Vergebung

Wer braucht Vergebung?

Vergebung braucht, wer eine Schuld gegenüber Gott oder gegenüber Menschen auf sich geladen hat. Gott muss Sünde und Schuld bestrafen. Wem aber die Schuld vergeben wurde, für den gibt es kein Gericht mehr. Die göttliche Vergebung befreit uns von der Strafe.

Der Gott der Vergebung

Betrachten wir zuerst unseren Gott. Er hat in der Bibel ganz verschiedene Namen. Einer davon ist: «Gott der Vergebung.» Diesen Namen finden wir nur einmal, und zwar in Nehemia 9,17b: «Du aber bist ein Gott der Vergebung, gnädig und barmherzig, langsam zum Zorn und gross an Güte und du verliessest sie nicht.» Wenn Gott so vorgestellt wird, wird auch gleich gezeigt, was das bedeutet:

Er ist erstens gnädig. Das heisst, dass Gott gerne schenken will, dass Er geben möchte. Viele haben eine ganz falsche Vorstellung von Gott. Sie denken, Er sei ein Gott, der nur fordert. Aber wir haben es mit einem Gott zu tun, der schenken will.

Zweitens wird gesagt, dass Er barmherzig ist. Gottes Herz ist bewegt, wenn Er das Elend des Menschen sieht. Er beschäftigt sich mit unserem Elend. Es ist etwas Wunderbares, dass der einzelne Mensch Ihm nicht gleichgültig ist.

In Lukas 10 finden wir eine Geschichte, die zeigt, was Barmherzigkeit ist. Der Herr Jesus selbst erzählt von einem Mann, der von Jerusalem nach Jericho hinabgeht. Es ist ein falscher Weg, ein Weg hinab. In der Bibel ist ein abwärts führender Weg oft ein Weg, der von Gott wegführt. Nun wird dieser Mann von Räubern überfallen, die ihn halbtot liegen lassen. Zwei vorbeikommende Menschen gehen an der anderen Seite und an ihm vorüber. Aber der dritte, ein Samariter, geht hin und bückt sich zu dem nieder, der im Elend liegt, der an den Folgen seiner Sünden leidet und sich selbst nicht helfen kann.

Der Herr Jesus fragt dann den, dem er das Gleichnis erzählt hat: «Wer von diesen dreien, meinst du, ist der Nächste gewesen von dem, der unter die Räuber gefallen war? Er aber sprach: Der die Barmherzigkeit an ihm tat.» Das ist also Barmherzigkeit, wenn man sich um jemanden kümmert, der durch eigene Schuld am Boden liegt und sich nicht mehr selber helfen kann.

Drittens ist der Gott der Vergebung langsam zum Zorn. Wenn ein Mensch gesündigt hat, muss er das Gericht Gottes und die ewige Verdammnis erwarten. Der Gott der Vergebung ist auch ein heiliger Gott, ein Gott, der gegen den zürnt, der gesündigt hat. Aber hier sehen wir das Wunderbare, dass Er langsam zum Zorn ist. Das heisst, wenn ein Mensch gesündigt hat, warnt Gott ihn und wartet. Er liebt es nicht, Gericht über den Menschen zu bringen, obwohl Er das seiner Heiligkeit gemäss tun muss. Aber Er vollstreckt das Urteil nicht schnell, Er ist langsam zum Zorn. Gott bringt nie ein Gericht über den Menschen, ohne ihn gewarnt zu haben. Dies ist übrigens auch für die Kindererziehung wichtig. Zuerst warnen, und erst, wenn die Warnung nicht beachtet wird, strafen. So handelt auch Gott.

Viertens ist der Gott der Vergebung gross an Güte. Er will für jeden Menschen das Gute, sowohl für das Leben hier auf der Erde als auch für die Ewigkeit.

Als fünftes haben wir gefunden: Du verliessest sie nicht. Das ist eine wunderbare Tatsache! Obwohl der Mensch gesündigt und gegen Gott rebelliert hat, hat Dieser ihn nicht verlassen. Er ist dem Sünder nachgegangen, schon dem allerersten.

