Der geschlagene Fels (2)

4. Mose 20,1-13

«Redet zu dem Felsen» (4. Mose 20,1-13)

Der erste Fels, der dem Volk Israel in wunderbarer Weise das Wasser gespendet hatte, lag vor der Wüste Sinai. Es war im Anfang der Wüstenreise, dass Mose ihn schlug. Der HERR – Christus stand auf dem Felsen (2. Mo 17,6).

Der zweite Fels, ein anderer als der erste, befand sich in der Wüste Zin, an der südlichen Grenze des Landes Kanaan, und trat erst am Ende der vierzigjährigen Wüstenreise in Funktion. Aber in beiden Fällen wird uns im Bild des Felsens unser hochgelobter Herr vorgestellt, der uns vom Tag unserer Bekehrung an bis zum Schluss der Pilgerreise treu begleitet.

Nachdem Mose das eine Mal den Felsen geschlagen hatte, sollte er das zweite Mal nur noch mit dem Felsen reden, damit dieser sein köstliches Wasser gebe. Dies ist eine Darstellung der kostbaren Wahrheit, dass Christus, der Fels unseres Heils, nachdem Er einmal am Kreuz geschlagen worden ist und wir durch Ihn errettet wurden, nun allezeit die erfrischende Quelle der Kraft seines noch hier auf der Erde pilgernden Volkes ist, um es auf dem Weg zur Herrlichkeit zu erquicken und zu laben.

«Redet vor ihren Augen zu dem Felsen, so wird er sein Wasser geben; und du wirst ihnen Wasser aus dem Felsen hervorbringen und der Gemeinde zu trinken geben und ihrem Vieh.» Das war ganz einfach, aber es musste im Glauben verwirklicht werden. Mose musste den von Gott vorgeschriebenen Weg beschreiten, um die nötige Erfrischung hervorzubringen. Auch uns fordert Gott in seinem Wort auf, immer wieder unsere Anliegen vor Ihm kundwerden zu lassen und uns zu rechtzeitiger Hilfe an unseren grossen Hohenpriester zu wenden, wenn wir Erquickung, Ermunterung und Barmherzigkeit benötigen. Stets wird Er dann unser innerstes Verlangen stillen und uns mit neuer Kraft und Frische erfüllen. Wie oft versäumen wir es leider, im Gebet zu Ihm zu reden, wenn wir im Glaubenslauf ermatten. Er will uns ja so gerne immer wieder neuen Mut und neue Kraft schenken, um den vor uns liegenden Lauf mit Ausharren zu laufen, bis Er kommt und uns ins Vaterhaus einführt. Es ist so einfach; wir brauchen dazu nur immer wieder unseren Glauben und unser Vertrauen neu zu betätigen.

«Er spaltete Felsen in der Wüste und tränkte sie reichlich wie aus Tiefen. Und er liess Bäche hervorkommen aus dem Felsen und Wasser herablaufen wie Flüsse… Siehe, den Felsen hat er geschlagen, und Wasser flossen heraus, und Bäche strömten» (Ps 78,15.16.20). Israel murrte in der Wüste, obgleich Gott in seiner Liebe und Gnade dies alles für sie getan hatte. Nun aber wies der HERR Mose und Aaron an, den Stab vor dem HERRN wegzunehmen und diesmal nur mit dem Felsen zu reden, damit er sein Wasser gebe. Gott wollte gegen sein murrendes Volk wiederum in Gnade handeln. Aber Mose und Aaron erzürnten sich über das Volk, und anstatt mit dem Felsen zu reden, schlug ihn Mose zweimal mit dem Stab. Zwar kam viel Wasser heraus, so dass das Volk seinen Durst stillen konnte, aber der HERR war gegen Mose erzürnt, weil er und sein Bruder Aaron in ihrem Verhalten nicht die Gesinnung der Gnade und Langmut Gottes zum Ausdruck gebracht hatten. Daher gingen sie der Ehre und des Vorrechtes verlustig, Gottes irdisches Volk in das Land Kanaan einzuführen.

