Die reiche Frau aus Sunem

2. Könige 4,8-10

Der Hintergrund

Bevor uns die Begegnung Elisas mit der reichen Frau aus Sunem berichtet wird, lesen wir im ersten Abschnitt von 2. Könige 4 von einer hoch verschuldeten Witwe. Dieser Gegensatz zwischen der armen, verschuldeten Witwe einerseits und der reichen Frau anderseits ist auffallend. Er erinnert uns an Stellen aus dem Neuen Testament, in denen uns ein ähnlicher Gegensatz zwischen einst und jetzt beschrieben wird (z.B. Epheser 2,2.11.13).

Einst waren wir arme und hilflose Menschen, die gegenüber Gott eine unbezahlbare Schuld hatten. Jetzt sind wir zu Menschen gemacht, die in einer Beziehung zu Gott stehen und die im Herrn Jesus unendlich reich gemacht sind. Die ganze Schuld ist weggetan. Es ist uns alles geschenkt, was wir «zum Leben» nötig haben – so wie die arme Witwe ihre Schuld bezahlen und von dem Übrigen mit ihren Söhnen leben konnte. Ein Geschenk der Gnade Gottes!

Als im Herrn Jesus reich beschenkte Menschen können wir nun von der reichen Frau aus Sunem lernen. Ihr grosser Wunsch war es, Gemeinschaft mit dem zu haben, den sie als einen heiligen Mann Gottes erkannt hatte. Das lässt uns daran denken, dass die gelebte praktische Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus das ist, was unserem Leben Sinn und Inhalt gibt. In Ihm ist unsere Schuld getilgt, in Ihm haben wir ewiges Leben, in Ihm ist uns alles geschenkt. Und Er will uns im Genuss der Gemeinschaft mit Ihm ausfüllen und glücklich machen.

Der Wunsch der Frau aus Sunem

Diese Frau lebte gemeinsam mit ihrem Mann ein zufriedenes Leben in der Stadt Sunem (V. 13b). Eines Tages kam der Prophet Elisa in ihre Stadt und begegnete ihr. Elisa war als Prophet Gottes bekannt, wie wir den vorhergehenden Ereignissen entnehmen können. Als er nun nach Sunem kam, überlegte und zögerte diese Frau nicht lange: Sie lud Elisa zum Essen ein.

Dabei erkennen wir dreierlei. Zum einen hatte diese Frau ein «zubereitetes» Haus, so dass sie nicht lange zögern musste, diese Einladung auszusprechen. Zum anderen war sie nicht einfach gastfrei, sondern die Einladung für den Propheten war vom tiefen Herzenswunsch motiviert, diesen Mann in ihrem Haus zu haben, denn sie nötigte den Propheten. Wie schön, dass sie den tiefen Wunsch hatte, Gemeinschaft mit dem Mann Gottes zu haben! Wie sehr war das zur Freude für den Propheten und zum Segen für die Frau und ihr Haus! Drittens erkennen wir aber auch, dass der Wunsch dieser Frau und das Interesse des Propheten zueinander passten. Beide hatten ein Verlangen nach dieser Gemeinschaft – die Gemeinschaft, die den Propheten nötigte, und der Prophet, der immer wieder in dieses Haus zurückkehrte. Wenn wir ein Verlangen nach Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus haben, dann dürfen wir überzeugt sein, dass unsere Empfindungen den seinen entsprechen, denn auch Ihn verlangt nach Gemeinschaft mit seinen Erlösten.

Der ausgelebte Wunsch dieser Frau, den Mann Gottes in ihr Haus aufzunehmen, hatte Folgen. Durch die wiederkehrenden Besuche des Propheten traten in diesem Haus in Sunem Veränderungen ein. Das Verlangen nach Gemeinschaft mit dem Mann Gottes veranlasste die Frau dazu, nach Absprache und in Übereinstimmung mit ihrem Mann ein Zimmer für Elisa einzurichten (V. 10). Dieses Zimmer sollte eine ständige Gelegenheit für ihn sein, zu jeder Zeit in dieses Haus einzukehren, nicht nur für eine Mahlzeit, sondern für längere Zeit. Elisa sollte sich in diesem Haus heimisch fühlen und dort zur Ruhe kommen können. Spricht das nicht vom geistlichen Wachstum, das auch wir durch die Begegnungen mit dem Herrn Jesus erleben dürfen? Wenn wir Ihn in unser Leben aufnehmen, wird uns das verändern. Es wird dahin führen, dass Er schliesslich einen beständigen und festen Platz in unserem Herzen und Leben einnehmen wird.

Das Obergemach

Dieses Zimmer für Elisa hatte verschiedene Kennzeichen, die nicht ohne Bedeutung sind. Wir wollen sie als Kennzeichen eines Lebens verstehen, das «einladend» für den Herrn Jesus ist – Kennzeichen, die eine gelebte und praktizierte Gemeinschaft mit Ihm fördern.

Erstens war dieses Zimmer ein Obergemach. Es war wohl auf dem flachen Hausdach gebaut. Das spricht für uns vom bewussten Blick nach oben – zu dem verherrlichten Herrn im Himmel. Der Herr Jesus selbst ist darin unser grosses Vorbild. Als Er auf der Erde lebte, ging Er auf den Berg, um zu beten. Auch Ihn zog es nach oben. Und wenn Er die Jünger um sich scharte, dann wählte Er dazu einen Obersaal. Nehmen auch wir uns täglich die Zeit für den bewussten Blick nach oben? Dann wird der Herr Jesus in unser Leben eintreten.

