Vom ersten Tag an (5)

2. Korinther 8,2-4; Philipper 1,7; Philipper 4,10-16

Unsere kurzen Betrachtungen über die verschiedenen Dinge, die den Gläubigen «vom ersten Tag an» kennzeichnen sollen, möchten wir nicht abschliessen, ohne im Geist einen Besuch bei den Philippern zu machen, um festzustellen, was auch diese Geschwister von Anfang an erfüllte.

Auf seiner zweiten Missionsreise war der Apostel Paulus nach Europa gekommen und hatte auch in Philippi Halt gemacht (Apg 16). Seine helle Fackel des Evangeliums entzündete auch dort viele Lichter, und jene Gläubigen, durch den Heiligen Geist mit dem Leib Christi auf der Erde verbunden, bildeten ein örtliches Zeugnis, einen Leuchter, der in der heidnischen Umwelt weitherum Licht verbreitete.

Wenn immer möglich, besuchte der Apostel junge Versammlungen mindestens zweimal, um sie im Glauben zu befestigen und eventuellen Fehlentwicklungen frühzeitig zu begegnen. So kam er auf seiner dritten Missionsreise wiederum nach Philippi (Apg 20,1-6).

Inzwischen waren Jahre vergangen, und der Apostel befand sich nun als Gefangener in Rom (Phil 1,17; 4,22). Was war jetzt wohl aus den Philippern geworden? Jesus, ihr Herr und Erzhirte, hatte sie in all den Jahren treu gepflegt und bewahrt. Und Paulus, sein hingebender Diener, hatte sie auch nicht sich selbst überlassen. Allezeit, in jedem seiner Gebete, war er für sie vor den Gnadenthron getreten (Phil 1,4). Konnte dies ohne Frucht bleiben? – Gewiss nicht. Sie zeigte sich bei ihnen in der

Teilnahme an dem Evangelium

1. Materielle Gaben

Schon «im Anfang des Evangeliums», als die Philipper noch «Anfänger» des Glaubens waren, hatten sie dem Apostel, nachdem er aus Mazedonien weggegangen war, als einzige Versammlung zweimal eine Gabe zugesandt (Phil 4,15). Später hatten sie bei einem anderen Besuch des Apostels in Philippi, als sie selbst in grosser Drangsal waren, für die Heiligen in Judäa gesammelt, die wegen den erlittenen Verfolgungen in tiefer Not waren. Paulus schreibt darüber: «Bei grosser Drangsalsprüfung (der Versammlungen in Mazedonien, zu denen Philippi gehörte) das Übermass ihrer Freude und ihre tiefe Armut übergeströmt sind in den Reichtum ihrer Freigebigkeit. Denn nach Vermögen, ich bezeuge es, und über Vermögen waren sie von sich aus willig und baten uns mit vielem Zureden um die Gnade und die Gemeinschaft des Dienstes für die Heiligen» (2. Kor 8,2-4). – Und auch jetzt wieder, als der Apostel in Not und in Gefangenschaft war, kam Epaphroditus als Abgesandter der Philipper, um ihm ihre Gabe zu überbringen aus ihrer eigenen Armut Phil 4,18.19).

War das alles nicht ein rührendes Zeugnis für die Liebe der Philipper zum Herrn (2. Kor 8,5), zu seinem Apostel und zu allen Gläubigen? Wo solche anhaltende Liebe vorhanden war, da musste der Herzenszustand gut sein. Das war ein Beweis, dass in diesen Herzen die Welt keinen Platz hatte, sondern nur der Herr, sein Werk und seine Interessen.

Der Apostel nennt dies «Teilnahme an dem Evangelium vom ersten Tag an bis jetzt». Und er war in guter Zuversicht, dass Gott, der dieses gute Werk in ihnen angefangen hatte, es bis auf den Tag Jesu Christi weiterführen würde (Phil 1,5.6). Wie schön und gesegnet ist das Leben eines Gläubigen, wenn es vom Tag der Bekehrung an bis zum Ende durch Gottes Gnade in diesen Bahnen läuft! Der Herr hält reichen Lohn bereit für den, der Ihn in solcher Weise ehrt.

