Die Opferung von Isaak

1. Mose 22

Gott hatte Abraham nach einer langen Wartezeit den verheissenen Sohn geschenkt. Nun gab Er ihm den Auftrag, Isaak im Land Morija auf einem Berg zu opfern. Diese eindrückliche Geschichte können wir unter zwei Blickwinkeln betrachten:

  1. Abraham wurde als Glaubensmann von Gott geprüft. Würde er den lang ersehnten Sohn opfern, wie Gott es ihm aufgetragen hatte? Ja, er gehorchte diesem Befehl und vertraute dabei auf die göttliche Auferweckungsmacht. Gott sah und schätzte diesen Glauben. Zur rechten Zeit griff Er ein und erklärte: «Nun weiss ich, dass du Gott fürchtest und deinen Sohn, deinen einzigen, mir nicht vorenthalten hast» (V. 12). Dieses Beispiel ermutigt uns, in der Erprobung ebenfalls die Eigenschaften eines echten Glaubens zu offenbaren (1. Pet 1,6.7).
  2. Abraham ist in 1. Mose 22 zugleich ein Bild von Gott, dem Vater, der seinen Sohn in den Tod am Kreuz gegeben hat. Bei dieser typologischen Betrachtung werden unsere Herzen warm für die Liebe des Vaters, der uns hier als der Handelnde vorgestellt wird. In diesem schönen Bild erkennen wir viele Übereinstimmungen mit dem, was am Kreuz geschah, aber auch einige Gegensätze. Beides macht uns das Erlösungswerk des Herrn Jesus gross.

Wir wollen uns auf diesen zweiten Aspekt beschränken, wobei wir uns zuerst mit den Übereinstimmungen und danach mit den Kontrasten beschäftigen.

Nimm deinen Sohn

Gott gab Abraham einen konkreten Auftrag: «Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du lieb hast, den Isaak, und zieh hin in das Land Morija und opfere ihn dort als Brandopfer» (V. 2). Gerade die Beschreibung Isaaks als den einzigen, geliebten Sohn Abrahams zeigt, wie gross das Opfer war, das der Patriarch bringen sollte.

Diese Kennzeichen treffen noch deutlicher auf Jesus Christus, den Sohn Gottes, zu und geben uns einen Eindruck von der Grösse der Gabe Gottes.

  • «Nimm deinen Sohn.» In der menschlichen Gesellschaft muss oft der Schwächste für die Fehler anderer büßen. Gott aber handelte nicht so. Er gab seinen Sohn, den Er über alles wertschätzt, um das Problem der Sünde, das wir Menschen verursacht haben, zu lösen.
  • «Nimm deinen einzigen Sohn.» Gott konnte keine Auswahl treffen, als Er Jesus Christus als das Lamm zuvor erkannte (1. Pet 1,20). Es gab nur einen Einzigen, der infrage kam, das Erlösungswerk zu vollbringen. Und Gott war bereit, diesen Einen für uns in den Tod zu geben.
  • «Nimm deinen Sohn, den du lieb hast.» In diesem kurzen Satz kommt die ewige Beziehung der Liebe zwischen dem Vater und dem Sohn zum Ausdruck. Der Herr Jesus sagte zu seinem Vater: «Du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt» (Joh 17,24). Trotz seiner ewigen Liebe zum Sohn gab der Vater Ihn als Sühnung für unsere Sünden.

Können wir das verstehen? Nein! Aber wir erkennen darin etwas von der grossen Liebe Gottes zu uns Menschen.

Abraham machte sich auf

Nachdem Gott ihm den Auftrag erteilt hatte, stand Abraham am frühen Morgen auf, bereitete sich für die Reise vor und zog an den Ort, den Gott ihm gesagt hatte (V. 3).

Daraus erkennen wir, wie alles vom Vater ausging. Die Bibel erklärt uns einerseits, dass der Sohn freiwillig kam und aus eigenem Antrieb das Erlösungswerk am Kreuz vollbrachte. Anderseits macht sie deutlich, dass der Vater den Sohn auf die Erde sandte. Unter diesem Aspekt ist der Vater der Handelnde und der Sohn gehorcht Ihm. Verschiedene Bibelstellen bestätigen das:

«Ich bin von Gott ausgegangen und gekommen; denn ich bin auch nicht von mir selbst aus gekommen, sondern er hat mich gesandt» (Joh 8,42).

«Ich habe nicht aus mir selbst geredet, sondern der Vater, der mich gesandt hat, er hat mir ein Gebot gegeben, was ich sagen und was ich reden soll» (Joh 12,49).

«Hierin ist die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn gesandt hat als Sühnung für unsere Sünden» (1. Joh 4,10).

Wir bewundern Gott, unseren Vater, wie Er in der Fülle der Zeit zu handeln begann, um im Tod seines Sohnes eine Antwort auf die Sünde des Menschen zu geben.

Sie gingen beide miteinander

Zweimal heisst es auf dem Hinweg, dass Abraham und Isaak miteinander gingen (V. 6.8). Sie hatten das gleiche Ziel und schritten auf dem gleichen Weg vorwärts.

