Das Verhalten des leidenden Christus

Der Herr Jesus musste in seinem Leben – und besonders am Kreuz – unzählige Leiden ertragen. Mit Recht wird Er der Schmerzensmann genannt. Dabei unterscheiden wir die Leiden, die Er von den Menschen erduldete, von den Leiden in den drei Stunden der Finsternis, als Gott Ihn verliess und an unserer Stelle bestrafte. Neben den Evangelien, die uns in vier Aspekten einen Lebensbericht des Heilands geben, beschreiben uns besonders die Psalmen prophetisch, was Er alles durchmachen musste. Zudem zeigen sie uns seine Empfindungen und sein Verhalten in den Leiden. Wir wollen anhand einiger Verse in den Psalmen über diese beiden Punkte nachdenken.

Von den Menschen gehasst

«Mit Worten des Hasses haben sie mich umgeben und haben gegen mich gekämpft ohne Ursache. Für meine Liebe feindeten sie mich an; ich aber bin stets im Gebet» (Ps 109,3.4).

Jesus Christus begegnete allen Menschen in Liebe. Wenn sie mit ihren Nöten zu Ihm kamen, half Er ihnen. Er heilte die Kranken, speiste die hungrige Menge und hatte für jeden Bedürftigen das richtige Trostwort. «Er ging umher, wohl tuend und alle heilend» (Apg 10,38). Doch die Antwort seiner Volksgenossen war Hass und Ablehnung. Wie hat es den Heiland getroffen, dass sie auf seine unermüdlichen Bemühungen der Liebe und auf seine gütigen Taten mit Hass reagierten. Von seiner Seite gab es wirklich keine Ursache für diese Feindschaft. Doch sie wollten seine Liebe nicht. Wie verhielt sich Jesus dieser Ablehnung gegenüber? Drohte Er ihnen das Gericht an? Nein! Es heisst: «Ich aber bin stets im Gebet.» Er brachte diese Not im Gebet seinem Gott. Er übergab sich selbst als Mensch Ihm, der alles richtig beurteilt und gerecht richtet (1. Pet 2,23). Und Er führte seinen Dienst der Liebe ohne Bitterkeit in Abhängigkeit von Gott weiter.

Von den Menschen verleumdet

«Die nach meinem Leben trachten, legen mir Schlingen; und die mein Unglück suchen, reden von Schadentun und sinnen auf Trug den ganzen Tag. Ich aber, wie ein Tauber, höre nicht und bin wie ein Stummer, der seinen Mund nicht öffnet. Und ich bin wie ein Mann, der nicht hört und in dessen Mund keine Gegenreden sind» (Ps 38,13-15).

Diese Verse treffen besonders auf die verschiedenen Gerichtsverhandlungen zu, die der Heiland über sich ergehen lassen musste. Die jüdischen Führer hatten die Todesstrafe schon festgelegt, bevor das Gericht tagte. Die Verhandlungen waren nur eine Alibi-Übung, um den Schein zu wahren. Doch weil Jesus nichts Todeswürdiges getan hatte, mussten sie falsche Zeugen mit falschen Anklagen aufstellen. Alle Anschuldigungen waren Lügen, und kein Zeugnis war übereinstimmend. Sogar Pilatus erkannte das Motiv der Ankläger und die Unschuld des Gefangenen. Trotzdem liess er sich dazu hinreissen, das Todesurteil der Kreuzigung auszusprechen. Und wie reagierte Jesus Christus auf diese bösen Verleumdungen? Mit Leichtigkeit hätte Er jede Anklage widerlegen und seine Gegner mit göttlicher Weisheit zum Schweigen bringen können. Doch Er tat es nicht, obwohl Er unter diesen falschen Anschuldigungen litt, die seine Ehre verletzten. Es beeindruckt uns, wie Er sich nicht rechtfertigte, obwohl Er im Recht war. Er schwieg zu allen Anschuldigungen und akzeptierte seine Verurteilung durch Pilatus.

Von den Menschen ignoriert

«Vergessen bin ich im Herzen wie ein Gestorbener; ich bin geworden wie ein zertrümmertes Gefäss. – Ich aber, ich habe auf dich vertraut, HERR; ich sprach: Du bist mein Gott!» (Ps 31,13.15).

Jesus Christus erfuhr die Ablehnung seiner Mitmenschen nicht nur in offenem Widerstand, sondern auch dadurch, dass sie Ihn bewusst ignorierten oder einfach vergassen. Wir erinnern uns an Simon, den Pharisäer, der den Herrn Jesus zu einem Essen einlud, Ihm jedoch die geringste Höflichkeit vorenthielt. Er wusch Ihm weder die Füsse noch begrüsste er Ihn mit einem Kuss (Lk 7,36-50). Als Pilatus sein ungerechtes Urteil über Jesus Christus gefällt hatte, überliess er Ihn der Willkür seiner Soldaten. Was ging ihn dieser Jesus noch an? (Mt 27,27-31). Und als der Heiland am Kreuz hing, wer dachte da an Ihn? Wo waren die vielen Menschen, die Er mit fünf Broten und zwei Fischen gespeist hatte? Wo hielten sich die Geheilten auf, als Er verspottet wurde? Vergessen waren seine Güte, sein Erbarmen und seine Macht. Diese Gleichgültigkeit hat sein Herz tief verwundet. Trotzdem wurde Er nicht bitter, sondern vertraute auch in dieser Not auf seinen Gott. Er wusste: Wenn die Menschen Ihn nicht beachteten, bei Gott fand sein vollkommenes Leben Anerkennung. Wenn die Menschen Ihn vergassen, sein Gott war bei Ihm.

Von Gott verlassen

«Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen, bist fern von meiner Rettung, den Worten meines Gestöhns? – Doch du bist heilig, der du wohnst bei den Lobgesängen Israels» (Ps 22,2.4).

Der Anfang von Psalm 22 lässt uns ein wenig die Leiden erahnen, die Jesus Christus in den drei Stunden der Finsternis erduldete. Was geschah in dieser Zeit?

  • «Christus, der selbst unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen hat» (1. Pet 2,24). Der heilige Gott legte jede einzelne unserer Sünden auf Ihn und strafte Ihn dafür. So wurde Er zum Sündenträger für alle, die an Ihn glauben.
  • «Den, der Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm» (2. Kor 5,21). Gleichzeitig hat Gott den Herrn Jesus so behandelt, wie wenn Er der Ursprung alles Bösen gewesen sei. Die Sünde, dieses böse Prinzip, wurde an Ihm von Gott verurteilt.

Weil Gott heilig und völlig getrennt von der Sünde ist, musste Er Jesus Christus in diesen Stunden des Gerichts verlassen. Wie schrecklich dies für unseren Heiland war, der nur zur Freude Gottes gelebt hatte, können wir nicht ergründen. Im Ausruf: «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?», erahnen wir etwas von seiner grossen Not. Und trotzdem rechtfertigte Er dieses Handeln Gottes, indem Er sagte: «Doch du bist heilig.» Er anerkannte die Notwendigkeit dieses Gerichts, sollte Gott unter seinem Volk wohnen können. Obwohl die Leiden in den drei Stunden der Finsternis für Ihn furchtbar waren, lehnte sich Jesus Christus nicht dagegen auf, sondern erduldete alles, bis es vollbracht war.

Wie dankbar dürfen wir sein, dass Er am Kreuz für uns alles gut gemacht hat. Ist Er es nicht wert, dass wir uns viel mit Ihm und seinen Leiden beschäftigen? Dann werden unser Lob und unsere Anbetung immer frisch und von Herzen sein.