Ein Erlöster wird immer mit besonderem Gewinn nachsinnen über die Offenbarungen des Wortes Gottes bezüglich dessen, was Christus für ihn bedeutet. Er schöpft daraus eine unerschütterliche Gewissheit, eine stets erneuerte Freude und erhabene Beweggründe zu tief empfundenem Lobpreis. Das Herz wird durch den Genuss des «unergründlichen Reichtums des Christus» erwärmt und dadurch immer mehr seiner herrlichen Person anhangen. Daraus ergeben sich auch im Wandel des Gläubigen gesegnete Früchte: wahre Heiligung und Hingabe, Loslösung vom Irdischen, wachsende Zuneigung zu den himmlischen Wirklichkeiten und lebendige Erwartung des Herrn, dessen Kommen uns in den vollkommenen Genuss der Segnungen einführen wird, die wir durch den Glauben jetzt schon in Ihm besitzen.
Von den vielen Erklärungen der Bibel über das, was Christus für uns bedeutet, wollen wir folgende Stellen betrachten:
- «Aus ihm (das heisst aus Gott) aber seid ihr in Christus Jesus, der uns geworden ist Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung» (1. Kor 1,30).
- «Wenn der Christus, unser Leben, offenbart werden wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbart werden in Herrlichkeit» (Kol 3,4).
- «Jetzt aber, in Christus Jesus, seid ihr, die ihr einst fern wart, durch das Blut des Christus nahe geworden. Denn er ist unser Friede» (Eph 2,13.14).
- «Christus Jesus, unsere Hoffnung» (1. Tim 1,1).
Gestützt auf diese göttlichen Aussprüche haben wir die Gewissheit, dass Christus
- unsere Weisheit
- unsere Gerechtigkeit
- unsere Heiligkeit
- unsere Erlösung
- unser Leben
- unser Friede
- unsere Hoffnung
mit einem Wort: unser Alles ist. Wir haben in diesen Stellen eine wunderbare Zusammenfassung der christlichen Lehre: Der Gläubige ist «aus Gott in Christus Jesus», und Christus ist vonseiten Gottes alles für ihn, so dass, wer sich rühmt, sich «des Herrn» rühme.
1. Christus, unsere Weisheit
Der gefallene Mensch, der fern von Gott lebt, hat den Sinn für seine eigene Bestimmung verloren. Er sucht nach einem Licht, das er durch eigene Anstrengungen nicht finden kann, und stellt sich tausend Fragen, die er mithilfe seiner vielen philosophischen und religiösen Systeme, die aus seiner eigenen Vorstellung hervorgegangen sind, zu beantworten trachtet. Anstatt das Urteil Gottes über den sündigen Menschen anzuerkennen, masst sich die Philosophie das Recht an, Gott in seinem Wesen und in seinen Wegen zu beurteilen.
In den Augen Gottes ist diese Scheinweisheit nichts anderes als «überredende Worte und eitler Betrug» (Kol 2,4.8). Den Korinthern, die in Gefahr standen, sich auf die Weisheit «dieses Zeitlaufs» zu stützen, ruft der Apostel zu: «Wo ist der Weise, wo der Schriftgelehrte, wo der Schulstreiter dieses Zeitlaufs? Hat Gott nicht die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht?» (1. Kor 1,20; man lese auch Kap. 3,18-20).
Welches Vorrecht, mit dieser menschlichen Weisheit und ihren Behauptungen zu Ende gekommen zu sein und in Christus gefunden zu haben: «Gottes Weisheit in einem Geheimnis, die verborgene, die Gott vor den Zeitaltern zu unserer Herrlichkeit zuvor bestimmt hat; die keiner von den Fürsten dieses Zeitlaufs erkannt hat» (1. Kor 2,7-8). Wo finden wir diese göttliche Weisheit? In Christus, und in Christus allein, der, gekreuzigt und auferweckt, durch das Evangelium offenbart ist. Christus ist «Gottes Kraft und Gottes Weisheit», «Christus Jesus» ist uns geworden «Weisheit von Gott» (1. Kor 1,24.30). Das war die Botschaft, die Paulus verkündigte, obschon sie in den Augen der Fürsten dieses Zeitlaufs eine «Torheit» war, aber «das Törichte Gottes ist weiser als die Menschen» (Vers 25). Gott offenbarte seine Weisheit durch das Werk am Kreuz, das die Weisheit des Menschen vernichtet. Nichts demütigt den Menschen so sehr, als anerkennen zu müssen, dass er einen Heiland nötig hat, weil er nichts anderes als ein verlorener Sünder ist, der das ewige Gericht verdient.
