Zwei Männer auf dem Weg zum Altar – so könnte man die Begebenheit in 1. Mose 22 überschreiben. Sie weist deshalb auf unseren Herrn hin, wie Er gehorsam seinen Weg bis zum Kreuz mit seinem Gott und Vater ging.
Im Licht des Neuen Testaments offenbaren sich in diesem Kapitel Kostbarkeiten für den Gläubigen, die uns einen kleinen Einblick in das Herz des Vaters und des Sohnes gestatten.
Auch wenn Begebenheiten aus dem Alten Testament aufschlussreiche Hinweise auf unseren Herrn geben, so waren doch die handelnden Personen unvollkommene Menschen mit «gleichen Empfindungen wie wir» (Jak 5,17). Daher sind Ausschnitte aus ihrem Leben nicht uneingeschränkt auf den Herrn Jesus anwendbar.
Im Leben Abrahams gab es Höhen und Tiefen. Dabei zeichnete ihn besonders sein Glaube aus, der sich im Gehorsam gegenüber seinem Gott zeigte. Als er 75 Jahre alt war (1. Mo 12,4.5), zog er aus Haran in Richtung des von Gott verheissenen Landes, ohne zu wissen, wohin er komme (Heb 11,8). 25 Jahre später schenkte ihm Gott den lange zuvor verheissenen Sohn Isaak (1. Mo 21,5).
Nachdem Abraham eine lange Zeit im Land der Philister gewohnt hatte (1. Mo 21,34), heisst es in 1. Mose 22,1: «Es geschah nach diesen Dingen, dass Gott Abraham prüfte.» Wie alt Isaak zu diesem Zeitpunkt war, wird uns nicht mitgeteilt. Einige Details aus Kapitel 22 lassen jedoch den Rückschluss zu, dass er ein kräftiger und gottesfürchtiger junger Mann geworden war, der ein sehr gutes Verhältnis zu seinem Vater hatte. So trug Isaak auf der ganzen letzten Wegstrecke das Holz zum Brandopfer, wobei die benötigte Menge für ein solches Opfer nicht unerheblich war. Auch stellte er seinem Vater eine qualifizierte Frage und akzeptierte dessen Antwort, die doch menschlich gesehen das Problem des fehlenden Opfertieres nicht beantwortete.
Von Abraham selbst lernen wir aus Kapitel 22, wie wir von Gott gewirkte Erprobungen zu seiner Ehre durchstehen können. Gott schickt uns nur Prüfungen, wenn Er weiss, dass wir auch in der Lage sind, sie zu bestehen. Dabei verfolgt unser Herr den Zweck, uns näher zu sich zu ziehen und sich selbst zu verherrlichen (Jak 1,2-4).
Einen ganz besonderen Eindruck macht die Handlung Abrahams und Isaaks in dieser Begebenheit vor dem Hintergrund der Kenntnis des Werks von Golgatha. Zweimal heisst es, dass Abraham und Isaak «miteinander» gingen (V. 6.8). So ging der Herr als Mensch in ungetrübter Gemeinschaft mit dem Vater den Weg nach Golgatha. In Gethsemane nahm Er den Kelch des Zorns Gottes über die Sünde aus der Hand seines Vaters an (Joh 18,11), um ihn bis zur Neige zu leeren. Damit wirft die Glaubenstat von Vater und Sohn ein wunderbares Licht auf das Werk unseres Herrn.
Isaak war Abrahams einziger Sohn, den er lieb hatte. Genauso sagt Gott vom Herrn Jesus mehrfach, dass Er sein geliebter Sohn ist (Mt 3,17; Mk 1,11; Lk 3,22; 9,35).
Auf das Wort von Gott hin steht Abraham am nächsten Morgen früh auf, sattelt seinen Esel und macht sich mit seinem Sohn und zwei Knechten auf den Weg. Nachdem er Holz gespalten hat, ziehen sie los, um nach drei Tagen den Berg im Land Morija von weitem zu sehen. Es wird uns nicht berichtet, ob es auf dem Weg bis dahin zwischen den Knechten, Isaak und Abraham einen Gedankenaustausch bezüglich des geplanten Opfers gegeben hat. Erst als Abraham die zwei Knechte mit dem Esel zurücklässt und mit Isaak allein weiterzieht, spricht ihn sein Sohn an.
