Schlafen oder Wachen

Gottes Wort fordert uns an verschiedenen Stellen zur Wachsamkeit auf. Kinder Gottes sollen wach sein. Nur so können sie einen Dienst für ihren Herrn tun. Wenn sie geistlicherweise schlafen, erlahmt ihre Energie und sie werden in ihrem Dienst behindert. «Also lasst uns nun nicht schlafen wie die Übrigen, sondern wachen und nüchtern sein. Denn die, die schlafen, schlafen bei Nacht, und die, die betrunken sind, sind bei Nacht betrunken. Wir aber, die von dem Tag sind, lasst uns nüchtern sein, angetan mit dem Brustharnisch des Glaubens und der Liebe und als Helm mit der Hoffnung der Errettung» (1. Thes 5,6-8).

Geistliche Schläfrigkeit kann verschiedene Ursachen haben. Anhand von sieben Beispielen aus Gottes Wort wollen wir uns kurz mit einigen dieser Ursachen beschäftigen, um daraus Nutzen für unser praktisches Leben zu ziehen.

1. Simson – Weltförmigkeit (Ri 16,18-22)

Simson war ein herausragendes Werkzeug in der Hand Gottes. Durch ihn verschaffte Gott seinem Volk Israel Rettung aus der Hand der Philister. Simson wurde durch eine ausserordentliche Kraft gekennzeichnet, mit der Gott ihn ausgestattet hatte. Solange er diese Kraft besass, konnte Gott ihn gebrauchen. Doch der Feind war auch auf dem Plan. Er wollte Simson ausschalten. Dazu benutzte er eine Schwäche dieses Mannes: seine Liebe zur Welt. Simson hatte eine Schwäche für Frauen, und genau das wurde ihm zum Fallstrick. Auf den Knien einer fremden Frau schlief er ein, und die Folge war, dass der Herr von ihm weichen musste. Simson verlor seine Kraft und damit die Fähigkeit, Gott zu dienen. Sein Ende fand er im Gefängnis der Feinde.

Liebe zur Welt macht uns geistlicherweise schläfrig. Wir verlieren unser geistliches Unterscheidungsvermögen, werden schwach und damit unbrauchbar für unseren Herrn. Im Neuen Testament werden wir aufgefordert, stark und mannhaft zu sein. Das können wir nur, wenn wir uns nicht mit der Welt vermischen. Unsere Kraft liegt in der praktischen Verbindung zu unserem verherrlichten Herrn. Wenn wir uns mit dieser Welt verbinden, sind unsere Augen nicht mehr auf Ihn in der Herrlichkeit gerichtet, und wir verlieren unsere Kraft. Dann hat der Feind sein Ziel erreicht. Deshalb wollen wir die Warnung zu Herzen nehmen: «Liebt nicht die Welt, noch was in der Welt ist … Denn alles, was in der Welt ist, die Lust des Fleisches und die Lust der Augen und der Hochmut des Lebens, ist nicht von dem Vater, sondern ist von der Welt. Und die Welt vergeht und ihre Lust; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit» (1. Joh 2,15-17).

2. Elia – Entmutigung (1. Kön 19,1-18)

Ganz anders war die Situation von Elia. Auch er war ein Diener Gottes, der mitten im aktiven Dienst stand. Elia lebte gefährlich, denn die gottlose Königin Isebel trachtete nach seinem Leben. Solange er aber das Bewusstsein hatte, vor dem Angesicht des Herrn zu stehen, fürchtete er sich nicht. Doch plötzlich verlässt ihn der Mut. Er sieht auf die Umstände – und bekommt Angst. Er fürchtet um sein Leben und fällt in eine tiefe Depression. Traurig sitzt er unter dem Ginsterstrauch und schläft ein. Aller Lebensmut hat ihn verlassen. Er bittet Gott, seine Seele von ihm zu nehmen. Doch der Herr lässt seinen Knecht nicht fallen. Er kommt selbst zu ihm, um ihn wieder aufzurichten und zu ermuntern.