Die Teilnahme an dem Evangelium ist natürlich sehr vielseitig und erschöpfte sich auch bei den Philippern nicht nur in materiellen Gaben an die Diener des Herrn und die bedürftigen Heiligen. So lesen wir ferner, dass sie

2. den Apostel «im Herzen» hatten

(Philipper 1,7)

Was dies bedeutet, wollen wir an einem Beispiel zu erklären versuchen:

Da ist ein junger Christ, dem der Herr Gaben gegeben und den Er zum Dienst in der Ferne berufen hat. Für die gläubigen Eltern ist es ein grosses Opfer, ihn so weit fortziehen zu lassen. Aber sie haben ihn im Herzen. Sie begleiten ihn in Gedanken auf der Reise und warten dann mit Spannung auf seine Berichte. Alles was ihm begegnet, seine Mühen, die Früchte seiner Arbeit, die Gefahren, sein persönliches Wohlergehen – alles das findet ihr tiefstes Interesse. Es vergeht kein Tag, an dem sie nicht für ihn vor den Thron der Gnade treten, um sich, entsprechend den vorliegenden Nachrichten, für ihn zu verwenden. – Wie stärkend muss für den jungen Mann der Gedanke sein: Meine Eltern nehmen vollen Anteil an meinem Erleben und an meinem Dienst hier; sie beten ernstlich für mich, denn ich bin in ihrem Herzen.

Gerade so war auch der Apostel Paulus im Herzen der Philipper. Auch für ihn war dies eine grosse Ermunterung, ein starker Trost.

Das zeigte sich schon in den ersten Tagen seiner Anwesenheit in Philippi: Kaum hatte der Herr das Herz von Lydia aufgetan, fanden auch schon seine Abgesandten, Paulus und seine Mitarbeiter, Platz darin. Sie öffnete ihnen ihr Haus und nötigte sie, die angebotene Gastfreundschaft, die mit viel Mühe und vielleicht sogar mit Verfolgung verbunden war, anzunehmen (Apg 16,12-15). – Auch beim Kerkermeister war es so. Mochte sein rohes Handwerk ihm auch die Gefühle abgestumpft haben – mit dem Glauben kam auch die Liebe in sein Herz. Ihre ersten Regungen galten diesen misshandelten Knechten Gottes. «In jener Stunde der Nacht nahm er sie zu sich und wusch ihnen die Striemen ab» (Apg 16,33). Auch das war «Teilnahme an dem Evangelium».

3. Fürbitte für den Apostel

Als der Apostel diesen Brief schrieb, wusste er, dass er bezüglich des ganzen Werkes des Herrn und seiner persönlichen Umstände mit der vollen Anteilnahme der Philipper rechnen konnte, denn er war ja «in ihrem Herzen». Sie wussten, dass der Herr ihn dazu auserwählt hatte, «seinen Namen zu tragen sowohl vor Nationen als Könige und Söhne Israels» (Apg 9,15) und auch, dass er in besonderer Weise zur Verteidigung und zur Bestätigung des Evangeliums gesetzt war (Phil 1,7.16). Wie konnten sie ihm darin behilflich sein? Indern sie alle in diesem Dienst seine «Mitteilnehmer der Gnade» waren (Vers 7). Paulus vermochte dieses schwere Werk nur zu erfüllen, wenn er in allem von der Gnade Gottes Gebrauch machte; und sie konnten ihm darin nur helfen, dass sie ihn unterstützten und durch ernstliches Gebet dieselbe Gnade für ihn in Anspruch nahmen.

Das ungläubige Herz mag sich fragen, ob denn Fürbitte eine wirkliche Hilfe sei, ob es denn da nicht vor allem auf die Fähigkeit, Gewandtheit und die Waffen des Kämpfenden selbst ankomme. Da kommt uns eine eindrückliche Erfahrung des Volkes Israels zu Hilfe: Josua stand mit dem Volk gegen Amalek im Kampf (2. Mose 17). Mose, Aaron und Hur aber waren auf dem Gipfel des Hügels. «Und es geschah, wenn Mose seine Hand erhob, so hatte Israel die Oberhand, und wenn er seine Hand ruhen liess, so hatte Amalek die Oberhand.» Mit denselben Fähigkeiten, derselben natürlichen Kraft und denselben Waffen war das Volk das eine Mal am Siegen und das andere Mal am Verlieren, ohne dass es sich dies erklären konnte. Das Geheimnis war einzig und allein im Emporheben und im Niedersinken der Hand des Beters auf dem Berg zu suchen.

