Im Anfang war das Wort (1)

Johannes 1,1-3

Das Evangelium Johannes ist das Evangelium der neuen Schöpfung. Diese ist durch Leben, Licht und Liebe gekennzeichnet und entspricht dem, was Gott in sich selbst ist.

In ihr finden wir das ewige Leben, das nicht verändert werden kann. Wer es besitzt, geniesst Licht und Liebe. Es wurde durch den eingeführt, der selber dieses Leben ist. Er hat es offenbart und durch Ihn wird es mitgeteilt. Welche Gnade ist es daher, in einer Welt der Sünde, der Finsternis und des Todes Ihn zu kennen!

Die ersten Verse dieses Evangeliums stellen uns also vor diese göttliche Person, vor den Urheber der neuen Schöpfung und die Quelle ewigen Lebens. Sie sagen uns, was diese Person war, bevor sie in diese Welt kam.

«Im Anfang war das Wort»

Wer ist dieses Wort? Die Verse 14-17 beantworten diese Frage. Es ist der eingeborene Sohn, ein Ausdruck, dem wir nur in den Schriften des Johannes begegnen (Joh 3,16; 1. Joh 4,9), und wodurch seine ewige Beziehung zum Vater angezeigt wird. Als solcher wird Er auch der Sohn seiner Liebe genannt (Kol 1,13), denn Gott ist Liebe und hatte in der Ewigkeit einen Gegenstand seiner Liebe, der Ihn befriedigte. Und dieser Gegenstand der ewigen Liebe Gottes ist herabgekommen, um sie in der Welt zu offenbaren. Es ist in der Tat bemerkenswert, dass der Titel «eingeborener Sohn» in diesen Stellen mit der Offenbarung der göttlichen Gnade verbunden wird.

Wir wissen also, wer das Wort ist: der eingeborene Sohn, der inmitten der Menschen Gott und seine Liebe kundmachte, indem Er Gnade und Wahrheit gebracht hat. Zu diesem Zweck kam Er in eine Welt der Sünde, der Schmerzen und des Todes und trug hier auf der Erde den kostbaren Namen Jesus Christus.

Weshalb wird Er in diesem Evangelium unter dem Namen «das Wort» eingeführt? – Er ist der Ausdruck der Gedanken, des Willens und der Macht Gottes und offenbart Ihn auf diese Weise (Vers 18).

Im ersten Kapitel des ersten Buches Mose wird beschrieben, wie Gott durch das Wort in der Schöpfung seine Macht entfaltet. Achtmal begegnen wir dort dem Ausdruck «Gott sprach», und fast jedes Mal folgt darauf die Bestätigung: «und es wurde so.» «Durch das Wort des HERRN sind die Himmel gemacht worden», sagt der Psalmist (Ps 33,6). Und was die Offenbarung Gottes den Menschen gegenüber betrifft, ist es der Sohn, der Ihn kundmacht (Mt 11,27). Gott hat im Sohn zu uns geredet. Und dies ist im Johannes-Evangelium sehr charakteristisch, wo bei allem, was Jesus sagt und tut, hinzugefügt wird, dass es nicht aus Ihm selbst, sondern nach dem Willen dessen sei, der Ihn gesandt hat (Joh 7,16; 6,38; 8,28; 12,49.50).

Wir verstehen jetzt, weshalb Er «das Wort» ist. So wie auch wir durch unser Wort kundtun, was in uns ist, so hat auch Christus, das Wort, die in Gott verborgenen Gedanken und Absichten kundgemacht, mit diesem unendlich grossen Unterschied allerdings, dass unser Wort nur unvollkommen und sogar unrichtig auszudrücken vermag, was in unserem Inneren vor sich geht. «Das Wort» hingegen enthüllt in vollkommener Weise, was Gott ist und was uns Gott von seinen Gedanken mitteilen will. Dieses Wort, Christus, ist nicht ein abstraktes Wesen, sondern, wie wir noch sehen werden, eine Person.

In diesen ersten Worten des Evangeliums wird auf die ewige Existenz des Wortes hingewiesen. Wir lesen hier: «Im Anfang war das Wort.» Dieser Ausdruck «war» führt den Gedanken der Existenz ein. Das Wort bestand im Anfang.

Aber welcher Anfang ist hier gemeint? Setzen wir den Augenblick des Anfangs der Zeit – als die Dinge, die nicht immer gewesen sind, ins Dasein kamen – so weit zurück als wir nur wollen – da «war» das Wort schon, da hat es schon bestanden.

