Die Geschichte Davids wird im Alten Testament ausführlich beschrieben. Vielen Bibellesern ist sie wohl gut vertraut. Sein Lebensweg wird in zwei grossen Etappen vorgestellt. Zuerst ist er der von König Saul Abgelehnte und Verfolgte. Dann ist er der von Gott erwählte König über sein Volk Israel.
Die Geschichte Davids enthält eine Vielzahl von praktischen Belehrungen für unser Glaubensleben. Vor allem aber weist sie auf den einen Mann nach dem Herzen Gottes hin – auf unseren Heiland und Herrn Jesus Christus.
Vielen ist der Gedanke vertraut, dass David ein Bild vom Herrn Jesus ist. Er war der König, der durch Ablehnung, Feindschaft und Kampf zum Königtum kam. So wird Er als Sieger von Golgatha jetzt von der Welt abgelehnt und gehasst. Dennoch wird Er einmal als Sohn des Menschen die Herrschaft über alle Werke der Hände Gottes antreten. Im Hebräer-Brief heisst es, dass Ihm jetzt schon alles unterworfen ist, auch wenn wir es noch nicht öffentlich sehen (Heb 2,8).
Die Zeit, in der David noch nicht König war, weist auf die Zeit hin, in der Jesus Christus abgelehnt wird und Er seine Herrschaft noch nicht öffentlich angetreten hat. Doch der Moment kommt, da sich das ändert. Dann wird Ihm alles öffentlich zu Füssen liegen. Er wird seine Feinde besiegen und das Reich auf der Erde gründen.
Aber nun zu David. Von Anfang an war klar, dass er der Mann nach dem Herzen Gottes war (1. Sam 13,14, Apg 13,22). Abgesehen von einer Erwähnung im Buch Ruth finden wir seinen Namen zum ersten Mal in 1. Samuel 16. Der Prophet und Richter Samuel bekam den göttlichen Auftrag, ihn zum König zu salben. In 1. Samuel 16,11-13 heisst es:
«Samuel sprach zu Isai: Sind das die Jünglinge alle? Und er sprach: Noch ist der Jüngste übrig, und siehe, er weidet das Kleinvieh. Und Samuel sprach zu Isai: Sende hin und lass ihn holen; denn wir werden uns nicht zu Tisch setzen, bis er hierher gekommen ist. Und er sandte hin und liess ihn kommen; und er war rötlich, dazu schön von Augen und von gutem Aussehen. Und der HERR sprach: Auf, salbe ihn; denn dieser ist es! Da nahm Samuel das Ölhorn und salbte ihn inmitten seiner Brüder. Und der Geist des HERRN geriet über David von diesem Tag an und weiterhin.»
Es ist auffallend, wie Gott gerade zu Beginn der Berichterstattung über David eine Reihe von bemerkenswerten Einzelheiten gibt, die uns im Licht des Neuen Testaments etwas von unserem Herrn und Heiland zeigen.
- David bedeutet «Geliebter». Diesen Namen hat er sicher nicht umsonst bekommen, und er trug ihn zu Recht. Wir können annehmen, dass David seinem Vater Isai Freude machte und deshalb auch sein Wohlgefallen fand.
Dabei denken wir an Den, der in vollkommener Weise der Geliebte seines Vaters war und ist. Epheser 1,6 spricht von Ihm als dem «Geliebten». In Kolosser 1,13 wird Er der «Sohn seiner Liebe» genannt. Es war und ist das Wohlgefallen der ganzen Fülle der Gottheit, in Ihm zu wohnen. Gott, der Vater, blickt mit Wohlgefallen auf seinen Sohn. Dieser Strom der Liebe des Vaters zum Sohn füllt die Ewigkeit. Als Er als Mensch Jesus Christus auf dieser Erde war, öffnete sich der Himmel über Ihm, und Gott bezeugte zweimal sein ganzes Wohlgefallen an Ihm: «Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe» (Mt 3,17; 17,5). - David war – wie vor ihm schon Jakob, Joseph, Mose und andere – ein Hirte, und zwar ein guter und zuverlässiger, dem sein Vater die Herde überlassen konnte. Unter Einsatz seines Lebens hat er die ihm anvertrauten Tiere verteidigt und geschützt (1. Sam 17,34.35). Der Hirte denkt – im Gegensatz zu einem Jäger – nicht an sich und seinen Nutzen, sondern an die Herde.
