Löwe und Bär sind Tiere, die wir als Westeuropäer in erster Linie aus dem Zoo kennen. Es sind wilde Tiere, denen wir nicht in freier Wildbahn begegnen möchten. In der Zeit des Alten Testaments waren sie jedoch als reale Gefahr bekannt, wie wir an verschiedenen Stellen nachlesen können. Auch im Neuen Testament ist von beiden Tieren die Rede, dort aber ausschliesslich in symbolischer Sprache. Sie stellen uns Gefahren dar, die uns als Christen drohen und vor denen wir bewahrt bleiben müssen.
Die wohl bekannteste Stelle, wo Löwe und Bär zusammen genannt werden, entnehmen wir der Geschichte Davids. Als er angesichts des Philisterriesen Goliath vor König Saul steht und diesen davon zu überzeugen sucht, dass er gegen Goliath antreten will, erinnert er ihn an seine Kämpfe gegen Löwe und Bär, während er das Kleinvieh seines Vaters weidete. Er sagt: «Sowohl den Löwen als auch den Bären hat dein Knecht erschlagen, und dieser Philister, dieser Unbeschnittene, soll sein wie einer von ihnen, weil er die Schlachtreihen des lebendigen Gottes verhöhnt hat! Und David sprach: Der Herr, der mich aus den Klauen des Löwen und aus den Klauen des Bären errettet hat, er wird mich aus der Hand dieses Philisters erretten» (1. Sam 17,36.37). Löwe und Bär hatten die Herde Davids bedroht. Als guter und zuverlässiger Hirte war er gegen beide Tiere angetreten und hatte sie in der Kraft seines Gottes besiegt.
Der Löwe ist eine Raubkatze, die bis zu zwei Meter lang wird und fast 300 Kilogramm wiegen kann. In vielen Wappen erkennt man den Löwen als Symbol für Macht und Stärke. Auch in der Bibel finden wir das. In 2. Samuel 1,23 vergleicht David Saul und Jonathan mit dem Löwen und sagt, dass sie stärker als Löwen waren. Auch die prophetischen Worte Davids in Psalm 22,14 weisen in eine ähnliche Richtung: «Sie haben ihr Maul gegen mich aufgesperrt wie ein reissender und brüllender Löwe.» Unter lautem Gebrüll greift der Löwe seine Beute an und reisst sie mit Gewalt und Kraft.
Der Bär ist ein Raubtier, das zwar plump aussieht, aber schnell laufen, geschickt klettern und gut schwimmen kann. Der im Alten Testament erwähnte Bär ist der syrische Bär, der bis zwei Meter gross wurde. Anders als der Löwe reisst der Bär seine Beute nicht mit Gebrüll und Gewalt, sondern umarmt sie und zerdrückt sie mit seiner enormen Kraft. Sprüche 28,15 vergleicht den gottlosen Herrscher mit einem brüllenden Löwen und einem gierigen Bären, und in Klagelieder 3,10 ist von einem lauernden Bär die Rede. Wie der Löwe hat es auch der Bär auf sein Opfer abgesehen, nur seine Vorgehensweise ist anders.
Die Taktik Satans
Beide Tiere zusammen weisen uns auf die Taktik Satans hin. Er hat es immer auf seine Opfer abgesehen. Er will die Menschen in seiner Gewalt halten, bzw. den Gläubigen, die seinem Machtbereich entrissen sind, schaden. Die Strategie, die er dabei anwendet, ist unterschiedlich. Er tritt entweder als reissender und brüllender Löwe, d.h. mit Gewalt und Macht auf, um uns einzuschüchtern, oder versucht es mit List und Tücke.
Auch der Herr Jesus hat Satan in dieser Weise kennen gelernt, als Er als Mensch auf dieser Erde lebte. In der Wüste wurde Er vom Teufel versucht, als dieser mit List zu Ihm kam. Dreimal hat der Herr Jesus ihn mit dem Wort Gottes besiegt, so dass der Feind schliesslich für eine Zeit von Ihm wich. Doch dann am Kreuz von Golgatha begegnete der Heiland der ganzen Macht und Gewalt Satans. Als alles nach einer Niederlage aussah, hat der Herr den grössten Triumph errungen, der je auf dieser Erde errungen worden ist. Durch den Tod hat Er dem die Macht genommen, der die Macht des Todes hat (Heb 2,14). Wie einst David den Riesen Goliath mit seinem eigenen Schwert tötete, hat der Herr den Satan mit seiner eigenen Waffe besiegt.
Der brüllende Löwe
Das heisst aber nicht, dass wir als Christen die Macht Satans nicht mehr zu fürchten oder nichts mehr damit zu tun haben. Ganz im Gegenteil. Der Apostel Petrus warnt seine Briefempfänger deutlich vor den Angriffen Satans: «Seid nüchtern, wacht, euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Dem widersteht standhaft im Glauben» (1. Pet 5,8.9). Es ist wahr, dass Satan ein besiegter Feind ist, aber er bleibt doch ein Feind. Es ist auch wahr, dass wir aus der Gewalt der Finsternis (das ist die Gewalt Satans) errettet sind und nichts und niemand uns aus der Hand des Vaters und des Sohnes reissen kann, und doch lässt Satan nichts unversucht, um uns anzugreifen und zu schaden. Er wird immer wieder versuchen, uns durch seine Macht und Gewalt einzuschüchtern und so unser Zeugnis als Christen wirkungslos zu machen.
