Er und ich (1)

1. Mose 18; 1. Mose 32

Einleitung

Als Christen stehen wir in einer untrennbaren Verbindung zum Herrn Jesus. Diese grundsätzliche Feststellung soll sich auf unser ganzes Leben auswirken: Wir pflegen eine enge, bewusst gelebte Beziehung zu unserem Herrn.

Sicher hast du schon die Erfahrung gemacht, dass diese Beziehung Schwankungen unterworfen ist. Das liegt nicht an Jesus Christus, denn Er «ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit» (Heb 13,8). Die Schwankungen haben ihre Ursache bei mir.

In zwei Artikeln werden gläubige Menschen vorgestellt, die eine persönliche Beziehung zum Herrn hatten. Verschiedene Punkte können dir und mir helfen, unsere Beziehung zum Herrn Jesus zu überdenken und auf den Prüfstand zu stellen.

Abraham in 1. Mose 18

«Sollte ich vor Abraham verbergen, was ich tun will?» (V. 17).

Wir beginnen unsere Überlegungen im Alten Testament. Schon zu jener Zeit kam der Herr persönlich zu den Menschen. Meist tat Er das als «Engel des HERRN» (vgl. 1. Mo 16,7-14 oder 22,11-19). Abraham hatte den HERRN bis dahin schon einige Male gehört (z.B. 1. Mo. 12,1), gesehen hatte er Ihn aber noch nie.

Vielleicht bist du jetzt erstaunt, dass Abraham im vorliegenden Kapitel den HERRN sogleich erkennt. Aus dem Bericht können wir keinen Unterschied zwischen den drei Männern entdecken, die zum Zelt Abrahams kommen. Der Patriarch hingegen kann sehr gut unterscheiden. Er hat nämlich eine ganz persönliche Beziehung zum HERRN.

Die Tageszeit scheint für einen Besuch schlecht gewählt. Die Hitze hat alle in den Schatten getrieben. Nur Abraham ist auch dann noch wachsam und sitzt am Eingang seines Zeltes.

Ich frage mich: Wie ist das bei mir? Bin ich wirklich immer bereit, den Herrn zu erkennen? Gibt es Momente in meinem Leben, an denen ich nicht mit dem Herrn Jesus rechne? Psalm 16,8 gibt einen Hinweis, was im Leben eines Gläubigen Priorität hat: «Ich habe den HERRN stets vor mich gestellt; weil er zu meiner Rechten ist, werde ich nicht wanken.» Aus Apostelgeschichte 2,25 lernen wir, dass dieser Vers die Lebenshaltung des Herrn Jesus beschreibt. Ein nachahmenswertes Vorbild, nicht wahr?

Abraham bittet den HERRN, nicht an ihm vorüberzugehen, denn er wünscht, Gemeinschaft mit Ihm zu haben. Eine solche Bitte schlägt der Herr Jesus nicht aus (vgl. Lk 24,29). Bittest du den Herrn auch immer wieder in dein Leben? In Lukas 24 lesen wir, wie sehr die Herzen der beiden Jünger von Jesus Christus erfüllt waren, nachdem Er ihnen begegnet war und mit ihnen gesprochen hatte. Ihre Herzen brannten richtiggehend.

Abraham ist bereit, alles stehen und fallen zu lassen, um den HERRN zu bedienen. Das gemästete Kalb war sicher für eine besondere Gelegenheit gedacht. Dieses opfert Abraham ohne Reue und Geiz für den HERRN. Die ernste Frage an mich drängt sich auf: Bin ich bereit, alles und besonders das Beste in meinem Leben für Ihn zu geben?

Der HERR hat für Abraham und Sara eine wunderbare Botschaft: In einem Jahr werden sie einen Sohn haben. Sara muss lachen, sie kann es kaum glauben. Abraham sagt nichts. Da unterstreicht Gott seine Mitteilung mit einer Frage: «Ist für den HERRN eine Sache zu wunderbar?» In Matthäus 19,26 heisst es: «Bei Gott sind alle Dinge möglich.» Traue ich Ihm wirklich alles zu?

Der HERR will Abraham seine Absichten und Gedanken mitteilen: das Gericht über die Sünder in Sodom und Gomorra. Gott öffnet auch uns in seinem Wort sein Herz und teilt uns seine Gedanken mit: Wir finden dort Prophezeiungen über die Zukunft und Geheimnisse, die Er bis dahin verborgen hielt, aber jetzt dir und allen Christen offenbart (z.B. Röm 16,25).

