In der Heiligen Schrift werden wir häufig an den Vorgang des Wachstums erinnert. Das natürliche Wachstum der Pflanzen und der Menschen wird für das geistliche Wachstum der Kinder Gottes als Bild gebraucht.
Das bekannteste Beispiel ist wohl das Weizenkorn. In gute Erde gesät, beginnt es zu keimen, Wurzeln zu schlagen und in Halmen aufzuwachsen, die Ähren vorzubereiten und auszureifen. Das ist das Werk Gottes, «der alles am Leben erhält» (1. Tim 6,13). Der Bauer braucht nur den Erdboden auszuwählen und bereitzumachen, den Samen zur rechten Zeit auszustreuen und auf das Wachstum zu warten.
Bei dem dazugehörenden Gegenbild, das uns der Herr Jesus in Matthäus 13 zeigt, sind die Herzen der Menschen in der Welt – an sich tot in Vergehungen und Sünden – der Ackerboden, auf den der Same des göttlichen Wortes fallen soll. Er selbst ist der «Sämann», der ihn ausstreut, aber Er gibt allen seinen Jüngern den grossen Auftrag: «Geht hin in die ganze Welt und predigt der ganzen Schöpfung das Evangelium» (Mk 16,15).
Diesen Ackerboden kann Gott allein zubereiten. Er vermag die einzelnen Menschenherzen durch die Umstände zu pflügen, so dass sie bereit werden, sein Wort aufzunehmen. Ihm ist es möglich, durch seinen Heiligen Geist die Samenkörner seiner Wahrheit in das Labyrinth ihrer verwirrten und verdrehten Gedankengänge und Fragen eindringen zu lassen, so dass es darin Licht wird. – Doch sind wir Jünger des Herrn im Dienst des Evangeliums keineswegs machtlos. Wir werden vor allen Dingen ermahnt, «dass Flehen, Gebete, Fürbitten, Danksagungen getan werden für alle Menschen … Dies ist gut und angenehm vor unserem Heiland-Gott, der will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen» (1. Tim 2,1.3.4). Gott selbst legt also solchen Gebeten des Glaubens, in Verbindung mit unserem Dienst des Evangeliums, so begrenzt er sein mag, sehr grosses Gewicht bei. Sie veranlassen Ihn, in den Menschen, die Ihm in herzlicher Fürbitte genannt werden, ganz besonders in Liebe, Weisheit und Macht zu wirken.
Welche Freude, dass auch heute noch einzelne aus dem heutigen Geschlecht dieses bösen Zeitlaufs durch Glauben errettet und von neuem geboren werden!
Solche Erlöste gleichen vorerst «neugeborenen Kindern», die aus dem Schoss der Mutter kommen, deren kleiner zierlicher Leib das ganze Knochengerüst, alle Glieder und Organe besitzt. Nur muss sich alles, auch der Geist, noch entwickeln und entfalten, wozu bei Kindern Jahre nötig sind.
So haben Christen, die eben zum Glauben gekommen sind, schon all das, was reife Kinder Gottes besitzen:
- Die Sünden sind ihnen vergeben um des Namens Jesu willen.
- Sie haben in Gott ihren Vater erkannt (1. Joh 1,12.13).
- Sie wissen: Gott hat uns ewiges Leben in seinem Sohn gegeben (1. Joh 5,11).
- Sie sind nicht mehr im Fleisch, sondern im Geist, weil Gottes Geist in ihnen wohnt (Röm 8,9).
- Der Heilige Geist zeugt mit ihrem Geist, dass sie Kinder Gottes sind (Röm 8,16; Er leitet sie in ihrem Leben auf der Erde, und sie können im Geist wandeln (Verse 4 und 14). Der Geist Gottes gibt auch Verständnis für das Wort Gottes, das Er inspiriert hat
- Schon der jüngste Gläubige ist jetzt der Stellung nach «in Christus» und besitzt, ebenso wie die Alten, alle geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern, in Ihm und mit Ihm, wie sie uns besonders im Epheserbrief beschrieben sind. Sie haben dieselbe lebendige Hoffnung.
