Leben am Brunnen

1. Mose 25

Isaak war der Sohn, den Gott Abraham verheissen hatte. Der Patriarch hatte diesem Wort bedingungslos geglaubt. Als Gott sein Versprechen wahr machte, war Abraham in seiner natürlichen Kraft nicht mehr in der Lage, Kinder zu zeugen. Auch Saras Mutterleib war abgestorben. Doch obwohl Abraham und Sara erstorben waren (Röm 4,19), schenkte Gott ihnen einen Sohn. So zeigt uns Isaak das Leben, das Gott schenkt, einerseits als Leben aus Glauben und anderseits als Leben aus dem Tod. Dieses Glaubens- und Auferstehungsleben besitzt heute jeder, der an den Herrn Jesus glaubt.

Nun ist dieses Leben aber nicht autark – es braucht Nahrung und Kraft. Die Kraft des neuen Lebens ist der Heilige Geist, der in jedem Glaubenden wohnt. Die Nahrung für das neue Leben ist die Person des Herrn Jesus, die wir in der Bibel vorgestellt finden. Als solche, die das neue Leben besitzen, brauchen wir zudem immer wieder Erfrischung und Reinigung durch das Wasser des Wortes Gottes (Eph 5,26). So wird und bleibt das neue Leben im praktischen Verhalten sichtbar.

Die Brunnen, die das Leben Isaaks besonders kennzeichnen, sind ein Bild des Wortes Gottes, das durch den Heiligen Geist lebendig gemacht wird. Es erfrischt uns, stillt unseren Durst und ist das geeignete Mittel zur Reinigung.

Leben am Brunnen bedeutet also, sich bewusst in der Gemeinschaft mit Gott aufzuhalten. Durch das Lesen seines Wortes und im Nachdenken darüber unter Gebet bekommen wir Ausrichtung, Stärkung und Erfrischung für den Glaubensweg.

Ein guter Anfang

Isaak und seine Frau Rebekka hatten einen guten Anfang gemacht. Unter dem Segen Gottes hatten sie ihren Wohnort am Brunnen Lachai-Roi gewählt (1. Mo 25,11). Der Name dieses Brunnens bedeutet: Der Lebendige, der mich schaut oder der sich schauen lässt. Diese Namensbedeutung macht es uns leicht, die geistliche Lektion dieses Brunnens zu verstehen: Er zeigt uns, dass wir in der Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott und beim Lesen seines Wortes sowohl Ihn besser kennen lernen als auch uns in seinem Licht sehen.

Die Bibel stellt uns ins Licht Gottes, damit wir uns selbst erkennen und all das in unserem Leben in Ordnung bringen, was in diesem Licht verurteilt wird. Durch sein Wort offenbart sich Gott, damit wir immer mehr von Ihm verstehen. So spricht Er durch sein Wort zu unserem Gewissen und zu unserem Herzen.

Seit der Erfahrung Hagars an diesem Brunnen hatte man ihm diesen Namen gegeben (1. Mo 16,13.14). An der Wasserquelle in der Wüste hatte sie in eindrucksvoller Weise erlebt, dass Gott ein lebendiger Gott ist, der sie sah und etwas von sich selbst zeigte.

Kennen wir diesen Ort der Gemeinschaft mit Gott im täglichen Leben? Es erfordert Energie, diesen Brunnen immer wieder aufzusuchen, aber es ist ein gesegneter Platz. Jeder von uns braucht diesen Platz in seinem persönlichen Leben. Wir brauchen ihn gemeinsam als Ehepaare und in unseren Familien. Wir brauchen ihn auch als Geschwister in der örtlichen Versammlung.

Ohne das Aufsuchen dieses Brunnens verkümmert unser geistliches Leben und wir verlieren die Freude im und am Herrn Jesus. Dann steht Er nicht mehr gross vor unseren Herzen. Wir passen uns in unserem Denken und in unseren Massstäben den Ideen der Welt an und entfernen uns zunächst in unserem Inneren, dann auch im äusseren Verhalten immer weiter von Gott. Kehren wir zum Brunnen zurück, um das Wasser des Wortes Gottes aufzunehmen! Es wird uns erfrischen, reinigen und beleben!