Das traf vollkommen auf Gott, den Vater, und Gott, den Sohn, zu. Jesus Christus erklärte: «Ich komme …, um deinen Willen, o Gott, zu tun» (Heb 10,7). Damit betrat Er den Weg, den der Vater mit Ihm hier auf der Erde gehen wollte. Jeden Schritt auf diesem Weg ging Er mit dem Vater. Jesus konnte sagen: «Er hat mich nicht allein gelassen, weil ich allezeit das ihm Wohlgefällige tue» (Joh 8,29). Als Er schliesslich an die schweren Stunden der Gerichtsverhandlungen und der Kreuzigung dachte, wusste Er, dass Ihn alle Jünger verlassen würden. Aber Er besass einen Trost: «Ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir» (Joh 16,32).

Dieses Miteinandergehen offenbart auch die völlige Übereinstimmung zwischen dem Vater und dem Sohn. Sie hatten immer die gleichen Interessen und verfolgten immer das gleiche Ziel. Unter diesem Blickwinkel dürfen wir die Aussage des Herrn Jesus verstehen: «Ich und der Vater sind eins» (Joh 10,30).

Das Holz, das Feuer und das Messer

Auf dem Weg ins Land Morija trug Isaak das Holz und Abraham das Feuer und das Messer (V. 6). Als sie am Ort, den Gott bestimmt hatte, angekommen waren, baute Abraham den Altar, schichtete das Holz darauf, band seinen Sohn und legte ihn auf den Altar. Dann nahm er das Messer, um seinen Sohn zu schlachten (V. 9.10).

Das Holz ist vielleicht ein Hinweis auf das Kreuz, das Jesus Christus zur Schädelstätte hinaustrug. Dort angekommen, wurde Er an dieses Holz genagelt. Nun hing Er zwischen Himmel und Erde. So wie Isaak liess der Heiland alles willig mit sich geschehen.

Das Feuer ist ein Bild des prüfenden Gerichts Gottes. Dieses Gericht traf den Herrn Jesus in den drei Stunden der Finsternis. In den tiefen Leiden, die Er dabei erduldete, offenbarte Er seine Vollkommenheit. Das göttliche Feuer des Gerichts stellte seinen Gehorsam, seine Liebe und seine Hingabe völlig ans Licht.

Das Messer in der Hand Abrahams lässt uns an den heiligen Zorn Gottes denken, der Jesus Christus traf, als Dieser für unsere Sünden im Gericht stand. An Ihm, dem einzig sündlosen Menschen, hat Gott in den drei dunklen Stunden am Kreuz die Sünde verurteilt (Röm 8,3). Was das für den Herrn Jesus bedeutete, kommt in den prophetischen Worten ein wenig zum Ausdruck: «Ich bin der Mann, der Elend gesehen hat durch die Rute seines Grimmes. Mich hat er geleitet und geführt in Finsternis und Dunkel. Nur gegen mich kehrt er immer wieder seine Hand den ganzen Tag» (Klgl 3,1-3).

Wenn wir über diese schrecklichen Leiden nachdenken, sind wir neu davon ergriffen, dass Gott seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern Ihn für uns alle hingegeben hat (Röm 8,32).

Drei Gegensätze

a) Der Sohn Gottes wusste alles im Voraus

Auf dem Weg zur Opferstätte fragte Isaak seinen Vater: «Wo ist das Schaf zum Brandopfer?» (V. 7). Ahnungslos schritt er neben seinem Vater her, denn er wusste nicht, wer das Opfer sein würde.

Der Sohn Gottes dagegen wusste von Anfang an, dass Er am Kreuz sterben musste. Er kannte im Voraus alle Leiden, die Er erdulden würde. So heisst es von Ihm, als Er im Garten Gethsemane war: «Jesus nun, der alles wusste, was über ihn kommen würde, ging hinaus» (Joh 18,4). Dieses Vorabwissen brachte Ihm viel innere Not ein. Als Er an seinen Sühnungstod dachte, betete Er: «Jetzt ist meine Seele bestürzt, und was soll ich sagen? Vater, rette mich aus dieser Stunde!» (Joh 12,27).

b) Jesus Christus musste sterben

In dem Augenblick, als Abraham im Begriff stand, seinen Sohn zu schlachten, griff Gott ein. Isaak musste nicht sterben. An seiner Stelle opferte Abraham den Widder, der durch seine Hörner hinten im Gestrüpp festgehalten war (V. 13).

Doch für den Herrn Jesus gab es keinen Ersatz. Er musste ans Kreuz erhöht werden und dort als Opfer sterben, damit Gott seine Heilspläne mit uns Menschen erfüllen kann (Joh 3,14).

c) Der Opfertod Christi bewirkte Sühnung

Der Tod Isaaks hätte niemand etwas genützt, weil er wie alle Nachkommen Adams in Sünde geboren war. Sein Tod hätte vor dem heiligen Gott keine Sühnung bewirken können, denn er brauchte selbst ein stellvertretendes Opfer.

Jesus Christus hingegen war ohne Sünde. Deshalb hat sein Opfertod Gott im Blick auf die Sünde verherrlicht. Auf der Grundlage seines Todes kann Gott nicht nur unsere Sünden vergeben – denn sie sind gesühnt –, sondern schliesslich auch die Sünde aus dem Weltall entfernen (Joh 1,29).

Gott hat uns dieses Bild von Abraham und Isaak gegeben, damit wir das Geschehen am Kreuz von Golgatha besser verstehen können. Es lässt uns ein wenig erahnen, was im Herzen des Vaters vorging, als Er dort seinen Sohn leiden und sterben sah.