Das sind nur ein paar Punkte aus der unendlichen, herrlichen Liste der Gaben, die uns Gott in seinem Sohn geschenkt hat. Wo das Leben in Christus vorhanden ist und sich ungehindert entfalten kann, da beeifert sich der neue Mensch, die ganze Fülle dieser geistlichen Segnungen kennen zu lernen und zu geniessen. Dadurch wird auch das praktische Leben erneuert und verwandelt.
In Gottes Wort finden wir viele Beispiele eines solchen geistlichen Wachstums. Nicht nur einzelnen Gläubigen, sondern auch ganzen Versammlungen wird dieses Zeugnis gegeben.
Da war unter anderen die junge Versammlung in Thessalonich. Ihre wohlbekannte Geschichte bleibt für uns ein grosser Ansporn. Sie setzte sich aus bekehrten Juden, vornehmen Frauen (Proselyten) und vielen ehemaligen heidnischen Götzendienern zusammen (Apg 17). Paulus konnte nur an drei Sabbaten zu den Leuten in der Synagoge reden, und nur in den wenigen Tagen dazwischen hatte er die Möglichkeit, den Heiden das Evangelium von Jesus Christus zu verkündigen. Dennoch bemühte er sich, sie mit dem ganzen Heil Gottes bekannt zu machen. Dann jedoch musste er schon aus der Stadt fliehen.
Aber welche Wirkung hinterliess durch die Gnade Gottes sein kurzer Dienst bei diesen Gläubigen, die doch vorher Jahr um Jahr in geistlicher Finsternis, in dämonischem Götzendienst und den damit verbundenen hartnäckigen sündigen Gewohnheiten gelebt hatten! Das Zeugnis über sie in 1. Thessalonicher 1 können wir nie genug lesen:
- Sie waren trotz heftiger Verfolgungen Nachahmer des eifrigen, hingebenden Apostels, wie auch seiner Begleiter geworden und damit des Herrn selbst.
- Sie wurden dadurch sogar Vorbilder für alle Gläubigen in Griechenland, die schon auf dem Weg waren.
- Ihr Glaube wurde in jenen Gegenden und an jedem Ort ausgebreitet: Sie waren Zeugen in Wort und Wandel. Andere verbreiteten die Kunde von ihnen, wie entschieden und völlig sie sich von den Götzenbildern zu dem lebendigen und wahren Gott bekehrt hatten, um Ihm zu dienen und fortwährend seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten.
- Waren sie anfänglich über die biblische Lehre noch wenig belehrt, so kann Paulus im nächsten Brief schon dafür danken, «dass euer Glaube überaus wächst» (2. Thes 1,3); sie hatten in der Zwischenzeit vom Wort Gottes sehr viel erfasst.
Wenn wir das lesen – und nebenbei einen ehrlichen Blick auf unser eigenes Leben und auf die Zeugnisse der Versammlung werfen, wo wir zusammenkommen – da werden wir still.
Bestimmt hätten die meisten von uns jene Thessalonicher aus reicher Erkenntnis unterweisen können. Aber wie herzerforschend und belebend wäre für uns ein Zusammentreffen mit ihnen gewesen! Sie hatten auf Gottes Wegen so grosse Fortschritte gemacht und in geistlicher Hinsicht in kurzer Zeit derart zugenommen, dass wir versucht sind, sie zu fragen: Welches Rezept hattet ihr denn für euer Wachstum?
Sie hatten kein anderes als wir. Der Apostel brachte ihnen das gleiche herrliche Evangelium, dasselbe Wort, das auch wir besitzen. Aber eines zeichnete die Gläubigen in Thessalonich aus: Als sie aus dem Mund der Diener des Herrn das Wort der Kunde Gottes empfingen, da nahmen sie «es nicht als Menschenwort an, sondern, wie es wahrhaftig ist, als Gottes Wort» (1. Thes 2,13). So konnte es in ihnen, den Glaubenden, seine ganze Kraft entfalten. Jedes Wort der Kunde Gottes – wir haben jetzt ihre ganze Fülle in der Bibel – war für sie ein Wort aus Gottes Mund, das sie glaubten, über das sie frohlockten, unter das sie sich beugten, dem sie rückhaltlos gehorchten und für das sie alles andere hingaben. Davon war ihr Herz erfüllt.
Ihr Rezept ist uns also bekannt. Wenn in unseren Tagen so leicht Wachstumsstörungen auftreten, so deshalb, weil das Herz zwischen dem Herrn und irdischen, wenn nicht gar weltlichen Dingen geteilt ist.
