Das Gefäss der Witwe und das Öl

2. Könige 4,1-7

«Euch geschehe nach eurem Glauben!» sagte der Herr zu den zwei Blinden, die Ihm folgten und um Erbarmen flehten. Wunderbare und herrliche Tatsache, dass unser Glaube, unser Ausharren oder das, was unsere Hoffnung erwartet, das Mass für die aktive und freigebige Wirksamkeit des Herrn sein darf! «Euch geschehe nach eurem Glauben!» so heisst der göttliche Grundsatz, oder: «Dir geschehe, wie du geglaubt hast» (Mt 9,29; 8,13).

Dieselbe Sprache redet auch das in 2. Könige 4 beschriebene Wunder, das einst durch die Hand Elisas geschah. Solange die arme Witwe Gefässe herzubrachte, liess der Krug sein Öl fliessen. Das Öl wartete auf die Gefässe. Die Gefässe bildeten das Mass für das Öl. Mit andern Worten: Die Kraft Gottes wartet auf den Glauben; der Glaube ist für die Ergiebigkeit der Hilfsquellen Gottes massgebend. So war es auch einige Jahrhunderte früher, als Abraham vor den Herrn hintrat und für Sodom Fürbitte einlegte. Solange Abraham stehen blieb und Fürbitte tat, blieb auch der Herr stehen und sagte zu (1. Mo 18,17-33).

Hier ist noch etwas Anderes zu beachten. Der Prophet sagte zu der Frau: «Sage mir, was du im Haus hast.» In ähnlicher Weise richtete in späterer Zeit Jesus die Frage an seine Jünger: «Wie viele Brote habt ihr?» Und so hatte der HERR einst am Berg Horeb auch zu Mose gesprochen: «Was ist das in deiner Hand?» Der Herr will, dass alles, was irgend wir haben, zur Verwendung komme. Das Vorhandene mag für das vorliegende Bedürfnis durchaus nicht genügen, aber es soll benützt werden, mag es sein was es will. Handelt es sich um die Erlösung Israels, und nur ein Hirtenstab ist da? Oder muss der Schuldherr bezahlt werden, der ein Recht hat, die Kinder zu verkaufen, und nichts ist im Haus als nur ein Krug Öl? Oder müssen fünftausend Hungrige gesättigt werden, und nur fünf Gerstenbrote sind vorhanden? – Ganz einerlei; das, was vorhanden ist, muss herbeigebracht und benutzt werden. «Sie hat getan, was sie vermochte» (Mk 14,8).

Darum also finden wir hier das Wort: «Sage mir, was du im Haus hast.» Und wenn nun der Krug Öl und damit alles, was im Haus ist, herzugebracht wird, so kann der Glaube auf die Kraft Gottes und auf sein Verheissungswort rechnen. Nicht nur der Schuldherr wird befriedigt; über die Bezahlung der Schuld hinaus ist nun auch noch auf viele Tage hin für den Lebensunterhalt gesorgt. Nicht nur wird die Menge gespeist; es werden auch noch Brocken eingesammelt. Nicht nur wird Israel aus Ägypten erlöst; derselbe Hirtenstab, der zum Stab Gottes geworden ist, wird auch die Herde weiden und hüten bis an das Ende der Wüstenreise.