Wie herrlich gross ist doch die Tatsache, dass wir, die Glaubenden, nun «Freimütigkeit haben zum Eintritt in das Heiligtum durch das Blut Jesu, auf dem neuen und lebendigen Weg»! (Heb 10,19-22). Das war früher nicht so. Unsere Ungerechtigkeiten hatten eine Scheidung gemacht zwischen Ihm und uns (Jes 59,2). Aber nun ist das für uns völlig anders geworden. Wie war dies möglich? Nicht wir haben diese Änderung herbeigeführt, sondern Gott selbst. Nach seinem ewigen Vorsatz der Liebe hat Er zur bestimmten Zeit seinen eigenen Sohn Mensch werden und Ihn am Kreuz das Erlösungswerk vollbringen lassen. Er ist die Sühnung für unsere Sünden, und wir sind gewaschen in seinem Blut.
Nun führt ein neuer und lebendiger Weg ins Heiligtum. Er ist neu im Gegensatz zum alten Weg, den Israel kannte. Von dem ganzen Volk durfte niemand ins Allerheiligste der Stiftshütte eintreten – ein Abbild des himmlischen Heiligtums – als nur der Hohepriester. Und auch dieser konnte nur einmal im Jahr hineingehen. Aber nicht so ohne weiteres. Er musste mit einer Schale voll Opferblut und mit Weihrauch vor die Bundeslade kommen – Vorbilder auf Christus hin (3. Mo 16,11-14).
Doch warum wird dieser neue Weg als «lebendig» bezeichnet? Weil er in der verherrlichten Person Christi Jesu besteht. Die Erlösten sind der Stellung nach in Ihm. Sie sind mit Ihm gestorben, mitauferweckt und sitzend in Ihm, in den himmlischen Örtern (Eph 2,6).
Noch aus einem andern Grund haben sie jetzt Freimütigkeit zu diesem Eintritt: Die Gläubigen sind nun Gottes geliebte Kinder geworden, weil sie seinen Sohn im Glauben aufgenommen haben (Joh 1,12.13). Er ist es ja, der sie zuvor bestimmt hat zur Sohnschaft durch Jesus Christus für sich selbst, nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Preise der Herrlichkeit seiner Gnade (Eph 1,5.6). Der Sohn Gottes hat uns nicht nur Gott offenbart. Wer Ihn betrachtet, sieht auch den Vater (Joh 14,9). – Oh, welche Liebe hat uns der Vater gegeben!
Im Himmel werden wir diese herrliche Beziehung zu Gott, dem Vater, in vollkommener Weise geniessen. Dann wird uns bewusst sein, dass wir uns im Reich des Sohnes seiner Liebe befinden (Kol 1,13). Wir haben dann ewige, ungetrübte Gemeinschaft mit dem Vater über den Sohn, und volle Gemeinschaft mit dem Sohn über den Vater.
Muss es hier, solange wir noch auf der Erde sind, anders sein? Gewiss, in der uns umgebenden Atmosphäre wird unser Hinzutreten zu Gott immer wieder gestört: durch die irdischen Dinge vor unseren Augen, durch die Welt und ihren Fürsten, durch das Fleisch in uns.
Doch sind uns wirksame Hilfsmittel gegeben, damit wir bei Ihm bleiben können. Oh, Gott hat in voller Kenntnis unserer Umstände reichlich vorgesorgt. Ein paar ausgewählte Stellen aus dem Hebräerbrief geben uns – unter vielen anderen – einen Begriff davon.
«Wer Gott naht, muss glauben, dass er ist und denen, die ihn suchen, ein Belohner ist» (Heb 11,6).
In diesem Glauben pflegte Henoch die Nähe Gottes zu suchen. Er tat es jahrhundertelang. Auch er hatte das Sichtbare um sich her. Er lebte in derselben gottlosen Welt. Er sah Gott nicht mit seinen natürlichen Augen. Und doch wandelte er allezeit mit dem unsichtbaren Gott. Was von Mose gesagt ist, trifft auch auf ihn zu: «Er hielt standhaft aus, als sähe er den Unsichtbaren.» Schon hier auf der Erde war Gott ein Belohner seines Glaubens, indem Er ihn stärkte, ermunterte und bewahrte. Und auch droben wird dieser Glaubenszeuge eine grosse Belohnung empfangen.
Anders als bei Henoch, wohnt jetzt der Heilige Geist in den Kindern Gottes, der, wie wir im Lied singen, «so lebendig sich erweist, wie wenn man selbst dich sähe.» Haben wir es daher nicht leichter als er, Gott zu nahen?
«Lasst uns nun mit Freimütigkeit hinzutreten zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu rechtzeitiger Hilfe» (Heb 4,16).
Dieser Thron überströmender Gnade war für uns früher ein Thron des Gerichts, vor dem wir einst hätten erscheinen müssen. Jetzt aber können wir mit freiem Mut vor diesen Thron kommen, um rechtzeitige Hilfe für ein gottseliges Leben auf den Wegen Gottes zu finden. Da empfangen wir jede Gnade, die dazu nötig ist.
Gott macht uns keine Vorwürfe wegen unserer Schwachheit. Aber hat Er nicht Anlass, uns zu tadeln, wenn wir nur selten vor diesen Gnadenthron treten? Wäre das nicht ein Zeichen dafür, dass wir uns für zu weise und zu stark halten, als dass wir ständig Gnade nötig hätten?
«Jesus aber, weil er in Ewigkeit bleibt, hat ein unveränderliches Priestertum. Daher vermag er diejenigen auch völlig zu erretten, die durch ihn Gott nahen, indem er allezeit lebt, um sich für sie zu verwenden» (Heb 7,24.25).
Eine weitere göttliche Hilfe: Wir dürfen durch diesen grossen Hohenpriester Gott nahen. Er wird uns hindurchbringen bis zum himmlischen Ziel. Er sieht uns in unseren Umständen, kennt unser geistliches Befinden, und verwendet sich dementsprechend für uns bei Gott. Er ist unser Stellvertreter vor Ihm. Er wacht über unseren Herzenszustand, damit wir alles richten, was irgendwie zwischen Ihn und uns, zwischen Gott und uns treten könnte. Er, der in allem versucht worden ist wie wir, ausgenommen die Sünde (Heb 4,15), vermag denen zu helfen, die versucht werden (Heb 2,18). Er kann uns von allen Widerständen erretten, die uns hindern wollen, Gott zu nahen.
Ja, «lasst uns hinzutreten!» Gibt es für uns in dieser Welt und einst droben einen Ort, wo wir mehr Liebe finden, mehr Frieden, mehr Freude? Da allein erlangen wir den Beistand, den wir auf unserem Erdenpfad so dringend benötigen. Zu diesem «Hinzutreten» oder «Gott nahen» werden wir im Hebräerbrief immer wieder aufgerufen. Das Herz Gottes verlangt danach, seine Kinder allezeit in seiner Nähe zu sehen. Er lädt uns ein, mit unseren Anliegen vor Ihn zu treten Er ermuntert uns, für unsere Brüder und Schwestern, wie auch für das Werk des Herrn, Fürbitte zu tun. Er sucht solche, die in seine Gegenwart kommen, um Ihn in Geist und Wahrheit anzubeten und Ihm durch Christus stets ein Opfer des Lobes darzubringen (Joh 4,23; Heb 13,14).
Welch ein Vorrecht, an diesen Platz geführt worden zu sein! Da hat unser Herz in einer unruhigen Welt, wo so viele Menschen sich ängstigen und fürchten, einen Felsen göttlicher Sicherheit und Ruhe.