Die Zeichen im Johannes-Evangelium (1)

Johannes 2,1-12; Johannes 4,46-54

Wunder und Glaube

«Wenn Gott heute ein Wunder täte, würde ich glauben!» So oder ähnlich reden Menschen, die noch nicht zum Glauben an den Herrn Jesus gefunden haben. Das ist nicht neu. Als Jesus Christus auf der Erde lebte, forderten die Juden von Ihm ein Zeichen als Legitimation für sein Auftreten im Tempel. Weil Er wusste, dass sie auch nicht durch ein Wunder in ihren Herzen überzeugt würden, tat Er kein Zeichen, sondern antwortete ihnen: «Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten» (Joh 2,19). Damit wies Er bildlich auf seinen Tod und seine Auferstehung hin. Das ist bis heute die einzige Grundlage des Glaubens.

Aufgrund von Wundern gibt es keinen echten Glauben an Gott. Das beweisen uns die Menschen, die damals die unzähligen Zeichen sahen, die der Herr Jesus wirkte. Viele von ihnen glaubten zwar an seinen Namen (Joh 2,23). Doch dieser Glaube war keine Herzenssache. Darum wandten sie sich später wieder von Ihm ab (Joh 6,66).

Was hätte ein Wunder, das Herodes von Jesus erhoffte, bei ihm bewirkt? – Nichts! Denn die Befriedigung der Sensationslust und Neugierde bewirkt keinen Glauben. Wer nicht bereit ist, auf Gottes Wort zu hören, Buße zu tun und sein Leben zu ändern, wird verloren gehen.

Wie sollen denn Menschen zum Glauben finden? Die Jünger des Herrn zeigen uns, wie es geht. Sie glaubten der Schrift und den Worten des Herrn Jesus (Joh 2,22). Das ist auch heute der Weg, auf dem ein Mensch zum Glauben und in den Besitz des ewigen Lebens kommt.

Acht Wunder im Johannes-Evangelium

Jesus Christus hat unzählige Wunder gewirkt und viele andere Dinge getan. Dazu schreibt Johannes im letzten Vers seines Evangeliums: «Wenn diese einzeln niedergeschrieben würden, so würde, denke ich, selbst die Welt die geschriebenen Bücher nicht fassen» (Joh 21,25).

Johannes bezeugt in seinem Evangelium acht Wunder, die der Herr Jesus als der Gesandte des Vaters gewirkt hat. Sieben tat Er während seines Dienstes. Diese sind ein vollständiges Zeugnis von Ihm, dem Sohn Gottes. Das achte Zeichen wirkte der Herr Jesus als Auferstandener, und zwar zur Bestätigung seiner Auferstehung und zum Beweis seiner Gottes-Sohnschaft.

Das Johannes-Evangelium ist das letzte Evangelium, das geschrieben worden ist. Zur Zeit seiner Niederschrift gab es bereits Angriffe auf die Person des Herrn Jesus: auf seine wahre Menschheit und auf seine Gottes-Sohnschaft, sowie auf die Grundlagen des christlichen Glaubens. Deshalb berichtete Johannes von diesen acht Wundern und nannte sie Zeichen. Sie sind wie Wegweiser und zeugen von zwei wesentlichen Glaubensgrundlagen (Joh 20,30.31):

  1. Jesus Christus ist der ewige Sohn Gottes. Das ist seine persönliche Herrlichkeit und Würde. – Wir glauben an die Person des Herrn Jesus Christus. Er ist der Sohn Gottes, der Mensch wurde. Er kam als Messias zu seinem Volk, wurde von diesem verworfen und hat sich als Heiland der Welt offenbart.
  2. Durch Glauben haben wir Leben in seinem Namen. – Jeder, der an Jesus Christus, den Sohn Gottes glaubt, empfängt Leben, und zwar ewiges Leben (Joh 3,16). Ewiges Leben bedeutet nicht einfach immerwährende Existenz, die wir in unserem jetzigen menschlichen Körper gar nicht ertragen könnten. Es ist vielmehr Leben aus Gott, d.h. seine Natur, das uns zum Anteil am Erbe der Heiligen befähigt. Das bezeugen drei Apostel in ihren Briefen (1. Joh 2,25; 2. Pet 1,3.4; Kol 1,12).

