Es ist ein Mut machender Gedanke, dass das Auge unseres Herrn immer auf uns gerichtet ist. Er sieht uns in allen Umständen, in denen wir uns befinden. Er will sein Auge auf uns richten, um uns zu raten, welchen Weg wir gehen sollen.
Wie aber steht es mit uns? So, wie das Auge unseres Herrn auf uns gerichtet ist, so sollten auch wir unsere Augen aufheben, um Ihn zu sehen. Der Schreiber des Hebräer-Briefes fordert uns auf: «Hinschauend auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens …» (Heb 12,2). Das sollte immer unsere Blickrichtung sein. Gott verbindet damit Freude, und die brauchen wir alle: «Sie blickten auf ihn und wurden erheitert, und ihre Angesichter wurden nicht beschämt» (Ps 34,5).
Eine Überprüfung der Praxis unseres Alltagslebens zeigt uns schnell, dass wir unseren Herrn oft aus dem Blickfeld verlieren, dass wir Ihn nicht erkennen. Welche Gründe kann das haben? Anhand von vier Begebenheiten aus den Evangelien wollen wir uns mit vier verschiedenen Gründen befassen.
1. Schwierige Umstände (Mt 14,22-33)
Die Begebenheit ist uns gut bekannt. Die Jünger hatten vom Herrn den Auftrag bekommen, mit dem Schiff an das jenseitige Ufer zu fahren. Während der Meister auf den Berg stieg, um zu beten, erhob sich auf dem See ein Sturm, der selbst gestandenen Fischern das Fürchten lehrte. Als die Not ihren Höhepunkt erreichte, kam der Herr zu ihnen. Doch die Jünger erkannten Ihn nicht. Im Gegenteil, als sie Ihn sahen, meinten sie, es sei ein Gespenst. Erst als der Herr zu ihnen redete und sich zu erkennen gab, beruhigten sie sich.
Machen wir diese Erfahrung nicht auch? Wir befinden uns in schwierigen Umständen, in Not und Gefahr. Wir beten sogar um die Hilfe und den Beistand des Herrn. Doch wenn Er dann zu uns kommt, erkennen wir Ihn nicht. Warum? Vielleicht sind wir viel zu sehr mit uns selbst beschäftigt und versuchen, unsere Probleme aus eigener Kraft zu meistern. Vielleicht sind wir auch so sehr von den Problemen überwältigt, dass wir resignieren und gar nicht mehr mit Hilfe rechnen. Doch wie wunderbar, der Herr macht seinen Beistand nicht von uns abhängig. Er kommt und will uns helfen. Die Jünger durften damals seine tröstenden Worte hören: «Seid guten Mutes!» Kennen wir diesen Zuruf nicht auch? Er will uns neuen Mut schenken, und diesen Mut bekommen wir im Aufblick zu Ihm. Die Not mag gross sein, doch grösser als jede Not ist unser Helfer. Ihn kann nichts und niemand in Verlegenheit bringen. Deshalb dürfen wir auch in grossen Problemen unsere Blicke auf Ihn richten.
2. Enttäuschung (Lk 24,13-35)
Zwei Jünger befanden sich auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus. Ihr Herz war voll Traurigkeit, so dass der auferstandene Herr, der sich ihnen näherte, fragen musste: «Was sind das für Reden, die ihr wandelnd miteinander wechselt, und seid niedergeschlagen?» Können wir den Grund ihrer Enttäuschung und Niedergeschlagenheit verstehen? Alles, was sie sich erhofft hatten, war wie eine Seifenblase im Wind zerplatzt. Sie hatten geglaubt, dass der Herr Jesus sein Reich in Macht und Herrlichkeit aufrichten werde. Doch stattdessen war Er am Kreuz gestorben. Damit war für sie alles zu Ende. Sie waren bitter enttäuscht. Hätten sie nur den Worten des Herrn Jesus geglaubt, dass Er auferstehen werde, so wären sie sicher nicht aus Jerusalem weggegangen.
Lässt der Herr sie in ihrer Enttäuschung allein? Nein, Er kommt zu ihnen. Doch vor Traurigkeit erkennen sie Ihn nicht. Das erleben wir ebenfalls. Wie viel Enttäuschung gibt es im Leben. Am Arbeitsplatz, in der örtlichen Versammlung, ja, selbst in der Familie erleben wir immer wieder Enttäuschungen. Das kann uns so traurig machen, dass wir selbst Den aus den Augen verlieren, der niemals enttäuscht. Doch was tut der Herr dann? Er kommt zu uns und beschäftigt uns mit sich selbst. Den beiden auf dem Weg nach Emmaus öffnete Er die Schriften, so dass ihr Herz in ihnen zu brennen begann. Das erleben wir auch. Wenn wir von Menschen enttäuscht werden, dann wollen wir uns vermehrt mit Ihm beschäftigen, so wie Er uns in seinem Wort offenbart ist. Dann wird Freude in unser Herz zurückkehren und der Wunsch neu wach werden: «Bleibe bei uns!»
