Vater und Sohn in 1. Mose 22

1. Mose 22

Anregungen für Eltern

Das Verhältnis von Vätern und Söhnen wird uns in der Bibel an manchen Stellen vorgestellt. Es gibt sowohl Mut machende als auch warnende Beispiele. Eine besonders gute Beziehung zwischen einem irdischen Vater und einem irdischen Sohn finden wir bei Abraham und Isaak in 1. Mose 22 und bei Jakob und Joseph in 1. Mose 37.

Beide sind uns in erster Linie gegeben, um uns in Vorausbildern etwas von der Schönheit der Beziehung des himmlischen Vaters zu seinem Sohn zu zeigen. 1. Mose 22 lässt uns an den gemeinsamen Weg von Vater und Sohn zum Kreuz denken. 1. Mose 37 stellt uns die Willigkeit und den Gehorsam des Sohnes vor, den der Vater auf die Erde gesandt hat. Es erfüllt uns immer wieder mit Staunen, wenn wir die gewaltige Tragweite dieser Begebenheiten aus dem Alten Testament sehen, die uns die Person unseres Herrn lieb und gross machen.

Trotz ihrer Erhabenheit zeigen diese Beispiele gleichzeitig etwas von der natürlichen Beziehung, die Gott heute zwischen Vätern und Söhnen, bzw. Eltern und Kindern in einer christlichen Familie sehen möchte. Unter diesem praktischen Aspekt wollen wir anhand des Weges von Abraham mit Isaak nach Morija einige Gedanken vorstellen.

1) Eine Atmosphäre der Liebe

Gott sagte zu Abraham: «Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du lieb hast.» Zwischen Vater und Sohn bestand ein Band der Liebe. Abraham hatte seinen Sohn lieb. Zu dieser Liebe des Vaters zum Sohn gehörte, dass Abraham ihn erzog. So wusste Isaak sicher auch, was Zucht bedeutete. Dennoch steht ausser Frage, dass Abraham seinen Sohn liebte. Und bestimmt liebte Isaak auch seinen Vater, sonst hätte er sich im weiteren Verlauf der Begebenheit anders verhalten.

Lieben wir als Väter, als Eltern unsere Kinder? Liebe ist das Gegenteil von Egoismus. Sie bedeutet, das Wohl des anderen zu suchen. Liebe ist bereit, etwas abzugeben, für den anderen Opfer zu bringen. Sind wir als Eltern dazu bereit?

Es geht nicht darum, unseren Kindern jeden Wunsch zu erfüllen und sie zum Mittelpunkt des Lebens zu machen. So etwas ist in Wirklichkeit keine Liebe. Aber suchen wir das Beste für unsere Kinder? Sind wir bereit, unsere eigenen Interessen dafür einmal in den Hintergrund zu stellen? Glücklich die Häuser, in denen man eine solche Atmosphäre der Liebe kennt!

Zweifellos liebte auch Isaak seinen Vater. Seine Liebe zu ihm äusserte sich darin, dass er gehorsam war. Das ist immer das Ergebnis echter Liebe.

2) Eine Atmosphäre des Vertrauens

Beim aufmerksamen Lesen des Berichts kommen wir zum Schluss, dass Isaak völliges Vertrauen zu seinem Vater hatte. Und zwar sowohl zu dem, was er sagte, als auch zu dem, was er tat.

Die Worte und das Verhalten seines Vaters auf dem Weg mochten ihm seltsam erscheinen. Auf dem Berg Morija angekommen, wird ihm das Tun seines Vaters ganz unverständlich gewesen sein. Doch wir lesen kein Wort des Protests. Er stellte eine Frage, mehr nicht. Als Abraham ihn band und auf den Altar legte, hören wir im biblischen Bericht kein einziges Wort von Isaak. Offensichtlich vertraute er seinem Vater völlig.