Darin ist er ein treffender Hinweis auf unseren Hirten, den Herrn Jesus. Dieser konnte von sich sagen: «Ich bin der gute Hirte; der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe» (Joh 10,11). Das tat unser Hirte in der Vergangenheit. Jetzt ist Er der «grosse Hirte» der Schafe (Heb 13,20), der sich um uns kümmert. Bald wird Er als der «Erzhirte» offenbar werden. Dann empfangen die Ältesten die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit (1. Pet 5,4). Das Alte und das Neue Testament sprechen an vielen Stellen von diesem Hirten. Es lohnt sich, diese Stellen aufzusuchen und in Ruhe zu überdenken. - David war der achte Sohn Isais. Samuel hatte zuerst nur die ersten sieben Söhne gesehen. Von ihnen war keiner der von Gott auserwählte König, den er salben sollte. Deshalb fragte er den Vater, ob das alle seine Söhne seien. Erst dann holten sie David. Die Zahl acht weist in der Bibel auf einen Neuanfang oder die Einführung einer neuen Ordnung hin.
So hat sich mit dem Erscheinen des Sohnes Gottes als Mensch auf dieser Erde alles verändert. Es gibt einen ersten Menschen von Staub, der durch die Sünde alles verdorben hat. Es gibt einen zweiten Menschen vom Himmel, der alles gut machen wird (1. Kor 15,47). Es gibt einen ersten Adam und einen letzten Adam (1. Kor 15,45). Durch den ersten Menschen ist die Sünde in die Welt gekommen. Dadurch wurde Adam das Haupt aller Menschen in der gefallenen Schöpfung. Christus ist jetzt das Haupt derer, die sein Erlösungswerk im Glauben angenommen haben. «Wenn jemand in Christus ist, da ist eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden» (2. Kor 5,17). - David war rötlich, dazu schön von Augen und von gutem Aussehen. Auch von Mose, von Daniel und von seinen Freunden heisst es, dass sie schön waren. In Apostelgeschichte 7,20 sagt Stephanus sogar, dass Mose «schön für Gott» war.
Von unserem Herrn Jesus heisst es prophetisch: «Du bist schöner als die Menschensöhne, Holdseligkeit ist ausgegossen über deine Lippen» (Ps 45,3). Äusserlich hatte Er keine Gestalt und keine Pracht. Er war von anderen Menschen nicht zu unterscheiden, denn Er war, obwohl sündlos, in Gleichgestalt des Fleisches der Sünde gekommen (Röm 8,3). Aber Gottes Auge sah tiefer. Er sah in Ihm nur Herrliches und Schönes. Er ist einzigartig und unvergleichlich. Als Sohn des Menschen hat Er all die Wesenszüge offenbart, die Gott an uns Menschen sehen wollte. Es gab an Ihm nichts, was dieses Bild hätte trüben können. Mit dem Auge des Glaubens entdecken auch wir immer neue Herrlichkeiten und Schönheiten an Ihm, die uns tief beeindrucken. - Als Samuel David sah, bekam er von Gott eine klare Anweisung: «Auf, salbe ihn; denn dieser ist es!» Damit wurde David von Gott deutlich bestimmt und bezeichnet.
Jesus lebte als Mensch unter Menschen. Er kam aus Nazareth, einer verachteten Stadt in Israel. Für seine Landsleute war Er der Sohn des Zimmermanns. Er nahm Knechtsgestalt an, wurde in Gleichheit der Menschen und ist in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden worden (Phil 2,7). Johannes der Täufer erklärte seinen Zuhörern: «Mitten unter euch steht einer, den ihr nicht kennt» (Joh 1,26). Als aber Jesus von Johannes getauft worden war, wachte Gott darüber, dass man Ihn nicht mit seinen Zeitgenossen auf eine Stufe stellte. Er wusste nicht nur, wer Er war, sondern Er bezeugte auch öffentlich, dass Dieser – und niemand anders – sein geliebter Sohn ist. «Dieser ist mein geliebter Sohn» (Mt 3,17). Es gab keinen Zweifel: Gott zeichnete Ihn aus. - David wurde von Samuel zum König gesalbt. Im Gegensatz zur Salbung Sauls nahm der Prophet bei David nicht eine Flasche, sondern das Ölhorn. Damit wird angedeutet, dass das Königtum Davids nicht zerbrechlich (Flasche), sondern beständig (Horn) sein würde.
