In Verbindung mit dem Bau der Versammlung Gottes betrachten wir nun die beiden Baumeister. Auf der einen Seite baut der Sohn Gottes und auf der anderen Seite sind die Menschen am Werk.
Wir können den Verfall in der Christenheit nur verstehen, wenn wir die Gedanken Gottes über die Versammlung kennen. Nach den Mitteilungen, die Gott uns in seinem Wort gegeben hat, kann sie von zwei Gesichtspunkten aus betrachtet werden:
- Die Versammlung in ihrer unsichtbaren, himmlischen Berufung und Stellung.
- Die Versammlung in ihrer sichtbaren Darstellung als bekennende Körperschaft auf der Erde.
Gott baut
In der ersten Sichtweise ist das Bauen der Versammlung als «heiliger Tempel im Herrn» und als «geistliches Haus» Gottes das Werk des Herrn Jesus durch den Heiligen Geist. In Matthäus 16,18 sagt der Sohn Gottes: «Auf diesen Felsen werde ich meine Versammlung bauen, und die Pforten des Hades werden sie nicht überwältigen.» Er spricht in Zukunftsform: Ich werde bauen. Als Er auf der Erde war, konnte Er noch nicht mit dem Bauen beginnen. Erst aufgrund seines Todes und seiner Auferstehung war es möglich, lebendige Steine als Material zu diesem Bau bereit zu machen. Nachdem Christus als Auferstandener in den Himmel gegangen und der Heilige Geist auf die Erde gekommen war, begann das Bauen der Versammlung. Paulus spricht in Epheser 2,19-22 darüber: «Also seid ihr nun nicht mehr Fremdlinge und ohne Bürgerrecht, sondern ihr seid Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes, aufgebaut auf der Grundlage der Apostel und Propheten, indem Christus Jesus selbst Eckstein ist, in welchem der ganze Bau, wohl zusammengefügt, wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn, in dem auch ihr mitaufgebaut werdet zu einer Behausung Gottes im Geist.» Petrus schreibt ebenfalls über dieses Thema: «Zu welchem kommend als zu einem lebendigen Stein, von Menschen zwar verworfen, bei Gott aber auserwählt, kostbar, werdet auch ihr selbst als lebendige Steine aufgebaut, ein geistliches Haus, zu einer heiligen Priesterschaft, um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlangenehm durch Jesus Christus» (1. Pet 2,4.5).
Dieses Werk des Sohnes Gottes werden die Pforten des Hades, das heisst die ganze Macht Satans, der Sünde und des Todes, nicht überwältigen. Jeder von Ihm lebendig gemachte und in den Bau eingefügte Stein kann nicht wieder herausgerissen werden. «Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie gehen nicht verloren in Ewigkeit, und niemand wird sie aus meiner Hand rauben. Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist grösser als alles, und niemand kann sie aus der Hand meines Vaters rauben» (Joh 10,27-29).
Der Mensch baut
Dieses Bauwerk des Herrn, das für das natürliche Auge unsichtbar ist, soll auf der Erde eine sichtbare Darstellung finden. Zu diesem Zweck werden glaubende Menschen als Mitarbeiter berufen. Das lesen wir in 1. Korinther 3,9-11: «Wir sind Gottes Mitarbeiter; Gottes Ackerfeld, Gottes Bau seid ihr. Nach der Gnade Gottes, die mir gegeben ist, habe ich als ein weiser Baumeister den Grund gelegt; ein anderer aber baut darauf; ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut. Denn einen anderen Grund kann niemand legen, ausser dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.» Hier sehen wir den Menschen als Bauenden und als Mitarbeiter Gottes. Der Apostel Paulus hat den Grund zum Gebäude gelegt. So sagt er auch, obwohl in einem etwas anderen Sinn: «Mir, dem allergeringsten von allen Heiligen, ist diese Gnade gegeben worden, den Nationen den unergründlichen Reichtum des Christus zu verkündigen und alle zu erleuchten, welches die Verwaltung des Geheimnisses sei, das von den Zeitaltern her verborgen war in Gott, der alle Dinge geschaffen hat» (Eph 3,8.9). Andere haben auf den Grund gebaut, den der Apostel gelegt hat. Aber nicht alle haben gutes Material verwendet.