Machen wir diese Erfahrung nicht auch oft? Solange wir auf den Herrn sehen, geht alles gut. Doch plötzlich verlieren wir Ihn aus den Augen und sehen auf die Umstände. Wir werden mutlos und schlafen ein. Vielleicht sind die Zustände im örtlichen Zeugnis niederdrückend. Wir meinen wie Elia, wir stünden ganz allein da. Niemand sei da, der uns hilft. Vielleicht sehen wir gar keine Frucht von unserer Arbeit und unseren Bemühungen und sind deshalb entmutigt.

Vielleicht nimmt man unseren Dienst nicht an. Es gibt viele Gründe, plötzlich mutlos zu sein und einzuschlafen. Doch der Herr wird uns nicht lassen. Er hat Mittel und Wege, uns wieder aufzurichten und zu ermuntern. Elia ging in der Kraft der Nahrung, die er bekam, vierzig Tage und Nächte durch die Wüste. So wird das, was der Herr allein uns geben kann, ausreichen, den weiteren Weg im Dienst für Ihn zu gehen.

3. Die Braut – fehlende Zuneigung (Hld 5,2)

Die Braut im Hohenlied hat einen herrlichen Bräutigam. Seine ganze Zuneigung gehört ihr, und es ist sein Bemühen, ihre Liebe zu ihm zu wecken. Mit ergreifenden Worten beschreibt er das, was er in ihr findet. Dann kommt er zu ihr, um das zu geniessen, was ihm zusteht. Doch die Braut, obwohl sie ihren Bräutigam liebt, schläft ein. Er wartet auf sie – und geht dann, als sie ihm nicht aufmacht, langsam weiter. Als sie schliesslich aufsteht, um ihm aufzumachen, ist er weitergegangen. Sie geht ihm nach und macht dabei schmerzliche Erfahrungen, die sie sich hätte ersparen können, wenn sie nicht eingeschlafen wäre.

Fehlende Zuneigung zu unserem Herrn macht uns schläfrig. Der Herr Jesus sucht unsere Liebe und unsere Zuneigung zu Ihm wach zu halten. Nur wenn unsere Herzen wirklich brennend für Ihn sind, kann Er Freude an uns haben. Bei den Gläubigen in Ephesus musste Er mit Schmerz feststellen, dass sie ihre erste Liebe verlassen hatten. Das bedeutet, dass ihre Zuneigungen nicht mehr allein auf Ihn gerichtet waren. Die Folge war, dass der Leuchter aus seiner Stelle weggerückt wurde und ein Zeugnis für den Herrn nicht mehr möglich war. So wird es auch bei uns sein. Wirkliches Wohlgefallen kann der Herr nur an einem Herzen voller Zuneigung und Liebe zu Ihm finden.

So war es bei Maria Magdalene. Am frühen Morgen, als es noch dunkel war, schlief sie nicht. Die brennende Liebe zu ihrem Herrn liess sie zur Gruft laufen. Ihre Erkenntnis war gering, aber ihre Zuneigung gross. Deshalb war sie wach, als die anderen noch schliefen, und durfte eine wunderbare Begegnung mit ihrem Herrn erleben. Mögen wir ihr doch gleichen!

4. Jona – Ungehorsam (Jona 1,3-7)

Der Prophet Jona hatte einen klaren Auftrag von Gott bekommen. Er sollte nach Ninive gehen und den Menschen dort eine Botschaft Gottes sagen. Doch Jona weigerte sich, diesen Auftrag auszuführen. Er ging in die entgegengesetzte Richtung, um vor seinem Gott zu fliehen. Zunächst schien alles glatt zu gehen. Er fand ein Schiff, das ihn mitnahm. Doch sein Weg war ein Weg hinab. Er ging hinab nach Japho, stieg hinab in das Schiff und schliesslich hinab in den unteren Schiffsraum. Dort legte er sich hin und fiel in einen tiefen Schlaf. Das war zunächst das Ende seines Weges auf der Flucht vor Gott und seinem Auftrag. Doch als er geweckt wurde, musste er die schmerzliche Erfahrung machen, dass sein Weg noch weiter hinabführte. Gott handelte mit ihm, und schliesslich fand er sich im Bauch des Fisches wieder.