Der Gläubige kennt nur eine Weisheit: Christus. Er ist die Offenbarung des Geheimnisses Gottes, in dem verborgen sind «alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis» (Kol 2,3). In Ihm allein gab sich Gott kund als der Gott des Lichts und der Liebe. «Niemand hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der im Schoss des Vaters ist, der hat ihn kundgemacht … Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen» (Joh 1,18; 14,9). Christus ist die «Weisheit», eingesetzt von Ewigkeit her (Sprüche 8). Daher: «Glückselig der Mensch, der Weisheit gefunden hat …, denn ihr Erwerb ist besser als der Erwerb von Silber, und ihr Gewinn besser als feines Gold» (Spr 3,13.14).
2. Christus, unsere Gerechtigkeit
Wenn die Weisheit des Menschen Torheit ist bei Gott, so kann er von sich aus ebenso wenig eine Gerechtigkeit erwerben, die den Anforderungen eines gerechten und heiligen Gottes entspräche. Wie löblich seine Werke auch sein mögen, so verschaffen sie ihm doch nur eine wertlose Selbstgerechtigkeit, die Gott als «unflätiges Kleid» bezeichnet (Jes 64,6). «Der Mensch wird nicht aus Gesetzeswerken gerechtfertigt, sondern nur durch den Glauben an Jesus Christus … weil aus Gesetzeswerken kein Fleisch gerechtfertigt werden wird» (Gal 2,16).
Aber Gott sei gepriesen, dass Er in seiner Gnade für das sorgte, was dem Menschen fehlte: Jeder Sünder, der durch den Glauben die Vergebung annimmt, die Gott ihm in Christus anbietet, ist gerechtfertigt. Gott rechnet ihm die Gerechtigkeit Christi zu. Christus ist uns geworden «Gerechtigkeit von Gott». Auf seinen zur Rechten Gottes verherrlichten Erlöser blickend, kann der Gläubige ausrufen: Dort ist meine Gerechtigkeit! «Christus ist dort im Himmel, angenommen bei Gott, wegen des Werkes, das Er vollbracht hat. Und das ist es, was ich brauche. Die Gerechtigkeit wurde dadurch erwiesen, dass Christus zur Rechten Gottes sitzt. Gott hat Ihn aus der Welt herausgenommen; auch mich nimmt Er aus der Welt und sagt mir: Die Gerechtigkeit ist da, zu meiner Rechten. Ja, dort ist meine Gerechtigkeit» (J. N. Darby).
Menschliche Richter sprechen manchmal einen Schuldigen frei und erlassen ihm die Strafe, die er verdient hätte. Das ist jedoch keinesfalls Gottes Handlungsweise dem bußfertigen Sünder gegenüber. Er erklärt nicht nur das Urteil, das auf ihm lastete, für ungültig, sondern erklärt ihn selbst für gerecht und macht aus ihm sein geliebtes Kind. «Gott ist es, der rechtfertigt, wer ist, der verdamme? … Umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade» (Röm 8,33.34; 3,24; Tit 3,7).