Voraussetzungen für Vergebung

«So steht geschrieben, dass der Christus leiden und am dritten Tag auferstehen sollte aus den Toten und in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden gepredigt werden sollten allen Nationen, angefangen von Jerusalem» (Lk 24,46.47).

Hier spricht der Herr Jesus von Buße und Vergebung der Sünden. Die Voraussetzung, um Vergebung der Sünden zu empfangen, ist also Buße. Was ist Buße?

Es gibt Menschen, die glauben, man müsse gute Werke tun, sich Bußübungen auferlegen, wallfahren, Geld spenden usw., um Sünden abzubüßen. Aber das ist nicht Buße nach Gottes Gedanken. Zwei Stellen aus Gottes Wort zeigen besonders deutlich, was Buße ist:

«Der Gottlose verlasse seinen Weg und der Mann des Frevels seine Gedanken; und er kehre um zu dem HERRN, so wird er sich seiner erbarmen, und zu unserem Gott, denn er ist reich an Vergebung» (Jes 55,7).

«Als er aber zu sich selbst kam, sprach er: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben Überfluss an Brot, ich aber komme hier um vor Hunger. Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und will zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir, ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heissen; mache mich wie einen deiner Tagelöhner. Und er machte sich auf und ging zu seinem Vater» (Lk 15,17-20).

Buße besteht aus zwei Teilen: Sinnesänderung und Umkehr. Das sind die beiden biblischen Elemente, die wir in Jesaja 55 finden. Er verlasse seine Gedanken heisst, die Gedanken, die man bis jetzt gehabt hat, wegtun und Gedanken annehmen, die den Gedanken Gottes entsprechen. Er verlasse seinen Weg bedeutet Umkehr. Diese zwei Elemente finden wir auch in Lukas 15 in der Geschichte vom verlorenen Sohn. Er verlangte seinen Teil des Vermögens und wollte vom Vater weggehen. Er dachte: Weit weg vom Vater ist es am besten. Die Konsequenz war, dass er tief hinabsank, alles verlor und vor Hunger begehrte, seinen Bauch mit Schweinefutter zu füllen. Doch dann tritt die grosse Wende ein: Er kommt zu sich selbst. Nun sehen wir die Sinnesänderung. Vorher hat er gedacht, möglichst weit weg vom Vater sei es am besten. Jetzt denkt er plötzlich: Möglichst nahe beim Vater ist es am besten. Hier sehen wir, dass Buße zunächst eine Sache des Herzens ist. Er spricht zu sich selbst, gewissermassen in seinem Herzen: «Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und will zu ihm sagen …» Aber dann kommt die ganz wichtige zweite Sache: «Und er machte sich auf und ging zu seinem Vater.» Das ist die Umkehr.

Die Sinnesänderung können die Menschen um uns her nicht sehen. Aber die Umkehr kann man sehen. Zuerst haben die Leute diesen Sohn gesehen, wie er vom Vater weggeht. Nach einer Zeit dreht der Verlorene sich um und läuft wieder zurück. Die Sinnesänderung haben die Menschen nicht gesehen, wohl aber die Umkehr.

Buße hat also zwei Elemente: ein verborgenes, inneres Element: die Sinneswandlung, und ein äusseres, sichtbares Element: die Umkehr. Diese Buße ist Voraussetzung, damit ein Mensch Vergebung empfangen kann.

Die Grundlage der Vergebung

Warum kann Gott vergeben? Die wichtige Grundlage, auf der Er vergeben kann, finden wir im Wort Gottes:

«Um unserer Übertretungen willen war er verwundet, um unserer Ungerechtigkeiten willen zerschlagen. Die Strafe zu unserem Frieden lag auf ihm, und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden» (Jes 53,5).

«Der selbst unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen hat» (1. Pet 2,24).

«Denn es hat ja Christus einmal für Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, damit er uns zu Gott führe» (1. Pet. 3,18).

«Denn ich habe euch zuerst überliefert, was ich auch empfangen habe: dass Christus für unsere Sünden gestorben ist nach den Schriften» (1. Kor 15,3).