Das Johannes-Evangelium ist geprägt von kurzen, einfachen Aussagen, die jeder verstehen kann. Gleichzeitig ist es aber von unerschöpflicher Fülle und unermesslicher Tiefe, weil sein Inhalt die Person des Sohnes Gottes – gepriesen in Ewigkeit – ist.

Deshalb wollen wir diese Zeichen von vier verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachten:

  1. Diese Zeichen sind ein Beweis der Anteilnahme des Herrn Jesus an den Bedürfnissen und der Not von uns Menschen. Er wirkte nie ein Wunder, um Menschen zum Staunen zu bringen oder um Eindruck zu machen, sondern weil unsere Not es erforderte und es der Auftrag seines Vaters war.
  2. Die Wunder, die der Herr wirkte, hat Gott zu Zeichen gesetzt, damit wir glauben, dass sie von Gott gewirkt sind. Sie bestätigen einerseits, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist. Anderseits bezeugen sie, dass Gott Ihn als Mensch zu uns gesandt hat. Durch das zuverlässige Zeugnis von Johannes sind sie für uns eine sichere Grundlage des Glaubens.
  3. Durch diese Zeichen offenbarte der Herr Jesus seine Herrlichkeit. Im ersten Kapitel des Johannes-Evangeliums werden uns vielfältige Herrlichkeiten und Namen des Sohnes Gottes vorgestellt, die im Lauf des Evangeliums in verschiedenen Begebenheiten, z.B. in den Zeichen, einzeln zum Vorschein kommen und für den Glauben erfahrbar werden.
  4. In diesen Zeichen sind prophetische Bilder zu erkennen, die die Weissagungen der Propheten des Alten Testaments veranschaulichen. Der Wert dieser Bilder liegt darin, dass sie auf den Herrn Jesus in seiner zukünftigen Herrlichkeit hinweisen.

Erstes Zeichen: Die Hochzeit in Kana (Joh 2,1-12)

Diese Hochzeit fand in Kana in Galiläa statt. Jene Gegend wurde «Galiläa der Nationen» genannt. Dieser Ausdruck deutet an, dass der Herr Jesus in seiner Gnade über die Grenzen Israels hinausging, weil Er von den Seinen nicht angenommen wurde. Mit der Hochzeit beginnt die Ehe. Sie ist die vom Schöpfer eingerichtete Beziehung zwischen einem Mann und seiner Frau, die Er zum Wohl seiner Geschöpfe gegeben hat.

a) Seine Anteilnahme an den Bedürfnissen der Brautleute und Gäste

Maria, die Mutter Jesu, war an dieser Hochzeit. Auch Jesus gehörte mit seinen Jüngern zu den Geladenen. Bei einer Hochzeit gibt es meistens eine Reihenfolge oder Rangordnung, in der die Gäste geladen sind. Jesus war auch eingeladen. Das war schön. Wenn Ihm jedoch an einem Fest und in einer Ehe nicht der zentrale Platz gegeben wird, so wird das, was verheissungsvoll und mit Freude angefangen hat, bald nicht mehr so schön sein oder sogar kläglich enden. Hier mangelte es in kurzer Zeit an Wein. Was war zu tun? Maria, die aus den Worten des Engels Gabriel wusste, dass ihr Sohn Jesus der Sohn Gottes ist (Lk 1,35), sagte es Ihm. Sie tat das Beste, was sie tun konnte. Aber sie wusste nicht, dass «die Stunde» des Herrn Jesus noch nicht gekommen war. Seine Stunde ist die Zeit seines Wirkens, dann die Zeit seiner Leiden am Kreuz (Joh 2,4; 7,30; 8,20; 12,27) und schliesslich die Zeit seiner Verherrlichung nach vollbrachtem Erlösungswerk (12,23; 13,1; 17,1). Solange diese Stunde noch nicht erfüllt war, gab es keinen neuen Wein, was ein Bild der Freude ist, die sich auf sein Erlösungswerk gründet.

b) Der Herr wirkte ein Wunder, damit wir an seinen Namen glauben

Obwohl Maria noch nie erlebt hatte, dass Jesus Wasser in Wein verwandelt hatte, vertraute sie Ihm, dass Er das Richtige tun würde und tun konnte. Damit ist sie ein Beispiel für uns, die wir an seinen Namen glauben (Joh 1,12). Wir dürfen dem Herrn Jesus alles zutrauen. Im Glauben sagte sie den Dienern: «Was irgend er euch sagen mag, tut!» Glaube zeigt sich darin, dass man das tut, was der Herr sagt. Er selbst handelte stets in Abhängigkeit von seinem Vater, der Ihn gesandt hatte.