Vertrauen kann man nicht fordern, das muss man sich erwerben. Das muss bei Abraham der Fall gewesen sein. Besitzen wir als Eltern das Vertrauen unserer Kinder? Vielleicht verstehen sie uns nicht immer. Aber haben sie Vertrauen zu uns? Oder war unsere Erziehung so, dass sie berechtigtes Misstrauen in unsere Worte und Handlungen haben? Können sich unsere Kinder auf das verlassen, was wir ihnen sagen? Oder müssen sie erleben, dass wir unser Wort ihnen gegenüber öfters brechen?

3) Ein Ziel vor Augen

Abraham und Isaak haben damals keinen Spaziergang gemacht oder eine Vergnügungsreise unternommen. Ihr Weg hatte ein klares Ziel. Abraham sagte zu seinen Knechten: «Ich aber und der Knabe wollen bis dorthin gehen und anbeten.» Was er dabei empfunden haben mag, wissen wir nicht. Doch ihm war klar, warum er diesen Weg mit seinem Sohn ging.

Abraham wusste, was Anbetung war. Bereits in 1. Mose 12 lesen wir von ihm, dass er einen Altar hatte. Jetzt nahm er seinen Sohn mit. Beide gingen miteinander, um anzubeten. Der Vater führte den Sohn zur Anbetung. Das ist mehr als Gebet.

Es ist wichtig und unerlässlich, dass wir gemeinsam mit unseren Kindern beten und sie anleiten, selbst zu beten. Doch hier geht es weiter. Eines der Hauptziele der Kindererziehung ist, sie zu Jesus zu führen. Wenn sie den Heiland als ihren persönlichen Erlöser angenommen haben, führen wir sie dann auch weiter? Sie sollen Nachfolger des Herrn, aber auch Anbeter werden. Darum müssen sie im Elternhaus lernen, was es bedeutet, den Vater und den Sohn anzubeten.

Welche Ziele haben wir für unsere Kinder? Natürlich möchten wir sie zu brauchbaren Menschen in der Gesellschaft erziehen. Aber ist das alles? Ist das das Wesentliche? Geht es nur um Karriere, um Erfolg, um Wohlergehen? 1. Mose 22 lehrt uns, dass Erziehung ein höheres Ziel hat. Gott, der Vater, sucht Anbeter. Das sollen unsere Kinder im Elternhaus lernen. Je früher sie das erfassen, desto besser für ihr ganzes Leben.

4) Fordern, aber nicht überfordern

Abraham hat seinen Sohn gefordert. Isaak wird nicht mehr ganz jung gewesen sein, und der Vater wusste, was er ihm zumuten konnte. Er legte das Holz auf Isaak. Das hat er ihm nicht erspart. Es war wohl keine leichte Last, die Isaak zu tragen hatte. Doch Abraham hat seinen Sohn nicht überfordert. Das Holz hat er selbst gespalten. Das Feuer und das Messer gab er ihm jedoch nicht. Das nahm er in seine eigene Hand.

Kindererziehung besteht im Fördern und Fordern. Heranwachsende Kinder müssen im Elternhaus auf die Herausforderungen des Lebens vorbereitet werden. Das gilt sowohl für den materiellen als auch für den geistlichen Bereich. Es ist kein Zeichen von Liebe, wenn wir unseren Kindern jede Schwierigkeit aus dem Weg räumen. Kinder sollten früh lernen, sich den Anforderungen des Lebens zu stellen. Es ist nicht gut, wenn Eltern jedes Unrecht korrigieren, das ihren Kindern – z.B. in der Schule – widerfährt. Kinder müssen lernen, Unrecht zu ertragen. Solche Situationen werden ihnen auch als Erwachsene nicht erspart bleiben.

