten. Der ganze Reichtum des Landes sollte ihnen gehören. Trotz dieser Zusage Gottes hat das Volk Israel das Land nie ganz besessen. Das lag nicht an Gott, sondern an der Untreue und dem Unglauben des Volkes. Aber einmal – im Tausendjährigen Reich – wird ihnen das ganze Land gehören. Die Königsherrschaft Salomos schattet dieses herrliche Friedensreich vor.
Das Land der Christen – die himmlischen Örter – ist ebenfalls ein Land zum Besitztum. Gott hat uns in Christus reich gesegnet. Es war der «Reichtum seiner Gnade», der uns Erlösung und Vergebung geschenkt hat (Eph 1,7). Es ist die «Herrlichkeit seiner Gnade», die uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christus (Eph 1,3). Der typisch christliche Segen geht weit über den Segen Israels hinaus.
Israel war mit irdischen Segnungen überschüttet worden. Unsere Segnungen sind himmlischer Natur. Im Gegensatz zu Israel, das zeitliche Segnungen besass, sind unsere Segnungen ewig. Israel war mit materiellen Segnungen gesegnet. Wir sind mit geistlichen Segnungen gesegnet. Schliesslich sind unsere Segnungen «in Christus». Dieser Zusatz in Epheser 1,3 gibt dem ganzen «Land zum Besitztum» seinen wahren Wert. Was wären die himmlischen Örter ohne den verherrlichten Sohn des Menschen zur Rechten Gottes!
Gesegnet mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christus – das ist das glückliche Teil von Menschen, die sich einst in der Gewalt Satans befanden und Erlösung und Errettung brauchten. Uns bleibt das, was Paulus am Anfang des Epheser-Briefes tut: Er lobt und preist Gott. «Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus …» (Eph 1,3). In Erinnerung an all das, was Gott für uns getan hat, wollen wir das Loben und Preisen nie vergessen.