Im 10. Kapitel des Johannes-Evangeliums spricht der Herr Jesus von sich als dem Guten Hirten, der den Schafhof Israels betreten hatte, um seine eigenen Schafe herauszuführen. Er hatte noch andere Schafe, die nicht aus diesem Schafhof waren. Auch diese Schafe aus den Nationen wollte Er herzubringen und aus beiden Gruppen eine Herde bilden, deren Hirte Er ist. Diese Worte des Herrn lösten unter seinen Zuhörern einen Zwiespalt aus. Die einen sagten: «Er hat einen Dämon», andere jedoch meinten: «Diese Reden sind nicht die eines Besessenen; kann etwa ein Dämon der Blinden Augen auftun?» Im Anschluss an diese Situation fährt der inspirierte Schreiber fort: «Es war aber das Fest der Tempelweihe in Jerusalem; und es war Winter. Und Jesus ging im Tempel, in der Säulenhalle Salomos, umher» (Joh 10,19-23). Der Heilige Geist will uns hier sicher nicht nur geographische und chronologische Einzelheiten mitteilen, sondern Er gibt uns in diesen Worten eine Beschreibung des geistlichen Zustands in jenen Tagen.
Was für eine Szene: Jerusalem, die Stadt des grossen Königs, eine Stadt, die in den Ratschlüssen Gottes eine zentrale Rolle spielt. Das grossartigste Gebäude darin war der Tempel, das einzige Zentrum eines einmal von Gott verordneten Gottesdienstes. Die Säulenhalle Salomos erinnert an den ersten und herrlichsten Tempel, der gebaut, aber seither längst zerstört worden war. Man beging das Fest der Tempelweihe. Das war kein von Gott angeordnetes Fest, aber es erinnerte an die Wieder-Weihung des Tempels in der Makkabäerzeit, nachdem das Heiligtum vom heidnischen Herrscher Antiochus Epiphanes entweiht und verunreinigt worden war. Doch der Ausdruck «Tempelweihe» lenkt unsere Gedanken zu jenem Tag zurück, da die Herrlichkeit des HERRN den von Salomo gebauten Tempel erfüllte, so dass die Priester vor der Grösse seiner Herrlichkeit nicht dazustehen vermochten. Und wer war es, der nun in der Säulenhalle Salomos umherging? Der Messias selbst! Der, von dem letztlich Vorbilder sprachen, war persönlich in der Mitte seines Volkes. Aber Er wurde von den Seinen nicht anerkannt. Er wurde verachtet, ein Samariter genannt und behandelt, als habe Er einen Dämon. Es war tatsächlich «Winter», geistlicher Winter.
Ein Bekenntnis ohne Wirklichkeit, äussere religiöse Formen, die ihre wirkliche Bedeutung verloren hatten! Die «Feste des HERRN» waren zu «Festen der Juden» geworden. Wer den Herrn annehmen wollte, musste dieses tote System verlassen und zu Ihm hinausgehen, ausserhalb des jüdischen Lagers. «Deshalb lasst uns zu ihm hinausgehen, ausserhalb des Lagers, seine Schmach tragend» (Heb 13,13).
Aber müssen wir nicht beschämt zugeben, dass es auch im christlichen Bekenntnis «Winter» ist? «Der du den Namen hast, dass du lebst, und du bist tot» (Off 3,1). Möchtest du heute den Herrn Jesus finden, um Ihm zu dienen und seine Gemeinschaft zu geniessen, dann suche Ihn nicht in den «Säulenhallen» christlicher Religion, sondern an dem Platz, wo Er auch heute noch zu finden ist: ausserhalb des Lagers menschlicher Einrichtungen. «Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte» (Mt 18,20).