3. Kummer (Joh 20,1-18)
Maria Magdalene befand sich in einer ähnlichen Situation wie die Emmaus-Jünger. Auch sie hatte etwas anderes erwartet, und sicher war auch sie enttäuscht. Doch während sich die Hoffnung der Emmaus-Jünger mehr mit dem König und seinem Reich verband, war es bei Maria einzig und allein tiefe Trauer um ihren Herrn. Er war der alleinige Inhalt ihrer Liebe und Zuneigung. Ein Leben ohne Ihn konnte sie sich überhaupt nicht vorstellen. Deshalb stand sie am Grab und weinte in ihrem tiefen Kummer und Schmerz.
Der Herr sah die, die Ihn so sehr liebte. Ein Wort aus seinem Mund, und alle Traurigkeit war wie weggeblasen. Und welch gewaltige Worte durfte diese Frau aus dem Mund des auferstandenen Herrn hören: «Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater und meinem Gott und eurem Gott.» So handelt unser Herr. Sollte Er sich verändert haben? Nein, Er ist heute noch der gleiche, der Er vor fast 2000 Jahren war. Es mag sein, dass wir von Kummer und Trauer so überwältigt sind, dass wir die Freude an der Gemeinschaft mit Ihm verlieren und Ihn nicht mehr sehen. Doch der Herr weiss, wie unsere Herzen zu Ihm stehen und ob wir Ihn wirklich lieben. Er kommt zu uns. Ein Wort aus seinem Mund mag dann genügen, und aller Kummer verschwindet. Dann sehen wir wieder klar und erkennen Ihn. Das ist immer das Ziel seiner Bemühungen mit uns.
4. Beschäftigung mit anderen Dingen (Joh 21,1-14)
Hier haben wir sieben der Jünger vor uns. Petrus hatte seine Freunde beeinflusst, mit ihm fischen zu gehen. Die ganze Nacht bemühten sie sich, doch vergeblich. Als der Morgen graute, stand der Meister am Ufer und erwartete sie. Doch die Jünger erkannten Ihn nicht. Drei Jahre lang waren sie mit Ihm den Weg gegangen, doch in dieser Situation wussten sie nicht, dass Er es war. Der Grund dazu ist leicht ersichtlich. Die Jünger waren derart mit ihrer Tätigkeit beschäftigt, dass sie darüber alles andere aus dem Auge verloren hatten.
Das spricht uns an. Müssen wir nicht bekennen, dass wir oft mit so vielem beschäftigt sind, dass wir Ihn, unseren Herrn, aus den Augen verlieren? Dabei braucht unsere Beschäftigung nicht einmal böse zu sein. Selbst im Dienst für den Herrn können wir uns so verzehren, dass wir nur noch den Dienst sehen, aber nicht mehr Den, der uns den Dienst gegeben hat. Aber auch die Angelegenheiten der Erde sind für uns alle eine Gefahr. Denken wir nur an unseren Beruf (so war es bei den Jüngern) oder an unsere Hobbys. Sie können uns so in Beschlag nehmen, dass der Blick auf den Herrn zunehmend verdunkelt wird.
Die Frage des Herrn: «Habt ihr nicht etwas zu essen?» zeigte den Jüngern damals die Nutzlosigkeit ihrer eigenen Bemühungen. Das war der erste Schritt zur Besserung. So ist es auch bei uns. Bisweilen muss der Herr uns zeigen, wie nichtig unsere eigenen Beschäftigungen und Bemühungen sind. Wenn wir das gelernt haben und erkennen, dass Segen nur in Verbindung mit Ihm zu erreichen ist, werden unsere Augen wieder geöffnet, um Ihn zu sehen. Wenn wir im täglichen Leben den Herrn Jesus aus den Augen verlieren, verpassen wir unendlich viel. Der Apostel Paulus hatte gelernt, auf Ihn zu sehen, und er gibt seine Erfahrungen mit den Worten wieder: «Wir alle aber, mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauend, werden verwandelt nach demselben Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit» (2. Kor 3,18). Wollen wir uns das entgehen lassen?