Doch beachte: Die richtige Erkenntnis und Wertschätzung davon hast du nur, wenn dir der Herr Jesus alles erklärt. Dazu braucht es eine ungestörte Verbindung zu Ihm (Ps 25,14). Findest du es nicht grossartig, dass Gott dir etwas von seinen Gedanken und Absichten mitteilen will?

Was Gott in Vers 19 sagt, spricht auch uns und unsere christlichen Familien an. Abraham macht seiner Familie klar, wie wichtig ihm Gottes Anweisungen sind. Deshalb fordert er sie auf, diese zu befolgen.

Die herzerforschenden Fragen an Eltern und Kinder lauten wohl:

  • Bin ich als Vater oder Mutter meinen Kindern wirklich ein gutes Vorbild und ein glaubwürdiger Wegweiser zum Herrn?
  • Verachten wir als Kinder etwa unsere Eltern wegen ihrer Fehler, oder nehmen wir das schwache Zeugnis von ihnen an?

Ab Vers 22 finden wir einen intensiven Dialog zwischen Abraham und dem HERRN. Aufgrund der Ankündigung des Gerichts über die Sünder von Sodom und Gomorra kommt das Herz von Abraham in Bewegung. Er beginnt, Fürbitte zu tun. Aus dieser Szene können wir Impulse für unser Gebetsleben und die Fürbitte für andere Menschen nehmen:

  • Abraham ist echt besorgt um die Menschen in Sodom und Gomorra. Impuls: Mitempfinden, Erbarmen als Antrieb für Gebete (Kol 3,12).
  • Abraham kennt Gott nicht nur einseitig oder oberflächlich. Er weiss, dass der HERR gerecht und der Richter der ganzen Erde ist. Impuls: den Herrn immer besser kennenlernen und so bewusst beten (2. Pet 3,18; Kol 1,9.10).
  • Abraham ist mit Gott «per Du». Impuls: völlige Freimütigkeit, um die Anliegen vor den Herrn zu bringen (Heb 4,16).
  • Abraham ist sich jederzeit bewusst, wer Gott ist. Impuls: Gottesfurcht als Herzenshaltung beim Beten (Pred 5,1).
  • Abraham betet ausdauernd. Impuls: allezeit beten und nicht ermatten (Lk 18,1-8).

Es ist schon viel darüber spekuliert worden, was gewesen wäre, wenn Abraham weiter gebetet hätte, und was ihn wohl bewogen hat, bei zehn Gerechten aufzuhören. Wir können hier einfach feststellen, dass der HERR erst wegging, als Abraham nicht mehr weiterbetete (V. 33). Der Herr ist langmütig und geduldig (2. Pet 3,9.15; Röm 2,4).

Jakob in 1. Mose 32

«Ich lasse dich nicht los, es sei denn, du segnest mich» (V. 27).

Jakob ist auf dem Weg zurück in seine Heimat. Der HERR selbst hat ihn dazu aufgefordert (1. Mo 31,3). Jakob gehorcht. Sein Verhalten, das in diesem Kapitel beschrieben wird, macht aber klar, dass er keine vertrauensvolle Beziehung zu seinem Gott hat. Er ist voller Unruhe, denn er weiss, dass er in der Heimat seinem Bruder Esau begegnen wird. Diese Vorstellung macht ihm Angst, denn er hat Esau durch Betrug um den Segen des Erstgeborenen gebracht.

Positiv an Jakob ist: Er sucht immer den Segen Gottes. Negativ ist: Er sucht ihn mit eigenen Mitteln. Er bekommt zwar Segen, doch er kann ihn nicht geniessen.

Jakob wird in dieser Begebenheit von einem ganzen Zug begleitet. Dazu gehören seine vier Frauen, seine Kinder, seine Knechte und Mägde sowie grosse Viehherden. Seine Unruhe hat einen Grund: Esau zieht ihm mit 400 Männern entgegen (1. Mo 32,7). Von ihm kann er eigentlich nur Rache erwarten. Jakob fehlt das Vertrauen zu Gott, dass Er auch in dieser Situation wie versprochen bei ihm sein wird (1. Mo 28,15). Jakob betet zwar zu Gott, aber erst nachdem er erste Massnahmen getroffen hat. So unternimmt er selbst etwas, um seinen Bruder zu besänftigen und einen möglichen Schaden in Grenzen zu halten (V. 14-22).

