Die Rückkehr zum Haus Gottes in Jerusalem

Esra 1

Die Ausgangslage

Während der Zeit der Richter und Könige sündigten die Israeliten gegen den HERRN und beleidigten Ihn durch ihren Götzendienst. Obwohl Er Propheten zu ihnen sandte, wollten sie nicht von der Verehrung fremder Götter ablassen. Als das Mass ihrer Bosheit voll war, griff Gott mit Gericht ein: Zuerst wurden die Bewohner des Zehnstämme-Reichs im Norden nach Assyrien verschleppt. Später eroberten die Babylonier das Südreich. Sie zerstörten die Stadt Jerusalem und den Tempel. Die Bewohner kamen ins babylonische Exil und standen nun unter Fremdherrschaft.

Eine ähnliche Abwärtsentwicklung fand im christlichen Zeugnis statt:

  • Durch die Untreue und das Versagen der Christen ging die sichtbare Darstellung der Versammlung Gottes verloren. Diese schmerzliche Tatsache wird durch die Zerstörung des Tempels illustriert.
  • Durch die Verbindung mit der Welt entstanden verkehrte kirchliche Systeme, in denen viele Christen «gefangen» gehalten werden. Diese traurige Realität findet ihre bildliche Darstellung im Zwangsaufenthalt der Juden in Babel.

Nun beschreibt das Buch Esra, wie der HERR in seiner Güte den Juden die Rückkehr nach Jerusalem und den Wiederaufbau des zerstörten Tempels möglich machte.

Genauso hat der Herr vor ungefähr 200 Jahren eine Tür geöffnet (Off 3,8), damit gläubige Christen zum Zusammenkommen als Versammlung zurückkehren konnten, wie Gott es in seinem Wort angeordnet hat. Noch heute können wir im Namen des Herrn Jesus zusammenkommen. Das ist eine grosse Gnade.

Wenn wir nun über Esra 1 nachdenken, wollen wir nicht einen historischen Rückblick auf die Erweckung im vorletzten Jahrhundert halten. Es geht uns vielmehr darum, die biblischen Grundsätze aufzuzeigen, zu denen unsere geistlichen Väter zurückgekehrt sind und die heute noch das Fundament des Zusammenkommens als Versammlung bilden.

Der Aufruf von König Kores

Gott benutzte den persischen König Kores, um den Juden die Möglichkeit zu geben, nach Jerusalem zurückzukehren, den zerstörten Tempel neu aufzubauen und den Gottesdienst wieder auszuüben. Sein Aufruf an die Juden lautete:

«Wer irgend unter euch aus seinem Volk ist, mit dem sei sein Gott, und er ziehe hinauf nach Jerusalem, das in Juda ist, und baue das Haus des HERRN» (Vers 3).

Aus diesem Erlass greifen wir drei Punkte heraus, die eine geistliche Bedeutung für uns haben:

1) Wer wird angesprochen?

König Kores sagte ausdrücklich: «Wer irgend unter euch aus seinem Volk ist …» Damit werden die Menschen bezeichnet, denen der Aufruf galt.

  • Einerseits wurden alle angesprochen, die zum irdischen Volk Gottes gehörten. Jeder Israelit musste sich mit der Aufforderung befassen, aus Babel nach Jerusalem zurückzukehren. – Das gilt heute genauso. Wer durch den Glauben an den Herrn Jesus errettet worden ist, wird über kurz oder lang vor die Fragen gestellt: Wie sollen sich gläubige Christen versammeln? Was sagt Gottes Wort zum gemeinsamen Weg der Christen?
  • Anderseits richtete sich dieser Aufruf nicht an Menschen aus den Nationen. Wer nicht zum Volk Israel gehörte, war nicht vom Erlass des persischen Königs betroffen. – Auch dieser Grundsatz ist heute noch gültig. Wer zwar ein christliches Bekenntnis hat, aber kein Leben aus Gott besitzt, gehört nicht zur Versammlung Gottes. Unmöglich können die Erlösten gemeinsam mit blossen Bekennern das geistliche Haus Gottes örtlich darstellen.

Wir fassen zusammen: Jeder Erlöste ist ein Stein am Haus Gottes (1. Pet 2,5), er gehört zur Versammlung des lebendigen Gottes. Darum legt ihm der Herr auch aufs Herz, gemeinsam mit anderen Gläubigen das Haus Gottes an einem Ort zu verwirklichen.

2) Wohin sollen sie gehen?

König Kores forderte jeden einzelnen Juden auf: «Er ziehe hinauf nach Jerusalem, das in Juda ist.» Jetzt geht es um den Ort, wo das Haus Gottes stehen und der Gottesdienst stattfinden sollte.

