«Ich habe oft so wenig Lust, das Wort Gottes zu studieren und all die Schriften und Bücher, die mir helfen könnten, die Heilige Schrift besser zu verstehen! Wenn ich vor oder nach meiner anstrengenden Tagesarbeit überhaupt Zeit dazu finde, so lese ich wohl ein wenig, aber ohne rechten Hunger, mehr aus dem Bewusstsein heraus, es sei eine notwendige Pflicht.
Ich lese zwar manches andere, schon um beruflich und kulturell auf der Höhe zu bleiben. Manchmal aber, wenn die vielen Aufgaben des Tages erledigt sind, dann fühle ich mich so abgespannt, dass mein Fassungsvermögen gerade noch zur leichten Kost der Tagesneuigkeiten reicht.»
Auf eine Rundfrage unter den Kindern Gottes: «Lesen Sie viel in der Bibel?» würden wir heute zweifellos manche solcher und ähnlicher Antworten erhalten. Viele leiden an geistlicher Appetitlosigkeit und wissen es nicht oder meinen, das habe wenig zu sagen.
Aber ist es wirklich so nebensächlich, von welcher Speise sich mein Herz nährt? – Die Geschichte des Volkes Gottes in alter Zeit hilft uns, die rechte Antwort zu finden.
Die Kinder Israel waren einst in Ägypten und unter der Herrschaft Pharaos. Sie waren seine Sklaven und mussten ihm dienen. Die Speise Ägyptens: Fleisch, Fische, Gurken, Melonen und Lauch, Zwiebeln und Knoblauch wurde ihnen gegeben, um sie für diesen Sklavendienst am Leben zu erhalten. Die Lebensbedingungen waren so hart, dass sie seufzten und schrien.
Gott erbarmte sich ihrer. Er erlöste sie durch das Blut des Passahlammes und führte sie mit starker Hand aus Ägypten heraus durch das Rote Meer.
Nun lag diese lange, breite und tiefe Wassergrenze zwischen Israel und Ägypten. Für immer. Kein Sklavendienst, keine Treiber, keine Peitsche, aber auch keine Speise Ägyptens mehr!
Sie waren jetzt auf der Reise dem Land der Verheissung entgegen. Gott war in ihrer Mitte; Er führte sie zu diesem schönen Ziel. Er war ihr Gott und sie waren sein Eigentum. Sie sollten nun niemandem mehr dienen als nur Ihm allein. Er sorgte für sie, spaltete Felsen in der Wüste und tränkte sie reichlich wie aus Tiefen. Er liess Manna auf sie regnen, «Himmelsspeise», «Brot aus dem Himmel», «Brot der Starken». Das war jetzt die ihnen von Gott bestimmte Speise, um dieses andere, neue «Leben für Gott» zu unterhalten, und Er sandte sie ihnen «bis zur Sättigung» (Ps 78).
Auch wir Kinder Gottes können von einem grossen Wechsel erzählen. Auch unser Passah, Christus, ist geschlachtet (1. Kor 5,7). Sein Blut hat uns erlöst. Wir waren Sklaven der Sünde; aber auch wir durften trockenen Fusses durch das «Rote Meer» ziehen (ein Bild vom Tod Christi für uns). Wir sind jetzt befreit und Gottes Sklaven geworden (Römer 6). Wir sind der Herrschaft Satans, des Fürsten dieser Welt, entronnen und haben nun einen andern, einen guten Herrn – Jesus Christus, der sein eigenes Leben für uns hingegeben hat, damit wir errettet würden. Wir sind nun nicht mehr «von der Welt». Jesus selbst bestätigt es mehrere Male (Joh 15,19; 17,14 und 17,16). Das Kreuz Christi steht zwischen der Welt und uns (Gal 6,14). Der Stellung nach sind wir sogar jetzt schon in die himmlischen Örter versetzt in Christus (Eph 2,6). Wir wollen und wir können nicht mehr zurück.
Auch unsere Speise hat gewechselt.