Zweitens war es ein gemauertes Obergemach. Ein Zimmer also, das einen festen Platz in diesem Haus hatte. Es war für eine lange, nicht für eine kurze Zeit ausgelegt. So dürfen wir dem Herrn Jesus auch in unserem Leben einen festen und beständigen Platz reservieren, der gegen störende Einflüsse geschützt ist. Wie viele Störungsmöglichkeiten gibt es, durch die uns die Ruhe für das tägliche Bibellesen und das Gebet genommen werden können! Schaffen wir uns wieder neu den Freiraum für diese Gemeinschaft mit unserem Gott!

Drittens war dieses Zimmer mit einem Bett ausgestattet. Das Bett spricht von Ruhe. So dürfen wir uns darüber freuen, dass wir im Herrn Jesus Ruhe gefunden haben. Durch den Glauben an sein Werk von Golgatha haben wir Ruhe für das Gewissen bekommen. Freudig dürfen wir singen: Da, wo Gott mit Wonne ruhet, bin auch ich in Ruh gesetzt. Wenn wir sein Joch aufnehmen und ein Ja zu dem haben, was Er uns zu tragen gibt, dann finden wir Ruhe für unsere Seelen. Dann werden wir mit der gleichen Ruhe durch das Leben gehen, die Jesus auf seinem ganzen Weg über die Erde genossen hat. Wir dürfen auch mit allen unseren Sorgen und Anliegen zu Ihm gehen. Er wird uns seinen Frieden schenken. So werden wir in glücklicher Gemeinschaft, die nicht durch die Umstände des Lebens erschüttert wird, mit Ihm vorangehen.

Als viertes Kennzeichen stand ein Tisch in diesem Zimmer. Der Tisch spricht in Gottes Wort häufig von Gemeinschaft, und zwar von der Gemeinschaft, die es im Genuss der von Gott in Christus geschenkten Segnungen gibt. War dieser Tisch im Obergemach nicht eine Erinnerung an viele schöne Stunden der Gemeinschaft, die dieses Ehepaar mit Elisa genossen hatte, weil er in ihr Haus eingekehrt war, um bei ihnen zu essen? Pflegen wir diese Gemeinschaft? Dann wird sie schliesslich fester Bestandteil unseres Lebens sein – zur Freude des Herrn Jesus und zu unserem Segen.

Fünftens stand ein Stuhl im Zimmer. Das für Stuhl benutzte Wort wird an den meisten Stellen auch mit Thron übersetzt. Ein Thron unterstreicht die Stellung, die der hat, der auf diesem Thron sitzt (vgl. 1. Sam 2,8 und Mt 23,2). So gibt uns der Stuhl einen Hinweis auf die Stellung, in die wir im Herrn Jesus gebracht sind. Die Beschäftigung damit und die Freude darüber sind der Schlüssel zum Genuss der Gemeinschaft mit unserem Gott. Wie könnten wir sonst Freimütigkeit haben, in die Gegenwart Gottes zu treten, wenn wir nicht wüssten, dass wir durch das Opfer des Herrn Jesus ein für alle Mal vollkommen gemacht sind?

Schliesslich gab es im gemauerten Obergemach noch einen Leuchter. Dieser spricht vom göttlichen Licht im Herrn Jesus. Er selbst war das Licht der Welt, und heute dürfen wir als Himmelslichter sein Licht in unserer Umgebung widerstrahlen. Trägt unser Leben die bisher genannten Kennzeichen, dann wird es automatisch ein Licht von Jesus sein. So können wir von Ihm zeugen, und mit solchen Zeugen wird Er sich gern umgeben.

Der Mann Gottes kehrt ein

Konnte Elisa dieses «Angebot» der Sunamitin ausschlagen? Nein! Als er das nächste Mal vorbeikam, kehrte er ein und schlief in diesem Obergemach. So wird auch der Herr Jesus gern und bereitwillig in unser Leben und in unsere Häuser einziehen, wenn Er solch einladende Kennzeichen findet. Dann dürfen wir die Gemeinschaft mit Ihm erleben und geniessen. Das wird für uns zum grossen Segen sein, so wie mit Elisa auch der Segen in dieses Haus einzog. Segen und Fruchtbarkeit wurde diesem Ehepaar, das lange auf ein Kind gewartet hatte, durch den Mann Gottes geschenkt.

Doch auch in einem Leben in Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus bleiben wir vor Schwierigkeiten nicht verschont. Hier scheint es sogar so, als ob die Schwierigkeiten im Haus in Sunem erst jetzt in einem Mass begannen, wie sie bisher nicht bekannt waren. Der Sohn der reichen Frau wurde krank und starb. Aber in den Schwierigkeiten hatte sie einen festen Halt. Sie wusste, an wen sie sich wenden konnte. Letztlich führten die Schwierigkeiten nur dazu, dass sie weitere Herrlichkeiten ihres Gottes kennenlernte. Diese Frau erlebte die Auferstehungskraft Gottes.

Manchmal scheint es, als ob es gerade dann durch tiefe Täler geht, wenn wir die Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus genossen hatten. Aber auch dann dürfen wir an Ihm festhalten. Und wir werden erfahren, dass Er uns nicht im Stich lassen wird. Gerade das Obergemach, das wir in «guten Zeiten» errichtet haben, wird zum Ort, an dem wir in Zeiten der Not Erfahrungen mit Gott machen. In diesem Obergemach wird Er uns seine Herrlichkeit zeigen, die wir ohne die Schwierigkeiten des Weges nicht gesehen hätten. Und schliesslich wird das Ergebnis sein, dass wir uns – wie diese Frau – vor Ihm niederwerfen werden. Vielleicht erst dann, wenn wir die Auferstehungskraft am eigenen Körper erlebt haben, wenn wir bei Ihm sein werden. Aber auch in der Zeit bis zu jenem Augenblick wird Er uns stärken und trösten. Er wird uns nicht beschämen und uns in jeder Lage den Genuss und Frieden seiner Gegenwart schenken.