Das Begräbnis Jakobs

1. Mose 49,29-32; 1. Mose 50,1-14

Als Jakob gestorben war, war es Joseph auferlegt, den letzten Dienst zu erfüllen, durch den er die Erinnerung, die sein frommer Vater bei ihm hinterliess, bezeugen konnte. Unnötig zu sagen, dass er dies in Treue tat: Er begrub Jakob, wie ihn dieser gebeten hatte, im Land Kanaan (1. Mo 49,29-32; 50,1-14). Diese Handlung vollzog sich mit grosser Feierlichkeit, und wir tun gut, deren Einzelheiten zu beachten, um die Lektionen zu lernen, die daraus hervorgehen.

In den vergangenen Tagen des Volkes Israel war der Gottesdienst begleitet von imposanten Feierlichkeiten. Seine Elemente waren ein prachtvoller Tempel, Altäre, Feste, geheiligte Tage, mancherlei Opfer und andere Verordnungen. Ein von Gott eingesetztes Priestertum vollführte den Dienst des Heiligtums in den dazu passenden Kleidern. Diese Ordnung der Dinge war eingerichtet worden, um die grossen Geheimnisse vorzubilden, die später offenbart werden sollten. Jetzt aber haben diese in der Person, im Werk, in den Leiden und im Sieg Christi ihre volle Erfüllung gefunden. Fortan würden pomphafte Zeremonien all dem, was in Ihm gefunden wird, also der Fülle seiner Herrlichkeit und der Wirksamkeit seines Opfers, Abbruch tun und wären daher eine Beleidigung für Ihn.

Wie mit dem Gottesdienst, so ist es auch mit dem Begräbnis der Heiligen. Einst hatten sie einen feierlich ernsten und geheimnisvollen Charakter, weil die Auferstehung noch nicht eine vollendete Tatsache war; es geziemte sich, dass die, die sie durch Glauben erwarteten, Zeugnis gaben von der Herrlichkeit, die denen zuteilwürde, «die im Glauben gestorben sind und die Verheissungen nicht empfangen haben» (Heb 11,13). Es war am Platz, dass das Begräbnis der Männer Gottes sozusagen ein Unterpfand der Zukunft war, die sie erwartete, und in Übereinstimmung war mit ihrer Grösse. Aber jetzt, nachdem die Auferstehung in der Person des Herrn Jesus, des Sohnes Gottes, ihre Verwirklichung gefunden hat, wären glanzvolle Beerdigungen, wie auch ein mit pomphaften Feierlichkeiten begleiteter Gottesdienst eine Verunehrung seines Namens. Man verhielte sich dabei so, als ob das grosse Geheimnis, auf das sich der Glaube einst stützte, noch nicht seine Erfüllung im Triumph über den Tod gefunden hätte. Seine Auferstehung ist ja die Grundlage der unseren: das sichere Pfand der Befreiung der Heiligen findet sich in dem Sieg, den Er erfochten hat. Wir haben also nicht äusserer Kundgebungen nötig, um in Gegenwart des Todes davon Zeugnis zu geben.

Daher sollen heute unser Gottesdienst sowie auch die Beerdigungen derer, die in Christus entschlafen, in aller Einfachheit den Glauben der Kirche an die Erfüllung der göttlichen Gedanken und Verheissungen durch das Werk der Erlösung zum Ausdruck bringen. Unser Blick richtet sich jetzt auf den Sieg des Herrn Jesus. Es ist nicht mehr nötig, dass wir durch Verordnungen zum Voraus den Beweis seines Sieges erlangen, denn wir dürfen diesen ja nun feiern.

So wie Joseph, der Sohn Jakobs, der sterblichen Hülle seines verehrten Vaters ein feierliches Begräbnis zuteilwerden liess, so begrub auch Joseph von Arimathia den heiligen Leib des Sohnes Gottes mit tiefer Ehrfurcht. Im Blick auf Ihn stand geschrieben: «Man hat sein Grab bei Gottlosen bestimmt; aber bei einem Reichen ist er gewesen in seinem Tod» (Jes 53,9). In jenem Augenblick war das Grab noch nicht seiner Macht entkleidet worden und, wie in den Tagen des Patriarchen, stützte sich der Glaube im Voraus auf die verheissene Befreiung. Die Auferstehung des gehorsamen Menschen aber war der vollständige Sieg über die Macht des Todes: «die Leinentücher und das Schweisstuch, das auf seinem Haupt war, nicht bei den Leinentüchern, sondern für sich zusammengewickelt an einem Platz» (Joh 20,6.7), waren in der leeren Gruft wie Beweisstücke der Überwindung des Feindes und die Trophäen des glorreichen Siegers. Der Tod war zunichtegemacht. Daher feiert der Glaube fortan das, was in den vorangegangenen Zeitaltern die Verordnungen, Zeremonien, Gebräuche und Riten in der Familie Gottes ankündigten und vorbildeten.

Beachten wir noch, dass die Heiligen nicht zögerten, diese Lektion zu lernen: Als Stephanus, der treue Zeuge, um des Namens des Herrn willen gesteinigt war, vollzog sich sein Begräbnis in aller Einfachheit, mit Liebe, und in der Hoffnung einer baldigen Auferstehung: «Gottesfürchtige Männer aber bestatteten Stephanus und stellten eine grosse Klage über ihn an» (Apg 8,2).

Wäre unser Glaube lebendiger, wüssten wir solche Zeugnisse mehr zu schätzen. Tatsächlich, unsere Vorrechte sind gross. In den jetzigen Diensten des Hauses Gottes hat der Tisch den Altar ersetzt, und anstelle der Opfer feiern wir das Fest, das auf das Opfer, auf das vollbrachte Werk folgt. So haben wir auch den Tod und das Begräbnis der Heiligen im Licht der Auferstehung Jesu zu betrachten.