Dieses «war» zeugt also von seiner ewigen Existenz. Diese Tatsache finden wir auch in Kolosser 1,17 bestätigt: «Er ist vor allen», vor allen geschaffenen Dingen, denn alle Dinge bestehen zusammen durch Ihn. Hätte das Wort einmal zu sein begonnen, dann hätte es der Anfang sein können, hätte dann aber im Anfang noch nicht bestanden. Doch nein, es war im Anfang. Es ist also ausserhalb jeden Anfangs; es ist ewig.

In Sprüche 8 wird festgestellt, dass die Weisheit – ein anderer Ausdruck für den, der das Wort ist – schon vor dem Anfang der Dinge bestand: «Der HERR besass mich im Anfang seines Weges, vor seinen Werken von jeher. Ich war eingesetzt von Ewigkeit her, von Anbeginn, vor den Uranfängen der Erde», usw.

«Und das Wort war bei Gott»

Das Wort hatte eine persönliche Existenz. Es war «bei Gott», nicht mit Gott vermischt, nicht eine Eigenschaft Gottes, sondern eine von Ihm unterschiedene Person bei Ihm. Und dieses mit «bei» übersetzte Wort redet von einer Bewegung zu Ihm hin, von einer Gemeinschaft mit Ihm. Er war «bei Gott», wie ich bei jemand sein kann, den ich liebe. «Da war ich», sagt die ewige Weisheit, «Werkmeister bei ihm und war Tag für Tag seine Wonne, vor ihm mich ergötzend allezeit, mich ergötzend auf dem bewohnten Teil seiner Erde; und meine Wonne war bei den Menschenkindern» (Spr 8,30).

«Und das Wort war Gott»

Diese dritte Erklärung bringt zum Ausdruck, was das Wort in sich selbst, in seiner Natur ist: Es war Gott. Es hat alle Wesenszüge und alle Vollkommenheiten des göttlichen Wesens. Der Heilige Geist bedient sich, mittels der Feder des Johannes, der Vergangenheitsform: «Das Wort war Gott», damit man nicht sagen kann: «Gewiss, Er ist nun Gott, aber in einem untergeordneten Sinn; Er ist zu dieser Würde erhoben worden.» Das lehren ja viele. Aber ihre Überlegung wird durch die feierliche Erklärung zunichtegemacht: «Das Wort war Gott.» Das war es von aller Ewigkeit her. Es ist nicht dazu gemacht worden, es war Gott. Von jeher war es eine besondere göttliche Person. Daher fügt der Apostel hinzu: «Dieses war im Anfang bei Gott.» Diese Erklärung ist nicht eine unnötige Wiederholung, sondern wird in dem Augenblick gegeben, wo Johannes das Wort in seiner Tätigkeit und Macht als Schöpfer zeigt.

Diese beiden Verse lassen uns also erkennen, was das Wort in sich selbst und in Bezug auf Gott ist. Im Folgenden wird es nun im Zusammenhang mit der Schöpfung, dem Bereich seiner Offenbarung betrachtet.

«Alles wurde durch dasselbe, und ohne dasselbe wurde auch nicht eins, das geworden ist»

Das Wort ist nicht eines der geschaffenen Wesen. Es ist durch die ungeheure Kluft, die zwischen dem Schöpfer und seiner Kreatur besteht, von ihnen getrennt. Sie sind alle von Ihm abhängig: «Alle Dinge sind durch ihn und für ihn geschaffen … alle Dinge bestehen durch ihn … Er trägt alle Dinge durch das Wort seiner Macht» (Kol 1,16.17; Heb 1,3). Ohne Ihn beständen sie nicht; ohne Ihn lösten sie sich wieder in Nichts auf. Wohl wird Er in Kolosser 1 der Erstgeborene aller Schöpfung genannt, aber dieser Ausdruck besagt nur, dass Er ihr Haupt ist und über der ganzen Schöpfung steht, weil Er alle Dinge geschaffen hat (siehe Ps 89,28). Zum Schöpfungsakt ist göttliche Allmacht nötig, so wie man auch Gott sein muss, um Gott offenbaren zu können: «Das Wort war Gott.»

Alle anderen Wesen ausser Ihm haben in ihrem Dasein einen Anfang gehabt. Er aber hat keinen Anfang. Von Ihm wird gesagt: «Von Ewigkeit zu Ewigkeit bist du Gott» (Ps 90,2).