Ungehorsam gegen Gottes Gedanken ist ein weiterer Grund für geistliche Schläfrigkeit. Eine Grundvoraussetzung, um dem Herrn dienen zu können, ist Gehorsam. An vielen Stellen werden wir zum Gehorsam aufgefordert. Petrus spricht davon, dass wir zum Gehorsam Jesu Christi auserwählt worden sind (1. Pet 1,2). Der Herr Jesus ist unser einzigartiges Vorbild. Er war der vollkommene Diener. Als solcher liess Er sich jeden Morgen das Ohr öffnen, d.h. Er war bereit, in allem auf die Stimme seines Gottes zu hören. Der Apostel Paulus folgte in den Fussspuren seines Herrn. Als er auf dem Weg nach Damaskus dem Herrn begegnete und von Ihm den Auftrag bekam, sein Diener und Zeuge zu werden, war er gehorsam. Er bezeugte selbst: «Daher … war ich nicht ungehorsam dem himmlischen Gesicht» (Apg 26,19). So sollten auch wir uns durch Gehorsam auszeichnen. Gott hasst Ungehorsam. König Saul musste die Worte hören: «Denn wie Sünde der Wahrsagerei ist Widerspenstigkeit und der Eigenwille (die Widersetzlichkeit) wie Abgötterei und Götzendienst» (1. Sam 15,23). Damit war sein Königtum von Gott verworfen. Der Ungehorsam hatte ihn für Gott unbrauchbar gemacht.

5. Die zehn Jungfrauen – fehlendes Ausharren (Mt 25,1-13)

Der Herr Jesus erzählte ein Gleichnis von zehn jungen Mädchen, Vor ihnen stand ein grosses Ereignis. Sie warteten auf den Bräutigam, um mit ihm zur Hochzeit zu gehen. Doch als der Bräutigam verzog zu kommen, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein. Bei allen Unterschieden, die es zwischen den klugen und den törichten Jungfrauen gab, in diesem Punkt waren sie alle gleich: Sie wurden müde und schliefen ein. Was ihnen fehlte, war ein konzentriertes Erwarten des Bräutigams.

Wir wissen, dass sich die Kirchengeschichte in diesem Gleichnis wiederfindet. Jahrhundertelang war der Gedanke an das baldige Kommen des Herrn fast verloren gegangen. Jetzt aber wollen wir diese Frage an uns persönlich richten. Warten wir wirklich mit Ausharren auf das Kommen unseres Herrn? Oder werden auch wir müde und schlafen ein? Es ist eine Sache, vom Kommen des Herrn zu wissen, es ist eine andere Sache, wirklich täglich und stündlich auf Ihn zu warten. Sind wir nicht alle geneigt, uns in dieser Welt so zu verhalten, als ob alles so bliebe, wie es ist? Wir fühlen uns heimisch und wohl, und dann ist die Gefahr gross, dass wir plötzlich einschlafen und gar nicht mehr an unseren Herrn denken. «Und ihr, seid Menschen gleich, die auf ihren Herrn warten, wann irgend er aufbrechen mag von der Hochzeit, damit, wenn er kommt und anklopft, sie ihm sogleich aufmachen. Glückselig jene Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend finden wird!» (Lk 12,36.37).

