Mit dem Gleichnis vom Sämann erklärt der Herr die Veränderung in seinem Wirken. Er sucht nicht länger Frucht in Israel. Als Sämann sät Er nun den Samen des Wortes Gottes aus, damit Frucht entsteht.
Mit den sechs Gleichnissen vom Reich der Himmel weist Er auf die Veränderung im Reich hin. Während der König abwesend ist, nimmt es eine verborgene Form an. Die ersten drei Gleichnisse beschreiben die äussere Entwicklung, die nachfolgenden drei Gleichnisse zeigen den inneren Wert.
Das Gleichnis vom Unkraut im Acker
Die ersten drei Gleichnisse beschreiben das Christentum, wie es alle Menschen sehen und wahrnehmen können. Es werden die guten und die schlechten Einflüsse sichtbar. Schliesslich zeigt sich auch das traurige Endergebnis im christlichen Zeugnis.
«Das Reich der Himmel ist einem Menschen gleich geworden, der guten Samen auf seinen Acker säte. Während aber die Menschen schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut mitten unter den Weizen und ging weg. Als aber die Saat aufsprosste und Frucht brachte, da erschien auch das Unkraut» (Verse 24-26).
Zuerst wird das vollkommene Wirken des Herrn Jesus im Christentum dargestellt: Er sät den guten Samen auf seinen Acker. Dann folgen leider die Nachlässigkeit und das Unvermögen der Menschen: Sie schlafen ein. Der Feind nutzt diese Situation für seine listige Tätigkeit aus: Er sät Unkraut mitten unter den Weizen – und beides wächst.
«Die Knechte des Hausherrn kamen aber herzu und sprachen zu ihm: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn Unkraut? Er aber sprach zu ihnen: Ein feindseliger Mensch hat dies getan» (Verse 27.28).
Die gehorsamen Diener stören sich daran, dass Gut und Böse nebeneinander sichtbar wird. Sie erkennen mit Recht, dass diese Vermischung das göttliche Zeugnis undeutlich macht, ja, sogar verdirbt.
«Die Knechte aber sagen zu ihm: Willst du denn, dass wir hingehen und es zusammenlesen? Er aber spricht: Nein, damit ihr nicht etwa beim Zusammenlesen des Unkrauts zugleich mit diesem den Weizen ausrauft. Lasst beides zusammen wachsen bis zur Ernte» (Verse 28-30).
Die Diener des Herrn haben den verständlichen Wunsch, das Feld vom Unkraut zu säubern. Doch was der Feind durch die Nachlässigkeit der Menschen in die Christenheit eingeführt hat, kann weder gestoppt noch rückgängig gemacht werden.
«Zur Zeit der Ernte werde ich den Schnittern sagen: Lest zuerst das Unkraut zusammen und bindet es in Bündel, um es zu verbrennen; den Weizen aber sammelt in meine Scheune» (Vers 30).
Das Unkraut, das gebündelt und zur Verbrennung bestimmt wird, weist darauf hin, dass am Ende der christlichen Zeit die unechten, christlichen Bekenner mit ihren bösen Lehren gesammelt sichtbar werden und dem göttlichen Gericht entgegengehen. Das Sammeln des Weizens in die Scheune spricht von der Entrückung. Dadurch werden die echten Jünger in den erhabenen himmlischen Teil des Reichs versetzt.
Die Gleichnisse vom Senfkorn und vom Sauerteig
«Das Reich der Himmel ist gleich einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und auf seinen Acker säte, das zwar kleiner ist als alle Samenkörner, aber wenn es gewachsen ist, ist es grösser als die Kräuter und wird ein Baum, so dass die Vögel des Himmels kommen und sich niederlassen in seinen Zweigen» (Verse 31.32).
Mit einer kleinen Schar von 120 Personen (= Senfkorn) begann das christliche Zeugnis. Doch es entwickelte sich zum wohl grössten und mächtigsten religiösen System (= Baum) in der Welt. Viele unreine und zweifelhafte Gruppierungen (= Vögel) fanden Schutz und Gedeihen in der Christenheit.
«Das Reich der Himmel ist gleich einem Sauerteig, den eine Frau nahm und unter drei Mass Mehl mengte, bis es ganz durchsäuert war» (Vers 33).