Als wir noch «von der Welt» waren, nährten wir uns von dem, «was in der Welt ist». Wir suchten die Lust des Fleisches, die Lust der Augen und den Hochmut des Lebens zu befriedigen. Jene Nahrung war «nicht vom Vater». Sie diente nur dazu, den Dienst der Sünde unter der Herrschaft Satans zu unterhalten. Aber gleich dem «verlorenen Sohn» in Lukas 15 litten wir Mangel dabei. Niemand gab uns, was die Bedürfnisse unseres Herzens zu stillen vermochte. Wir waren im Begriff, umzukommen vor Hunger. Wir seufzten und schrien.
Nun sind wir aber zu Gott zurückgekehrt. Wir sind seine Kinder geworden, sitzen jetzt an der Tafel des Vaters und essen die köstliche Speise, die Er uns vorsetzt. Jesus sagt: «mein Vater gibt euch das wahrhaftige Brot aus dem Himmel. Denn das Brot Gottes ist der, der aus dem Himmel herabkommt und der Welt das Leben gibt … Ich bin das Brot des Lebens: wer zu mir kommt, wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, wird niemals dürsten» (Joh 6,32-35).
Nachdem der Sohn in die Welt gekommen und durch sein Werk am Kreuz und seine Auferstehung für uns das Brot des Lebens geworden ist, reicht uns Gott diese Nahrung durch das Mittel seines geschriebenen Wortes täglich dar. Denn der Hauptgegenstand der Bibel ist Jesus Christus; die Schriften zeugen von Ihm (Joh 5,39).
Diese Speise aus dem Himmel benötigen wir:
- damit der «innere Mensch» durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes in uns Tag für Tag erneuert werden kann (2. Kor 4,16);
- damit wir alle hingelangen zu der Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zu dem erwachsenen Mann, zu dem Mass des vollen Wuchses der Fülle des Christus; damit wir nicht mehr Unmündige seien, hin und her geworfen und umhergetrieben von jedem Wind der Lehre … sondern die Wahrheit festhaltend in Liebe … in allem heranwachsen zu ihm hin, der das Haupt ist, der Christus (Eph 4,13-15);
- damit wir Frucht bringen (Mt 13,18; 18,23) im Lob Gottes, in der Verherrlichung des Namens Jesu Christi und im Dienst unter den Menschen.
Im Gegensatz zu den Kindern Israel ist es uns Kindern Gottes auch nach unserer Errettung möglich, von der Speise Ägyptens zu essen. Wir brauchen sie nicht von weither zu holen; der Feind unserer Seele trägt sie uns nach, fertig zubereitet und gewürzt; die Welt drängt von allen Seiten auf uns ein.
Da ist es von grösster Wichtigkeit, dass wir uns der grossen Gefahr bewusst werden und von der Notwendigkeit einer entschiedenen Abwehr völlig überzeugt sind. Sonst werden wir der ständigen Versuchung erliegen, unseren «Bauch mit den Futterpflanzen» zu füllen, die die Schweine fressen, und werden nicht mehr begierig sein nach der vernünftigen, unverfälschten Milch des Wortes Gottes (1. Pet 2,2). Geistliche Appetitlosigkeit und ihre schlimmen Folgen werden sich einschleichen und wir werden unseren Rücken wieder unter den Sklavendienst der Sünde beugen. Anstatt Gott zu loben, werden wir wieder seufzen und schreien.
Brüder und Schwestern, lasst uns vor die Türen und Fenster unseres Hauses treue Wachen setzen! Was wir zur Ausbildung in unserem Beruf und zu seiner Ausübung lesen und studieren müssen, ist meistens nicht schädlich. Handelt es sich aber um Speise für unser Herz, dann können wir nicht vorsichtig genug sein. Fragen wir uns doch jedes Mal: Ist das Speise, die Gott mir gibt?
Wir haben genug Zerstreuung im Lauf des Tages; was wir brauchen, ist Sammlung unseres Sinnes im Heiligtum Gottes. Da finden wir wohltuende Ruhe, seinen Frieden und seine Freude. Der Psalmist ruft aus: «Wie liebe ich dein Gesetz (dein Wort), es ist mein Sinnen den ganzen Tag!» (Ps 119,97).