Glauben und Sehen

«Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubtest, so würdest du die Herrlichkeit Gottes sehen?» (Joh 11,40). Glauben und dann sehen, das ist die göttliche Reihenfolge. Der Mensch will sehen und dann glauben; aber im Reich Gottes ist es umgekehrt.

Woher kam es, dass nicht ein Mann von jenem bösen Geschlecht, das auf die Worte der zehn ungläubigen Kundschafter hörte, gewürdigt wurde, das gute Land zu sehen? (4. Mose 14). Weil sie nicht an den HERRN, ihren Gott, glaubten. Der Unglaube ist immer das grosse Hindernis, das uns abhält, die Herrlichkeit Gottes zu sehen. «Und er tat dort nicht viele Wunderwerke wegen ihres Unglaubens», wird von der Vaterstadt des Herrn Jesus gesagt (Mt 13,58). Hätte Israel an der Grenze des verheissenen Landes doch nur geglaubt und seinem Gott, der Liebe seines Herzens und der Kraft seines Armes vertraut, so würde Er sie sicher in das Land gebracht und auf den Berg seines Erbteils verpflanzt haben.

Genauso verhält es sich mit dem Volk des Herrn in unseren Tagen. Vermöchten wir nur völliger mit dem Herrn zu rechnen, so würden unsere Segnungen ohne Grenzen sein. «Dem Glaubenden ist alles möglich» (Mk 9,23). Unser Gott wird nie sagen: «Ihr erwartet zu viel von mir.» Es ist die Freude seines liebenden Herzens, den kühnsten Erwartungen des Glaubens zu entsprechen.

Lasst uns daher reichlich nehmen! «Tu deinen Mund weit auf, und ich will ihn füllen!» (Ps 81,11). Die reichen Schatzkammern des Himmels sind dem Glauben stets geöffnet. «Alles, was irgend ihr im Gebet glaubend erbittet, werdet ihr empfangen» (Mt21,22). «Wenn aber jemand von euch Weisheit mangelt, so erbitte er sie von Gott, der allen willig gibt und nichts vorwirft» (Jak 1,5). Der Glaube ist das göttliche Geheimnis in der ganzen Sache; er ist die Quelle und Triebfeder des christlichen Lebens von Anfang bis zum Ende. Der Glaube schwankt und zweifelt nie. Der Unglaube dagegen zweifelt immer und kann daher nie die Herrlichkeit Gottes, nie seine Macht sehen. Er ist taub gegen seine Stimme und blind für seine Handlungen. Er drückt das Herz nieder, schwächt die Hände und lähmt die Knie. Er verdunkelt den Pfad und hindert jeden Fortschritt. Er hielt Israel vierzig Jahre lang fern von dem Land der Verheissung, und wer könnte ermessen, wie viel wir durch den verderblichen Einfluss des Unglaubens auf unsere Herzen einbüßen?

Wäre der Glaube lebendiger in uns wirksam, wie ganz anders würde es dann in unserer Mitte aussehen! Der Glaube reinigt das Herz; er wirkt durch die Liebe, und er überwindet die Welt. Kurz, er verbindet das Herz in lebendiger Kraft mit Gott selbst. Kein Wunder daher, dass Petrus ihn den «kostbaren Glauben» nennt; denn wahrlich, er ist kostbar über alle menschlichen Begriffe.