Wir richten jetzt unsere Blicke nach Golgatha, denn dort wurde die Grundlage gelegt, damit ein heiliger Gott Sünden vergeben kann. Er kann nicht ohne weiteres vergeben, ohne dass eine Ihm entsprechende Grundlage vorhanden ist. Am Kreuz auf Golgatha wurde diese Grundlage gelegt.

Aus Jesaja 53 erkennen wir, dass der Herr Jesus auf Golgatha für unsere Sünden von einem heiligen Gott bestraft worden ist. In 1. Petrus 2 sehen wir, dass Er alle unsere Sünden auf sich genommen hat. In 1. Petrus 3 finden wir, dass Er für Sünden gelitten hat, und 1. Korinther 15 spricht davon, dass Er für unsere Sünden in den Tod ging. Weil dies alles geschehen ist, kann Gott uns vergeben.

Die Auswirkungen der Vergebung

«Seid aber zueinander gütig, mitleidig, einander vergebend, wie auch Gott in Christus euch vergeben hat. Seid nun Nachahmer Gottes, als geliebte Kinder, und wandelt in Liebe, wie auch der Christus uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat als Darbringung und Schlachtopfer, Gott zu einem duftenden Wohlgeruch» (Eph 4,32-5,2).

«Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit» (1. Joh 1,9)

«Das Gebet des Glaubens wird den Kranken heilen, und der Herr wird ihn aufrichten, und wenn er Sünden begangen hat, wird ihm vergeben werden. Bekennt nun einander die Sünden» (Jak 5,15).

Die Auswirkung der Vergebung ist, dass wir einander vergeben. Einander vergeben bedeutet, dass Gott von seinen Kindern eine vergebende Grundhaltung erwartet, eine Bereitschaft zu vergeben, wenn sich andere an ihnen versündigt haben.

Seid aber gegeneinander gütig bedeutet für uns Kinder Gottes, die wir seine Güte erfahren haben, diese Haltung auch gegenüber anderen zu haben. Wir sollen für den anderen nicht das Böse, sondern das Gute suchen.

Seid mitleidig heisst eigentlich: Habt Mitgefühl miteinander. Das ist nicht immer einfach, denn auch unter Gläubigen und in christlichen Ehen und Familien kann es vorkommen, dass der eine gegen den anderen sündigt. Wenn man von Gläubigen, die einem nahestehen, im Herzen tief verletzt wird, ist es nicht einfach, eine vergebende Haltung zu haben. Eigentlich können wir das gar nicht, denn diese Haltung wurde uns nicht in die Wiege gelegt. Wir können es nur, wenn wir uns bewusst sind, wie Gott uns vergeben hat. Das ist der einzige Weg, um überhaupt einander vergeben zu können.

Vergeben, vergessen, bekennen

Wenn wir jemandem vergeben, bedeutet dies, dass für ihn jetzt keine Folgen wegen seiner Verfehlung mehr da sind. Wir sind vielleicht schnell bereit zu vergeben, aber die Konsequenzen lassen wir bestehen. Wir sind vielleicht nicht mehr so freundlich zu ihm wie zu andern. In christlichen Ehen und Familien und auch unter Gläubigen, die an einem Ort zusammenkommen, besteht die grosse Gefahr, dass man sich innerlich voneinander zurückzieht. Man sagt: Jetzt hat er oder sie mich verletzt, jetzt nehme ich Abstand von ihm oder von ihr. Aber das ist keine vergebende Haltung, keine Bereitschaft, zu vergeben.

Wenn es aber so ist, dass sich mein Bruder nicht nur einmal, sondern immer und immer wieder an mir versündigt, wie oft soll ich ihm vergeben? Diese Frage hat schon Petrus beschäftigt: «Dann trat Petrus zu ihm und sprach: Herr, wie oft soll ich meinem Bruder, der gegen mich sündigt, vergeben? Bis siebenmal? Jesus spricht zu ihm: Nicht bis siebenmal, sage ich dir, sondern bis siebzig mal sieben» (Mt 18,21.22). Siebzig mal sieben heisst ohne Ende. Die vergebende Haltung darf nie zu Ende gehen. Es gibt also keinen Fall, der uns das Recht gibt, nicht mehr zu vergeben.

