Unsere Hoffnung

Ohne Hoffnung ist das Leben in dieser Welt unerträglich. Weil aber der natürliche Mensch seine Hoffnungen auf die sichtbare, verdorbene Welt, auf die Menschen oder auf sich selbst setzt, werden diese immer wieder zunichte. Ohne Christus hat er keine Hoffnung und ist ohne Gott in der Welt (Eph 2,12).

Nicht so der Mensch, dem es geschenkt ist, an den Herrn Jesus zu glauben und auf sein Werk zu vertrauen! Er besitzt schon für sein oft recht mühsames Leben in dieser Welt kostbare Verheissungen seines treuen Gottes und Vaters, die sich alle erfüllen, wenn er sich im Glauben darauf stützt.

Aber nicht diese irdischen Verheissungen sind der eigentliche Gegenstand der christlichen Hoffnung. Sie bezieht sich auf die Zukunft, auf das, was auf das irdische Leben folgt, auf das Leben mit Christus im Vaterhaus. Sie ist in den Himmeln für uns aufgehoben (Kol 1,5). Sie gründet sich auf das unverwesliche und unbefleckte und unverwelkliche Erbteil, welches in den Himmeln für uns aufbewahrt ist (1. Pet 1,4).

Der Gott der Hoffnung (Röm 15,13) steht als Bürge hinter unseren Erwartungen. Wir hoffen auf das, «was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz aufgekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben» (1. Kor 2,9). Der unfassbar grosse Ratschluss Gottes ist zustande gekommen, weil sein Sohn Mensch, ja Knecht geworden ist und sein Werk in unsagbar tiefen Leiden vollbracht hat.

Unsere Erwartung ist in Kolosser 1,23 als die Hoffnung des Evangeliums bezeichnet und wird im Wort Gottes genau beschrieben. Sie beruht nicht auf unseren Gefühlen oder auf menschlicher Einbildung und Lehre.

Unser Hoffen ist eine Tätigkeit des Glaubens: «In Hoffnung sind wir errettet worden. Eine Hoffnung aber, die gesehen wird, ist keine Hoffnung; denn was einer sieht, was hofft er es auch? Wenn wir aber das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir mit Ausharren» (Röm 8,24.25). Der Glaube verwirklicht und macht gegenwärtig, «was man hofft». Er ist «eine Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht» (Heb 11,1).

Das Ausmass der uns geschenkten Hoffnung hat solch unendlich weite Dimensionen, dass wir sie nur mit Hilfe des Heiligen Geistes, den wir besitzen, erfassen können. Es ist nötig, dass Er sich in uns als «Geist der Weisheit und Offenbarung» erweist. Durch Ihn wachsen wir in der Erkenntnis Gottes selbst, als dem Vater oder dem Ursprung der Herrlichkeit, in der sich unser Herr Jesus Christus schon jetzt befindet. Auch wir, die Seinen, werden daran teilhaben. Schon jetzt will Gott durch den Geist die Augen unserer Herzen erleuchten, damit wir wissen:

  • welches die Hoffnung seiner Berufung (vgl. Epheser 1, Verse 4 und 5)
  • und welches der Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes in den Heiligen ist. (Siehe Verse 15-18).

Unsere Hoffnung ist geistlicher Art. Solange wir in diesem Leib sind, mag es uns Mühe machen, den Übergang vom irdischen in den geistlichen Bereich in allen Teilen als Gewinn zu betrachten. Hat nicht Gott selbst manche Gläubige in den ehelichen Beziehungen, im kleinen Kreis ihrer Familie und Freunde, reich gesegnet? Werden diese Beziehungen ganz aufhören?

Unser Herr hat zwar mitgeteilt, dass wer «jener Welt teilhaftig» ist, «Engeln gleich» sein werde, die nicht heiraten (Lk 20,36). Aber in 2. Korinther 5,4 wird bezeugt, dass beim Kommen des Herrn das Sterbliche – und alles, was hier auf der Erde damit verbunden war – von dem Leben verschlungen werde. Da ist nicht die Rede von Aufhören oder Wegnehmen, wobei man verliert, sondern von einem völligen Eintreten und Aufgehen in der ganzen Fülle des Auferstehungslebens bei Christus, im Vaterhaus.

