Menschenfischer

Täglich waren am See von Galiläa Fischer, die ihre Netze wuschen oder ausbesserten. Nachts fuhren sie hinaus, um Fische zu fangen. Sie lebten von diesem Geschäft. Ihre Beute diente den Leuten zur Nahrung.

Die Fische sind Geschöpfe Gottes, sie gehören Ihm. Aber Er hat sie in die Hände der Menschen zur Speise gegeben (1. Mo 9,1-7).

Als der Herr Jesus, durch den und für den alle Dinge sind, unter seinen Jüngern war, hat Er ihnen mehr als einmal zu einem wunderbaren Fang verholfen. Er hatte Macht über diese Tiere.

Die Jünger entsetzten sich über dieses göttliche Eingreifen. Aber der Herr sagte in diesem Zusammenhang zu Petrus: «Fürchte dich nicht; von nun an wirst du Menschen fangen» (Lk 5,10), und auch zu den anderen: «Kommt, folgt mir nach, und ich werde euch zu Menschenfischern machen» (Mk 1,17).

Sagte ihnen der Herr damit nicht: So wie dieser Fischfang ein Wunder war, so wird euch auch auf wunderbare Weise geholfen werden, Menschen zu fischen?

Wem soll denn dieser Fang zum Nutzen sein? In erster Linie Gott selbst und allen denen, die in den Netzen seiner Gnade gefangen werden.

Er ist ein Heiland-Gott. Ihn drängt eine gewaltige Energie der Liebe, um sein Geschöpf, den Menschen, der zum Sünder geworden ist, von seinem schrecklichen ewigen Los, das ihn in diesem Zustand erwartet, zu befreien und ihn für sich zu gewinnen.

Zuerst hat Er seinen eigenen, «einzigen Sohn, den Er lieb hat», als Mensch zum Kreuz auf Golgatha geführt, um dort für die Verlorenen das Erlösungswerk zu vollbringen. Zur Sühnung der Schuld derer, die an Christus glauben würden, «gefiel es Gott», Ihn, seinen geliebten Sohn, zu zerschlagen und zu richten. Weil der Tod der Lohn der Sünde ist, hat Er Ihn «in den Staub des Todes gelegt».

Haben wir schon versucht mitzuempfinden, wie unfasslich gross der Preis gewesen ist, den das Herz Gottes bezahlt hat, um für uns Menschen dieses wunderbare Heil mit seinen unendlichen Segnungen aufzurichten? Es hat Ihn alles gekostet!

Sollte es Ihm und sollte es Christus, der sich selbst für uns hingegeben hat, da gleichgültig sein, ob die Menschen, für die das alles geschehen ist, dieses Heil auch wirklich kennen lernen und annehmen, oder nicht?

Nein, dieselbe gewaltige Energie der Liebe, die Gott aufgewendet hat, um durch Jesus Christus das Werk der Sühnung und Erlösung zu vollbringen, richtet Er nun seit bald zweitausend Jahren darauf, die Menschen zu erretten.

Aber die meisten sträuben sich gegen den Gedanken, dass auch sie in den Netzen der Gnade Gottes gefangen werden sollen.

  • Erstens sehen sie nicht Gott hinter den Bemühungen der Christen, die ihnen das Evangelium vorstellen.
  • Zweitens leben sie in der Finsternis, kennen ihren Zustand nicht und wissen nicht, welchem Verderben sie entgegenlaufen.
  • Drittens sind sie gefangen im Hochmut des Lebens, in der Lust des Fleisches und der Augen, und sie wollen so weiterleben.

Sie vergessen völlig, dass auch der Mensch ein Geschöpf Gottes ist, dass er Ihm gehört, dass der Schöpfer von ihm Gehorsam fordern kann und er auf Ihn zu hören hat. Sie pochen auf ihre Selbständigkeit und lassen niemand ungebeten in ihre Lebenssphäre eindringen.

Erlöste als Menschenfischer

Zu diesem Dienst braucht Gott nicht seine Engel, «die Gewaltigen an Kraft» (Ps 103,20), sondern hinfällige Menschen, die in sich selbst schwach und unvermögend sind.

Ist das nicht eine Abschwächung und Abwertung dieser überaus wichtigen Aufgabe?

