Verstehst du auch, was du liest?

Die Bildersprache der Bibel

Die Sprache der Bibel ist keineswegs trocken. Gott kleidet seine Gedanken und Lehren in eine unerschöpfliche Fülle verschiedenartigster Bilder. Er weiss, dass wir Ihn dann besser verstehen. Auch bleibt die Wahrheit in bildhafter Form in der Seele besser haften.

Besser verstehen? – Kommt es uns nicht manchmal vor, diese Bilder seien zusammengerollt und mit einem Schloss versehen, es sei nichts damit anzufangen? Aufgepasst! Oft liegen die Schlüssel gleich daneben und manchmal sind sie weiter hinten im Buch, in den Evangelien und Briefen verstreut, zu finden.

Das gibt allerhand Sucharbeit. Die Bibel ist für emsige Leute geschrieben, für solche, die ihren Schätzen eifrig nachspüren. Jenen, die in Eile immer nur an den gleichen Versen «nippen», bleibt sie allerdings so gut wie verschlossen.

Es gibt Christen, die die Bilder wörtlich und ohne die dazu gehörende biblische Auslegung auf sich anwenden wollen. Weil es in der Schrift heisst:

«Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Reich der Himmel eingehen» (Mt 18,3), meinten gewisse Leute zur Zeit der Reformation, sie müssten sich nun wieder wie kleine Kinder benehmen … Und weil der Herr (Johannes 13) die Jünger auffordert, einander die Füsse zu waschen, wie Er es ihnen getan habe, waschen heute die Mitglieder einer gewissen Gruppe von Christen einander regelrecht die Füsse, mit Wasser und Handtuch. Das sind bedauerliche Verirrungen.

Andere wieder glauben, die Schlüssel zum Öffnen der Bilder des Wortes Gottes im Stübchen des eigenen Verstandes anfertigen zu müssen. Das hat in der Christenheit schon unzählige Irrtümer heraufbeschworen. So hat man zum Beispiel auf das Gleichnis in Matthäus 13,33 den Schlüssel menschlicher Deutung angewendet und behauptet: Der Sauerteig, den eine Frau nahm und unter drei Mass Mehl mengte, bis es ganz durchsäuert war, sei ein Bild von der christlichen Botschaft. Sie werde in der Welt immer mehr Fuss fassen und sich ausbreiten, bis alle Länder davon durchdrungen und das Reich der Himmel auf der ganzen Erde aufgerichtet sei. – Hätte man sich aber die Mühe genommen, der Bedeutung des «Sauerteiges» im Wort Gottes selber nachzuspüren, wäre man zu einem ganz anderen Schluss gekommen. Die Stellen in Matthäus 16,6.11; Markus 8,15; Lukas 12,1; 1. Korinther 5,6-8; Galater 5,7-9 zeigen deutlich, dass «Sauerteig» ein Bild vom sittlichen und lehrhaften Bösen ist, das sich in der Christenheit immer mehr ausbreitet, bis sie schliesslich reif ist zum Endgericht. Statt uns zu veranlassen, von einer kommenden besseren Welt zu träumen, warnt uns also dieses Gleichnis vor dem immer mehr überhand nehmenden Bösen. Welch ein Unterschied! Das Wort Gottes erklärt sich selber. Die Spekulationen des Menschengeistes sind uns ein Hindernis. Wir müssen das immer wieder betonen.

Es liegt nicht in unserer Absicht, alle Bilder des Wortes Gottes aufzuzählen. Sie würden allein schon ein ganzes Buch füllen. So Gott will, werden wir in dieser Schrift im Lauf der Zeit wohl auf eine ganze Anzahl zu sprechen kommen. Wir begnügen uns jetzt damit, an einige Gruppen zu erinnern.

