5. Christus, unser Leben
Christus kam in eine Welt des Todes und des Sündendunkels, um Leben und Licht zu bringen (Joh 1,1-5). Als Sohn Gottes besass Er Leben in sich selbst: «das Leben ist offenbart worden, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das ewige Leben, das bei dem Vater war und uns offenbart worden ist» (1. Joh 1,2). Dieses göttliche Leben wurde allen denen gegeben, die an Ihn glaubten. «Der Sohn macht lebendig, welche er will» (Joh 5,21).
Doch um dies zu ermöglichen, mussten die Frage der Sünde am Kreuz geregelt und die Rechtsansprüche Gottes an den sündigen Menschen befriedigt werden. Dieses Werk nun hat Christus vollbracht. Darum konnte Er sagen, indem Er sich jenseits des Kreuzes stellte: «Vater, die Stunde ist gekommen; verherrliche deinen Sohn, damit dein Sohn dich verherrliche – so wie du ihm Gewalt gegeben hast über alles Fleisch, damit er allen, die du ihm gegeben hast, ewiges Leben gebe» (Joh 17,1.2). Aufgrund des Sühnungswerkes Christi kann Gott alle Glaubenden rechtfertigen und sie vom Tod zum Leben bringen. «Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod in das Leben übergegangen» (Joh 5,24). Das ist die Gabe, die Gott allen, die sein Zeugnis über den sündigen Menschen und über seinen Sohn annehmen, umsonst gibt. «Dies ist das Zeugnis: dass Gott uns ewiges Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn. Wer den Sohn hat, hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht» (1. Joh 5,11.12).
«Dieses Leben ist in seinem Sohn»: Nur in Christus besitzen wir das ewige Leben. Christus ist unser Leben (Kol 3,4), und wenn wir Christus haben, so haben wir das ewige Leben. Aber dieses Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott (Kol 3,3). Es ist ganz ausserhalb des Machtbereiches Satans; wir können es folglich nicht verlieren. Obwohl es verborgen ist in seinem Ursprung, muss das Leben Christi in uns zutage treten, da Er ja unser Leben ist. Das ist nur möglich, wenn wir den Tod auf alles anwenden, was vom natürlichen Menschen ist, damit allein das Leben Jesu in uns sichtbar werde. Das war es, was der Apostel Paulus tat, der sagen konnte: «Ich bin mit Christus gekreuzigt, und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir» (Gal 2,19.20). «Wie können wir jemals die Ehre, die uns erwiesen wird, genügend wertschätzen! Und wenn wir in einem gewissen Mass teilhaben an der Zuneigung, die Gott zu seinem Sohn hat, wie werden wir Ihn dann preisen, dass Er aus uns, aus solchen, wie wir waren, Werkzeuge machte, um seinen Christus inmitten der Finsternis dieser Welt darzustellen» (H. Rossier).
Die Tatsache, dass Christus unser Leben ist, wird bald in Herrlichkeit vor der Welt offenbar werden. «Wenn der Christus, unser Leben, offenbart werden wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbart werden in Herrlichkeit» (Kol 3,4). Dieses Offenbarwerden in Herrlichkeit wird sich auch auf unsere Körper erstrecken, die auferweckt oder verwandelt werden bei der Wiederkunft des Herrn (1. Kor 15,52-54). Die Macht des Lebens in Christus ist solcher Art, dass das Sterbliche an ihnen «verschlungen wird von dem Leben» (2. Kor 5,4). Dann wird Er «unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit» (Phil 3,21). Das Ziel der Erlösung wird dann völlig erreicht sein, nämlich unsere vollkommene Gleichförmigkeit mit dem «Bild seines Sohnes … damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern» (Röm 8,29).