Keineswegs, denn eins haben die menschlichen Werkzeuge, durch die Gott wirken will, den heiligen Engeln voraus: Sie reden aus Erfahrung. Sie selbst waren Sünder, Knechte Satans; aber dann ist die Gnade Gottes zu ihnen gekommen: In Christus haben sie Vergebung erlangt, eine völlige Befreiung, volles Heil und unermessliche geistliche Segnungen. Das Zeugnis davon aus ihrem Mund redet zu den Menschen. Der ehemals von einer Legion Dämonen Besessene «ging hin und fing an, in der Dekapolis bekannt zu machen, wie viel Jesus an ihm getan hatte; und alle verwunderten sich» (Mk 5,20). Die Folge war, dass jene Menschen, die Jesus wegen des Verlustes ihrer Schweine zuerst abgewiesen hatten, Ihn später aufnahmen (vgl. Mk 7,31-37). – Paulus selbst, der sich «der erste der Sünder» nennt, sagt selbst, dass ihm Barmherzigkeit zuteilgeworden sei, damit Jesus Christus an ihm die ganze Langmut erzeige, zum Vorbild für die, die an Ihn glauben würden zum ewigen Leben (1. Tim 1,15.16).

So wichtig die eigene Heilserfahrung ist, so würde sie doch dem Erlösten zur Weitergabe des Evangeliums nicht genügen. «Predige das Wort», sagt Paulus zu Timotheus (2. Tim 4,2), nicht: predige die Erfahrung. Im Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld (Mt 13) – wie auch an anderen Stellen – wird gezeigt, dass das Wort Gottes der Same ist, der im Herzen des Menschen Leben und Frucht hervorbringen kann, wenn er es aufnimmt und versteht.

  • Es ist auch «wie ein Hammer, der Felsen zerschmettert», den Felsen des Menschenherzens (Jer 23,29).
  • Es ist das Schwert des Geistes, das den Feind in die Flucht schlägt (Eph 6,17),
  • ein Spiegel, worin der Mensch sein sündiges Wesen erkennen kann (Jak 1,23.24),
  • ein Licht, das ihm den Weg zum Heil zeigt (Psalm 119,105).

Ist das nun die ganze Ausrüstung, die dem Jünger Christi gegeben ist, um ein Bote des Evangeliums zu sein: die eigene Heilserfahrung und das Wort Gottes?

Bei seinem Abschied sagte der Herr Jesus zu den Seinen: «Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommt; und ihr werdet meine Zeugen sein» (Apg 1,8; siehe auch Lk 24,48.49).

Also Gott selbst, Gott, der Heilige Geist, in seiner ganzen Energie der Liebe, in seiner göttlichen Kraft und Weisheit ist es, der auf und in den Jünger Christi gekommen ist und ihn erfüllen will. Eine gewaltige Tatsache!

Der Geist ist es, der sein Herz im lebendigen Kontakt mit dem verherrlichten Herrn erhält. Er leitet den Jünger in seinem Leben und in seinem Dienst. Er macht sowohl für ihn selbst als auch für die Menschen, an die er sich wendet, das Wort Gottes lebendig und wirksam. Er ist es, der für Gott tote Menschenherzen, die durch den Betrug der Sünde verhärtet sind, zu neuem Leben erwecken kann.

Wie herrlich die Resultate sind, die die in der Kraft des Heiligen Geistes ausgeübte Verkündigung und Verbreitung des Wortes hervorbringen kann, wird uns in der Apostelgeschichte beschrieben, im Dienst des Petrus und des Paulus und all jener treuen Gläubigen.

Aber heute, in einer Christenheit, wo der Geist durch den Mangel an Absonderung vom Bösen betrübt und gehindert wird, dürfen wir da auch noch erwarten, dass das Zeugnis vom Evangelium Jesu Christi gesegnet wird und bleibende Frucht hervorbringt?

Gewiss, in der weiten Welt dürfen wir auch heute noch immer wieder davon hören und selber das Wirken Gottes erleben. Doch kommt es jetzt ganz auf die Treue des einzelnen an, und es ist daher wichtig, dass jeder im Geist wandelt, in seiner Kraft und in den Werken, die Gott für ihn zubereitet hat.

Der Dienst Jesu als Beispiel

Gibt uns das Wort praktische Anweisungen für diesen Dienst unter den Menschen?

Wenn der Herr Jesus zu Petrus und zu anderen sagte: «Kommt, folgt mir nach, und ich werde euch zu Menschenfischern machen» (Mk 1,17), so will das wohl nicht nur heissen: Wenn ihr euch zur Nachfolge hinter mir her entscheidet, so werdet ihr Menschenfischer sein. Sondern auch: In meiner Nachfolge werdet ihr diese Aufgabe erfüllen lernen. Zwar hatte Andreas schon am ersten Tag seiner Bekanntschaft mit Jesus einen anderen zu Ihm geführt (Joh 1,40-42). Aber welchen Anschauungsunterricht für den Umgang mit Menschen empfingen sie doch jeden Tag, im Lauf der mehr als drei Jahre des vollkommenen Dienstes ihres Meisters, den auch Er als Mensch im Auftrag Gottes ausführte!