Wir ersehen daraus, dass der Herr es mit denen, die Ihn am besten kennen sollten, am ernstesten und genauesten nimmt. Je grösser unsere Erkenntnis und unsere Vorrechte sind, desto mehr sind wir verantwortlich, die Gesinnung unseres Herrn zur Darstellung zu bringen. «In denen, die mir nahen, will ich geheiligt, und vor dem ganzen Volk will ich verherrlicht werden» (3. Mo 10,3).

Dass Mose auch dieses Mal den Felsen schlug, erzürnte den HERRN zweifellos auch deshalb, weil er entgegen der wichtigen Belehrung über das Gegenbild gehandelt hatte. Wir haben uns schon mehrmals daran erinnert, dass der Fels ein Vorbild von Christus ist. Dieser Fels ist einmal geschlagen worden, und zwar im göttlichen Gericht am Kreuz. Das sollte nicht wiederholt werden, «denn mit einem Opfer hat er für immer die vollkommen gemacht, die geheiligt werden» (Heb 10,14). Und: «Denn es hat ja Christus einmal für Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, damit er uns zu Gott führe» (1. Pet 3,18). Dieses einmalige Opfer kann und darf nicht durch eine Wiederholung herabgewürdigt werden. Es behält seinen Wert und seine Gültigkeit auf ewig für alle, die einmal zu Christus Zuflucht genommen haben. Welch ein Schmerz und welch ein Gräuel muss es für das Herz Gottes sein, wenn man in einem grossen Teil der Christenheit von einer «täglichen unblutigen Wiederholung des blutigen Opfers Christi» spricht. Das muss ihn noch mehr erzürnen, als das Tun Moses an dem Vorbild, bei den Wassern von Massa und Meriba. Denn Gottes Wort redet ganz klar von dem «ein für alle Mal geschehenen Opfer des Leibes Jesu Christi» (Heb 10,10), das jeden, der sein Vertrauen darauf setzt, für immer vollkommen macht vor Gott. «Er aber, nachdem er ein Schlachtopfer für Sünden dargebracht hat, hat sich für immer gesetzt zur Rechten Gottes» (Heb 10,12).

Mancher mag vielleicht meinen, der Gläubige müsse, wenn er auf dem Weg gefehlt und gesündigt hat, wieder neu durch das Blut Christi gewaschen werden. Die Heilige Schrift lehrt aber nicht so. Obwohl das zu unserer Erlösung auf Golgatha vergossene Blut auch die einzige Grundlage jeder Reinigung und Vergebung ist, so erfolgt doch bei den Kindern Gottes die Vergebung und Reinigung selbst nicht durch eine neue Waschung im Blut des Lammes. Nachdem das kostbare Blut des Sohnes Gottes ein für alle Mal zur Erlösung und Reinigung geflossen ist und daher vor Gott für den Glaubenden in alle Ewigkeit seinen Wert behält, geschieht die immer wieder notwendig werdende Vergebung und Reinigung durch «das Wasser», das heisst durch das Wort Gottes. Aber der Herr Jesus ist als unser Sachwalter allezeit bei dem Vater für uns tätig und bewirkt durch seinen Dienst und durch das Wort Gottes, dass unsere Herzen und Gewissen von unseren Verfehlungen überführt werden und wahre Beugung, Bekenntnis und Selbstgericht stattfinden. In dieser Weise wäscht Er uns unablässig die Füsse (Joh 13) durch das Wasser, das heisst das Wort Gottes, das diese reinigende und heiligende Wirkung besitzt (vergleiche auch Epheser 5,26.27).