Aber das Leben Christi in uns wird auch in der Herrlichkeit selbst offenbar werden, indem es eine grundlegende Veränderung unseres jetzigen Zustandes nach sich zieht. Gewiss, wir sind schon jetzt Kinder Gottes, aber dann werden wir Christus gleich sein, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist (1. Joh 3,2). Wir werden im ewigen Leben eins mit Ihm sein und «im Leben herrschen durch den einen, Jesus Christus» (Röm 5,17). «Weil ich lebe, werdet auch ihr leben» (Joh 14,19).
6. Christus, unser Friede
In Epheser 2,14 wird Christus unser Friede genannt. In der Tat, unter der Gnade sind die Unterschiede, die unter dem Gesetz Juden und Nationen einander gegenüberstellten, in Christus gänzlich ausgelöscht. «Aus beiden hat er eines gemacht und abgebrochen die Zwischenwand der Umzäunung, nachdem er in seinem Fleisch die Feindschaft … weggetan hatte.» In der gegenwärtigen Zeitperiode sind alle Glaubenden, welchem Volk sie auch angehören mögen, in dem verherrlichten Christus vereinigt, aufgrund des Werkes des Kreuzes. Christus ist unser Friede, nicht nur in Bezug auf die Forderungen Gottes gegenüber den sündigen Menschen, sondern auch im Blick auf die Beziehungen zwischen den Juden und den Nationen, weil sein Sühnungstod die Grundlage der Versöhnung zwischen beiden ist in einem Leib.
Christus hat die Sünden aller auf sich genommen. Daher gibt es für alle nur ein Mittel zur Erlangung des Heils: der Glaube an sein Blut. Nur auf dieser Grundlage verkündigt der Herr die gute Botschaft des Friedens sowohl Juden als Heiden. Gerechtfertigt aus Glauben, haben alle «Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus» (Röm 5,1). «Da ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus» (Gal 3,28; Kol 3,11).
Christus machte also Frieden durch das Blut seines Kreuzes (Kol 1,20); dann «kam er und verkündigte Frieden», den Juden und den Nationen (Eph 2,17), versöhnte uns mit Gott (Kol 1,21), und schliesslich stiftete Er Frieden zwischen den Juden und den Nationen, indem Er die zwei in sich selbst zu einem neuen Menschen schuf (Eph 2,15). Durch das Blut Christi haben wir Frieden, vollkommene Rechtfertigung und göttliche Gerechtigkeit. Er reinigt das Gewissen, führt uns ein in das Allerheiligste der Gegenwart Gottes und gibt uns ein Anrecht auf die Herrlichkeit des Himmels. Das am Kreuz vergossene Blut ist das Fundament einer vollkommenen Ruhe des Gewissens; die am Kreuz offenbarte Liebe gibt dem Herzen völlige Ruhe; alles das besitzen wir durch Glauben, «denn wir, die wir geglaubt haben, gehen in die Ruhe ein» (Heb 4,3).
7. Christus, unsere Hoffnung
Diesen Ausdruck braucht der Apostel Paulus in 1. Timotheus 1,1: «Paulus, Apostel Christi Jesu, nach Befehl Gottes, unseres Heilandes, und Christi Jesu, unserer Hoffnung.» Der Gegenstand der Hoffnung des Gläubigen ist Christus selbst, und was jeden Christen kennzeichnen sollte, ist die Erwartung seiner Wiederkehr.
Diese Hoffnung ist für alle Erlösten von grundlegender Bedeutung, denn ihre Verwirklichung wird uns den vollen Genuss aller Früchte der Erlösung bringen: die Befreiung von unserem Leib, von der Macht des Todes; unsere Gleichförmigkeit mit Christus; unsere Einführung in die Herrlichkeit, die Freude und Ruhe seiner Gegenwart. Wir werden Ihn dann von Angesicht zu Angesicht sehen, Ihn, den Gegenstand unserer Zuneigungen, unseren vielgeliebten Heiland, der sich selbst für uns gegeben hat, und werden Ihm auf vollkommene Weise unsere Anbetung und unseren Dank darbringen können. Wir werden befreit sein von den Prüfungen des Lebens hier auf der Erde, wie auch von der Anwesenheit und den Folgen der Sünde. Schliesslich werden wir mit Ihm herrschen. In einem Wort: Die Glückseligkeit und Herrlichkeit des Vaterhauses werden unser Teil sein in Ewigkeit.
