Der Blick der Augen

Der wiedergeborene Christ ist in der Lage, mit den Augen seines Herzens Dinge zu erkennen, die der natürliche Mensch nicht sieht. Gott selbst möchte unsere inneren Augen erleuchten, damit wir die Herrlichkeit der Person seines Sohnes sehen und davon immer wieder neu beeindruckt werden. Es ist das stete Bestreben des Geistes Gottes, uns mit unserem Herrn und Heiland zu beschäftigen. Wir dürfen Ihn sehen – sowohl in seinen Leiden als auch in seiner Herrlichkeit danach.

Der Blick auf den Herrn

Der Schreiber des Hebräer-Briefs fordert die Empfänger auf, auf Jesus hinzuschauen, «den Anfänger und Vollender des Glaubens, der, die Schande nicht achtend, für die vor ihm liegende Freude das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes» (Heb 12,2). Und an anderer Stelle: «Wir sehen aber Jesus, der ein wenig unter die Engel wegen des Leidens des Todes erniedrigt war, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt – so dass er durch Gottes Gnade für alles den Tod schmeckte» (Heb 2,9).

Als die Jünger mit dem Herrn auf dem Berg waren und die Stimme des Vaters hörten: «Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe», sahen sie nachher niemand mehr als Jesus allein (Mt 17,8). Dahin möchte der Geist Gottes auch in unserem Leben wirken, dass wir «Jesus allein» sehen. Das gilt nicht nur in unserem persönlichen Leben, es gilt auch im Versammlungsleben.

Wenn wir zum Namen des Herrn hin zusammenkommen, dann möchte Er der Mittelpunkt sein. Alles ist auf Ihn ausgerichtet, und alles kommt von Ihm. Als die Jünger nach dem Tod des Herrn im Obersaal zusammen waren, kam der Auferstandene zu ihnen, stand in ihrer Mitte und redete mit ihnen. Was war die Folge? «Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen» (Joh 20,20). Diese Freude werden auch wir erleben, wenn der Herr wirklich der Mittelpunkt unseres Zusammenkommens ist.

Doch es gibt Hindernisse. Der Feind des Gläubigen ist aktiv. Er will uns mit anderem beschäftigen, damit wir die Herrlichkeit der Person Jesu nicht immer vor Augen haben. Anhand von drei Begebenheiten aus dem Leben von Petrus wollen wir uns an drei solche Hindernisse erinnern:

a) Der Blick auf uns selbst

In Lukas 5 finden wir den Bericht über einen grossen Fischzug des Petrus. Die ganze Nacht über hatten sich die Jünger vergeblich bemüht, etwas zu fangen. Auf das Wort des Herrn Jesus hin hatte Petrus die Netze noch einmal ins Wasser gelassen. Die Folge war eine gewaltige Ausbeute. Der Fang war so gross, dass die Netze zu reissen begannen.

Beeindruckt von der Allmacht der Person Dessen, dem auch die Fische des Sees gehorchten, fiel er vor Ihm auf die Knie. Sein Entsetzen über das Geschehene veranlasste ihn zu den Worten: «Geh von mir hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr» (Lk 5,8).

Auf der einen Seite war das sicher eine heilsame Erkenntnis. Auf der anderen aber zeigt diese Aussage, dass Petrus den Herrn Jesus noch nicht wirklich kannte – auch wenn er vorher schon Begegnungen mit Ihm gehabt hatte.

Was wir für heute aus dieser Begebenheit lernen wollen, ist dies, dass der Blick auf uns selbst uns daran hindern kann, den Herrn Jesus in seiner Grösse und Schönheit zu sehen. Natürlich müssen wir erkennen, dass wir in uns selbst nichts sind. Trotzdem dürfen wir bei diesem Punkt nicht stehen bleiben.

Menschen, die nur mit sich selbst beschäftigt sind, werden nicht wirklich dahin kommen, «Jesus allein» zu sehen. Solange wir bei unseren eigenen Schwachheiten und Unvollkommenheiten stehen bleiben – die ohne jede Frage da sind und die wir auch nicht ignorieren –, wird uns die Herrlichkeit der Person des Herrn nicht wirklich erfüllen. Wir sollen unserem eigenen Zustand gegenüber nie gleichgültig sein, aber wir müssen uns auch einmal selbst vergessen können und mit dem Herrn allein beschäftigt sein. Die eigene Person kann ein ernsthaftes Hindernis sein, den Herrn wirklich zu sehen und zu erleben und Ihm zu folgen.

b) Der Blick auf die Umstände

Denken wir an die Begebenheit in Matthäus 14. Die Jünger sind mit dem Schiff auf dem See, als ein gewaltiger Sturm losbricht. Nun sind sie in Not. In der vierten Nachtwache kommt Jesus, ihr Meister, plötzlich und unerwartet zu ihnen. Petrus ist mutig und geht seinem Herrn auf den Wassern entgegen. Solange er auf Ihn sieht, geht alles gut. Doch plötzlich wendet er den Blick von Ihm ab. Er sieht nur noch die Wellen und spürt den Wind. Sobald er seine Blicke auf die Umstände richtet, fängt er an zu sinken.