Positive Auswirkungen eines Lebens am Brunnen

An diesem Brunnen erlebte Isaak den Segen Gottes. Kurz vor seinem Tod hatte Abraham seinem Sohn Isaak alles gegeben, was er hatte, während er seinen übrigen Söhnen nur Geschenke gab. Ausserdem stellen wir mit Freude fest, dass Gott selbst Isaak segnete. Das wird in direktem Zusammenhang mit seinem Wohnort am Brunnen genannt (1. Mo 25,11). Auch heute ist das bewusste Verweilen am Brunnen und das Befolgen des Wortes Gottes der Schlüssel zum Segen Gottes.

Solange Isaak und Rebekka an diesem Brunnen wohnten, ging es in ihrer Ehe gut. Sie lebten in Liebe zueinander und in Harmonie miteinander (1. Mo 24,67). Isaak kannte die Bedürfnisse seiner Frau und machte diese zum Gebetsanliegen (1. Mo 25,21). Auch Rebekka ging mit ihren Fragen im Gebet zu Gott (1. Mo 25,22). Und der HERR antwortete in beiden Fällen.

Doch leider blieb es nicht so. Als Isaak alt geworden war, lesen wir nichts mehr von den Brunnen, die sein Leben viele Jahre lang gekennzeichnet hatten. Traurig müssen wir feststellen, dass Isaak und Rebekka nicht mehr miteinander, sondern nur noch nebeneinander lebten. Isaak ging seiner eigenen Vorliebe nach, und schliesslich stiftete Rebekka ihren Sohn zum Betrug an ihrem Ehemann an. Jetzt war aus dem Nebeneinander sogar ein Gegeneinander geworden!

Denken wir in diesem Zusammenhang daran, dass wir auch in unseren Ehen «am Brunnen» sein müssen. Gottes Wort gibt uns für unser Eheleben die nötige Ausrichtung und Erfrischung. Wenn wir aufhören, als Ehepaar miteinander in der Bibel zu lesen und gemeinsam zu beten, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn es in unserer Ehe nicht gut läuft. Für dieses gemeinsame «Leben am Brunnen» trägt der Ehemann die Verantwortung und die Ehefrau soll ihn darin unterstützen und ihm eine Hilfe sein. Dann werden beide erleben, dass Gott seinen Segen gibt!

Wegziehen wegen der Hungersnot

Als eine Hungersnot im Land entstand, gab Isaak den Brunnen auf, zog weg zum Philisterkönig (1. Mo 26,1) und belog ihn. Diese Parallele zum Leben seines Vaters Abraham ist eine ernste Warnung für uns Väter! Wir können unseren Kindern vieles sagen, doch am Ende werden sie meistens das tun, was auch wir getan haben. Wie bei Abraham und Isaak wird es oft so sein, dass die Kinder einen Schritt weiter gehen als ihre Väter! Gott kann in seiner Gnade vor falschen Wegen bewahren und von falschen Wegen zurückführen, aber unsere Verantwortung ist es, ein gutes Vorbild für unsere Kinder zu sein.

Gott bewahrte Isaak vor den schlimmen Folgen seines Weges, wie Er auch Abraham bewahrt hatte. Er segnete Isaak sogar, und dieser Segen (1. Mo 26,12) führte dazu, dass Isaak wieder an die Brunnen dachte. Die Philister hatten die Brunnen, die Abraham gegraben hatte, mit Erde verstopft. Doch Isaak grub sie wieder auf (1. Mo 26,18). Das war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zurück. Es war ein Startpunkt für neues geistliches Wachstum!

Verstopfte Brunnen

Was lernen wir von den verstopften Brunnen, die Isaak wieder instand setzte? Verstopfte Brunnen liefern kein Wasser. Gräbt man sie wieder auf, so macht man sie aufs Neue nutzbar. So liegt es an uns, alles wegzuräumen, was ein Hindernis ist, Gottes Wort aufzunehmen und wirken zu lassen. Machen wir Gottes Wort «nutzbar» für uns, indem wir Freiräume schaffen, es zu lesen, und dem Heiligen Geist Raum geben, es in unserem Herzen und Leben lebendig zu machen.

Es sind Kräfte am Werk, die uns den damit verbundenen Genuss und Segen rauben wollen. Das sind in 1. Mose 26 die Philister, die Erde benutzten, um die Brunnen zu verstopfen.