Die Erlösten haben dann einen geistlichen Leib, der nicht mehr den Gesetzen und Einrichtungen der ersten Schöpfung unterworfen ist. Dann wird uns auch nichts Irdisches mehr am Genuss der glückseligen Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn hindern.

«Ihr seid berufen worden in einer Hoffnung eurer Berufung» (Eph 4,4). Von den ersten Christen konnte gesagt werden: «Die Menge derer aber, die gläubig geworden, war ein Herz und eine Seele» (Apg 4,32). Ach, dieser Zustand hielt wegen der Untreue der Gläubigen nicht lange an! Die Jahrhunderte, die seither verstrichen sind, zeugen davon. Wie leiden wir darunter, dass die Heiligen heute in so viele Kirchen und Gruppen zertrennt sind. Aber alle, die durch Buße und Glauben in Christus ewiges Leben besitzen, haben eine und dieselbe Hoffnung, das gleiche herrliche Teil, wenn auch in Bezug auf die Belohnung für die Treue Unterschiede bestehen. Alle werden erleben, was in Philipper 3,21 beschrieben wird: «Christus, … der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit, nach der wirksamen Kraft, mit der er vermag, auch alle Dinge sich zu unterwerfen.» In jenem Leib der Herrlichkeit hat das Fleisch keinen Platz mehr, und dessen Werke, die das Zusammenleben so sehr erschweren: «Eifersucht… Zwietracht… Sekten… Neid usw.», kommen dann nie mehr zum Vorschein. Dann zeigt sich unter den Myriaden der Erlösten nur noch die Frucht des Geistes in verherrlichter Liebe und Freude (Gal 5,19-22). Die Herzen aller werden von ewiger Anbetung und ewigem Lob erfüllt sein.

Die Hoffnung der Versammlung erstreckt sich auch auf das Tausendjährige Reich. Sie bezieht sich auf den himmli­schen Teil davon. Im Zusammenhang mit diesem Reich wird die Braut, die Frau des Lammes, im Bild Jerusalems, der heiligen Stadt vorgestellt, die aus dem Himmel von Gott herabkommt (Off 21,9-22,5). Sie hat die Herrlichkeit Gottes. Die Erlösten von Christus dienen Ihm und herrschen mit Ihm von Ewigkeit zu Ewigkeit. Die Könige der Erde bringen ihre Opfergaben und Ehre zu dieser Stadt. Gott bedient sich der Versammlung, um auf der ganzen Erde Segnung und Herrlichkeit auszubreiten, besonders über Israel. Wie innig die Gemeinschaft der verherrlichten Gläubigen, die zur Versammlung gehören, mit Christus ihrem Bräutigam sein wird, beweist die Tatsache, dass in dieser Stadt kein Tempel ist. So eng sind sie in seiner königlichen Herrlichkeit mit Ihm verbunden, dass kein Vermittler zwischen Ihm und ihnen nötig ist.

Im Zusammenhang mit ihrem himmlischen Anteil am Tausendjährigen Reich werden uns an verschiedenen Stellen Andeutungen gegeben: Sie gehören zu seinen Kriegsheeren (Off 19,11-21; 17,14), wenn Er an jenem Tag kommt, um verherrlicht zu werden in seinen Heiligen (2. Thes 1,10). Sie sind ausersehen, 1000 Jahre mit Ihm zu herrschen (Off 5,10). Sie werden die Welt und sogar Engel richten, also in Verbindung mit dem Herrn Gericht, bzw. Autorität über sie ausüben (1. Kor 6,2.3). Dem Überwinder in Thyatira ist Gewalt über die Nationen verheissen; er wird sie weiden mit eiserner Rute (Off 2,27). Den Aposteln, die alles verlassen hatten, um dem Herrn Jesus nachzufolgen, verhiess der Herr, dass sie auf zwölf Thronen sitzen würden, richtend die zwölf Stämme Israels (Mt 19,27.28).