Wie können wir der Aufforderung nachkommen, standhaft zu widerstehen? In eigener Kraft? Niemals! Das wusste auch der Apostel Paulus. Er schreibt an Timotheus von seiner Verantwortung vor dem Kaiser und sagt: «Der Herr aber stand mir bei und stärkte mich, damit durch mich die Predigt vollbracht würde und alle die aus den Nationen hören möchten, und ich bin gerettet worden aus dem Rachen des Löwen» (2. Tim 4,17). Niemand anders als Satan selbst hat versucht, Paulus einzuschüchtern und mundtot zu machen. Doch der Apostel wusste, dass er nur in dem Beistand und der Kraft des Herrn die Predigt vollbringen, d.h. ein lebendiges Zeugnis sein konnte.
Darüber hinaus finden wir eine Antwort auf die obige Frage im Leben des Herrn Jesus. Er widerstand dem Teufel mit dem Wort Gottes. Diese Waffe steht auch uns zur Verfügung.
Der listige Bär
Satan tritt nicht nur als brüllender Löwe auf. Manche Begebenheit in der Kirchengeschichte zeigt uns (bis in unsere Zeit hinein), dass Christen ihm als brüllendem Löwen tatsächlich widerstanden haben. Doch Satan weiss auch eine andere Taktik anzuwenden. Wenn er als brüllender Löwe mit seiner Einschüchterung nicht zum Ziel kommt, dann versucht er es eben als listiger Bär, um die Gläubigen zu verführen. Im Propheten Amos lesen wir dazu Folgendes: «Wie wenn jemand vor dem Löwen flieht, und es begegnet ihm ein Bär» (Amos 5,19). Da ist also jemand froh, dem Löwen entkommen zu sein, und dann begegnet ihm der Bär.
So kann es auch uns gehen. Wenn wir den Einschüchterungen Satans nicht erlegen sind, dann müssen wir ganz besonders aufpassen, dass er es nicht als «Engel des Lichts» versucht. Satan ist ein Meister der Verstellung. Vielleicht wundern wir uns über den Ausdruck «Engel des Lichts», aber für den Apostel Paulus war das fast selbstverständlich. Er schreibt: «Kein Wunder, denn Satan selbst nimmt die Gestalt eines Engels des Lichts an» (2. Kor 11,14). Diese Taktik ist äusserst gefährlich und subtil, und mancher Christ ist in diese Falle gegangen. Die Korinther standen auch in dieser Gefahr: «Ich fürchte aber, dass etwa, wie die Schlange Eva durch ihre List verführte, so euer Sinn (eure Gedanken) verdorben und abgewandt werde von der Einfalt gegenüber dem Christus» (2. Kor 11,3). Auch die Schlange ist ein bekanntes Bild von Satan, der als listiger Verführer auftritt, mit dem Ziel, uns vom Herrn Jesus wegzuziehen. Unser Heil kann er uns nicht nehmen, aber er kann sehr wohl unsere Gedankenwelt verderben und uns von der Hingabe und Liebe an unseren Herrn im praktischen Leben abhalten.
Und was ist hier zu tun, um der Gefahr nicht zu erliegen? Die Antwort gibt uns erneut der Apostel Paulus: «Zieht an die ganze Waffenrüstung Gottes, damit ihr zu bestehen vermögt gegen die Listen des Teufels» (Eph 6,11). Gott hat uns eine Waffenrüstung zur Verfügung gestellt, die wir nutzen können und nutzen müssen, um im Kampf gegen den Feind nicht zu unterliegen. Diese Rüstung besteht aus verschiedenen Stücken, die wir nicht nur kennen, sondern anziehen, d.h. im täglichen Leben gebrauchen müssen. Lesen wir doch wieder einmal aufmerksam Epheser 6,10-18!
Zwei Gefahren
Abschliessend möchte ich auf zwei Gefahren hinweisen. Die eine ist, dass wir den Teufel als unseren Feind überschätzen, die andere, dass wir ihn unterschätzen. Satan ist ein Feind, er ist ein mächtiger Feind, und er ist ein listiger Feind. Aber er ist ein besiegter Feind. Wir brauchen ihn nicht zu überschätzen. Er kann uns nichts anhaben, wenn wir nur nahe genug bei unserem Herrn bleiben. David gibt uns ein schönes Beispiel davon. Mutig und entschlossen ging er auf den Philisterriesen Goliath zu. Er wusste, dass Goliath viel stärker war als er, aber er wusste auch, welche Waffen und welche Hilfe ihm zur Verfügung standen.
Ganz anders Simson. Er war sich der Gefahr nicht bewusst, in die er sich begab. Er vertraute auf seine eigene Kraft und landete schliesslich blind und hilflos im Gefängnis der Philister. Wir dürfen Satan also keineswegs unterschätzen. Er besitzt eine grosse Macht und ist listiger, als wir erahnen. Vielleicht besteht seine grösste List heute sogar darin, dass er sich selbst sehr harmlos präsentiert (man denke nur an manche Karikatur, die den Teufel völlig anders darstellt, als er tatsächlich ist, an Kinderspielzeug, an Süssigkeiten usw.). Michael, der gewaltige Engelfürst z.B. wagte nicht, ein lästerndes Wort gegen den Teufel zu sprechen, sondern überliess die Sache Gott (Judas 9). Das sollten auch wir tun. Unser Herr ist in jedem Fall stärker und mächtiger als Satan. Er hat ihn am Kreuz besiegt. Wenn wir nahe bei Ihm bleiben, dann ist sein Sieg auch unser Sieg, egal ob Satan als brüllender Löwe oder als listiger Bär auftritt. Jakobus ermuntert seine Briefempfänger mit den Worten: «Widersteht dem Teufel, und er wird von euch fliehen» (Jak 4,7). Der Teufel flieht nicht vor uns – als ob er Angst vor uns hätte –, sondern er flieht von uns, wenn wir nur in der Kraft des Herrn widerstehen und Ihn zur Seite haben.