Gutes und schlechtes Material
Es hat Arbeiter gegeben, die unter der Leitung des Heiligen Geistes mit Gold, Silber und wertvollen Steinen gebaut haben. Andere Arbeiter, die auch Gläubige sind, haben nach eigenem Gutdünken Holz, Heu und Stroh in den Bau eingefügt. Diese Vermengung von gutem und schlechtem Material hat den Verfall der Versammlung in ihrer Darstellung herbeigeführt und setzt ihn immer noch fort. Das Wort Gottes gibt uns keinen Hinweis dafür, dass eine Wiederherstellung dieses durch Menschenhand verdorbenen Zustands eintreten wird. Wir finden das Gegenteil:
«Wenn aber jemand auf diesen Grund baut Gold, Silber, wertvolle Steine, Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden, denn der Tag wird es klarmachen, weil er in Feuer offenbart wird; und welcherart das Werk eines jeden ist, wird das Feuer (des Gerichts) erproben» (1. Kor 3,12.13).
Jeder Mitarbeiter ist für seine Arbeit verantwortlich. «Wenn das Werk jemandes bleiben wird, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen» (1. Kor 3,14). Der Arbeiter, der mit gutem Material gebaut hat, bekommt einen Lohn. «Wenn das Werk jemandes verbrennen wird, so wird er Schaden leiden, er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer» (1. Kor 3,15). Das Werk des Arbeiters, der mit schlechtem Material gebaut hat, vergeht. Er verliert seinen Lohn, wird aber gerettet werden, weil er ein Kind Gottes ist.
Der Geist Gottes stellt hier also zwei Arten von Arbeitern vor unsere Blicke. Beide sind gläubig, beide bauen am Haus Gottes. Aber sie benutzen unterschiedliches Baumaterial. Deshalb ist auch das Ergebnis ihrer Tätigkeit verschieden. Das ist ernst für uns alle, denn in Epheser 4,7 heisst es: «Jedem Einzelnen aber von uns ist die Gnade gegeben worden nach dem Mass der Gabe des Christus.» Obwohl es Diener des Herrn gibt, die eine besondere Aufgabe haben, sind wir doch alle verantwortlich, nach dem Mass mitzuhelfen, das der Herr uns zugeteilt hat.
Da erhebt sich von selbst die Frage: Wie bauen wir? Bauen wir nach den Grundsätzen des Wortes Gottes oder lassen wir menschlichen Grundsätzen und Meinungen Raum? Bauen wir unter der Leitung des Heiligen Geistes oder nach eigenem Gutdünken? Bauen wir zur Verherrlichung des Herrn oder zur Verherrlichung des Menschen? Das sind herzerforschende Fragen, denen wir nicht ausweichen wollen.
Zerstören oder aufbauen
In der Christenheit gibt es noch eine dritte Klasse von Arbeitern. Es sind solche, die den Geist Gottes nicht haben. Sie bauen eigentlich nicht, sondern verderben nur. Dennoch sind sie für das, was sie tun, verantwortlich. Das Urteil Gottes über sie lautet: «Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig, und solche seid ihr» (1. Kor 3,17).
Der Apostel fordert die Philipper auf: «Seht auf die Hunde, seht auf die bösen Arbeiter, seht auf die Zerschneidung» (Phil 3,2). Mit dem Ausdruck «Hunde» sind Arbeiter gemeint, die zerreissen und verderben. «Böse Arbeiter» gehorchen dem Herrn nicht, sondern handeln nach eigenem Gutdünken. Bei der «Zerschneidung» geht es um solche, die das Gesetz predigen, aber in Wirklichkeit eine Zerschneidung der sichtbaren Einheit herbeiführen. Diesen Arbeitern stellt der Apostel anschliessend solche gegenüber, die nach göttlichen Grundsätzen arbeiten: «Wir sind die (wahre) Beschneidung, die wir
- durch den Geist Gottes dienen und
- uns Christi Jesu rühmen und
- nicht auf Fleisch vertrauen» (Phil 3,3).
Bei der Verwirklichung dieser Grundsätze kommt der Mensch nicht zur Geltung. Das Fleisch erhält keinen Raum zur Entfaltung, denn es geht nicht darum, als Diener bei den Menschen beliebt zu sein. Wenn wir diese Prinzipien befolgen, kann unsere Arbeit Gott gefallen und Frucht bringen. Lasst uns deshalb immer nach diesen Grundsätzen arbeiten! Der Herr sagt: «Wer nicht mit mir sammelt, zerstreut» (Lk 11,23).
Der Verfall
Wenn man das verderbliche Wirken des Menschen ins Auge fasst, kann man wirklich nicht von einer «guten Entwicklung der Christenheit» reden, wie das so oft gesagt wird. Es handelt sich vielmehr um eine Entwicklung des Verderbens im christlichen Zeugnis. Der von Gott bewirkte gute Zustand war im Anfang da. Als die reine Lehre der Apostel noch mit Macht die Herzen der Erlösten beeinflusste und der Geist Gottes noch ungehindert wirken konnte, hiess es von den Gläubigen: «Sie verharrten aber in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten» (Apg 2,42). «Die Menge derer aber, die gläubig geworden waren, war ein Herz und eine Seele» (Apg 4,32). «Von den Übrigen (den ungläubigen Juden) aber wagte keiner, sich ihnen anzuschliessen» (Apg 5,13).