Gleichnisse

Da sind einmal die vielen Gleichnisse, die unser Herr dem Volk, den Pharisäern und Schriftgelehrten sowie den Jüngern selbst erzählt hat. Wir finden sie besonders im Matthäus- und Lukas-Evangelium. Wir kennen sie schon vom Elternhaus und von der Sonntagsschule her. Sie sind von einer Schlichtheit, dass ein Kind sie verstehen kann, und haben eine so tiefe Bedeutung, dass auch ein gereifter Christ diese Bilder immer und immer wieder betrachtet und grossen Segen dabei empfängt.

Das Alte Testament

In 1. Korinther 10,1-11 werden wir aufgerufen, auch die ganze Geschichte des Volkes Israel, wie sie uns das Alte Testament beschreibt, als eine grosse Sammlung von Bildern zu betrachten: «Diese Dinge sind als Vorbilder für uns geschehen», sie «widerfuhren jenen als Vorbilder und sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung, auf die das Ende der Zeitalter gekommen ist», lesen wir im 6. und 11. Vers. So sind wir also von Gott selber angewiesen, anhand anderer Teile des Wortes Gottes den tiefen Sinn all dieser Vorbilder zu ergründen, um als einzelne Christen oder auch als das himmlische Volk Gottes die mannigfaltigsten Unterweisungen dadurch zu empfangen.

In den Büchern Mose finden wir ausser den geschichtlichen Ereignissen eine gewaltige Fülle von Anweisungen, Verordnungen und Gesetzen betreffend die darzubringenden Opfer, das Priestertum, die Beschaffenheit der Stiftshütte und ihrer Geräte, usw. Sie alle wären für uns bedeutungslos, wenn sie nicht hindeuteten auf das «Bessere», auf Christus, auf sein ein für alle Mal geschehenes Opfer und auf die daraus hervorgegangenen, für uns so gesegneten Resultate. Für uns, die wir auf diesem vollbrachten Werk ruhen, bilden diese «Schatten der zukünftigen Güter» (Heb 10,1) eine reiche Fundgrube wertvollsten Anschauungsmaterials. Es macht uns die lehrhaften Unterweisungen der Apostel, die in ihren Schriften die Herrlichkeit Christi und die wunderbaren Ergebnisse seines Werkes beschreiben, erst recht klar und eindrücklich.

Personen

Schliesslich weisen wir noch auf eine weitere Bildergruppe hin: Auf Personen des Alten Testaments, wie Joseph, David (auch in den Psalmen), Salomo und andere, die deutliche Vorbilder auf Christus hin sind.

Ein gläubiger Lehrer, der sich für das Sonntagschulwerk und für die Verbreitung des Evangeliums unter den Kindern voll einsetzte, hat gerade das bezweifelt. Er meinte, man dürfe in der so ausführlich erzählten Geschichte Josephs nichts anderes sehen, als die Lebensbeschreibung eines gottesfürchtigen Israeliten, der von Gott geprüft und seiner Treue wegen von Ihm gesegnet und zum Retter seines Volkes bestimmt worden sei. Dadurch sei er uns schon genügend Vorbild.

Vergleichen wir aber die Erlebnisse und Erfahrungen Josephs mit den Einzelheiten des Weges unseres Herrn auf dieser Erde, so drängt sich uns die unbestreitbare Tatsache auf: Joseph ist eines der schönsten und vollständigsten Vorbilder auf Christus hin. Das lässt sich durch zahlreiche Bibelstellen belegen.

Im ganzen Wort und wohl auf jeder Seite begegnen wir dem Finger Gottes, der auf den «Sohn seiner Liebe» hinweist. Gott will uns nicht so sehr auf Personen oder Dinge aufmerksam machen, als vielmehr auf Ihn, auf seine Schönheiten und Herrlichkeiten. Wenn wir also in den ungezählten Bildern seines Wortes vor allem die Person Jesu suchen, dann sind wir auf der rechten Fährte zum richtigen Verständnis. (Siehe Joh 5,39; Röm 15,34 usw.) Wir werden dabei auch den Zugang zu andern Wahrheiten finden, die uns Gott damit eindrücklich machen will.