Das Neue Testament beschäftigt sich an verschiedenen Stellen mit dem Thema «Frucht bringen». Unser Gott möchte, dass wir als seine Kinder zur Ehre unseres Herrn und zu seiner Verherrlichung leben. In unserem Verhalten im Alltag darf etwas von den Wesenszügen unseres Herrn sichtbar werden. Dadurch wird der Vater verherrlicht (Joh 15,8).
Um wirklich Frucht für Gott bringen zu können, gibt es eine Reihe von Voraussetzungen. Es ist nicht die Absicht dieses Artikels, die verschiedenen Voraussetzungen zu untersuchen, sondern wir wollen mit der Hilfe des Herrn den Scheinwerfer Gottes auf eine Stelle aus dem Alten Testament richten, die uns ganz praktisch anspricht. Gott sagt in Jesaja 37,31.32: «Und das Entronnene vom Haus Juda, das übrig geblieben ist, wird wieder wurzeln nach unten und Frucht tragen nach oben. Denn von Jerusalem wird ein Überrest ausgehen, und ein Entronnenes vom Berg Zion.»
Diese Worte liess Gott damals durch den Propheten Jesaja dem König Hiskia ausrichten. In ihrer direkten Anwendung nehmen sie Bezug auf die Zeit nach der babylonischen Gefangenschaft. In ihrer prophetischen Bedeutung denken wir an die zukünftige Erfüllung, wenn ein Überrest aus Juda tatsächlich wieder Frucht für Gott bringen wird. In ihrer praktischen Anwendung auf uns enthalten diese Worte eine einfache und doch klare Botschaft für uns. Gott will uns deutlich machen, dass nach aussen sichtbare Frucht für Ihn nur dann möglich ist, wenn wir innerlich gewurzelt sind. Dabei muss uns auffallen, dass dieser Vers eine ganz offensichtliche Unterscheidung macht zwischen dem, was «nach unten» und dem, was «nach oben» geht.
Diese beiden Bereiche gibt es im Leben eines jeden Menschen. «Nach oben» ist der Bereich dessen, was man äusserlich sieht; «nach unten» ist der Bereich des Unsichtbaren, der Bereich dessen, was andere von uns nicht wahrnehmen können. «Nach oben» ist der Bereich unserer Taten und Worte, also unserer Verhaltensweisen (das Neue Testament nennt dies auch «unseren Wandel»); «nach unten» ist der Bereich unserer Gedanken, unserer Motive, Beweggründe und Empfindungen. Wir könnten auch sagen, dass wir hier das Innere und das Äussere vor uns haben.
Diese Trennung zwischen dem Inneren und dem Äusseren existiert wohl vor Menschen, nicht aber vor Gott. Vor seinem Auge ist alles bloss und aufgedeckt: Er registriert jede kleinste Regung unseres Herzens. Tatsächlich besteht zwischen den beiden Bereichen eine sehr enge Verbindung. Wir können für Gott «nach oben» nur das sein, was wir «nach unten» sind. Äusserlich wird sichtbar, was im Innern wirklich vorhanden ist. Es ist oft – und mit Recht – gesagt worden, dass unser Äusseres ein Spiegelbild unseres Inneren ist. Dabei wollen wir nicht verkennen, dass wir in unserer Darstellung nach aussen auch Schauspielen können, d.h. wir bauen eine dekorative Fassade auf, die aber nicht der Wirklichkeit entspricht. Dieser Gefahr waren z.B. die Pharisäer erlegen, und der Herr reisst ihnen die Maske schonungslos vom Gesicht (vergleiche z.B. Mt 23,13-39). Dem Grundsatz nach kann unser Äusseres aber auf die Dauer nur das widerspiegeln, was an Wirklichkeit im Innern vorhanden ist. Vor Gott gilt nur das, was aus dem Inneren herauskommt.
Die enge Verbindung von «unten» und «oben», von innen und aussen, zeigt auch die Unsinnigkeit der Behauptung, dass es für Gott nur auf das Innere ankommt und dass wir folgedessen auf das Äussere keinen Wert zu legen brauchen. Gewiss, Gott beurteilt das Herz, die Motive – aber schliesst dies aus, dass Er auch das Äussere beurteilt und sieht? Es ist klar, dass eine blosse Fassade nie seine Anerkennung finden wird, im Gegenteil; aber das schliesst keineswegs aus, dass ein Äusseres, das einem gesunden Inneren entspringt, eine Freude für Ihn ist. Beides gehört unbedingt zusammen. Wenn wir im Verborgenen Umgang mit unserem Herrn pflegen, wenn wir Gemeinschaft mit Ihm haben, dann wird das nach aussen hin sichtbar, indem Frucht für Ihn da ist. Fehlt diese nach aussen sichtbare Frucht vor Gott, stellt sich die Frage, wie es mit unserem Inneren bestellt sein mag.
