Der Jünger, den Jesus liebte

Johannes 13,23-26; Johannes 19,25-27; Johannes 20,1-3; Johannes 21,1-7.19-20

Im vierten Evangelium bezeichnet der Heilige Geist den Schreiber – es ist der Apostel Johannes – fünfmal als «den Jünger, den Jesus liebte». Dass es sich dabei wirklich um Johannes handelt, bezeugen die letzten Verse dieses Evangeliums. Nachdem in Kapitel 21,20 zum letzten Mal vom Jünger, den Jesus liebte, die Rede ist, heisst es dann in Vers 24: «Dies ist der Jünger, der von diesen Dingen zeugt und der dieses geschrieben hat.»

Schauen wir uns nun diese fünf Vorkommen in ihrem jeweiligen Textzusammenhang etwas näher an.

Johannes 13,23-26

Während des Passahmahls im Obersaal lag der Jünger, den Jesus liebte, gemäss der damaligen Tischsitte im Schoss Jesu. Der Schoss ist der Platz der Geborgenheit, der Vertrautheit, der Zuneigung und des Segens (Lk 16,22; Joh 1,18). Johannes suchte die grösstmögliche Nähe zum Herrn. Wir gehen wohl kaum fehl, wenn wir sagen, dass er deswegen in besonderer Weise die Liebe des Herrn empfand. Ist es auch unser Verlangen, so nah wie möglich beim Herrn Jesus zu sein?

Petrus war unter den zwölf Jüngern in gewisser Weise der Erste (Mt 16,19; Apg 2,14). Er anerkannte aber die grössere Vertrautheit des Johannes mit dem Herrn und bat ihn durch einen Wink, den Herrn zu fragen, von wem Er rede, als Er sagte: «Einer von euch wird mich überliefern.» Johannes brauchte dazu kein längeres Gespräch mit dem Herrn zu führen. Er lehnte sich einfach an die Brust Jesu und fragte Ihn ohne Umschweife: «Herr, wer ist es?»

Und der Herr beantwortet seine Frage. Vor einem Freund gibt es nichts zu verbergen (1. Mo 18,17).

Wenn wir nahe beim Herrn sind, empfangen wir vertraute Mitteilungen von Ihm.

Johannes 19,25-27

Johannes war vermutlich der einzige der zwölf Jünger – die Bibel berichtet von keinem anderen –, der beim Kreuz des Heilands stand. Was mag es für den Herrn gewesen sein, wenigstens einen seiner Jünger dort zu sehen! Es war jener, der seine Zuneigung besonders genoss.

In der Stunde, als die Voraussage des alten Simeon wahr wurde und ein Schwert die Seele von Maria, der Mutter Jesu, durchdrang (Lk 2,35), da sagte der gekreuzigte Herr zu ihr: «Frau, siehe, dein Sohn.» Wollte Er nicht den Schmerz seiner Mutter mildern und der mütterlichen Liebe eine Person geben, an die sie sich richten konnte?

Mit den Worten: «Siehe, deine Mutter!», anvertraute der Herr dem Jünger, den Er liebte, die Sorge für seine Mutter. Sicher hat Johannes diesen letzten Wunsch seines Meisters an ihn mit Liebe und Sorgfalt erfüllt.

Wenn wir nahe beim Herrn sind, kann Er uns Menschen anvertrauen, die Ihm wertvoll sind und um die wir uns kümmern dürfen.

Johannes 20,1-3

Wie verstört und bestürzt mag Maria von Magdala am Auferstehungstag des Herrn Jesus vom leeren Grab weg zu den Jüngern gelaufen sein! In der Not ihres Herzens wandte sie sich an Petrus und den Jünger, den Jesus lieb hatte. Wenn jemand ihren Schmerz verstehen konnte, so waren es diese beiden. Sie selbst liebte den Herrn innig. So suchte sie jene Jünger auf, bei denen sie die gleiche Zuneigung zu Ihm vermutete.

Wenn wir nahe beim Herrn sind, schenken uns Glaubensgeschwister ihr Vertrauen.

Johannes 21,1-7

Die Jünger waren nach Galiläa gegangen, wie der Herr sie vor seinem Tod angewiesen hatte (Mt 28,16; Mk 16,7). Als Er nicht erschien, wollte Petrus etwas unternehmen. Er sagte: «Ich gehe hin fischen.» Andere schlossen sich ihm auf diesem falschen Weg an, darunter auch Johannes.

Nach einer erfolglosen Nacht – sie hatten nichts gefangen – kam der Herr und offenbarte sich ihnen in wunderbarer Gnade. Als ein Fremder stand Er am Ufer und erwartete sie. Johannes erkannte Ihn zuerst.

Wenn wir uns gewohnt sind, nahe beim Herrn zu sein, werden wir Ihn erkennen und zu Ihm umkehren, wenn Er uns in seiner Treue auf einem falschen Weg entgegentritt.

Johannes 21,19.20

Am See von Tiberias berief der Herr Jesus seinen Jünger Petrus zum Hirtendienst und vertraute ihm seine Lämmer und Schafe an. Nachdem Er ihm zudem angedeutet hatte, dass er durch den Märtyrertod Gott verherrlichen sollte, forderte Er ihn auf: «Folge mir nach!» Petrus tat dies, aber Johannes folgte ebenfalls nach. Er wurde durch die Liebe des Herrn angezogen. Er brauchte keine direkte Aufforderung. Er wollte dort sein, wo sein Herr war.

So war es von Anfang an gewesen. Als Johannes der Täufer mit den Worten auf den Herrn Jesus hinwies: «Siehe, das Lamm Gottes», da folgten zwei seiner Jünger Jesus nach. Einer von ihnen war Andreas, der Bruder des Petrus. Der andere wird nicht mit Namen bezeichnet und ist wohl Johannes, der in diesem Evangelium nie mit Namen genannt wird. Diese zwei Jünger hatten auf die Frage des Herrn: «Was sucht ihr?», geantwortet: «Wo hältst du dich auf?» Nach den einladenden Worten: «Kommt und seht», waren sie bei Ihm geblieben. Jetzt, etwa drei Jahre später, wollte Johannes immer noch nahe bei Ihm sein. So folgte er Ihm ohne Aufforderung nach.

Wenn wir nahe beim Herrn Jesus sein wollen, werden wir Ihm einfach nachfolgen. Dieser wunderbare Weg wird im Vaterhaus enden, wo wir für immer bei Ihm sein werden (Joh 14,3).