Wie sich die Versammlung ausbreitete

In Jerusalem hatte die Versammlung ihren Anfang genommen. Der vom Vater durch den erhöhten Herrn Jesus herabgesandte Heilige Geist war zunächst auf die 120 Gläubigen im Obersaal gekommen und hatte sie zu «einem Leib» getauft, zum «Leib des Christus» (1. Kor 12,13; 10,16.17). Durch die Predigt des Evangeliums erhöhte sich die Zahl der Gläubigen in wenigen Tagen auf dreitausend, ja sogar auf fünftausend. Sie wurden alle auf den Namen Jesu Christi getauft und empfingen die Gabe des Heiligen Geistes (Apg 2,38). Auch sie waren nun Glieder an dem Leib des Christus wie die ersten Hundertzwanzig.

Diese Gläubigen alle waren aus den Juden. Aber das Heil in Christus Jesus sollte nicht auf sie beschränkt bleiben. Der Geist Gottes hatte ja schon dem Propheten Jesaja das Wort in den Mund gelegt: «Es ist zu gering, dass du mein Knecht seist, um die Stämme Jakobs aufzurichten und die Bewahrten von Israel zurückzubringen. Ich habe dich auch zum Licht der Nationen gesetzt, um meine Rettung zu sein bis an das Ende der Erde» (Jesaja 49,6).

Nachdem das auserwählte Volk der Juden zuerst seinen Christus und dann auch das mächtige Zeugnis des Heiligen Geistes verworfen hatte, brach Gott für lange Zeit seine Beziehung mit ihm ab. Er wollte nun aus allen Nationen, aus Heiden und Juden, von den Fernen und den Nahen, ein himmlisches Volk herausnehmen für seinen Namen. Jeder einzelne sollte dazu gehören, der dem Evangelium gehorchen und in Buße und Glauben persönlich Zuflucht nehmen würde zum Herrn Jesus. Das war «das Geheimnis des Christus», das «von den Zeitaltern her verborgen war in Gott», aber von da an verkündigt werden sollte (Eph 3,4.9). In diesem himmlischen Volk, in der Versammlung, «ist nicht Grieche und Jude, Beschneidung und Unbeschnittensein, Barbar, Skythe, Sklave, Freier, sondern Christus alles und in allen» (Kol 3,11).

Für die Gläubigen der Versammlung in Jerusalem war dieser Wechsel der Haushaltung etwas ganz Neues. «Dass die aus den Nationen Miterben seien und Miteinverleibte (Mit-Leib) und Mitteilhaber der Verheissung in Christus Jesus durch das Evangelium» (Eph 3,6), war eine Wahrheit, die sie in ihrer jahrhundertealten jüdischen Tradition nur mit Mühe erfassen konnten. Viele von ihnen begriffen lange nicht, dass die Gläubigen aus den Nationen ohne Beschneidung, ohne das Halten von mancherlei Verordnungen des Gesetzes, dem sie als Nation verpflichtet waren, errettet werden sollten.

Aber Gott selbst sorgte jetzt dafür, dass sein Ratschluss sich erfüllte. Der Apostel Petrus wurde deutlich geleitet, die ihm von Christus, dem Herrn, übergebenen Schlüssel zu gebrauchen und nacheinander den Juden (Apg Kapitel 2), den Samaritern (Apg Kapitel 8) und den Nationen (Kornelius, Apg Kapitel 10) das Reich der Himmel aufzuschliessen. Der Heilige Geist gab Zeugnis dazu, indem Er in den Gläubigen dieser Völkergruppen Wohnung machte. Aber der Bericht in Apostelgeschichte 10 und 11 zeigt, wie nötig es war, dass sowohl der Apostel als auch die Brüder «aus der Beschneidung» ausserdem durch das Gesicht vom Tuch mit den «unreinen» Tieren diese Wahrheit lernten: Gott hat die Gläubigen aus den unreinen Nationen in Christus ebenso rein gemacht wie uns selbst, und wir dürfen volle Gemeinschaft mit ihnen haben.

