Das Fleisch in uns

Damit ist nicht der Körper des Gläubigen an sich gemeint, sondern die verdorbene Natur des alten Menschen, die den Leib beherrschen will. «Das Fleisch» ist in allem der Widersacher des Heiligen Geistes, der in uns wohnt und wirkt; es ist der Sitz der bösen Begierden; die moralische Unreinheit; die Quelle der Sünde in unserem gefallenen Wesen, unabhängig von äusseren Offenbarungen; das alte «Ich», das uns wie früher regieren will, im Gegensatz zum «Ich» des neuen Menschen, wie Paulus dies in Galater 2,20 ausdrückt: «Ich bin mit Christus gekreuzigt, und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir; was ich aber jetzt lebe im Fleisch, lebe ich durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat.»

Das ist kein schönes Thema. Doch ist es nötig, dass die Erlösten darüber gut Bescheid wissen und sich des Charakters dieses bösen Anführers in uns, der so leicht die Initiative ergreift, bewusst bleiben und sich ständig vor ihm hüten.

Das Wort Gottes bezeichnet verschiedene Dinge mit «Fleisch»

An mehreren Stellen ist damit der von Gott aus Staub von dem Erdboden erschaffene menschliche Körper gemeint, in den Er den Odem des Lebens eingehaucht hat und worin das Blut zirkuliert. Es geht um diesen Begriff, wenn in Johannes 1,14 gesagt wird: «Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns», und in Hebräer 2,14; 4,15: «Weil nun die Kinder Blutes und Fleisches teilhaftig sind, hat auch er (Jesus Christus) in gleicher Weise daran teilgenommen», doch «ausgenommen die Sünde».

Wann ist denn beim Menschen «das Fleisch» zu einem Begriff des Bösen geworden? Als er in Sünde fiel. In Eden hat er begonnen, statt Gott zu gehorchen, auf die Stimme des Teufels zu hören. Das kennzeichnet seither den natürlichen Menschen. Er ist Gott ungehorsam, befindet sich in «der Gewalt der Finsternis» und untersteht «dem Fürsten der Gewalt der Luft, des Geistes, der jetzt wirksam ist in den Söhnen des Ungehorsams» (Kol 1,13 und Eph 2,2.3). All sein Sinnen und Trachten, alle menschlichen Triebe kamen dadurch in eine falsche Richtung; auf diesem Weg wurden sie zu Irrmeinungen, zu Leidenschaften und Begierden. «Alles Fleisch hat seinen Weg verdorben auf der Erde» (1. Mo 6,12).

Inwieweit hat der Gläubige noch mit diesem bösen Fleisch zu tun? Er hat sich doch zu Gott bekehrt, wurde von neuem geboren, ist Teilhaber der göttlichen Natur geworden, und von ihm wird auch ganz positiv gesagt: «Wenn jemand in Christus ist, da ist eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden» (2. Pet 1,4; 2. Kor 5,17).

Da wollen wir uns zwei Bibelabschnitten zuwenden, in denen diese Frage beantwortet wird.

Das grosse Heil Gottes, das in den Kapiteln 6-8 des Römer-Briefes beschrieben wird, erreicht unter anderem seinen Höhepunkt darin, dass sich die Erlösten der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes rühmen dürfen (Röm 5,2). Dort angelangt, in Leibern, die zur Gleichförmigkeit mit dem Leib der Herrlichkeit des Herrn Jesus umgestaltet sind (Phil 3,21), werden sie nie mehr von den Regungen des Fleisches verführt und geplagt – denn in jenem Leib ist es nicht mehr vorhanden. Wunderbarer, vollkommener und ewiger Zustand!

Aber auf der Erde sind die Gläubigen ja noch im gleichen Körper wie in ihrem unbekehrten Zustand. Damals wurde Leib, Seele und Geist vom sündigen Fleisch missbraucht. Sie waren als Ungläubige gewohnt, dem eigenen Willen, der Sünde des Ungehorsams und den Begierden zu leben. Ist es nun den Erlösten hier auf der Erde schon möglich, unbeeinflusst von dieser bösen fleischlichen Gesinnung, ohne Sünde zu leben? Wie es die folgenden Stellen bezeugen, sagt Gottes Wort ja.

«Wir, die wir der Sünde gestorben sind, wie sollten wir noch darin leben?» (Röm 6,2). Das wird nicht von solchen gesagt, deren Leib schon im Grab liegt, sondern von Gläubigen, die noch auf der Erde sind.