Die Wirkung des Sauerteigs spricht bildlich davon, wie Falsches und Böses, das geduldet wird, die ganze Masse prägt und charakterisiert. Schon früh haben die Kirchenväter den religiösen Wünschen der Mehrheit nach prächtigen Kirchengebäuden, äusseren Zeremonien, Feiern von Festtagen usw. nachgegeben. Sie selbst strebten nach kirchlichen Ämtern und religiösen Organisationen. Was sich so allmählich an Verkehrtem einschlich, entwickelte sich zu einem Lehrsystem, das der ganzen Christenheit in ihrem Zeugnis seinen Stempel aufdrückt.
Von Grundlegung der Welt an verborgen
«Dies alles redete Jesus in Gleichnissen zu den Volksmengen, und ohne Gleichnis redete er nicht zu ihnen, damit erfüllt würde, was durch den Propheten geredet ist, der spricht: ‹Ich werde meinen Mund auftun in Gleichnissen; ich werde aussprechen, was von Grundlegung der Welt an verborgen war›» (Verse 34.35).
Jetzt bestätigt der Herr Jesus das, was Er den Jüngern bereits in den Versen 11-17 mitgeteilt hat: In den Gleichnissen vom Reich der Himmel spricht Er von etwas, was im Alten Testament unbekannt war. Damit wird klar, dass es in diesem Kapitel nicht um die jüdischen Aspekte des Reichs geht, sondern dass die christliche Seite des Reichs vorgestellt wird. Das betrifft sowohl die Gleichnisse als auch die Erklärungen dazu.
Die Deutung des Gleichnisses vom Unkraut im Acker
Nachdem der Herr durch die drei Gleichnisse in den Versen 24-33 über die äusseren Aspekte des Reichs gesprochen hat, entlässt Er die Volksmengen und betritt wieder das Haus. Das ist nun der geeignete Ort, um die innere Seite des Reichs aufzuzeigen. Die Jünger umgeben Ihn, denn nur sie können den inneren und eigentlichen Wert des Reichs verstehen und wertschätzen. Bevor Er drei weitere Gleichnisse erzählt, erklärt Er ihnen das Gleichnis vom Unkraut im Acker.
«Der den guten Samen sät, ist der Sohn des Menschen, der Acker aber ist die Welt; der gute Same aber, dies sind die Söhne des Reiches, das Unkraut aber sind die Söhne des Bösen; der Feind aber, der es gesät hat, ist der Teufel» (Verse 37-39).
Der Herr sät als Sohn des Menschen. Damit erweitert Er den Bereich seiner Wirksamkeit auf alle Menschen. Diese wichtige Tatsache bestätigt Er durch die Erklärung, dass der Acker nicht Israel, sondern die Welt ist.
Der gute Same, das sind die echten Christen! Mit dem Unkraut sind die christlichen Bekenner ohne göttliches Leben gemeint. Der Teufel hat sie hineingebracht und dadurch das christliche Zeugnis verdorben.
«Die Ernte aber ist die Vollendung des Zeitalters, die Schnitter aber sind Engel. Wie nun das Unkraut zusammengelesen und im Feuer verbrannt wird, so wird es in der Vollendung des Zeitalters sein. Der Sohn des Menschen wird seine Engel aussenden, und sie werden aus seinem Reich alle Ärgernisse zusammenlesen und die, welche die Gesetzlosigkeit tun; und sie werden sie in den Feuerofen werfen: Dort wird das Weinen und das Zähneknirschen sein. Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in dem Reich ihres Vaters» (Verse 39-43).
Wir sehen hier, dass der Herr bei seiner Erklärung über das hinausgeht, was Er im Gleichnis mitgeteilt hat. Dort hat Er von der «Zeit der Ernte» gesprochen: vom Zusammenlesen des Unkrauts, um es zu verbrennen, und vom Sammeln des Weizens in seine Scheune (Vers 30). Nun spricht Er über die «Ernte» und erklärt, was weiter mit dem Unkraut und dem Weizen geschieht.
Um das Christentum zu beenden und die leblosen Bekenner zu richten, benutzt der Herr die Engel. Sie stellen das göttliche Gericht durch Vorsehung dar. Es ekelt den Herrn, selbst seine Hand an die Namenchristen zu legen und das Gericht auszuüben. Schon in der «Zeit der Ernte» beim Sichtbarmachen der falschen Christen mit ihren verkehrten Lehren handelt Er in Vorsehung, d.h. ohne direktes Eingreifen (Vers 30). So wird es auch am Tag der «Ernte» sein: In seiner Vorsehung macht Er dem leblosen religiösen christlichen System durch die politischen Mächte ein Ende (Off 17,16).