Dass alle Dinge durch das Wort des HERRN gemacht worden sind, wird uns im ersten Buch Mose, in den Psalmen und in anderen Teilen des Alten Testaments wiederholt bestätigt. Dass aber dieses Wort, dieser Ausdruck der Gedanken, des Willens und der Macht Gottes, der sich in der Schöpfung kundgibt, eine Person war, davon lesen wir in jenen Schriften nichts, ausser in der angeführten, geheimnisvollen Andeutung in den Sprüchen. Hier aber wird uns dies mitgeteilt. Nachdem sich das Wort bei der Erschaffung der Dinge hören liess, lässt es sich nun in der Schöpfung hören. Es offenbart Gott, nicht durch die Schöpfung, die uns nur dessen Existenz und ewige Kraft bezeugt (Röm 1,19.20), sondern indem Er selbst herabkam, um Ihn uns kundzumachen.

Wir schliessen daraus, dass jedes Mal, wenn sich der unsichtbare Gott unter dem Namen: der Engel des HERRN, der Engel seines Angesichts, der Engel des Bundes oder sogar als HERR offenbart, es sich um das Wort, um den eingeborenen Sohn handelt. (Siehe 1. Mo 18; 22,15; Ri 6,12.14.16; 13,3.21.22.23; Jes 63,9; Mal 3,1; 2. Mo 3,2-5 usw.) Zudem wissen wir, durch Vergleichung von Jesaja 6 mit Johannes 12,38-41, dass der HERR des Alten Testaments, der Gott Israels, niemand anders ist, als Jesus, das Wort.

«Alles wurde durch dasselbe, und ohne dasselbe wurde auch nicht eines, das geworden ist.» In diesem Satz scheint eine Wiederholung vorzuliegen, doch wenn sie besteht, so ist sie nötig. Sie zeigt, dass alle bestehenden Dinge von Ihm abhängig sind, und dass keines sagen kann: «Ich stehe nicht unter dieser Abhängigkeit.» Der bejahende Teil des Satzes umschliesst die Gesamtheit aller geschaffenen Wesen; der verneinende Teil ist auf jedes einzelne Wesen anzuwenden und schliesst jede Ausnahme aus. Nichts ist dem Zufall zu verdanken oder in der Kraft allgemeiner Gesetze gebildet worden.

Der Apostel Paulus hebt die Wahrheit der Erschaffung aller Dinge durch den Sohn deutlich hervor, wenn er die verschiedenen Klassen der geschaffenen Wesen im weiten Weltall aufzählt: «Die Dinge in den Himmeln und die auf der Erde, die sichtbaren und die unsichtbaren» (Kol 1,16). Kein Wesen ausser Ihm, mag es noch so gross an Würde und Macht sein, ist von der Wirklichkeit dieses Wortes ausgenommen: «Durch ihn und für ihn geschaffen».

Solcher Art ist die Herrlichkeit des Wortes, des eingeborenen Sohnes, des Herrn Jesus Christus. «Durch den (der Sohn) er (Gott) auch die Welten gemacht hat», wird in Hebräer 1,2 erklärt. Das verkleinert seine Herrlichkeit in keiner Weise. Alles Erschaffene ist nach dem erhabenen Willen des Vaters ins Dasein gerufen worden, aber der Sohn, das Wort, der Ausdruck dieses Willens ist die Person, die diese Schöpferkraft und göttliche Allmacht entfaltet hat. Es ist in der Tat bemerkenswert, dass in Kolosser 1,16 der zweite Ausdruck «durch ihn» mit «in ihm sind alle Dinge geschaffen worden» übersetzt werden kann. Dies zeigt an, dass die Schöpfermacht in Ihm, dem Sohn seiner Liebe, wohnt. Auch Petrus sagt uns, dass die Erde und die Himmel vor der Flut «durch das Wort Gottes» entstanden sind. Aber er geht noch weiter und erklärt, dass die jetzigen Himmel und die Erde durch dieses «sein Wort» zur Zerstörung aufbewahrt sind (2. Pet 3,5-7). In Offenbarung 19 schliesslich sehen wir den, der sich «das Wort Gottes» nennt, vom Himmel her zum Gericht der Gottlosen erscheinen. Und wenn alles, was zu dieser Schöpfung, zur Sphäre des Menschen gehört, ein Ende genommen haben wird, hören wir den, der auf dem Thron sitzt, sagen: «Siehe, ich mache alles neu.»