Bezeichnend ist die Sicherheit Abrahams, mit der er den Knechten mitteilt, dass er und Isaak zu ihnen zurückkehren werden (V. 5). Das Holz legt er auf Isaak. Das erinnert an unseren Herrn. Das Holz spricht von der menschlichen Natur. Wenn es von Abraham heisst, dass er das Holz spaltete, bevor er sich auf den Weg machte, denken wir an Gott, der sich etwa 4000 Jahre lang mit den Menschen beschäftigt hat (= Holz spalten). Was war das Resultat? «Alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes» (Röm 3,23). Wenn Abraham nun das Holz auf Isaak legt, ist dies ein Hinweis darauf, dass der Herr Jesus für uns leiden und sterben sollte. Zu diesem Zweck war Er auf die Erde gekommen. Er sollte das Erlösungswerk vollbringen. Obwohl Er erst am Kreuz die Last unserer Sünden trug (1. Pet 2,24), wusste Er doch während seines ganzen Lebens, dass Er das Opfer für unsere Sünden werden würde. Das Holz scheint also kein Hinweis auf das Kreuz zu sein. Unser Herr trug das Kreuz nicht auf dem ganzen Weg nach Golgatha, sondern erst nachdem Pilatus Ihn zum Kreuzestod verurteilt hatte, bis zum Zeitpunkt, als Simon von Kyrene gezwungen wurde, sein Kreuz zu tragen. Doch das Holz wird fünfmal erwähnt, was eindringlich auf die Schwere der Sündenlast hindeutet, von der unser Herr stets wusste, dass Er sie am Kreuz tragen würde. Das Feuer und das Messer nimmt Abraham selbst in die Hand. Die Ausübung des Gerichts auf Golgatha geschah durch die Hand Gottes.
Als sie am Ziel ankamen, richtete Abraham den Altar auf. Spätestens zu diesem Zeitpunkt, als er seinen Sohn band und ihn auf den Altar legte, war diesem klar, was kommen würde. Wir lesen nicht, dass Isaak Widerstand leistete, zweifelnde Fragen stellte oder Angst hatte. Er vertraute seinem Vater und damit ihrem gemeinsamen Gott, der Abraham diesen Auftrag gegeben hatte. Wie ist doch auch in dieser Handlung ein wunderbarer Hinweis auf das vollkommene Verhalten unseres geliebten Herrn zu sehen! Er betete im Garten Gethsemane: «Wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst» (Mt 26,39). «Er wird nicht schreien und nicht rufen und seine Stimme nicht hören lassen auf der Strasse» (Jes 42,2). Es war und konnte nicht der Wunsch unseres Herrn sein, zur Sünde gemacht zu werden, aber Er ordnete sich gehorsam dem Willen Gottes unter. Die Liebe zu seinem Gott und Vater und zu uns war sein Beweggrund. Er wollte Gott gehorchen und uns retten.
Für Isaak gab es dann einen Stellvertreter, als im entscheidenden Moment die Stimme Gottes ertönte. Bei unserem Herrn war dies nicht möglich. Um uns zu retten, hat Er ausgeharrt und das Gericht Gottes getragen: Er hat den Kelch des Zornes Gottes bis zur Neige geleert. Das Gericht Gottes über die Sünde hat Ihn in aller Schwere getroffen. Die Antwort auf seine Frage «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?» (Mk 15,34) ist jedem Kind Gottes klar und erfüllt unsere Herzen mit Dank und Anbetung. Unendliche Liebe Gottes, die sich auf Golgatha offenbarte! Unser Herr und Heiland hat sie durch sein Kommen auf die Erde und das Vollbringen des Erlösungswerks völlig kundgemacht!