Die Gerechten, die durch die Entrückung in den himmlischen Teil des Reichs emporgehoben werden (Vers 30), werden wie die Sonne im Reich ihres Vaters leuchten. Damit wir verstehen, was damit gemeint ist, wollen wir auf die beiden Bereiche des zukünftigen Reichs hinweisen.
Die beiden Ebenen im Tausendjährigen Reich
Das Reich Gottes in der Zukunft wird auf der Erde und in Verbindung mit der Erde sein. Es hat aber zwei Ebenen:
- Das «Reich des Sohnes des Menschen» ist die eigentliche und irdische Ebene. Wenn der Herr in grosser Macht und Herrlichkeit kommt, wird Er es auf der Erde errichten.
Zwei Gruppen von Personen werden lebend in diesen irdischen Bereich eingehen:- Menschen aus dem Volk Israel, die das Evangelium des Reichs annehmen und die Drangsalszeit überleben werden (Ps 110,3), sowie
- Menschen aus den Nationen, die zu Gott umkehren und die Herrschaft des Herrn anerkennen werden (Mt 25,31-34).
- Das «Reich des Vaters» ist die erhabene und himmlische Ebene dieses Reichs. Diese Ebene umfasst folgende Gruppen:
- Die Patriarchen und alle Glaubenden des Alten Testaments werden dort am Reich teilhaben.
- Die Gerechten der christlichen Zeit werden dort leuchten wie die Sonne.
- Die Märtyrer der Drangsalszeit werden auferstehen und in diesen himmlischen Bereich eingehen.
Das Gleichnis vom Schatz im Acker
Mit den drei Gleichnissen in den Versen 44-50 zeigt der Herr seinen Jüngern, was im Reich der Himmel während der christlichen Zeit für Ihn wertvoll ist.
«Das Reich der Himmel ist gleich einem im Acker verborgenen Schatz, den ein Mensch fand und verbarg; und vor Freude darüber geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft jenen Acker» (Vers 44).
Der im Acker verborgene Schatz sind die echten Christen, die wahren Jünger des Herrn. Sie sind im Ratschluss Gottes als Einzelpersonen zuvor erkannt, so wie ein Schatz aus vielen einzelnen wertvollen Stücken besteht.
Der Mensch, der diesen Schatz fand und verbarg, ist Christus. Als Mensch hat Er ihn – vom Vater unterwiesen – gesehen und gefunden.
Die gläubigen Menschen, denen der Herr Jesus ewiges Leben gibt, bilden diesen Schatz. Als Er sie nach dem Ratschluss Gottes sah, entfachten sie in seinem Herzen eine solche Freude, dass Er bereit war, auf alle seine Rechte als Mensch und als Messias zu verzichten und sogar sein Leben zu lassen, um diesen Schatz zu bekommen.
Er kaufte die Welt, um diese Glaubenden – die in der Welt unbekannt, aber bei Gott wohlbekannt sind – zu besitzen.
Das Gleichnis der kostbaren Perle
«Wiederum ist das Reich der Himmel gleich einem Kaufmann, der schöne Perlen sucht; als er aber eine sehr kostbare Perle gefunden hatte, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie» (Verse 45.46).
Christus besitzt als Kaufmann ein vollkommenes Unterscheidungsvermögen. Er weiss, was kostbare und was sehr kostbare Perlen sind. Er hat nicht nur die einzelnen glaubenden Christen, sondern auch ihre Gesamtheit als eine wunderbare Einheit gesehen. Das ist diese eine sehr kostbare Perle, die Er gefunden hat. Es ist die Versammlung Gottes nach seinem ewigen Vorsatz.
Die heiligen Engel haben vor dem Herrn ihren Wert. Das Volk Israel hat Er mit ewiger Liebe geliebt. Aber seine Versammlung übertrifft alles. Sie ist diese eine sehr kostbare Perle.
Christus hat etwas Vollkommenes gesucht – etwas, was kostbar und schön ist. In der Versammlung hat Er das gefunden, was sein liebendes Verlangen völlig stillt.