Die Philister stehen für fleischlich-religiöses Christentum. Sie lebten im Land Kanaan, aber sie waren nicht auf dem Weg durch das Rote Meer und durch den Jordan dorthin gekommen. Sie sind ein Bild von Menschen, die ein christliches Bekenntnis tragen und eine äussere Religiosität aufrechthalten, aber kein Leben aus Gott haben. Sie haben eine Form der Gottseligkeit, verleugnen aber ihre Kraft (2. Tim 3,5). Weil sie vieles in der Bibel infrage stellen, verlieren die Glaubenden, die unter ihren Einfluss kommen, den Segen am Wort Gottes.

Das «Philister-Problem» kann allerdings auch bei wahren Gläubigen auftreten. Wenn wir nicht mehr in der täglichen Abhängigkeit vom Herrn, in der lebendigen Gemeinschaft mit Ihm, unter der bewussten Leitung des Geistes und in der Frische des neuen Lebens vorangehen, sondern stattdessen nach festgelegten Lebensregeln handeln und in äusseren Formen erstarren, dann haben wir das «Philister-Problem». Dann ersetzen wir die Leitung des Heiligen Geistes durch Traditionen oder durch das, was in der Vergangenheit in ähnlichen Situationen getan wurde. Wir ersetzen das Fragen nach dem Willen des Herrn im Gebet durch Checklisten und Gewohnheiten. An die Stelle von geistlicher Frische und Lebendigkeit tritt Routine und Formalismus. Statt Gott zu fragen, wenden wir uns an Menschen.

Dann wirkt nicht mehr der Geist, sondern das Fleisch – durchaus das fromme und gut erzogene Fleisch. Doch die Frische fehlt. Das Leben verläuft nicht mehr bewusst in der Nähe des Herrn, der uns gerne mit seinen Augen leiten will (Ps 32,8). Das ist die Gefahr des «Philister-Problems» unter Kindern Gottes. Die Form ist noch da und wird gut gepflegt, aber die innere Kraft ist verloren gegangen, weil die Brunnen verstopft sind.

In der Geschichte Isaaks verstopften die Philister die Brunnen mit Erde. Das erinnert an die irdischen Dinge und an die Sorgen des Lebens. Sie rauben die Zeit, sich mit dem erfrischenden Wort Gottes zu beschäftigen. Sie nehmen uns die Energie zu einem Leben in der Gemeinschaft mit dem Herrn. Es sind nicht in erster Linie böse Dinge, sondern die Angelegenheiten des Lebens, die uns gefangen nehmen. Vor lauter Arbeit, vor lauter Vergnügen, vor lauter Terminen und Aktivitäten haben wir kaum noch Ruhe und Zeit, am Brunnen zu verweilen. Das ist die List des Teufels, der die «Philister» und ihre «Erde» benutzt.

Graben wir wie Isaak die Brunnen wieder auf! Schaufeln wir die Erde weg, jagen wir die Philister in die Flucht und reservieren wir uns wieder Zeit für das aufmerksame Lesen des Wortes Gottes. Machen wir uns Notizen, um nicht alles so schnell wieder zu vergessen. Nehmen wir einen Vers mit in den Tag, um immer wieder über das Wort nachzudenken. Lesen wir zusammenhängend Bibelbuch für Bibelbuch, statt hier und da einzelne Stellen herauszugreifen. Bitten wir Gott, durch sein Wort zu uns zu reden, und nutzen wir dieses Wort als Wegweiser für unser Leben. Fragen wir auch in den «Kleinigkeiten» des täglichen Lebens nach dem Willen des Herrn. Bitten wir Ihn um Leitung für unsere Gedanken und für unsere Wege. Dann werden wir durch sein Wort erfrischt, werden schöne Erfahrungen mit seiner Leitung machen, glücklich in der lebendigen Verbindung mit Gott sein und geistlich wachsen!

Isaak gab diesen Brunnen die gleichen Namen wie sein Vater Abraham, denn er wusste, dass er nichts Neues entdeckt hatte. So wird es auch in unserem Leben sein. Wenn wir mit der Hilfe des Geistes Gottes die Wahrheiten des Wortes Gottes für uns neu entdecken, so dass wir darin Orientierung und Erfrischung finden, dann entdecken wir sie als Gottes Gedanken, die Er schon immer hatte. Sie haben sich nicht verändert. Er hat sie in seinem Wort niedergelegt und viele Generationen von Glaubenden haben sie bereits für sich entdeckt. Es ist das, was Gott von Anfang des Christentums an (1. Joh 1,1) mitgeteilt hat und das bis in die heutige Zeit aktuell ist.