Doch um das zu ermöglichen, musste der Heilige und Gerechte mit unseren Sünden beladen und an unserer statt geschlagen werden. «Den, der Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm» (2. Kor 5,21). «Herr Jesus», rief Luther aus, «Du bist meine Gerechtigkeit und ich bin deine Sünde. Auf dem Kreuz hast du genommen, was mir gehörte, und mir gegeben, was dein war. Was du nicht warst, bist du um meinetwillen geworden. Was ich nicht war, hast du aus mir gemacht durch dein Erbarmen.» In der Tat: «Um unserer Übertretungen willen war er verwundet, um unserer Ungerechtigkeiten willen zerschlagen. Die Strafe zu unserem Frieden lag auf ihm, und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden» (Jes 53,5). Der Herr Jesus belud sich mit unseren Sünden und nahm das Gericht, das wir verdient hatten, auf sich. Wir aber empfangen die Frucht seines Werkes dergestalt, dass Gott den Gläubigen dem Wert des Opfers Christi entsprechend annimmt. Wenn wir vor Gott treten, finden wir also eine Gerechtigkeit, die weder von uns stammt noch in uns ist; wir finden aber Christus vor Gott: Er ist unsere Gerechtigkeit. Das gibt uns Freimütigkeit, um in das Heiligtum eintreten und uns in der unverhüllten Gegenwart Gottes aufhalten zu können, das Herz mit Frieden erfüllt, voller Freude und Anbetung, in einem Licht, das die absolute Vollkommenheit dessen aufdeckt, was wir in Christus sind. Sein Name sei ewig gepriesen!
3. Christus, unsere Heiligkeit
Wenn der natürliche Mensch tastend das Licht sucht und sich anstrengt, durch eigenes Verdienst Gerechtigkeit zu erlangen, so fühlt er gleichzeitig im Innersten seines Wesens ein Bedürfnis nach Heiligkeit. Sein Gewissen, wenn es nicht schon verhärtet ist, klagt ihn ständig an. Daher sind jene zahlreich, die sich ihrem inneren Unbehagen zu entziehen suchen, indem sie sich um ein gutes sittliches und religiöses Verhalten mühen. Dadurch hoffen sie, vor Gott einen genügend hohen Grad an Heiligkeit zu erreichen. Ihre Anschauungen über Gottes Anforderungen sind dabei ganz verschieden: Die einen begnügen sich mit einigen frommen Taten, mit einer äusserlichen Ehrbarkeit; andere hingegen auferlegen sich sehr strenge Regeln, die oft bis zur Askese führen. Selbst die Gläubigen können in diese Falle Satans geraten, wie das aus Kolosser 2,20-23 hervorgeht.
Nun, Gott hat in Christus auch bezüglich dieses Punktes ein vollkommenes Werk geschaffen: Christus selbst ist unsere Heiligkeit, so dass der Gläubige nicht suchen muss, eine Heiligkeit zu erreichen, die er in Christus schon besitzt. «Aus Gott aber seid ihr in Christus Jesus, der uns geworden ist … Heiligkeit» (1. Kor 1,30). «Er hat uns auserwählt in ihm vor Grundlegung der Welt, dass wir heilig und untadelig seien vor ihm in Liebe» (Eph 1,4). Dieses Teil wurde uns durch das Werk des Kreuzes erworben: «Wir sind geheiligt durch das ein für alle Mal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi … Denn mit einem Opfer hat er auf immerdar die vollkommen gemacht, die geheiligt werden» (Heb 10,10.14). Dies ist die Stellung des Erlösten: Weil er in Christus ist, ist er in den Augen Gottes mit der Heiligkeit Christi bekleidet. Er ist ein «berufener Heiliger», das heisst Geheiligter, zu Gott Abgesonderter, aufgrund der Berufung Gottes und des Werkes am Kreuz. Wir sind aus Gott (siehe 1. Joh 5,19). «Ihr seid aus ihm in Christus Jesus» (1. Kor 1,30). «Ihr seid geheiligt worden» (1. Kor 6,11). Diese Absonderung, die bei unserer Neugeburt stattfindet, ist das gesegnete und unveränderliche Vorrecht jedes Erlösten.
Wir dürfen uns also in voller Glaubensgewissheit und in der Kraft des Geistes diese so herrliche Tatsache aneignen: Christus, unsere Heiligkeit. Suchen wir nichts ausser Ihm, sondern freuen wir uns, in Ihm, eins mit Ihm zu sein und dadurch auch all das zu geniessen, was Er in sich selbst für uns ist. Welch ein Vorrecht haben wir doch, die Heiligkeit Christi selbst zu besitzen! Wir müssen uns also keineswegs anstrengen, diese Heiligkeit zu erlangen – wir besitzen sie schon in Ihm, wir sind heilig in Ihm. Wir brauchen nur anzunehmen, was Gott schon bereitet hat und Ihn dafür zu preisen. Indem wir diese Tatsache im Glauben ergreifen, werden wir deren Wirklichkeit in unserem täglichen Leben feststellen.1
4. Christus, unsere Erlösung
Das Wort «Erlösung» hat eine Doppelbedeutung, nämlich
- die der Zahlung eines Lösegeldes und
- die der Befreiung, die damit verbunden ist.