Als Eltern müssen wir jedoch sorgfältig abwägen, was wir unseren Kindern zumuten können und was nicht. Wir wollen sie fordern, dabei aber nicht überfordern. Das Mass des Forderns ist von Kind zu Kind verschieden. Es gibt da keine pauschalen Regeln. Bei allem müssen Kinder wissen, dass die Eltern ihnen zur Seite stehen und sie nicht im Stich lassen, wenn es darauf ankommt und sie vielleicht einknicken.

5) Die Gegenwart der Eltern

Auf dem Weg nach Morija redet Isaak mit seinem Vater. Er beginnt mit: «Mein Vater!» Abraham antwortet: «Hier bin ich.» Bevor Isaak irgendeinen Wunsch äussert oder eine Frage stellt, sichert der Vater ihm zu, dass er für ihn da ist.

Das erinnert uns an eine Zusage des göttlichen Hirten in Hesekiel 34,11: «Siehe, ich bin da, und ich will nach meinen Schafen fragen und mich ihrer annehmen.» Wenn wir dieses Wort auf unsere Beziehung zu den Kindern anwenden, liegt dreierlei darin:

  • dass wir für unsere Kinder da sind, wenn sie uns brauchen.
  • dass wir ein echtes Interesse an ihnen haben.
  • dass wir bereit sind, uns ihrer anzunehmen und ihnen zu helfen.

Leben wir als Eltern in dieser inneren Bereitschaft? Sind wir «da», wenn unsere Kinder Hilfe brauchen? Kennen sie diese Anlaufstation, oder haben wir ihnen durch unser egoistisches Verhalten das Elternhaus so «vermiest», dass sie woanders hingehen, wenn sie jemand brauchen, der für sie da ist?

Unsere Häuser sollten Zufluchtsorte sein, Orte der Wärme und Geborgenheit, wo Kinder sich aufgehoben und verstanden fühlen. Es ist wohl allen klar, dass dies in unserer hektischen und fordernden Zeit eine grosse Herausforderung für christliche Eltern ist. Denn dazu brauchen wir, was wir oft am wenigsten haben: Zeit!

6) Ein gemeinsamer Weg

Zweimal lesen wir im göttlich inspirierten Bericht, dass Abraham und Isaak miteinander gingen. Abraham ging nicht ohne den Sohn und Isaak ging nicht ohne den Vater. Beide hatten ein gemeinsames Ziel. Dabei ging die Initiative von Abraham aus.

Eltern und Kinder bilden nach Gottes Gedanken eine Familie. Für diese Beziehung ist es unerlässlich, dass wir gemeinsame Wege gehen. Das heisst nicht, dass wir alles zusammen machen müssen. Das geht gar nicht. Kinder gehen in die Schule, und Erwachsene haben ihren Tätigkeitsbereich. Kinder müssen ihr eigenes Profil entwickeln. Dennoch ist es wichtig, dass Eltern und Kinder auch gemeinsam etwas unternehmen. Väter und Mütter sollen dabei initiativ sein und für gemeinsame Aktivitäten sorgen. Das kann z.B. am Abend, am Samstag und Sonntag und natürlich im Urlaub sein.

In unserer hektischen Zeit mit ihren hohen zeitlichen Anforderungen an Eltern und Kinder bleibt oft nur wenig Freiraum für Derartiges. Dennoch sollen wir nach Möglichkeiten suchen, bei denen wir gemeinsam etwas unternehmen können, auch wenn wir dabei als Väter oder Mütter manchmal auf etwas verzichten müssen, was wir lieber tun würden.

Vor allem sollten wir unsere Kinder dazu anleiten, mit uns einen gemeinsamen Weg in der Nachfolge des Herrn Jesus zu gehen. Dazu gehört, dass wir sie mitnehmen, wenn wir zum Namen des Herrn hin zusammenkommen. In letzter Konsequenz geht das aber viel weiter. Josua sagte am Ende seines Lebens zum Volk: «Ich aber und mein Haus, wir wollen dem HERRN dienen!» Gottes Gedanke ist immer: Du und dein Haus.