Die Wasserkrüge, aufgestellt nach der Reinigungssitte der Juden, waren leer. Die Reinigung nach jüdischer Tradition war äusserlich, und mit leeren Krügen konnte selbst das Äussere nicht rein werden. Das Wasser in den Krügen ist ein Sinnbild für das Wort Gottes, das durch den Geist Gottes unser Inneres reinigt (Eph 5,26). Freude finden wir nur, wenn wir uns zuerst reinigen. Mit dem zu Wein gewordenen Wasser in den Krügen hat der Herr den Bedürfnissen dieser Hochzeitsgesellschaft mehr als entsprochen. Doch der tiefere Sinn liegt wohl darin, dass wir Ihm unser ganzes Leben vertrauensvoll übergeben, damit Er uns durch den Glauben an sein Wort mit völliger Freude erfüllen kann.

Die Diener mussten die Krüge mit Wasser füllen, daraus schöpfen und es dem Speisemeister bringen. Was wir im Dienst tun können, sollen wir auch ausführen. Auf diese Weise will der Herr Segen und Freude schenken.

c) Der Herr Jesus fing an, seine Herrlichkeit zu offenbaren

Er, der das Wort ist, durch das alles geworden ist, sprach: Füllt, schöpft, bringt! Er sprach so unauffällig, dass weder der Speisemeister noch der Bräutigam es bemerkten. Der Schöpfer selbst war anwesend. Er ist der Ursprung allen Segens und aller Freude. Gott konnte von seiner Schöpfung sagen: Sie ist gut. Der Herr Jesus hatte guten Wein geschaffen. Wein ist ein Sinnbild für Freude (Ps 104,15; Ri 9,13). In Verbindung mit der Frucht des Weinstocks spricht der Herr Jesus von völliger Freude (Joh 15,11).

d) Ein prophetisches Bild von der Freude des Tausendjährigen Reichs

Der dritte Tag ist prophetisch zu verstehen. Er weist auf die Zeit hin, da ein Überrest aus dem Volk Israel zu Gott umkehren wird. «Kommt und lasst uns zu dem HERRN umkehren; denn er hat zerrissen und wird uns heilen, er hat geschlagen und wird uns verbinden. Er wird uns nach zwei Tagen wieder beleben, am dritten Tag uns aufrichten; und so werden wir vor seinem Angesicht leben» (Hos 6,1.2). Maria und die Jünger sind ein Bild dieses Überrests, der sich reinigen, weiss machen und läutern lässt (Dan 12,10; Sach 13,9). An diesem Überrest wird Gott Freude haben (Jes 62,4.5).

Der Herr war an der Hochzeit in Kana ein Geladener. Aber am Schluss war Er der Gebende. In der Zukunft wird Er selbst zum Bräutigam und König (Ps 45,2). Die anschliessende Reinigung des Tempels in Johannes 2 weist auf das Gericht hin, durch das der Herr Gerechtigkeit und Frieden einführen wird. Wirkliche Freude kann nur aufgrund von Gerechtigkeit aufkommen.

So zeigt dieses prophetische Bild seine zukünftige Herrlichkeit als Messias mit den Kennzeichen seines Reichs: Gericht, Freude und Segen.