  • Sie haben die Möglichkeit, ohne Sünde zu leben, weil sie durch Glauben wissen (Vers 3), dass «unser alter Mensch (wie er vor der Bekehrung war) mitgekreuzigt worden ist, damit der Leib der Sünde abgetan sei, dass wir der Sünde nicht mehr dienen» (Vers 6).
  • Sie sind «mit Christus gestorben» (Vers 8); «mit ihm einsgemacht in der Gleichheit seines Todes» (Vers 5).
  • Auch sind sie «mit ihm begraben worden durch die Taufe auf den Tod» (Vers 4). Wer so mitgestorben und mitbegraben ist, «ist freigesprochen von der Sünde» (Vers 7). Ein solcher hat mit der Sünde ebenso wenig mehr zu tun wie Christus, «Denn was er gestorben ist, ist er ein für alle Mal der Sünde gestorben» (Vers 10).

Da ist aber auch die positive Seite der Sache:

«Denn wenn wir mit ihm einsgemacht worden sind in der Gleichheit seines Todes, so werden wir es auch in der seiner Auferstehung sein» (Vers 5).

Wozu sind denn die von neuem geborenen Christen auferweckt? «Damit, so wie Christus aus den Toten auferweckt worden ist durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in Neuheit des Lebens wandeln» (Vers 4).

Dieses Leben hat den gleichen Charakter wie das Leben Christi: «Wenn wir aber mit Christus gestorben sind, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden» (Vers 8), und «was Christus lebt, lebt er Gott. So auch ihr, haltet dafür, dass ihr der Sünde tot seid, Gott aber lebend in Christus Jesus» (Verse 10-11).

Alle diese wichtigen Wahrheiten sind für Gott feste, unabänderliche Tatsachen. Er sieht die Erlösten in diesem Licht. Wir Gläubige aber können sie nur im Glauben erfassen; wir sehen und fühlen sie nicht. Sind sie deswegen weniger real? Nur geschriebene Worte? Ganz und gar nicht! Jeder Errettete kann in Gemeinschaft mit seinem Herrn fortwährend die kostbare Erfahrung machen, dass er kraft dieser Tatsachen ein glückliches Überwinderleben führen kann, zur Ehre Gottes und zum Segen seiner Umwelt. Denn er ist «unter Gnade» (Vers 14); aus der Fülle des Herrn Jesus Christus kann er dazu Gnade um Gnade empfangen.

Aber, wir wissen es leider nur zu gut, wir haben noch die Möglichkeit zu sündigen! Der Gläubige kann durch Unwachsamkeit wieder wie früher «im Fleisch» wandeln, indem er die Nähe seines Herrn verlässt, sich der Welt nähert und so «Vorsorge treibt für das Fleisch zur Befriedigung seiner Begierden» (Röm 13,14). Es ist, wie wenn er – im Bild gesprochen – die Grabestür wieder öffnete, hinter der der alte Mensch mit seinem Fleisch und seiner Sünde eingeschlossen ist, um ihm in seinem Leben wieder freien Lauf zu lassen zum Bösen. Durch dieses Verhalten leugnet er praktisch die auch für ihn immer gültigen Wahrheiten, mit denen wir uns beschäftigt haben, und ist tief unglücklich.

Um die Seinen vor einem solchen Abirren zu bewahren, gibt uns Gott durch seinen Geist ernste Warnungen und Ermahnungen, auch hier in Römer 6. Er überlässt es nicht unserem Gutdünken, diesen oder jenen Weg einzuschlagen. Er macht uns vielmehr darauf aufmerksam, dass, so wie wir einst «Sklaven der Sünde» waren und ihr dienen mussten, wir jetzt «Sklaven Gottes» sind, die Ihm leben und Frucht bringen. Ist unser Christenleben in Ordnung, tun wir dies ungezwungen, von ganzem Herzen, aber die Überzeugung soll uns ganz durchdringen, dass wir Gottes Eigentum sind (Röm 6,15-23).

Da unser alter Mensch mitgekreuzigt ist (Vers 6), setzt Gottes Wort (in Kolosser 3) voraus, dass wir «den alten Menschen mit seinen Handlungen ausgezogen und den neuen angezogen habt, der erneuert wird zur Erkenntnis nach dem Bild dessen, der ihn erschaffen hat» (Verse 9-10). Die Verse 12-17 dieses Kapitels beschreiben sodann, was den «neuen Menschen» kennzeichnet.

In Römer 8, Verse 1-17, wird in den uns beschäftigenden Gegenstand des «Fleisches in uns» ein wichtiges Element eingeführt: der Heilige Geist, der in uns wohnt. Eine wunderbare, göttliche Hilfe, um das Fleisch im Tod zu halten! Da finden wir die deutliche Feststellung:

«Ihr aber seid nicht im Fleisch, sondern im Geist, wenn nämlich Gottes Geist in euch wohnt» (Vers 9). Das trifft somit auf jeden zu, der von neuem geboren ist: Gott betrachtet ihn der Stellung nach als im Geist, weil diese göttliche Person in ihm wohnt. Er ist nicht «im Fleisch», obwohl hier auf der Erde noch das Fleisch in ihm ist, aber gekreuzigt (Gal 5,24).