7) Das gemeinsame Gespräch

Abraham und Isaak haben den Weg nach Morija nicht schweigend zurückgelegt. Sie haben miteinander geredet. Sie tauschten sich über Themen aus, die dem Sohn am Herzen lagen. Isaak fragte konkret, und der Vater antwortete.

Für eine gute Beziehung zwischen Eltern und Kindern ist das gemeinsame Gespräch unerlässlich. Unsere Kinder haben Fragen: die Kleinen oft viele, die Grossen eher schwierige. In beiden Fällen verlangen die Antworten Zeit und Mühe. Doch es lohnt sich, Zeit und Mühe zu investieren. Obwohl wir in einer Zeit zunehmender Kommunikation leben, verkümmert das gemeinsame Gespräch in den Familien. Dieses «Nicht-Reden» ist der schleichende Tod einer guten Beziehung, sowohl in der Ehe als auch in der Familie.

Es gibt Kinder, die von selbst Fragen stellen. Andere fragen wenig oder gar nicht. Dann ist es gut, wenn wir als Eltern das Gespräch suchen, vielleicht durch das Stellen von Fragen. Diese öffnen das Innere eines Menschen. Darum sind Fragen wichtig. Der Herr Jesus hat in seinem Leben, vor allem in seinem öffentlichen Dienst, viele Fragen gestellt und viele beantwortet. Dafür hatte Er immer Zeit. Von Ihm wollen wir lernen, das Gespräch mit unseren Kindern zu suchen und zu pflegen. Wenn wir keine Antworten auf die Probleme unserer Kinder haben, dann werden andere ihnen die Fragen beantworten. Ob das immer in unserem Sinn ist?

8) Ein Leben für den Herrn

Am Ende legte Abraham seinen Sohn auf den Altar und Isaak wehrte sich nicht. Er war sicher nicht mehr so jung und hätte sich dagegen auflehnen können. Doch wir lesen nichts dergleichen.

Der Engel des HERRN hinderte Abraham daran, seinen Sohn tatsächlich zu opfern. Doch der Hebräer-Brief macht klar, dass Gott ihm seine Glaubenstat so anrechnete, als hätte er Isaak tatsächlich geopfert.

Im Römer-Brief werden wir aufgefordert, unsere Körper als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Schlachtopfer darzustellen. Das bedeutet nichts anderes, als dass wir unser Leben dem Herrn Jesus zur Verfügung stellen. Isaak hat bei seinen Eltern etwas davon gesehen und gelernt.

Nehmen unsere Kinder das mit, wenn sie das Elternhaus verlassen? Treten sie als junge Menschen mit dem Wunsch ins Leben, ihrem Herrn zu dienen und sich von Ihm gebrauchen zu lassen? Dann hat sich jede diesbezügliche Investition in die Erziehung unserer Kinder gelohnt.

Der Bericht in 1. Mose 22 endet damit, dass Abraham und Isaak gemeinsam zu den Knechten zurückkehren und dann miteinander nach Beerseba ziehen. Und nun wechselt die Berichterstattung und es heisst nur noch von Abraham, dass er in Beerseba wohnte. Von Isaak lesen wir an dieser Stelle nichts mehr. Wo war er geblieben? Wir wissen es nicht. Von nun an hat er seine eigene Geschichte.

Dennoch können wir aus diesem Ende der Begebenheit etwas lernen. Kinder sind nur geliehenes Glück. Der Tag kommt, an dem wir als Eltern sie in die Selbstständigkeit entlassen sollen und müssen. Die Frage bleibt: Was nehmen sie dann mit? Haben sie ein Elternhaus mit einer geistlichen Atmosphäre der Gottesfurcht erlebt? Oder denken sie nur ungern an ihr Elternhaus zurück? Für das Miteinander von Eltern und Kindern gibt es im Leben normalerweise nur eine einzige Chance – keine zweite! Wir wollen sie nutzen.