Auch darin liegt eine Lektion für uns. Die Umstände des Lebens können unseren Blick von unserem Herrn ablenken. Natürlich lassen uns die Lebenssituationen nicht gleichgültig. Der Christ lebt in einer Welt, in der er geprüft wird. Die Umstände selbst mögen sehr verschieden sein. Doch jeder hat sein Paket zu tragen. Die Schwierigkeiten mögen persönlicher und familiärer Natur sein: Krankheit, Einsamkeit, Trauer, Sorgen um die Kinder usw. Oder sie treten im Berufsleben auf: zeitliche Überlastung, ungläubige Kollegen, schwierige Vorgesetzte, Mobbing, Arbeitslosigkeit usw. Es mag auch Schwierigkeiten im Versammlungsleben geben: Mangel im Dienst, «schwierige» Geschwister, Weltförmigkeit, unterschiedliche Auffassungen in Lehrfragen usw.

Gegenüber diesen Nöten des Lebens sind wir sicher nicht gleichgültig. Der Herr ist es auch nicht. Gerade die Begebenheit auf dem See zeigt uns, dass Er sogar in die Umstände hineinkommt, um uns zu helfen (Jes 63,9).

Doch die Umstände des Lebens können uns hindern, mit dem Herrn beschäftigt zu sein. Das ist dann der Fall, wenn wir nichts anderes mehr sehen als die Schwierigkeiten. Vielleicht denken wir dann an «die gute alte Zeit», in der alles besser war. Bei alledem vergessen wir unseren guten Herrn, der uns zu sich ziehen möchte. Der Blick auf Ihn ist in allen Lebensumständen das Beste. Er möchte uns bei der Hand nehmen und sicher führen.

c) Der Blick auf andere

Ein drittes Hindernis im Leben von Petrus entdecken wir in Johannes 21. Der Herr hat seinem Jünger die Lämmer und Schafe seiner eigenen Herde anvertraut und ihm den Auftrag gegeben, sich wie ein Hirte um sie zu kümmern. Aber nicht nur das. Er wird auch aufgefordert, seinem Herrn nachzufolgen. Seinem Freund, dem Apostel Johannes, wird dies nicht ausdrücklich gesagt. Doch auch er folgt dem Herrn nach. Johannes scheint hier – wie auch in anderen Situationen – der zu sein, der seinem Herrn so nahe ist, dass er auch ohne Aufforderung das Richtige tut. Petrus sieht Johannes und stellt die Frage: «Herr, was wird aber mit diesem?» (Joh 21,21).

Bemerkenswert ist jedoch, dass der inspirierte Schreiber diese Frage mit den Worten einleitet: «Petrus wandte sich um und sieht den Jünger nachfolgen, den Jesus liebte …» (V. 20). Petrus dreht sich um. Es ist kein neidischer Blick, sondern ein Blick des Interesses. Er wollte wissen, welchen Weg der Herr mit Johannes gehen würde. Dennoch muss der Herr ihm einen kleinen Vorwurf machen: «Wenn ich will, dass er bleibe, bis ich komme, was geht es dich an? Folge du mir nach!» (V. 23).

Der Blick auf den Herrn und die Nachfolge hinter Ihm her ist eine ganz persönliche Sache. Dabei dürfen wir nicht auf andere sehen. Es geht darum, dass jeder persönlich dem Herrn folgt – und nicht damit beschäftigt ist, welchen Weg Er mit anderen geht.

Das heisst nun nicht, dass unsere Glaubensgeschwister uns gleichgültig sein sollen. Wir werden sogar aufgefordert: «Ein jeder nicht auf das Seine sehend, sondern ein jeder auch auf das der anderen» (Phil 2,4). Aber wenn es darum geht, unsere Augen auf den Herrn zu richten und mit Ihm beschäftigt zu sein, dann kann der Blick auf andere zum Hindernis werden. Wer auf Menschen sieht, wird enttäuscht werden. Der Herr aber enttäuscht niemand. Darum wollen wir Ihm folgen und unseren Blick auf Ihn richten.