Reitend auf einem Esel

Matthäus 21,1-17

Heute erwartet man beim Besuch eines hohen Staatsgastes einen grossartigen Empfang, mit rotem Teppich und Abschreiten der militärischen Ehrenformation. Zur Zeit Jesu war es nicht anders. Die Menschen erwarteten ebenfalls Pferde und Reiter und ein würdiges Empfangskomitee. Der Einzug Jesu in Jerusalem sah aber gar nicht so aus. Ein Zuschauer konnte nicht ohne weiteres erkennen, dass hier der «König der Könige», der «Herr der Herren» und der Schöpfer des Universums in jene Stadt einzog. Das Ganze machte einen seltsamen Eindruck. Es gibt aber keine andere Begebenheit aus dem Leben des Herrn, in der Gott es so deutlich machte, dass hier niemand anders als der kommende Erlöser, der Messias Israels, in Jerusalem einzog.

In allen vier Evangelien wird davon berichtet, und in unserem Abschnitt werden verschiedene Stellen aus dem Alten Testament zitiert, die sich wörtlich erfüllten. Zudem wurde die Prophezeiung aus Daniel 9,25 Wirklichkeit, wo vorausgesagt wird, dass der Fürst, der Messias, nach Verlauf von 69 Jahrwochen in Jerusalem einziehen wird. Es war das letzte Mal, dass Jesus sich, während seines irdischen Lebens, seinem aufrührerischen Volk Israel zeigte. Es war sozusagen das Finale oder die letzte Etappe im Leben unseres Herrn, bevor Er den schmachvollen Kreuzestod erlitt. Dieses Ereignis, der Einzug in Jerusalem, ist einzigartig und sehr lehrreich.

Wie kam Er?

«Dein König kommt zu dir, sanftmütig und auf einer Eselin reitend» (V. 5). Der Herr Jesus kam nicht hoch zu Ross, nicht wie die Imperatoren Roms, sondern Er ritt auf einem Lasttier, einem Kleinwagen der Antike, und zwar auf einem Fohlen, einem jungen Esel. In Markus 11,2 wird hinzugefügt, dass noch nie ein Mensch darauf gesessen hatte. Der Herr Jesus ist einzigartig und allein anbetungswürdig. Er erniedrigte sich selbst, nahm den allerletzten Platz ein, setzte sich auf ein scheinbar bedeutungsloses junges Tier, begleitet von einer kleinen Schar von zwölf Jüngern. Das Geschöpf trug den Schöpfer auf seinem Rücken!

Sind wir bereit, uns dem Herrn zur Verfügung zu stellen, auch wenn wir vielleicht noch jung sind? Eine Hilfeleistung zugunsten älterer Personen, die Mithilfe beim Unterhalt des Versammlungslokals, eine dort nötige Reparatur, einen Bruder am Bahnhof abholen usw., und zwar ohne den Beifall der Menge? Dann sind wir wie dieser junge Esel – die Last erleichternd. Hier lehrt uns der Herr Jesus wahre Demut und Sanftmut. Diese Szene erinnert uns auch an seine Geburt und die Krippe, in die Er in Bethlehem gelegt wurde. Ja, von seiner Geburt bis zu seinem Tod lebte der Herr Jesus diese ungeheuchelte Demut aus. Möchten wir als Christen diesem Lebensprinzip mehr Beachtung schenken.

Wer ist Er?

Als Herr befahl Jesus, die Esel zu holen. Er wusste genau, wo sie angebunden waren (V. 2.3). Als König zog Er gemäss der Verheissung aus dem Propheten Sacharja in die Stadt ein (V. 4-11). Die Menschen erwarteten von Ihm, dass Er jetzt sein Reich in Anspruch nehmen und sie endlich von der römischen Besatzungsmacht befreien würde. Sie breiteten ihre Kleider auf dem Weg aus, schnitten Zweige als Zeichen der Würdigung ab. Sie erkannten Ihn als Propheten aus Nazareth in Galiläa. Sie riefen laut: «Hosanna (d.h. rette doch) dem Sohn Davids», und: «Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!» Wie glücklich wären sie gewesen, wenn sie dies von Herzen gesagt hätten! Gott erwies seinem Sohn damit eine öffentliche Anerkennung. Er konnte es nicht zulassen, dass sein Sohn verworfen wurde, ohne dass Er vorher dieses Zeugnis von seinem Volk erhielt. Doch einige Tage später wurde Er von der gleichen Menschenmenge öffentlich verworfen, verlästert und letztendlich gekreuzigt.