Der Herr Jesus ist nicht nur die Wurzel, sondern auch das Geschlecht (der Nachkomme) Davids (Off 22,16). Er ist der wahre Sohn Davids, der einst als König der Könige über diese Erde herrschen wird. In den Psalmen wird auf die Salbung Davids zum König mit den Worten Bezug genommen: «Ich habe einen Auserwählten erhöht aus dem Volk. Ich habe David gefunden, meinen Knecht – mit meinem heiligen Öl habe ich ihn gesalbt» (Ps 89,20.21). Ohne Zweifel denkt der Heilige Geist hier prophetisch an die Szene am Jordan, als der Geist Gottes auf Jesus kam. In Psalm 2,6 heisst es: «Habe ich doch meinen König eingesetzt auf Zion, meinem heiligen Berg!» Der wahre Gesalbte ist niemand anders als unser Herr. - Die Brüder Davids wurden Zeugen dieser Handlung. Es heisst ausdrücklich, dass Samuel ihn «inmitten seiner Brüder» salbte. Was mögen sie dabei empfunden und gedacht haben? Von einigen erfahren wir später, dass sie keine freundlichen Gedanken über ihren Bruder hatten. Als er vom Vater Isai gesandt in das Terebinthental kam, um nach dem Wohlergehen seiner drei ältesten Brüder zu fragen, die mit dem Heer Sauls im Krieg waren, bereiteten sie ihm einen unfreundlichen Empfang. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass er einmal als König regieren würde.
So ist der Herr Jesus von seinem Volk abgelehnt worden. Im Gleichnis erklärten die Menschen: «Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche» (Lk 19,14). Seinen Herrschaftsanspruch wollte man nicht anerkennen. Genau das ist immer noch die Sprache der Menschen, auch wenn sie es nicht so offen sagen. Der Herr Jesus ist heute noch der Verachtete, den man nicht will und den man ablehnt. Doch das ändert nichts daran, dass Gott seine Pläne ausführen wird. Christus wird einmal in Gerechtigkeit und Frieden herrschen. - Die Folgen der Salbung Davids zum König waren nicht zu übersehen. «Der Geist des HERRN geriet über David von diesem Tag an und weiterhin.» Er nahm unmittelbar Besitz von ihm und blieb auf ihm, obwohl der Geist noch nicht in ihm wohnte wie bei Jesus Christus oder in den Gläubigen der Gnadenzeit.
Noch einmal denken wir an das Geschehen am Jordan. Johannes dem Täufer wurde vorausgesagt: «Auf wen du den Geist herniederfahren und auf ihm bleiben siehst, dieser ist es» (Joh 1,33). Genauso geschah es. Als Jesus aus dem Wasser heraufstieg, teilten sich die Himmel und der Heilige Geist fuhr wie eine Taube auf Ihn hernieder (Mk 1,10). Als Folge davon lesen wir, dass Jesus voll Heiligen Geistes war und dass der Geist Ihn in die Wüste hinausführte (Lk 4,1; Mk 1,12). Das Wort des HERRN durch Jesaja, den Propheten, erfüllte sich: «Der Geist des Herrn, HERRN, ist auf mir, weil der HERR mich gesalbt hat, den Sanftmütigen frohe Botschaft zu bringen, weil er mich gesandt hat, die zu verbinden, die zerbrochenen Herzens sind, Freiheit auszurufen den Gefangenen und Öffnung des Kerkers den Gebundenen» (Jes 61,1).
Es ist sicher nicht ohne Grund, dass die Salbung Davids zum König die letzte öffentliche Handlung des Propheten Samuel war. Das erinnert uns an das, was Simeon im Tempel tat, als er das Kind Jesus auf die Arme nahm und eine wunderbare Weissagung über Ihn aussprach (Lk 2,29-32). Danach wurden beide Diener des Herrn in Frieden «entlassen». Für uns bleibt die Frage, welche Wertschätzung wir für den wahren «Mann nach dem Herzen Gottes» – unseren Herrn und Heiland – haben.