6. Die Jünger – fehlende Abhängigkeit (Lk 22,39-46)

Ergreifende Szene! Der Herr Jesus steht kurz vor seinem Werk am Kreuz. Gemeinsam mit seinen Jüngern geht Er auf den Ölberg. Dort will Er vor den schrecklichen Stunden, die vor Ihm stehen, zu seinem Vater beten. Er lässt seine Jünger mit den Worten zurück: «Betet, dass ihr nicht in Versuchung kommt.» Dann entfernt Er sich einen Steinwurf weit, um betend zu ringen. Als Er zurückkommt, findet Er die Jünger eingeschlafen – vor Traurigkeit. Statt mit Ihm zu wachen, wurden sie müde und schliefen ein. Welch ein Schmerz für den Herrn, der doch Herzen suchte, die ein wenig mit Ihm empfinden würden. Die Versuchung war ihnen nahe, und sie unterlagen ihr.

Gebet und Wachsamkeit sind eng miteinander verbunden. «Verharrt im Gebet und wacht darin mit Danksagung», schreibt der Apostel Paulus den Kolossern (Kol 4,2). Im Gebet drücken wir unsere Abhängigkeit aus. In eigener Kraft sind wir nicht in der Lage, unseren Weg zur Freude unseres Herrn zu gehen. Nein, wir brauchen die Verbindung nach oben – durch das Gebet. Wer betet, gibt zu erkennen, dass er Weisung von oben braucht. Wenn wir nicht mehr wachsam beten, werden wir müde und schlafen ein. Warum wird heute soviel über geistliche Schwachheit geklagt? Ist fehlende Wachsamkeit im Gebet nicht eine Ursache dafür? Deshalb sollten wir uns die Worte des Herrn zu Herzen nehmen: «Betet, dass ihr nicht in Versuchung kommt.»

7. Eutychus – fehlende Aufmerksamkeit (Apg 20,7-12)

Auf seinem Weg nach Jerusalem war der Apostel Paulus nach Troas gekommen. Am Abend des ersten Wochentages kamen die Geschwister zusammen, um das Brot zu brechen. Danach verkündigte Paulus das Wort. Die Zeit wurde lang, es ging auf Mitternacht zu. Ein junger Mann namens Eutychus sass im Fenster. Je länger Paulus sprach, umso weniger hörte er zu. Er wurde müde – und wurde von einem tiefen Schlaf überwältigt. Dieser Schlaf hatte böse Folgen. Er fiel vom dritten Stock herunter und wurde tot aufgehoben. Nur durch ein Wunder wurde ihm das Leben wiedergeschenkt.

Fehlende Aufmerksamkeit auf das Wort ist eine weitere Ursache für geistlichen Schlaf. Im Gebet reden wir zu Gott. Durch das Wort Gottes redet Gott zu uns. Beides haben wir nötig. Das Lesen des Wortes ist Nahrung und Erquickung für unsere Seele. «Er lagert mich auf grünen Auen, er führt mich zu stillen Wassern, er erquickt meine Seele» (Psalm 23,2.3). Wie nötig haben wir alle, auf das Wort zu achten. «Und wie neugeborene Kinder seid begierig nach der vernünftigen, unverfälschten Milch» (1. Pet 2,2). Wir kennen die Begierde eines neugeborenen Kindes nach der Milch der Mutter. Wenn es keine Nahrung bekommt, schreit es. So braucht auch unsere Seele Nahrung. Womit ernähren wir uns? Versuchen wir unseren Hunger mit der Nahrung dieser Welt zu stillen oder ernähren wir uns vom Wort unseres Gottes? Das Wort Gottes zu vernachlässigen, ist gefährlich. Wir schlafen ein und wie Eutychus können wir dann einen tiefen Fall tun. Wahrer Dienst für den Herrn ist nur möglich, wenn wir uns durch das Wort Gottes prägen lassen.

Schlafen wir, oder wachen wir? Wenn wir eingeschlafen sind, dann wollen wir uns von unserem Herrn aufwecken lassen. Er möchte uns gebrauchen, aber dazu müssen wir wach sein. «Wacht, steht fest im Glauben; seid mannhaft, seid stark!» (1. Kor 16,13).