Für die Israeliten gab es nur einen geografischen Ort, wo sie in der Gegenwart des HERRN den biblischen Gottesdienst ausüben konnten. Gott selbst hatte ihn bestimmt. In 5. Mose 12,11 lesen wir: «Der Ort, den der HERR, euer Gott, erwählen wird, um seinen Namen dort wohnen zu lassen, dahin sollt ihr alles bringen, was ich euch gebiete: eure Brandopfer und eure Schlachtopfer, eure Zehnten und das Hebopfer eurer Hand.» Als es später um den Tempelbau ging, erklärte Gott: «Ich habe Jerusalem erwählt, dass mein Name dort wäre» (2. Chr 6,6; Ps 132,13).

Für die Christen hat Gott auch einen Ort bestimmt, wo sie gemeinsam in der Gegenwart des Herrn sein können. Das ist nicht ein geografischer Ort wie Jerusalem, sondern ein Ort, an dem die biblischen Grundsätze über die Versammlung Gottes anerkannt und verwirklicht werden. Der Herr sagt selbst: «Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte» (Mt 18,20). Wenn in der Bibel davon die Rede ist, dass etwas im Namen einer Person getan wird, dann bedeutet es, dass man alles berücksichtigt und beachtet, was diese Person betrifft. Im Namen des Herrn Jesus versammelt sein, besagt hier auch, dass seine Person der Grund des Zusammenkommens ist. Die Gläubigen sind also in seinem Namen versammelt,

  • wenn sie an der biblischen Lehre über seine Person und sein Werk am Kreuz festhalten,
  • wenn sie die alleinige Autorität des Herrn in der Versammlung anerkennen,
  • wenn sie die Anweisungen des Wortes Gottes über das Zusammenkommen als Versammlung befolgen.

Um da zu sein, wo der Herr seine Gegenwart verheissen hat, müssen sie persönlich an dem Ort anwesend sein, wo die Gläubigen versammelt sind.

So stellt sich aus dem Hinweis über Jerusalem für uns entweder die Frage: Suche ich den Ort auf, wo Gläubige auf der Grundlage des Wortes Gottes zum Namen des Herrn Jesus versammelt sind? Oder die Frage: Befinde ich mich mit einer persönlichen Glaubensüberzeugung an dem Platz, wo der Herr seine Gegenwart in der Mitte der Gläubigen verheissen hat?

Wir fassen zusammen: Damals war Jerusalem der von Gott bestimmte Ort, wo der Tempel stehen und der israelitische Gottesdienst stattfinden sollte. In der Zeit der Gnade wird überall dort, wo zwei oder drei im Namen des Herrn Jesus versammelt sind – d.h. wo die biblischen Grundsätze über das Zusammenkommen der Gläubigen verwirklicht werden –, die Versammlung als Haus Gottes dargestellt und die gemeinsame Anbetung ausgeübt.

3) Was sollen sie dort tun?

König Kores fügte hinzu: «… und baue das Haus des HERRN …» Damit beschrieb er das Vorhaben der Juden, die nach Jerusalem zurückkehrten.

Die Menschen aus dem Volk Israel reisten mit einem grossen Ziel vor Augen nach Jerusalem: Dort sollte das Haus des HERRN aufgebaut werden, damit der Gott gemässe Opferdienst wieder möglich war.

So ist es auch heute: In Verbindung mit dem Ort, wo der Herr in der Mitte der Seinen ist, soll das geistliche Haus Gottes gebaut werden. Da fragen wir uns: Was bedeutet es konkret für uns, am Haus Gottes zu bauen?

  • Zum einen heisst es, den Menschen das Evangelium zu bringen, damit sie durch den Glauben an den Herrn Jesus errettet und der Versammlung Gottes hinzugefügt werden. Durch die Verbreitung und die Verkündigung der guten Botschaft helfen wir also am Bau des Hauses Gottes mit. Dabei ist es unser Wunsch, dass der Herr die bekehrten Menschen dorthin führt, wo Gläubige die Versammlung als geistliches Haus Gottes darstellen.
  • Zum anderen beinhaltet das Bauen am Haus Gottes auch die Unterweisung der Gläubigen, damit sie geistliche Fortschritte machen und Anbeter werden. Durch eine gesunde Belehrung lernen sie den Herrn Jesus, die Auswirkungen ihrer Erlösung und die Wahrheit über die Versammlung Gottes besser kennen. Dieser Dienst der Erbauung soll auch mit der Absicht erfolgen, dass die Erlösten dort zusammenkommen, wo zwei oder drei im Namen des Herrn Jesus versammelt sind.

Wir fassen zusammen: Das Bauen am Haus Gottes geschieht mit dem grossen Ziel, dass Gläubige an einem Ort zum Namen des Herrn zusammenkommen und dadurch die Versammlung Gottes darstellen. Beim Brotbrechen denken sie an den Erlöser und bezeugen die Einheit der Erlösten, die gemeinsam die Versammlung bilden.