Welchen Empfang bereiten wir dem Herrn der Herrlichkeit? Er will auch heute in unser Leben einziehen und in unseren Herzen regieren. Sind wir bereit, unsere Herzenstür weit aufzutun? Anerkennen wir seine Macht und seine Autorität über alles, aber auch seine Demut? Er drängt sich nicht auf. Es nützt nichts, wenn wir alle Titel des Herrn Jesus kennen, aber Ihn persönlich nicht in unser Herz einziehen lassen. Jerusalem hatte Ihn nicht von Herzen empfangen und aufgenommen. Eine verpasste Chance – wie schade!

Was machte Er?

Als Erstes ging Er direkt in den Tempel. Was Er dort antraf, war alles andere als erfreulich. Das Haus Gottes wurde während der Woche zu einem Bazar umgestaltet. Bestimmt wurde am Sabbat weiterhin Gottesdienst ausgeübt. Da war doch etwas los in Jerusalem, meinte bestimmt die Volksmenge. Wie reagierte der Herr? Mit Demut und Sanftmut? Nein, Er trieb die Menschen, die im Tempel wirtschafteten, anstatt zu Gott zu beten, hinaus. Der Herr Jesus räumte mit Unpassendem im Tempel kompromisslos auf. Er nahm keine Rücksicht auf seinen Ruf und seine Person. Er führte diese Handlung mit Vollmacht durch. Er war ja der Gott des Gotteshauses (El-Bethel; 1. Mo 35,7).

Als Gläubige bilden wir zusammen das Haus Gottes. Als örtliche Versammlung haben wir eine kollektive Verantwortung. Hier zeigt uns der Herr, mit welcher Entschiedenheit Er Böses aus seinem Haus entfernte. Gibt es auch in meinem und deinem Leben Dinge, die Ihm nicht gefallen, Böses, das entfernt werden muss? «Oder welche Gemeinschaft hat Licht mit Finsternis? … Und welchen Zusammenhang der Tempel Gottes mit Götzenbildern? Denn ihr seid der Tempel des lebendigen Gottes, wie Gott gesagt hat: Ich will unter ihnen wohnen und wandeln, und ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein. Darum geht aus ihrer Mitte hinaus und sondert euch ab, spricht der Herr, und rührt Unreines nicht an, und ich werde euch aufnehmen; und ich werde euch zum Vater sein, und ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein» (2. Kor 6,14-18).

Doch seine Aktivität im Tempel war damit nicht zu Ende. Arme Menschen, Blinde und Lahme kamen zu Ihm. Jesus heilte sie auf der Stelle. Was können wir daraus lernen? Gott ist Licht, und Gott ist Liebe. Diese beiden Eigenschaften gehören auch in seinem Haus unbedingt zusammen. An dem Ort, wo Er den Tempel gereinigt hatte, praktizierte der Herr Jesus die göttliche Liebe. Was nützt es, wenn in einer Versammlung das Böse gerichtet wird, die Liebe gegenüber Geschwistern und Mitmenschen aber fehlt? Diese beiden Eigenschaften – göttliches Licht und Liebe – sollten sowohl unser persönliches als auch unser gemeinsames Leben als Gläubige auszeichnen.

Fazit

Wie reagierten die Führer des Volkes auf die Wunder des Herrn und auf das Lob der Kinder (V. 15.16)? Sie wurden unwillig, neidisch und missgünstig gegenüber dem Herrn. Den Einwänden dieser Leute stellte Er Psalm 8 entgegen, der davon redet, wie Er sich das gebührende Lob aus dem Mund der Kinder und Säuglinge zubereitet. Ihm allein gebührt die Anbetung, und wie schön ist es, dass der Herr das Lob der Kinder und Sprösslinge schätzt und anerkennt. Was für uns zum Unbedeutenden gehört, ist dem Herrn Jesus besonders kostbar – der junge Esel, das Lob der Kleinkinder, das kleine Dorf Bethanien (V. 17). Er verliess nun Jerusalem und übernachtete in Bethanien.

«Diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christus Jesus war, der, da er in Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist, und, in seiner Gestalt (Haltung, äussere Erscheinung) wie ein Mensch erfunden, sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz. Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen gegeben, der über jeden Namen ist» (Phil 2,5-9).