Ein paar Ausdrücke in Verbindung mit der Hoffnung könnten bei dem einen oder anderen ein Gefühl der Unsicherheit erwecken:

So haben wir in Titus 1,2 den Begriff: «Hoffnung des ewigen Lebens». Das will aber nicht sagen, dass sie mit menschlicher Ungewissheit verbunden sei. Durch den Glauben an einen gestorbenen und auferstandenen Christus haben wir jetzt schon «das ewige Leben» (Joh 6,54), von dem in Kapitel 17,3 gesagt ist: «Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus erkennen.» Der Glaube hält aber auch fest, dass dieses ewige Leben nach den Verheissungen Gottes droben seine endlose, herrliche Fortsetzung finden wird.

Auch der Ausdruck: «Hoffnung der Gerechtigkeit» (Gal 5,5) darf nicht falsch verstanden werden. Wir sind schon aus Glauben gerechtfertigt worden (Röm 5,1) und erwarten jetzt durch den Geist aus Glauben nur noch die Hoffnung der Gerechtigkeit, d.h. das, was diese Gerechtigkeit als Lohn zu erwarten hat und ihr rechtmässig zusteht: die Herrlichkeit, in die Christus, der uns Gerechtigkeit erworben hat, aufgrund seines vollendeten Werkes schon eingegangen ist.

Wir sollen mit dem «Helm der Hoffnung der Errettung angetan» sein (1. Thes 5,8). Wohl sind wir durch Glauben an den Herrn Jesus errettet worden, aber wir erwarten noch «die Sohnschaft, die Erlösung unseres Leibes», wobei wir die Szene dieser Welt mit ihren Schwierigkeiten, Leiden und Trübsalen mit der himmlischen Ruhe vertauschen dürfen. «In dieser Hoffnung sind wir errettet worden» (Röm 8,23.24). Wie ermuntert uns dies zum Ausharren!

Im Wort werden unserer Hoffnung einige Bezeichnungen beigefügt, die ihren Charakter unterstreichen:

  • Wir haben eine lebendige Hoffnung (1. Pet 1,3). Sie ist auf den Herrn Jesus Christus gegründet (1. Tim 1,1), der einst für uns im Tod und im Grab war, jetzt aber als Auferstandener zur Rechten Gottes verherrlicht ist und auf immerdar lebt. In seiner herrlichen Person findet unsere Hoffnung ihren ewigen und allumfassenden Ausdruck.
  • Sie ist eine gute Hoffnung (2. Thes 2,16) und umfasst das, «was Gott bereitet hat, denen, die ihn lieben». Sie ist im Gegensatz zu den Hoffnungen des natürlichen Menschen, die mit den Wünschen seines sündigen Herzens im Zusammenhang stehen.
  • Sie erweist sich als eine glückselige Hoffnung (Tit 2,11-13) für die, die im jetzigen Zeitlauf durch Gnade die weltlichen Begierden verleugnen, besonnen, gerecht und gottselig leben, und so die glückselige Gemeinschaft mit Gott erfahren. Im Himmel können wir sie dann in vollkommenem Mass geniessen.

Ja, wir haben «Zuflucht genommen zum Ergreifen der vor uns liegenden Hoffnung, die wir als einen sicheren und festen Anker der Seele haben, der auch in das Innere des Vorhangs hineingeht, wohin Jesus als Vorläufer für uns hineingegangen ist» (Heb 6,18-20). Es ist von grosser praktischer Bedeutung, dass wir in den Schwierigkeiten des jetzigen Lebens durch die Kraft des Heiligen Geistes «überreich seien in der Hoffnung» und «das Bekenntnis der Hoffnung» unbeweglich festhalten (Röm 15,13; Heb 10,23). So vermögen uns die Prüfungen und Trübsale nicht aufzuhalten und niederzudrücken. Wer die Hoffnung zum Herrn hat, Ihm gleich zu sein und Ihn zu sehen wie Er ist; der «reinigt sich selbst», (in ständigem Selbstgericht), «wie Er rein ist» (1. Joh 3,2.3).

Bald wird sich diese Hoffnung in Wirklichkeit verwandeln! Werden wir dann nicht, ähnlich wie die Königin von Scheba, unserem herrlichen Herrn bekennen müssen: «Nicht die Hälfte ist mir berichtet worden», oder, auf uns angewandt: Nicht die Hälfte haben wir auf der Erde von der Herrlichkeit deiner Person und von unserem wunderbaren Teil in Dir erfasst!