Gottes Wort unterscheidet scharf voneinander:

  • die Wahrheit über die «ewige Vergebung» des heiligen Gottes dem verlorenen, reumütigen Sünder gegenüber und
  • die Wahrheit über die Vergebung des Vaters gegenüber Seinen Kindern

Die erstgenannte, ewige Vergebung hat jeder Gläubige empfangen, als er sich in seinem verlorenen Zustand reumütig zum Kreuz wandte und im Glauben an das vollbrachte Werk des Herrn Jesus Christus Frieden mit Gott erhielt. Er, der treue Herr, hat am Kreuz «selbst unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen» (1. Pet 2,24). So wurde das Gericht über jede Sünde des Gläubigen, vom Anfang bis zum Ende seines Lebens, von Christus am Kreuz getragen, und Gott wird sie nie mehr in Erinnerung bringen. Wie könnte auch Gott sich meiner Sünden erinnern, nachdem Er diese an seinem Sohn am Kreuz gerichtet hat? Sie sind für immer vor seinen Augen weggetan worden.

Gott ist, als der Richter aller, die Quelle der ewigen Vergebung. Aber in dem Augenblick, wo meine Verantwortlichkeit als Sünder vor dem heiligen Gott endet, beginnt meine Verantwortlichkeit als Sohn vor dem Vater. Wenn ich mit meinen Verfehlungen zum Vater komme, bitte ich nicht um die ewige Vergebung. Vielmehr komme ich dann zu Ihm mit dem Bekenntnis meiner Sünde, damit meine Gemeinschaft als Sohn mit Ihm, dem Vater, wiederhergestellt werde. Wenn der Gläubige sündigt, so bedeutet das nicht, dass er das neue Leben verloren hat, denn dieses Leben «ist verborgen mit dem Christus in Gott» (Kol 3,3). Aber seine Verfehlung unterbricht und beraubt ihn der Gemeinschaft mit dem Vater. Diese Gemeinschaft wird erst wiederhergestellt, wenn der ungehorsame Gläubige mit dem Bekenntnis seiner Sünde zu seinem Vater kommt (1. Joh 1,6-10; 2,1-2).

In Christus, dem ein für alle Mal geschlagenen Felsen, haben wir aber auch eine göttlich vollkommene Stellung erlangt. Wir stehen in Ihm geborgen vor Gott, so wie auch einst Mose sicher in der Felsenkluft stand. Mose wünschte die Herrlichkeit Gottes zu sehen. Er hatte eine Empfindung dafür, dass Gottes Herrlichkeit in seiner Gnade ist, und begehrte sie zu sehen. Aber konnte diese Herrlichkeit in Gnade in Erscheinung treten, bevor der Mensch im Fleisch nicht völlig beseitigt war? Mose wurde daher in die Felsenkluft gestellt und mit Gottes Hand bedeckt – ein Bild davon, dass durch das Werk Christi der Mensch im Fleisch vor Gott völlig beseitigt worden ist. Die Felsenkluft spricht von Christus im Tod; er war nötig, damit der Mensch im Fleisch vor Gott ausser Sicht komme und Gott offenbart werde. «Wenn jemand in Christus ist, da ist eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. Alles aber von dem Gott, der uns mit sich selbst versöhnt hat durch Christus» (2. Kor 5,17.18).

Das ist unsere neue Stellung vor Gott, durch Christus für ewig gesichert! Keine Macht Satans oder der Welt kann ein wahres Kind Gottes daraus entfernen. Welch eine Sicherheit!

Der lebendige Fels der Ewigkeiten, der einst von Gott geschlagen worden ist, hat uns eine Quelle von Segnungen eröffnet, deren Ursprung der Gott der Liebe selbst ist. Möchte es unser Teil sein, diese Segnungen auf unserem Weg zum himmlischen Land, zum Vaterhaus droben, reichlich zu geniessen und uns an ihnen zu erfreuen! Aber möchten wir auch nie vergessen, Ihm, unserem teuren, geliebten Herrn und unserem Gott und Vater allezeit dankbar zu sein und Ihm dafür aus vollem Herzen Anbetung und Huldigung darzubringen!