Wie gleiche ich doch diesem Mann! Wie oft habe ich schon Angst bekommen, wie manches Mal bin ich schon unruhig geworden. Doch gerade dann darf ich das Bibelwort für mich persönlich nehmen: «Der Herr ist mein Helfer, und ich will mich nicht fürchten; was wird mir ein Mensch tun?» (Heb 13,6). Dazu braucht es keine hektischen Aktivitäten, im Gegenteil: «Es ist gut, dass man still warte auf die Rettung des HERRN» und: «Der HERR wird für euch kämpfen, und ihr werdet still sein» (Klgl 3,26; 2. Mo 14,14).

Zurück zu Jakob: Mitten in der Nacht bringt er seine Familie über den Fluss Jabbok und kehrt nochmals zum anderen Ufer zurück. Er ist jetzt ganz allein. Da beginnt ein Fremder mit ihm zu ringen. Nach stundenlangem Kampf ohne Sieger verrenkt der Unbekannte Jakob das Hüftgelenk. Damit ist der Kampf entschieden. Wie sich herausstellt, ist dieser geheimnisvolle Fremde Gott selbst. Jakob will diesen übermächtigen Gegner nicht loslassen, sondern von Ihm gesegnet werden. Gott gewährt ihm diese Bitte und gibt ihm einen neuen Namen. Er soll nicht mehr Jakob (= Fersenhalter oder Überlister; 1. Mo 25,26 Fussnote), sondern Israel (= Kämpfer Gottes; 1. Mo 32,29 Fussnote) heissen.

Gott macht Jakob klar, wie wenig er mit seiner eigenen Kraft und mit den eigenen Methoden gewinnen kann. Er muss lernen, ganz von Gott abhängig zu sein. Das erkennt Jakob. Deshalb sagt er: «Ich lasse dich nicht los.» Jetzt vertraut er Gott und nicht mehr sich selbst.

Das Gleiche musst auch du in deinem Leben lernen. Du kannst mit deiner Kraft, deiner Intelligenz, deiner Geschicklichkeit, deiner Entschiedenheit usw. nichts erreichen, solange du auf dich selbst vertraust. Paulus hatte ein anderes Lebensmotto: «Ich bin mit Christus gekreuzigt, und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir; was ich aber jetzt lebe im Fleisch, lebe ich durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat» (Gal 2,19.20). Er wusste: Mein altes Ich, das gekreuzigt worden ist, hat ein Ende gefunden. Er war sich auch klar: Durch das neue Leben, das ich seit der Bekehrung habe, ist Christus in mir. In der Folge baute Paulus nicht mehr auf sich selbst, sondern lebte in einer Glaubensbeziehung zum Herrn Jesus.

Vielleicht denkst du: Gottvertrauen ist schon gut, aber ich behalte gern selbst die Kontrolle über mein Leben. Dann gleichst du Jakob und kämpfst gegen Gott an. Wie kannst du nun genügend Vertrauen zu Gott gewinnen, damit du dich Ihm völlig übergibst und Ihm die Führung deines Lebens überlässt? Das geht nicht per Knopfdruck. Vertrauen wächst aus einer engen Beziehung und guten Kenntnis einer Person. Paulus ist diesen Weg gegangen. Er war völlig von Christus, dem Sohn Gottes, ergriffen. Er sah die grosse Liebe seines Herrn, der sich selbst für ihn persönlich hingegeben hat. Da fasste Paulus ein tiefes Vertrauen zu Ihm.

Beschäftige dich also mit dem Herrn Jesus und mit dem, was Er für dich persönlich getan hat: Der Heiland hing am Kreuz. Drei Stunden lang spotteten seine Feinde über Ihn. Dann wurde es dunkel. Der Spott der Menschen verstummte. In dieser Dunkelheit brachte Gott sein gerechtes und schreckliches Gericht für meine und deine Sünden über den Herrn Jesus. Als es um die Sühnung meiner Sünden ging, damit Gott sie bereinigen konnte, dachte Christus in grosser und unerschütterlicher Liebe an mich und nahm das Gericht Gottes bewusst für mich auf sich. Wie könnte ich einem solchen Erretter nicht voll vertrauen!

Blicken wir nochmals auf die Ereignisse am Jabbok zurück. Auch bei Jakob beginnt jetzt ein neuer Lebensabschnitt, in dem er mehr und mehr Gott alles überlässt. Zuerst muss er Gott noch fragen: «Sage mir doch deinen Namen!» (V. 30). Am Ende wird ihm aber bewusst: «Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen, und meine Seele ist gerettet worden!» (V. 31). Endlich ist Jakob so weit, nicht mehr nur an sich und seine Vorteile zu denken, sondern sich mit seinem Gott zu beschäftigen. Er gibt diesem speziellen Ort den Namen Pniel (= Angesicht Gottes).