Man hört manchmal die Äusserung: «Ich vergebe, aber vergessen werde ich das nicht.» Es ist natürlich so, dass wir gewisse Dinge vielleicht nicht aus unserem Gedächtnis entfernen können, aber es ist wichtig, dass wir sie in unserem Herzen vergessen. Von Gott heisst es: «Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken.» Das ist die wunderbare Eigenschaft Gottes, dass Er Sünden, die Er vergeben hat, die in Ordnung gebracht sind, vergessen kann. Aber auch wir sollen in unseren Herzen vergessen. Darum finden wir in Epheser 5 weiter, dass wir Nachahmer Gottes sein sollen. Das neue Leben in uns befähigt uns und wünscht es auch, Gott, der uns vergeben hat, nachzuahmen.

Bekennt denn einander die Vergehungen. Vergebung kann aber nur zum Abschluss kommen, wenn auch der Schuldige die Sünden bekennt, zuerst vor Gott, dann aber auch vor den Menschen. Das ist ein wichtiger göttlicher Grundsatz. Nur soll er nicht falsch verstanden werden, etwa so, dass Gläubige einander Sünden bekennen, die sie wohl in ihrem Herzen und in ihren Gedanken begangen, die aber den andern gar nicht getroffen haben. Sünden, die nur in Gedanken getan wurden, brauchen niemandem erzählt und bekannt zu werden, als nur Gott.

Bestimmt sind wir alle schon einmal in die Lage gekommen, jemandem eine Sünde zu bekennen. Wenn dieser eine vergebende Haltung zeigt, fällt das Bekennen viel leichter, als wenn wir zu jemandem gehen müssen, der ein hartes Herz hat und eine verurteilende Haltung einnimmt. Eine vergebende Haltung wird das Bekennen von Sünden fördern und nicht verhindern!

Kinder Gottes sollten aber nicht nur eine vergebende, sondern auch eine bekennende, eine bußfertige Haltung an den Tag legen. Bei unserer Bekehrung haben wir eine bußfertige Haltung eingenommen, und da ist uns der Herr Jesus in Gnade begegnet. Aber es besteht die Gefahr, dass wir im Lauf unseres Christenlebens wieder in die Haltung der Ungläubigen kommen, indem wir nicht mehr bekennen möchten. Ein Gläubiger soll jedoch sein Leben lang die Bereitschaft beibehalten, zu bekennen, wenn er gesündigt hat.

Schon im Alten Testament sagt Gott ganz deutlich, dass Er auf den blickt, der diese bußfertige Haltung einnimmt: «Auf diesen will ich blicken: auf den Elenden und den, der zerschlagenen Geistes ist, und der da zittert vor meinem Wort» (Jes 66,2).

Auch im Neuen Testament können wir dies finden. Da sehen wir, wie Menschen zu Johannes dem Täufer kamen, um von ihm getauft zu werden. Das war die Taufe der Buße. Dann reiht sich der Herr Jesus bei diesen Bußfertigen ein, nicht weil Er selbst hätte Buße tun müssen, denn Er war und ist völlig rein und heilig. Er hat nie eine Sünde getan, und dennoch reiht Er sich bei ihnen ein, um zu zeigen, dass Er bei denen ist, die bereit sind, Buße zu tun.

Zusammenfassung

Wir haben nun zwei wichtige Haltungen für uns Gläubige gesehen. Es sind innere Haltungen, die Auswirkungen im praktischen Leben hervorbringen sollen. Die eine ist die des Vergebens, die andere die des Bekennens. Wenn diese in unserem Leben vorhanden sind, entstehen glückliche Ehen und Familien. Dann ist auch ein glückliches Zusammengehen an dem Ort, wo Gläubige zum Namen des Herrn Jesus hin zusammenkommen, Tatsache. Dann wird unser Leben zur Ehre unseres Herrn ausschlagen.