Als Erstes musste ihnen die Liebe auffallen, in der Er den Menschen begegnete. Immer wieder sahen sie, wie Er «innerlich bewegt» war, ob Er einer Volksmenge oder einzelnen gegenüberstand. Diese Liebe trieb Ihn ja, am Kreuz alles, sogar sein Leben für sie hinzugeben.

Die Menschen waren Ihm «sehr kostbar» – Keine Mühe war Ihm zu viel, sie zu retten. Sie gehörten ja zum Schatz im Acker, zu der sehr kostbaren Perle, um derentwillen Er «alles verkauft», die Herrlichkeit des Himmels verlassen und sich zu nichts gemacht hatte. Keiner war Ihm zu unbedeutend und zu nichtssagend, zu unedel, zu töricht, zu schwach, zu verachtet (vgl. 1. Kor 1,26-31). Für jeden war Er ganz da. Wer zu Ihm kam, den warf Er nicht hinaus, sondern liess Ihn Heil finden.

Wie gab der Herr den Jüngern auch ein Beispiel darin, dass Er täglich für die Menschen betete, denen Er diente! Der Prophet sagt von Ihm: «Der Herr, HERR, hat mir eine Zunge der Belehrten gegeben, damit ich wisse, den Müden durch ein Wort aufzurichten. Er weckt jeden Morgen, er weckt mir das Ohr, damit ich höre wie solche, die belehrt werden. Der Herr, HERR, hat mir das Ohr geöffnet, und ich bin nicht widerspenstig gewesen, bin nicht zurückgewichen» (Jes 50,4.5). So fanden sie Ihn frühmorgens im Gebet; ja, es kam vor, dass Er die Nacht im Gebet zu Gott verharrte (Mk 1,35-37; Lk 6,12). Er, der Sohn Gottes, vollführte als Mensch seinen Dienst unter den Menschen in vollkommener Abhängigkeit von Gott. Er tat auch hierin nicht seinen eigenen Willen, sondern war völlig gehorsam, was jede Aufgabe und ihren Zeitpunkt anbetraf.

Wie oft mögen die Jünger gestaunt haben über die Weisheit, in der der Herr Jesus den einzelnen Männern und Frauen begegnete. Immer fand Er das richtige Wort, um sie ins Licht Gottes zu führen, ihren Zustand zu offenbaren und ihre Herzen mit dem Heil in Verbindung zu bringen, das ihnen Gott in Ihm schenken wollte. Im Gegensatz zu uns wusste Er, «was in dem Menschen war» (Joh 2,25). Er war ja der, der unsere Gedanken von fern versteht (Ps 139,2). Aber will uns jetzt der Geist Gottes hierin nicht zu Hilfe kommen? Er ist ja der Geist der Weisheit. Wenn Er uns, denen sonst jede Weisheit mangelt, erfüllen kann, wird Er im Mass unserer Abhängigkeit von Ihm durch uns wirken können; oft ohne dass wir uns dessen bewusst sind.

Obwohl der Meister und Lehrer seinen Dienst bis zuletzt in allen Städten des Landes in wunderbarer Vollkommenheit ausübte, war es schliesslich nur «eine kleine Herde», die sein Wort aufgenommen hatte. Er war nicht erstaunt darüber. «Eng ist die Pforte und schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind, die ihn finden», sagte Er (Mt 7,14). Das ist auch so, nachdem der Heilige Geist auf die Erde gekommen ist. Die «Kinder Jerusalems» wollten sich nicht unter seine Flügel versammeln lassen; der reiche Jüngling ging betrübt weg; Judas, ein Gegenstand seiner Liebe, einer der Zwölf, der jahrelang mit Ihm zog und alle seine Worte hörte, verriet und überlieferte Ihn.

Auch wir werden ähnliche betrübende Erfahrungen machen müssen. Aber wie unzählbar gross wird die Menge der Erlösten im Himmel sein, die hier auf der Erde durch irgendeine Bemühung der Liebe von Menschenfischern zu Jesus als ihrem Heiland und Herrn geführt wurden und die in Ewigkeit, als glückliche Anbeter, Gott, den Vater und den Sohn, preisen!

Die Erinnerung an alle diese Dinge möge uns jetzt zu einem treuen Dienst ermuntern!