Deshalb war Er bereit, sein eigenes Leben und Blut zu geben, um sich die Versammlung zu erwerben.
Das Gleichnis des ins Meer geworfenen Netzes
«Wiederum ist das Reich der Himmel gleich einem Netz, das ins Meer geworfen wurde und Fische von jeder Art zusammenbrachte, das sie, als es voll war, ans Ufer heraufzogen; und sie setzten sich nieder und lasen die guten in Gefässe zusammen, aber die schlechten warfen sie hinaus» (Verse 47.48).
Das Netz des Evangeliums wird während der ganzen christlichen Zeit ins Meer der Völker geworfen. Dabei werden von jeder Art Menschen zusammengebracht: Hochgestellte und Geringe, Arme und Reiche, Gebildete und Ungebildete. Alle Fische im Netz sprechen von Menschen, die formell Christen geworden sind. Aber nur die guten sind echt, weil sie sich bekehrt haben und Leben aus Gott besitzen.
Mit «sie» in Vers 48 sind die Knechte des Herrn gemeint. Sie bringen alle Fische ans Land und setzen sich. So schaffen sie eine Situation, in der sie die guten erkennen können. Durch die Unterweisung im Wort Gottes wird erkannt, wer tatsächlich neues Leben hat und es durch Gehorsam zeigt.
Die Knechte lesen die guten Fische in Gefässe zusammen. Das spricht von allen Diensten an den Erlösten zur Förderung ihres Glaubens.
Die faulen Fische sind ein Bild der Namenchristen, die durch das Netz des Evangeliums zusammengebracht worden sind, aber die Botschaft der Gnade für sich ablehnen und deshalb kein göttliches Leben besitzen. An ihnen haben die Diener des Herrn keine Aufgabe.
Das Gericht in der Vollendung des Zeitalters
«So wird es in der Vollendung des Zeitalters sein: Die Engel werden ausgehen und die Bösen aus der Mitte der Gerechten aussondern und sie in den Feuerofen werfen: Dort wird das Weinen und das Zähneknirschen sein» (Verse 49.50).
Die Vollendung des Zeitalters ist die Zeit nach der Entrückung. Die Engel, die hier wieder ein Bild des göttlichen Gerichts durch Vorsehung sind, werden dann ausgehen und die Christenheit richten. Dieser Vorgang ist identisch
mit dem Ausschneiden der eingepfropften wilden Zweige aus dem Ölbaum (Röm 11,16-24),
mit der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird (Off 3,10), und
mit dem Gericht an Babylon (Off 17,1-6 und 15-18).
Er geschieht durch göttliche Vorsehung. Der Herr wird das verdorbene christliche System, die Hure Babylon, durch eine politische Macht beseitigen.
Die Aussage, dass die Bösen aus der Mitte der Gerechten ausgesondert werden, könnte zum falschen Schluss führen, dass mit den Gerechten die Treuen aus Israel gemeint sind, die durch das Evangelium des Reichs zum Glauben kommen und dadurch im Reich sind. Doch diese Tatsache, so wahr sie ist, gehört nicht zu den Geheimnissen des Reichs der Himmel. Hesekiel und andere Schreiber des Alten Testaments weissagen ausführlich über sie. Die Gerechten in Vers 49 sind die Jünger, die in der christlichen Zeit durch die Neugeburt dauerhaft ins Reich gekommen sind. Allerdings werden sie – wie wir gesehen haben – durch die Entrückung in den erhabenen himmlischen Teil versetzt werden, wo sie jedoch im Reich bleiben.
Der Schriftgelehrte im Reich der Himmel
«Habt ihr dies alles verstanden? Sie sagen zu ihm: Ja. Er aber sprach zu ihnen: Darum ist jeder Schriftgelehrte, der im Reich der Himmel unterrichtet ist, gleich einem Hausherrn, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorbringt» (Verse 51.52).
Das «Neue» ist das Reich in seiner geheimnisvollen Form während der christlichen Zeit, wie es der Herr in diesem Kapitel durch die Gleichnisse vorstellt. Das «Alte» betrifft das Reich in seiner eigentlichen Form, wie es schon im Alten Testament angekündigt war und in der Zukunft errichtet werden wird. Wer diese beiden Aspekte – das Alte und das Neue – unterscheiden kann, ist im Reich der Himmel richtig belehrt.