Wie kostbar ist es doch zu wissen, dass der Herr selbst mit Freude auf den Augenblick wartet, wo endlich sein Herzenswunsch erfüllt und Er die Seinen für immer bei sich haben wird. «Vater, ich will, dass die, die du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, damit sie meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast» (Joh 17,24). Die Verheissung seiner Wiederkehr ist dem Herrn Jesus ebenso kostbar wie seinen Vielgeliebten. Die Freude des Zusammentreffens ist für den kommenden Bräutigam ebenso gross wie für die wartende Braut.
Welche Auswirkungen sollte die Erwartung des Herrn auf unser Leben haben?
Die Aussicht, bald entrückt zu werden, um dem Herrn, unserem geliebten Erlöser, zu begegnen, dadurch von den Prüfungen der Jetztzeit befreit zu sein und auf ewig in der himmlischen Herrlichkeit zu weilen, diese Aussicht ist nach unserer Meinung ein wunderbarer Gegenstand der Freude und des Trostes für den Gläubigen. «Jesus Christus, den ihr, obgleich ihr ihn nicht gesehen habt, liebt; an welchen glaubend, obgleich ihr ihn jetzt nicht seht, ihr mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude frohlockt … Freut euch, damit ihr auch in der Offenbarung seiner Herrlichkeit mit Frohlocken euch freut» (1. Pet 1,8; 4,13).
Mit der nahe bevorstehenden Wiederkunft des Herrn ist für den Gläubigen auch eine grosse Verantwortung verbunden. Es handelt sich ja darum, dass der Meister bei seiner Rückkehr uns nicht schlafend, in die Netze der Sünde verstrickt oder in die Dinge dieser Erde verwickelt vorfindet. Aus dieser dreifachen Gefahr ergibt sich eine dreifache Verantwortung, nämlich die, dass wir:
- wachsam bleiben,
- die Heiligung fortwährend verwirklichen,
- dem Herrn mit Fleiss und Treue dienen.
Bringt die Erwartung des Herrn in jedem von uns solche Frucht hervor? «Wenn diese Dinge bei euch vorhanden sind und zunehmen, so stellen sie euch nicht träge noch fruchtleer hin in Bezug auf die Erkenntnis unseres Herrn Jesus Christus.» «Darum, Brüder, befleissigt euch umso mehr, eure Berufung und Erwählung fest zu machen; denn wenn ihr diese Dinge tut, so werdet ihr niemals straucheln. Denn so wird euch reichlich dargereicht werden der Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus» (2. Pet 1,8-11).
Wir haben somit einige der Reichtümer betrachtet, die wir in Christus besitzen, haben etwas von dem gesehen, was Er für uns ist. Möchten doch unsere Herzen mit brennendem Verlangen «ihn zu erkennen» suchen, in dem der Vater sein ganzes Wohlgefallen findet und wir die kostbarsten Segnungen. Indem wir so die herrliche Person des Sohnes betrachten, nehmen wir Teil an der Freude, die der Vater an Ihm hat, denn «unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus» (1. Joh 1,3). Nur die Person Christi kann unser Herz befriedigen. Darum stellen der Vater, der Heilige Geist und die Heilige Schrift immer wieder Christus vor unsere Seelen, als Gegenstand unseres Glaubens, unserer Liebe und unserer Hoffnung. Möchten wir doch auf diese Weise wachsen «in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilandes, Jesus Christus», und gewahr werden, dass «alles an ihm lieblich ist». «Ihm sei die Herrlichkeit sowohl jetzt als auch auf den Tag der Ewigkeit! Amen» (2. Pet 3,18).