Betrachten wir dagegen den jetzigen Zustand der bekennenden Christenheit, dann bietet sich ein Bild der Zerrissenheit. Wie ist «die Lehre der Apostel» verdunkelt und verzerrt worden! Wie weit hat die Versammlung in ihrem Zeugnis die Tür für die «Übrigen» (die kein Leben aus Gott haben) geöffnet! Der Apostel Paulus sah dieses hereinbrechende Verderben voraus (Apg 20,29.30). Zu seinem grossen Schmerz musste er schon die ersten Anzeichen des Verfalls am Bau sehen, dessen Grund er gelegt hatte. Das veranlasste ihn, unter der Leitung des Geistes, den 2. Timotheus-Brief zu schreiben, der für unsere Zeit von grösster Wichtigkeit ist. Warum? Weil der Geist Gottes dort zeigt, wie der «Mensch Gottes» sich in diesem ruinierten Zustand des christlichen Zeugnisses verhalten soll.
Gottes Gedanken über sein Haus
Im 1. Timotheus-Brief schreibt Paulus als weiser Baumeister seinem treuen Mitarbeiter über die Verwaltung der Wahrheit, die der Herr dem Apostel anvertraut hatte. Er zeigt Timotheus, «wie man sich verhalten soll im Haus Gottes, das die Versammlung des lebendigen Gottes ist, der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit» (1. Tim 3,15). Es ist überaus wichtig, das angemessene Verhalten im Haus Gottes zu kennen und zu verwirklichen. Das geht aus dem hervor, was der Apostel über die Versammlung sagt.
- Erstens ist sie das Haus Gottes, in dem Gott auf der Erde wohnt. In Epheser 2,22 wird sie «die Behausung Gottes im Geist» genannt. Was für ein erhabener Gedanke ist das! Er stimmt das Herz so ernst und macht uns alles so wichtig, was wir – die zu diesem Haus gehören – in diesem Haus oder für dieses Haus tun! Gott selbst wohnt in der Versammlung auf der Erde, wie schwach und unvollkommen ihr Zustand auch sein mag. Sie ist sein Haus. Er beobachtet alle Vorgänge darin und wacht mit heiligem Eifer über die Ehre seines Namens.
- Zweitens wird sie als die Versammlung des lebendigen Gottes bezeichnet. Sie ist auf die Macht des Lebens in Christus, dem Auferstandenen und Sohn des lebendigen Gottes, gegründet. Sie befindet sich in der Welt, ist aber nicht von der Welt, sondern für Gott abgesondert. Sie ist sein Eigentum, seine Versammlung.
- Drittens nennt der Apostel die Versammlung den Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit. Sie ist nicht die Wahrheit. Christus ist die Wahrheit, so war Er einst hier. Auch das Wort Gottes ist die Wahrheit. Ausserdem lehrt die Versammlung nicht die Wahrheit, als wäre sie die Quelle davon und damit die Autorität für den Menschen. Nein, die Wahrheit war da, bevor die Versammlung bestand. Die Versammlung ist vielmehr dazu berufen, die offenbarte Wahrheit Gottes rein und lauter zu bewahren. Sie soll die Wahrheit auf der Erde festhalten und als Gottes Zeugin darstellen.
Wie wichtig ist es daher, dass man weiss, wie man sich in diesem Haus Gottes verhalten soll! Wenn der Mensch die göttlichen Anweisungen festgehalten hätte, statt seine eigenen Gedanken mit der Wahrheit zu vermischen, dann wäre die Versammlung in ihrer Darstellung das geblieben, was sie war: der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit! Sie würde heute noch als solche zur Ehre Gottes dastehen.
Schluss
Leider konnte Paulus schon in seinem zweiten Brief an Timotheus, der nur wenige Jahre nach dem ersten geschrieben wurde, der Versammlung diesen schönen Titel nicht mehr geben. Stattdessen nennt er das christliche Zeugnis ein «grosses Haus», in dem neben den Gefässen zur Ehre auch Gefässe zur Unehre einen Platz gefunden hatten (2. Tim 2,20). Die Grundfeste war, was ihre sichtbare Darstellung auf der Erde betraf, bereits erschüttert und der Pfeiler zerstört. Das den Menschen anvertraute Werk war geschwächt und das Zeugnis verfälscht.