Auch der Apostel kannte dieses Geheimnis. Ohne Fürbitte war der Sieg des Wortes infrage gestellt. Sie öffnet «die Tür des Wortes» und bewirkt Freimütigkeit und Kraft zur Verkündigung (Kol 4,3; Eph 6,19.20). Darum ermunterte Paulus in seinen Briefen die Brüder und Schwestern immer wieder: «Betet für uns.» Sie sollten zu aller Zeit beten mit allem Gebet und Flehen in dem Geist, und eben hierzu wachen in allem Anhalten und Flehen für alle Heiligen «und für mich». Aber wie der Kämpfer an der Front muss auch der Beter wissen, wo der Angriff erfolgen und was verteidigt werden soll, wo die Gefahr droht und was die Absichten des Feindes sind. Darum gibt der Apostel hier seinen geliebten Philippern, die ihn im Herzen hatten, genaue Nachrichten von seinem jetzigen Kampfplatz in Rom (Phil 1,12-18), in der sicheren Erwartung, dass sie entsprechend den geschilderten Umständen im Gebet für ihn einstehen würden (Vers 19).

Die Philipper wussten zudem, dass es sich bei der «Verteidigung des Evangeliums», die dem Apostel in besonderer Weise oblag, um das volle Evangelium handelte, also um die Gesamtheit der Wahrheiten des Heils in Christus, über Christus selbst, über die Ratschlüsse Gottes hinsichtlich seiner Person und derer, die mit Ihm verbunden sind. Dieses volle Evangelium, das Paulus verkündigte, wird von den Mächten der Finsternis angegriffen. Dieses gilt es zu verteidigen. Das stand vor den Herzen der Philipper, wenn sie für den Apostel beteten.

Wir sehen also, wie es so wichtig war, dass die Philipper den Apostel «im Herzen» hatten. Daraus ging für ihn, für das Werk, für die Gläubigen überall und für die Ausbreitung des Evangeliums ein reicher Segen hervor.

Paulus ist nicht mehr unter uns. Heute sind es andere Brüder, die vom Herrn auf dem weiten Erntefeld der Erde vornehmlich «zur Verteidigung und Bestätigung des Evangeliums» gesetzt sind. Haben wir sie im Herzen? Lesen wir ihre Nachrichten? Interessieren wir uns für die Einzelheiten ihres Dienstes? Kümmern wir uns um ihr persönliches Wohlergehen? Sind wir immer wieder auf dem Berg, um für die Brüder an der Front und im Kampf fürbittend einzustehen? Lasst uns nicht vergessen, dass viel vom Erfolg ihrer Wirksamkeit davon abhängt, ob wir treu darin sind.

4. Direkter Dienst am Evangelium

Die «Teilnahme an dem Evangelium» beschränkte sich bei den Philippern natürlich nicht nur auf die Hilfe für den Apostel und seine Mitarbeiter, wenn diese Seite des Dienstes im Philipperbrief auch in den Vordergrund gerückt wird. In ihrer eigenen Stadt und ihrer Umgebung standen auch sie selbst auf dem Kampfgelände, um das Evangelium zu verkünden und zu verteidigen (siehe Phil 1,27-30.) Dass sie «Widersacher» hatten, dass es ihnen geschenkt war, «für Christus zu leiden» und sie denselben Kampf hatten wie der Apostel, das alles ist ein Beweis dafür, dass sie mit dem Evangelium an die Menschen herantraten, um sie zum Heiland zu führen; dass das Licht ihres Wandels zum Widerspruch reizte, und dass sie auch für die Aufrechterhaltung der reinen Lehre kämpfen mussten. Der Apostel erinnerte sie nur daran, dass sie würdig des Evangeliums des Christus wandeln sollten (Phil 1,27). Das zeigt sich unter anderem auch darin, dass in den eigenen Reihen volle Einmütigkeit herrscht und alle «mit dem Glauben des Evangeliums» mitkämpfen.

So sind wir jetzt durch verschiedene Beispiele des Wortes daran erinnert worden, was vom Tag der Bekehrung an bei uns gefunden werden soll. Möchten wir uns stets daran erinnern und darin wandeln, vom «ersten Tag an bis jetzt», ja bis zu unserer letzten Stunde hier auf der Erde. Bald kommt der Herr, «und dann wird einem jeden sein Lob werden von Gott» (1. Kor 4,5).