Zweites Zeichen: Die Heilung des Sohnes eines königlichen Beamten (Joh 4,46-54)

Der Herr zog durch Samaria und kam nach Galiläa zurück, wo Er den Anfang der Zeichen gewirkt hatte. Er kam zu seinem Volk, konnte aber nur da wirken, wo Er aufgenommen wurde: in Galiläa der Nationen.

a) Der Herr begegnete der menschlichen Not, heilte die Krankheit und rettete vor dem Tod

Ein königlicher Beamter kam in seiner Not zum Herrn Jesus. Das ist das Beste, was dieser Mensch tun konnte, und was auch jeder Gläubige tun kann: zu Ihm gehen. Oft kommen Menschen erst in ihrer Not zum Herrn Jesus. Diesem Vater war es ernst. Er ging einen Weg von ca. 30 km. Dann schien es, wie wenn der Herr ihn abweisen würde als einen, der nur wegen der Wunder zu Ihm kam. Durch die prüfenden Worte: «Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht», weckte der Herr den Glauben dieses Mannes. Als Folge davon heilte Er dessen Sohn und führte die ganze Familie zum Glauben an Ihn.

b) Die Erprobung des Glaubens

Warum sagte Jesus Christus: «Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht.»? Es genügt nicht, nur oberflächlich aufgrund seiner Wunder an Ihn zu glauben. In Jerusalem glaubten viele an seinen Namen wegen der Wunder, die Er tat. Doch Er vertraute sich ihnen nicht an, weil Er wusste, was in dem Menschen war (Joh 2,23-25). Diese Erprobung des Glaubens war nötig, damit dieser Mensch dem Wort des Sohnes Gottes glaubte. Als Jesus sagte: «Geh hin, dein Sohn lebt!», vertraute und gehorchte er. «Er ging hin» und «während er hinging», erhielt er Kunde von der Heilung seines Sohnes. Das war die Bestätigung für seinen Gehorsam und eine Ermutigung für seinen Glauben, der nicht auf Zeichen, Wunder und Gefühle achtete. Darauf folgte, dass er und sein ganzes Haus dem Wort des Herrn glaubten.

Der Glaube ist aus der Verkündigung, die Verkündigung aber ist durch Gottes Wort (Röm 10,17). Die Juden suchten Zeichen, der Herr suchte damals und sucht heute noch Glauben: Glauben an sein Wort, Glauben an seine Person. Deshalb offenbarte Er hier mehr als sein Wort und sein Wirken: seine Person. Er ist der HERR, der dich heilt (2. Mo 15,26).

c) Seine Herrlichkeit als der HERR, der dich heilt

Jesus Christus war die Erfüllung der Offenbarung, die Israel damals von Gott empfangen hatte: «Ich bin der HERR, der dich heilt», oder wie andere übersetzen: «Ich bin der HERR, dein Arzt.» Weil Er von den Seinen abgelehnt wurde, tat Er dieses zweite Zeichen wieder in «Galiläa der Nationen», was auf seine Herrlichkeit als Heiland der Welt hinweist (Joh 4,42).

«In ihm war Leben» (Joh 1,4). Diese Tatsache wird hier in der Heilung des Kindes sichtbar. Der Sohn Gottes, der das Leben ist, wollte mehr bewirken als die körperliche Heilung dieses Kindes und die Verhinderung des drohenden Todes. Er wollte Leben schenken, ewiges Leben. Dieses Leben empfangen wir durch den Glauben an seine Person (1. Joh 5,11.12).

d) Ein prophetisches Bild des Messias, der sein Volk heilen wird

Der königliche Beamte weist auf den Überrest hin, der seine Hilfe beim Herrn sucht. Sein Glaube wird zwar geprüft, aber schliesslich erfährt dieser Überrest Heilung. Der Knabe ist ein Bild von Israel. Denn in Römer 11,25.26 wird in Verbindung mit der Errettung des Volkes nicht mehr vom Überrest gesprochen, sondern es heisst: «So wird ganz Israel errettet werden.»

Der Herr Jesus offenbarte sich seinem Volk als Messias, der gekommen war, um Jesaja 53,4 zu erfüllen: «Er hat unsere Leiden getragen, und unsere Schmerzen hat er auf sich geladen.» Leider wurde Er vom Volk nicht angenommen. Nur Einzelne glaubten an Ihn. Daher ist die Erfüllung von Psalm 103,3: «Der da vergibt alle deine Ungerechtigkeit, der da heilt alle deine Krankheiten», auf eine noch zukünftige Zeit aufgeschoben. Es wird die herrliche Zeit zu Beginn des Tausendjährigen Reichs sein.