Durch seinen Ungehorsam ist der Mensch unter die Knechtschaft Satans, dieses harten und grausamen Meisters, gekommen, der seine Gefangenen durch die Macht der Sünde und des Todes in seiner Gewalt hat (Heb 2,14). Die Heilige Schrift beschreibt in klaren Worten den Zustand, in den wir gefallen waren: Tot in unseren Vergehungen und Sünden, dem Fürsten der Gewalt der Luft unterworfen, dem Geist, der jetzt wirksam ist in den Söhnen des Ungehorsams, wandelten wir in den Begierden unseres Fleisches und waren von Natur Kinder des Zorns wie auch die übrigen (Eph 2,2-3; siehe auch Titus 3,3). Da trat Gott auf den Plan, «der reich ist an Barmherzigkeit, wegen seiner vielen Liebe, womit er uns geliebt hat». Er erkaufte uns «mit dem kostbaren Blut Christi, als eines Lammes ohne Fehl und ohne Flecken» (1. Pet 1,19). Der Sohn des Menschen ist gekommen, «um sein Leben als Lösegeld zu geben für viele» (Mt 20,28). «In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut» (Eph 1,7). «Denn das Blut ist es, das Sühnung tut durch die Seele.», lesen wir in 3. Mose 17,11. «Ohne Blutvergiessung gibt es keine Vergebung» (Heb 9,22).2 Das Blut Christi ist also das Lösegeld, das zu unserer Erlösung bezahlt wurde. Alle, die durch den Glauben unter die Wirksamkeit dieses Blutes gestellt sind, sind auf diese Weise für immer in Sicherheit vor dem Gericht, da sie «umsonst gerechtfertigt» wurden durch die Gnade Gottes, «durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist; den Gott dargestellt hat als ein Sühnmittel durch den Glauben an sein Blut» (Röm 3,24.25).
Die Erlösung wird sich bald auch auf unseren Leib erstrecken. «Wir selbst, die wir die Erstlinge des Geistes haben, auch wir selbst seufzen in uns selbst, erwartend die Sohnschaft: die Erlösung unseres Leibes» (Röm 8,23). Diese Erlösung wird beim Kommen des Herrn stattfinden, «der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit, nach der wirksamen Kraft, mit der er vermag, auch alle Dinge sich zu unterwerfen» (Phil 3,21). «Dann werden wir sehen, wie herrlich und vollkommen die Erlösung ist, die Er für sein Volk zustande gebracht hat; sie ist so vollständig, dass nichts in den Händen des Feindes gelassen wird, sondern Geist, Seele und Leib werden in gleicher Weise befreit sein und Ihm gehören» (H. Rossier).
Indem wir so «um einen Preis erkauft» worden sind (1. Kor 6,20), gehören wir völlig Christus an, der sein Blut als Lösegeld für unsere Sünden vergossen und unsere Schuld bezahlt hat. Daraus folgt aber, dass wir verantwortlich sind, sichtbar zu machen, dass wir Ihm angehören, indem wir nicht mehr uns selbst leben, «sondern dem, der für sie gestorben und auferweckt worden ist» (2. Kor 5,15). Er hat sich selbst für uns gegeben, «damit er uns von aller Gesetzlosigkeit loskaufte und sich selbst ein Eigentumsvolk reinigte, das eifrig sei in guten Werken» (Tit 2,14). Zu einem so hohen Preis erkauft, werden wir es am Herzen haben, in einer dem Herrn würdigen Weise zu wandeln und Ihm so in jeder Hinsicht zu gefallen (Kol 1,10).
- 1Es ist hier nicht unsere Absicht, die praktische Verwirklichung dieser Stellung und die damit verbundene Verantwortung zu betrachten. Man möge dazu das Heft «Wahre Heiligung» von W. Kelly lesen.
- 2Das Blut wird in diesem Kapitel zwölfmal erwähnt.