An diese Überlegung schliesst sieh eine weitere Schlussfolgerung an: Wenn wir in unserem Leben eine Fehlentwicklung sehen, dann fängt sie im Inneren an. Wenn wir einer negativen Sache entgegensteuern wollen, dann müssen wir ebenfalls im Innern beginnen. Nur am äusseren Erscheinungsbild etwas ändern zu wollen, bringt wenig. Erst wenn das Herz wieder im Einklang mit unserem Herrn ist, können wir wieder Frucht für Ihn bringen. Dieser Gedanke sollte auch bei der persönlichen Seelsorge beachtet werden.
Unser Inneres soll also gewurzelt und gefestigt sein, damit wir Frucht für Gott bringen können. Nur ein Baum, der seine Wurzeln tief in das Erdreich gesenkt hat und so Wasser aufnehmen kann, wird auf die Dauer Frucht tragen. Dieses Bild gebraucht Gott im Propheten Jeremia: «Und er wird sein wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und am Bach seine Wurzeln ausstreckt und sich nicht fürchtet, wenn die Hitze kommt; und sein Laub ist grün, und im Jahr der Dürre ist er unbekümmert, und er hört nicht auf, Frucht zu tragen» (Jer 17,8). Hier haben wir einen Baum, der auch dann dauerhaft Frucht trägt, wenn Hitze und Dürre kommen. Das Geheimnis dieses Baumes sind seine Wurzeln. Übertragen auf uns lehrt uns die Erfahrung, dass es relativ leicht ist, Frucht für Gott zu bringen, solange die Umstände angenehm und positiv sind. Werden die Umstände jedoch schwieriger, dann zeigt sich, wie tief wir «nach unten» verwurzelt sind, d.h. welche innere Verbindung zu unserem Herrn wirklich da ist.
Den Kolossern schreibt der Apostel Paulus: «Wie ihr nun den Christus Jesus, den Herrn, empfangen habt, so wandelt in ihm, gewurzelt und auferbaut in ihm und befestigt in dem Glauben, so wie ihr gelehrt worden seid» (Kol 2,6.7). Das führt uns zum Zentralpunkt unserer Überlegungen. Wir sollen zum einen in unserem Herrn selbst gewurzelt und zum anderen im Glauben (das ist das Glaubensgut, die Wahrheit des Wortes Gottes) befestigt sein. Wenn der Herr Jesus nicht der Mittelpunkt unseres Lebens ist, dann wird es keine Frucht für Gott geben. Wenn wir unser geistliches Leben mit Dingen zu bereichern suchen, die ausserhalb des Wortes Gottes liegen, wird es ebenfalls keine Frucht für Ihn geben. Das Geheimnis eines fruchtbaren Lebens für Gott ist unsere innere Verbindung zu unserem Herrn und unsere Gemeinschaft mit Ihm.
Kehren wir noch einmal zu unserer Ausgangsstelle in Jesaja 37,31 zurück. Zwei Dinge verdienen noch unsere besondere Beachtung. Es ist erstens nur noch ein Überrest, von dem Gott spricht, und zweitens geht dieser Überrest von Jerusalem und vom Berg Zion aus. Wollen wir heute erwarten, dass es in der weiten Christenheit Frucht für Gott gibt? Wir würden es wohl wünschen, aber wir wissen nur zu gut, dass weite Teile der Christenheit für Gott tot sind, d.h. keine Wurzeln nach unten haben.
Für diese Menschen gilt, was Gott prophetisch über die Amoriter sagt: «Und ich habe seine Frucht vertilgt von oben und seine Wurzeln von unten» (Amos 2,9). Nein, wenn es heute Menschen gibt, die im Herrn gewurzelt sind und Frucht für Gott bringen, dann wird es immer eine Minderheit sein. Wollen wir – du und ich – dazu gehören? Es hat wenig Sinn, resignierend auf die grosse Masse zu sehen; aber es macht Mut, auf den Herrn zu blicken.
Und wo ist dieser Überrest zu finden? Er geht von Jerusalem und vom Berg Zion aus. Jerusalem ist der Ort der Gegenwart Gottes und der Berg Zion lässt uns besonders an die Gnade und den Segen Gottes denken. Ist das nicht eine weitere Voraussetzung, um heute noch Frucht für Ihn zu bringen? Es ist keine Elitegruppe von Christen, nein, diese Christen sind zwar in der Minderheit, aber sie sind überall zu finden. Sie leben in Gemeinschaft mit Ihm und gleichzeitig in dem tiefen Bewusstsein, begnadigte und gesegnete Leute zu sein. In dieser Haltung können wir auch heute noch zu seiner Ehre und Verherrlichung leben.
«Wer in mir bleibt und ich in ihm, dieser bringt viel Frucht, denn ausser mir könnt ihr nichts tun» (Joh 15,5).