Gott liess auch zu, dass nach der Steinigung des Stephanus eine grosse Verfolgung gegen die Versammlung in Jerusalem entstand, gegen die Brüder und Schwestern, die ein Herz und eine Seele waren und so gerne beieinander blieben! Wie durch eine Bombe wurden sie jetzt zersprengt. Sie sollten das Evangelium nun weitertragen. (Apg 8)

Und wie treu taten sie dies! Mochten sie auch aus der Stadt in die Landschaften von Judäa und Samaria verjagt werden und dabei Häuser und Güter verlieren – sie nahmen es mit Freuden hin. Sie hielten sich nicht dabei auf, sondern gingen umher, um das Wort zu verkündigen.

Philippus, einer von ihnen, wandte sich nach Samaria und predigte ihnen den Christus. Die Volksmenge hörte einmütig zu, und viele kamen zum Glauben. «Und es war eine grosse Freude in jener Stadt.»

Aus dieser segensreichen Tätigkeit heraus sandte der Herr ihn durch einen Engel auf die Strasse nach Gaza, um einem Kämmerer aus Äthiopien zu begegnen, der nach dem Evangelium dürstete. So kam die Botschaft des Heils auch in jenes heidnische Land.

Der Heilige Geist entrückte Philippus nicht nach Samaria zurück, sondern nach Asdod, an die Mittelmeerküste, und von dort aus verkündigte er das Evangelium allen Städten, bis nach Cäsarea hinauf (Apg 8,40). Auch die übrigen der Zerstreuten waren eifrig im Werk des Herrn, und es entstanden weitere Versammlungen in Judäa und Galiläa (Apg 9,31).

Hat das nicht auch uns etwas zu sagen? Von diesen Gläubigen, die das Evangelium so weit herum verbreiteten, lesen wir nicht, dass der Herr ihnen die besondere geistliche Gabe eines Evangelisten verliehen hätte, (bei Philippus hingegen war dies wohl der Fall). Aber in ihrer geistlichen Frische und gedrängt von der Liebe des Christus, ging jeder hinaus, um geleitet von Ihm, die Gelegenheiten wahrzunehmen und nach seinen Möglichkeiten die gute Botschaft, die er besass, weiterzugeben. ist das nicht eine Ermunterung für uns?

Einige von ihnen brachten das Evangelium sogar bis nach Phönizien und Zypern und Antiochien. Doch redeten sie das Wort allein zu Juden, da sie noch in jüdischen Vorurteilen befangen waren.

Im Gegensatz zu ihnen verkündigten einige Männer von Zypern und Kyrene, als sie nach Antiochien kamen, «das Evangelium von dem Herrn Jesus» auch den Griechen, also Menschen aus den Nationen. Das war ganz nach dem Sinn und Willen des Herrn, und seine Hand war mit ihnen, so dass eine grosse Zahl glaubte und sich zu Ihm bekehrte.

Die Versammlung in Jerusalem scheint aber über diese Entwicklung der Dinge etwas beunruhigt gewesen zu sein. Sie sandten daher Barnabas, einen «guten Mann, voll Heiligen Geistes und Glaubens» auf ihre Spuren, bis nach Antiochien. Dieser konnte sich aber nur freuen über die Gnade Gottes, die er hier am Werk sah. Er war den jungen Gläubigen sehr behilflich, und sein Dienst war so gesegnet, dass eine zahlreiche Menge dem Herrn hinzugetan wurde (Apg 11,19-24).