Welch grosse Hilfe war es auch für die Thessalonicher, dass sich der aufs Ziel gerichtete Apostel (Phil 3) in solcher Liebe um sie mühte (1. Thes 2)! Er und seine Begleiter waren in ihrer Mitte zart gewesen, wie eine Amme ihre eigenen Kinder pflegt. Sie hatten jeden einzelnen von ihnen, wie ein Vater seine eigenen Kinder, ermahnt und getröstet und ihnen bezeugt, «dass sie würdig des Gottes wandeln sollten, der euch zu seinem eigenen Reich und seiner eigenen Herrlichkeit beruft» (Vers 12). Wie könnten auch heute solche Beispiele zum Antrieb und Nutzen sein!
Lasst uns noch über einige Bibelstellen sinnen, die uns das Wesen, die Richtung und das Ziel unseres geistlichen Wachstums klarmachen:
- «Wachst zur Errettung» (1. Pet 2,1-3). Mit «Errettung» meint der Apostel den glückseligen Augenblick, in welchem unser Herr Jesus wiederkommt, um die Seinen alle zu sich zu nehmen. Dann werden sie aus dieser feindlichen Welt, mit ihren Versuchungen, ihrer Eitelkeit und ihren falschen Zielen, errettet sein. Dass wir uns von ihr einmal so stark in Anspruch nehmen liessen, können wir dann gar nicht mehr begreifen. Die «vernünftige Milch» des Wortes Gottes will uns jetzt schon von ihr lösen. Sie gibt uns Einsicht in die wahren Werte aller Dinge.
- «Wachst in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus» (2. Pet 3,18). In der Gnade des Herrn zu wachsen heisst, befreit von sich selbst, immer mehr sich auf Ihn stützen und in allen Dingen Ihm vertrauen. Je mehr der Gläubige lernt, dass des Herrn Kraft in Schwachheit vollbracht wird, umso mehr kann sein Dienen zur Verherrlichung Gottes und zum Segen sein. Diese Gnade wird nur in seiner Nähe gefunden.
- Kann eine reinere und tiefere Freude das Herz durchfluten, als dann, wenn es von der Erkenntnis der Person des Sohnes Gottes erfüllt wird, der Mensch und Heiland geworden ist? In dieser Erkenntnis zu wachsen, vermehrt die Freude, bis sie im Himmel vollkommen sein wird. «Eins habe ich von dem HERRN erbeten, danach will ich trachten: zu wohnen im Haus des HERRN alle Tage meines Lebens, um anzuschauen die Lieblichkeit des HERRN und nach ihm zu forschen in seinem Tempel» (Psalm 27,4).
- «Lasst uns in allem heranwachsen zu ihm hin, der das Haupt ist, der Christus» (Eph 4,15) Diese Stelle handelt vom Wachstum des Leibes des Christus, an dem wir einzelne Glieder sind. Da geht es nicht um die Vermehrung der Glieder, sondern um den ganzen Leib, dass er, die Wahrheit festhaltend in Liebe, in allem heranwachse zu Ihm hin, der das Haupt ist. Das ist aber nur möglich, wenn dies zunächst die einzelnen Glieder kennzeichnet, und wenn «der ganze Leib, wohl zusammengefügt und verbunden durch jedes Gelenk der Darreichung, nach der Wirksamkeit in dem Mass jedes einzelnen Teiles, für sich das Wachstum des Leibes bewirkt zu seiner Selbstauferbauung in Liebe».
Einerseits wachsen wir durch die Erkenntnis Gottes (Kol 1,10), wenn unser Herz beschäftigt ist mit dem, was Er ist, mit seinem wunderbaren Tun und mit seinen herrlichen Ratschlüssen. Anderseits aber ist es Gott, der allen Wachstum gibt (1. Kor 3,6.7), beginnend bei der Bekehrung bis wir im Vaterhaus sind. Ob gesät, gepflanzt oder gepflegt werden soll – Gott selber ist da, um fortwährend Wachstum zu geben. Wer manche Jahre mit Gott wandeln durfte, kann mit Bewunderung feststellen, wie der Vater in unermüdlicher Treue bemüht war, uns weiterzuführen, oft zu unerwarteten, kostbaren Erfahrungen, Ihm sei ewig Dank dafür!