Neue Brunnen

Doch Isaak und seine Knechte gruben auch neue Brunnen, sogar Brunnen mit lebendigem Wasser. Es gab in der damaligen Zeit Brunnen, die wie Zisternen das Regenwasser sammelten und dieses für den Gebrauch aufbewahrten. Doch es gab auch lebendige Brunnen, die von einer Quelle gespeist wurden und unabhängig vom Regen frisches Wasser lieferten. Solche Brunnen konnte Isaak graben. So dürfen wir die ganze Frische und Lebendigkeit des Wortes Gottes erleben, durch das uns Gott konkrete Antworten auf unsere Fragen, Wegweisung für unsere Entscheidungen und Erfrischung für unsere Seelen schenkt. Wenn wir für uns die Brunnen wieder aufgraben, die unsere Väter bereits gegraben haben, dann werden wir auch manches entdecken, das für uns selbst neuen Genuss und neue Freude bedeutet. Das spornt uns zu weiterem Graben und Entdecken der Schönheiten des Wortes Gottes an.

Denken wir aber daran, dass die Bibel abgeschlossen ist. Gott hat sein Wort durch den Apostel Paulus inhaltlich zum Abschluss gebracht (Kol 1,25). Es ist vollendet. Nichts kann und nichts darf diesem Wort hinzugefügt werden. Streben wir also nicht danach, neue Erkenntnisse zu erlangen. Sie würden über das hinausgehen, was Gott in seinem Wort offenbart hat und kämen nicht von Ihm.

Beim Erforschen der Bibel werden wir nichts anderes entdecken als das, was von Anfang ist. Aber wir werden aus dem Schatz des Wortes Neues und Altes hervorbringen. Wir werden Schönheiten darin entdecken, die uns durch den Geist Gottes zu unserer Freude und Erfrischung persönlich gezeigt werden.

Bei Isaak und seinen Knechten riefen diese neuen Brunnen den Neid und die Feindschaft der Philister hervor. So musste Isaak weiterziehen, um diesem Streit aus dem Weg zu gehen und die Philister hinter sich zu lassen. Gott benutzte letztlich diese Feindschaft, um Isaak wachsen zu lassen. So zog der Patriarch immer weiter, erlebte am Brunnen Esek den Zank und am Brunnen Sitna die Anfeindung der Philister. Doch er hörte nicht auf, immer wieder zu graben, und erlebte am Brunnen Rechobot, wie Gott ihm Raum schaffte, um Frucht für Ihn zu bringen.

Zurück nach Beerseba

Schliesslich erreichte Isaak Beerseba. Dort hatte sein Vater Abraham den Namen des ewigen Gottes angerufen (1. Mo 21,33). Dort wollte nun auch Isaak wieder bleiben und dort begegnete ihm Gott und erneuerte seine Verheissungen. Isaak hatte in der Hungersnot Zuflucht beim Philisterkönig gesucht, so stützte er sich jetzt auf Gott und auf seine Verheissungen. Das befreite ihn vom Einfluss der Philister. So konnte er einen Altar bauen und Gott Opfer darbringen. Er konnte auch sein Zelt aufschlagen und einen weiteren Brunnen graben. In Beerseba wurde er vor den Philistern zu einem echten und überzeugenden Zeugen für Gott.

Das sind segensreiche Auswirkungen eines Lebens am Brunnen:

  • Beim Lesen der Bibel wird Gott in uns den Wunsch wecken, weiter zu wachsen.
  • Er wird unsere Füsse auf den richtigen Weg lenken, damit wir an den Ort kommen, wo Er uns haben will.
  • Er wird uns von totem Formalismus befreien. In der gelebten Verbindung mit sich Ihm wird Er uns stärken und uns zu Anbetern machen, die Ihm nahen (Altar).
  • Er wird uns auch innerlich und äusserlich von der Welt trennen (Zelt). So können wir ein klares und glaubwürdiges Zeugnis für Ihn sein. Das ist niemals möglich, so lange wir nicht am richtigen Platz sind.
  • Gott wird uns Zusagen geben, auf die wir uns stützen dürfen, denn Er steht zu seinem Wort!

In diesem Wort finden wir alles, was wir brauchen zur Reinigung und zur Erfrischung. So können wir ein glückliches Leben in der frischen und lebendigen Gemeinschaft mit Gott führen – ein Leben am Brunnen.