Jetzt tat Barnabas, zweifellos in Abhängigkeit vom Willen des Herrn, einen wichtigen Schritt, wodurch die Ausbreitung des Evangeliums unter den Nationen dann so recht ins Rollen kam: Er holte Saulus, der sich in Tarsus, in der Verborgenheit aufhielt, nach Antiochien. Aus diesem fanatischen Verfolger der Versammlung war ja ein Jünger Jesu und ein Knecht des Herrn geworden, der Ihm nun mit unbegrenzter Hingabe dienen wollte. Verschiedene Stellen zeugen davon, dass Gott ihn abgesondert und der Herr Jesus ihn zu einem überaus wichtigen Dienst berufen hatte (zum Beispiel: Gal 1,15-16; Apg 9,15.16; 26,16-18; Röm 11,13; 1. Tim 2,7; 2. Tim 1,11). Er war bestellt als Herold (Prediger) und Apostel und Lehrer der Nationen.

Die zahlreiche Menge der Jünger in Antiochien war noch jung im Glauben. Wie nötig war es da, dass sie in die volle Lehre des Heils, in den ganzen Ratschluss Gottes eingeführt wurden (Apg 20,27). Ein ganzes Jahr lang durften sie nun im Namen des Herrn, im Beisein solcher Propheten und Lehrer zusammenkommen. Wie konnten sie da Fortschritte machen im geistlichen Wachstum!

Ist eine Versammlung in einem guten Zustand, steht sie im richtigen Gleichgewicht. Sie wünscht in der Wahrheit, in der Lehre des Wortes auferbaut zu werden und zum Mass des vollen Wuchses der Fülle des Christus hin zu gelangen. Anderseits hat sie aber auch ein ganzes Herz für die Ausbreitung des Evangeliums in der Nähe und in der Ferne. Wir neigen so gerne auf diese oder jene Seite. Hüten wir uns davor!

Gerade nach diesem Jahr gesegneter geistlicher Auferbauung war es den Brüdern der Versammlung in Antiochien ein ernstes Anliegen zu erkennen, wie das Werk des Herrn von ihnen aus in Regionen ausgebreitet werden konnte, wo das Evangelium noch nicht bekannt war. Das musste ihnen von oben gezeigt werden. Darum fasteten und beteten sie. Da sprach der Heilige Geist, vermutlich durch einen der Propheten: «Sondert mir nun Barnabas und Saulus zu dem Werk aus, zu dem ich sie berufen habe.» Wieder fasteten und beteten die Brüder, legten den beiden die Hände auf und entliessen sie. (Apg 13,2-3)

Wie dankbar sind wir für diese kurzen Mitteilungen! Diese Versammlung war voll brennendem Interesse für das Werk des Herrn. Aber nicht sie und keiner der Brüder, sondern der Heilige Geist sendet die beiden aus. Doch gehen Barnabas und Paulus in Gemeinschaft mit den Brüdern in den vor ihnen liegenden Dienst voller Mühen, Gefahren und Leiden. (Schon auf der ersten Missionsreise, in Lystra, wurde Paulus gesteinigt). Dieses Händeauflegen war nicht nur eine wertlose Formsache. Damit sagten doch diese Brüder: Wir tragen mit an der Verantwortung für diesen Dienst. Wir begleiten euch im Geist in treuer, ernster Fürbitte. Wir sind bereit zu jeder materiellen oder sonstigen Hilfe, wenn sich uns Gelegenheit dazu bietet.

So eng war die Verbindung zwischen den Geschwistern in Antiochien und den Missionaren. Paulus kehrte von seinen Reisen mehrmals nach Antiochien zurück, um ihnen zu berichten und bei ihnen zu sein.

Damit begannen die Missionsreisen des Apostels Paulus. Anfänglich war Barnabas sein Mitarbeiter, dann Silas, Timotheus und andere. Es ist nicht möglich, hier darauf einzugehen. Den Bericht hierüber finden wir ja in der Apostelgeschichte, vom 13. Kapitel an. Der Herr segnete seinen Dienst in reichem Mass. Dadurch entstanden zahlreiche örtliche Versammlungen in Kleinasien und auch in Mazedonien und Griechenland, wovon uns einige durch die Briefe des Apostels wohl vertraut sind. Soviel bekannt, sind unter den Nationen damals nur wenige Versammlungen, Rom, Kolossä, Laodizea, aus dem Dienst anderer Brüder hervorgegangen.