In der Praxis wird und soll die Folge davon sein,

  • dass er «nach dem Geist wandelt» (Vers 4),
  • nicht mehr so, wie in seinem natürlichen Zustand. «Denn die, die nach dem Fleisch sind, sinnen auf das, was des Fleisches ist;
  • die aber, die nach dem Geist sind, auf das, was des Geistes ist» (Vers 5),
  • dadurch wird Herz und Sinn des Gläubigen vom Geist erfüllt.

So kann der Geist Gottes in ihm eine wichtige Funktion ausüben:

«Denn so viele durch den Geist Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes (Vers 14).

Diese Leitung besteht unter anderem darin, dass Er uns bei jedem Schritt die Versuchungen des Fleisches blossstellt und uns hilft, sie von den Anregungen des Geistes zu unterscheiden. Das tut Er, damit wir in Gemeinschaft mit Ihm vorangehen und das, was das Fleisch tun will, verurteilen und im Tod halten, denn es hat keinerlei Anrecht mehr auf uns: «Wenn ihr aber durch den Geist die Handlungen des Leibes tötet, so werdet ihr leben» (Vers 13).

Im 5. Kapitel des Galater-Briefes wird unser Thema auch berührt. Bekanntlich wurden jene Gläubigen fälschlicherweise belehrt, sie müssten zu ihrem Glauben an Christus und sein Opfer auch noch die Erfüllung gewisser gesetzlicher Vorschriften hinzufügen, besonders die Beschneidung. Vielleicht meinten sie auch, das Gesetz wäre ein Damm gegen die Werke des Fleisches. Gegen solche Lehren wehrt sich der Apostel mit grosser Entschiedenheit und sagt unter anderem:

«Wandelt im Geist, und ihr werdet die Lust des Fleisches nicht vollbringen. Denn das Fleisch begehrt gegen den Geist, der Geist aber gegen das Fleisch; denn diese sind einander entgegengesetzt, damit ihr nicht das tut, was ihr wollt» (Verse 16-17)

Der Heilige Geist, der im Erlösten wohnt, ist als selbsttätige, göttliche Person das einzige Wehr, das die bösen Gesinnungen und Handlungen des Fleisches, das ständig aus dem Tod und Grab ausbrechen will, völlig abzudämmen vermag. Dazu ist aber nötig, dass der Gläubige in jeder Lage und in allen Dingen «auf das sinnt, was des Geistes ist» (Röm 8,5), auf das, was seinem Herrn wohlgefällt. So allein wird verhütet, dass er das tut, was das Fleisch will. Ein Niemandsland, eine neutrale Freizone, in der weder das Fleisch noch der Geist zum Zug kommt, gibt es nicht.

In der Liste der «Werke des Fleisches», in den Versen 19-21, werden vor allem grobe Dinge aufgezählt, von denen sich der Heilige mit Abscheu abwendet. Doch mag es in seinem Leben verfeinerte Äusserungen des Fleisches geben, die er noch nicht als solche erkannt hat, wie z.B. Empfindlichkeit, Geltungstrieb, Vorbehalte im Gehorsam gegen Gottes Wort, von Ihm unabhängiges Handeln, Selbstsucht, Trägheit und dergleichen. Was irgend er von seinem «früheren Lebenswandel» oder «von dieser Welt» an Gewohnheiten noch mit sich führen mag – alles dessen muss er sich bewusst werden, damit er es, als zum alten Menschen gehörend, ablegen kann. Der Apostel ruft uns zu: «Werdet verwandelt durch die Erneuerung eures Sinnes, dass ihr prüfen mögt, was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist» (Röm 12,2 und Eph 4,22-24).

«Im Geist wandeln» besteht auch darin, dass wir verwirklichen, was unser Herr Jesus seinen Jüngern sagt: «in mir bleibt und ich in ihm, dieser bringt viel Frucht, denn ausser mir könnt ihr nichts tun» (Joh 15,5). Diese Frucht ist in Übereinstimmung mit der Frucht des Geistes, bestehend aus: «Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit» (Gal 5,22).

Wie? Solchen Ertrag kann unser Leben bringen? Oh, dann wollen wir das tun, wonach auch der Apostel strebte: «Wenn wir durch den Geist leben, so lasst uns auch durch den Geist wandeln!» (Vers 25).