Die Reaktion der Juden

Wie die Menschen aus dem Volk Israel auf den Erlass von König Kores reagierten, lesen wir in Vers 5:

«Die Häupter der Väter von Juda und Benjamin machten sich auf, und die Priester und die Leviten, jeder, dessen Geist Gott erweckte, hinaufzuziehen, um das Haus des HERRN in Jerusalem zu bauen.»

Aus dieser Reaktion übertragen wir zwei Punkte auf uns:

1) Einen persönlichen Entschluss fassen

Der Geist Gottes wirkte an den Herzen der Juden, so dass es bei einzelnen Menschen zu einer geistlichen Erweckung kam. Sie fassten für sich den Entschluss, nach Jerusalem hinaufzuziehen, um dort das Haus Gottes wieder aufzubauen.

Auch heute wirkt der Heilige Geist durch das Wort Gottes an einzelnen Gläubigen. Er zeigt ihnen die biblischen Gedanken über das Zusammenkommen als Versammlung und fordert sie auf, in dieser Sache den Willen Gottes zu tun.

Jeder Christ, der im Herzen von der Wahrheit über die Versammlung Gottes angesprochen wird, steht nun vor der persönlichen Entscheidung, den Ort aufzusuchen, wo zwei oder drei im Namen des Herrn Jesus versammelt sind, um mit ihnen den gemeinsamen Glaubensweg zu gehen.

Folglich ist es verkehrt, das Zusammenkommen als Versammlung zu organisieren. Stattdessen soll es bei jedem Einzelnen zu einem persönlichen Entschluss kommen, mit anderen zusammen dem Herrn zu gehorchen und sich zu Ihm hin zu versammeln. Die gemeinsame Basis bildet das Wort Gottes.

Wie damals nur eine kleine Schar nach Jerusalem zurückkehrte, so sind auch am Ende der Gnadenzeit nur wenige bereit, das Wort Gottes im Blick auf das Zusammenkommen der Gläubigen zu befolgen. Das soll uns jedoch nicht davon abhalten, mit allen, die den Namen des Herrn aus reinem Herzen anrufen, auf der biblischen Grundlage zusammenzukommen.

2) Mit gutem Beispiel vorangehen

Die Häupter der Väter, die Leviten und die Priester machten sich auf, um nach Jerusalem zurückzukehren. Aufgrund ihres Alters und ihrer Aufgabe im Volk übernahmen sie bei der Rückkehr zum Haus Gottes eine gewisse Führung. Sie gingen mit gutem Beispiel voran, ohne Druck auf andere auszuüben oder den Einzelnen die Entscheidung abzunehmen.

Auch wir kennen geistliche Väter und treue Diener, die mit Entschiedenheit den gemeinsamen Weg der Gläubigen nach Gottes Gedanken gegangen sind und gehen. Sie haben uns die Wahrheit über das Zusammenkommen als Versammlung lieb gemacht und sind uns in der Verwirklichung ein nachahmenswertes Vorbild. Ihre Glaubensüberzeugung und ihr Beispiel spornen uns an, mit persönlicher Entschiedenheit an den Ort zu gehen oder dort zu bleiben, wo der Herr Jesus seine Gegenwart verheissen hat.

Schluss

Als die Rückkehrer in Jerusalem ankamen, begannen sie mit dem Tempelbau. Durch den Widerstand der Feinde und durch die eigene Nachlässigkeit kam es jedoch zu einem Baustillstand. Da redete der HERR durch seine Propheten zu den Juden, so dass sie die Arbeit aufs Neue in Angriff nahmen und den Bau vollendeten. Nun konnten sie dem HERRN wieder Opfer darbringen und das Passah feiern, und zwar an dem Ort, den Er dazu bestimmt hatte (Esra 6,19-22).

Die Darbringung der Opfer spricht von der gemeinsamen Anbetung und das Passah vom Mahl des Herrn. Beides ist mit dem Ort verknüpft, wo Gläubige im Namen des Herrn versammelt sind. Dort brechen wir das Brot, um an unseren Erlöser zu denken und am Tisch des Herrn sowohl mit Ihm als auch untereinander Gemeinschaft zu haben. Dort beten wir gemeinsam den Vater und den Sohn an.

Ist es nicht der Mühe wert, die Wahrheit des Zusammenkommens als Versammlung in Lehre und Praxis festzuhalten, um diese beiden Vorrechte geniessen zu können? Ist es nicht der ausdrückliche Wunsch des Herrn Jesus, dass wir sein Mahl halten und dadurch seinen Tod verkündigen, bis Er kommt? Sucht der Vater nicht wahrhaftige Anbeter, die Ihn in Geist und Wahrheit anbeten?

Die Wahrheit, die uns die Juden durch ihre Rückkehr zum biblischen Gottesdienst veranschaulichen, wird durch Hebräer 13,13-15 unterstrichen:

«Lasst uns zu ihm hinausgehen, ausserhalb des Lagers, seine Schmach tragend. Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. Durch ihn nun lasst uns Gott stets ein Opfer des Lobes darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen.»