Im letzten Monatsheft haben wir uns anhand von Ruth 2 mit den Schnittern auf dem Feld des Boas befasst und dabei festgestellt, dass dieses Feld und die Tätigkeit darauf von unserem Interesse am Segen unseres Herrn spricht, mit dem wir uns beschäftigen dürfen. Wenn wir das tun, sind wir nicht allein. Es sind erstens «Schnitter und Knaben» da, die uns helfen, die Wahrheit besser zu verstehen. Aber auf dem Feld des Boas gibt es nicht nur Schnitter, die vor uns hergehen und denen wir folgen dürfen, sondern es gibt auch andere, die gemeinsam mit uns «auflesen», d.h. sich mit dem beschäftigen, was der Herr uns an Segen geben möchte. Es sind – in der Bildersprache des Alten Testaments – die «Mägde» des Boas.
Diese Mägde (oder jungen Mädchen) werden in Ruth 2 mehrmals erwähnt. Zuerst gibt Boas Ruth den guten Ratschlag, nicht auf ein anderes Feld zu gehen, sondern sich zu seinen Mägden zu halten (V. 8). Noomi, die Schwiegermutter von Ruth, wiederholt diesen Ratschlag später, und wir sehen auch, wie Ruth sich daran hält (V. 22.23). Dann stellt Ruth einen bemerkenswerten Unterschied zwischen sich und den Mägden von Boas fest, denn sie sagt: «Und doch bin ich nicht wie eine deiner Mägde» (V. 13).
«Halte dich hier zu meinen Mägden»
Mit diesen Worten wendet sich der reiche Gutsbesitzer Boas an die junge Moabiterin Ruth (V. 8). Vorher hat er sie gewarnt, auf ein anderes Feld zu gehen. Er sagt ihr also einerseits, was sie nicht tun soll, er erklärt ihr aber auch, was sie stattdessen tun soll. Er warnt sie vor einer Gefahr, zeigt ihr aber gleichzeitig das Vorzüglichere auf. Niemand von uns kann ausschliesslich von Verboten leben. Wenn unser Leben als Christen nur darin besteht, etwas nicht zu tun, dann ist es ein armes Leben ohne Freude. Nein, bei unserem Herrn ist alles ausgewogen. Natürlich gibt es manches, das wir meiden sollen und nicht tun dürfen, aber es gibt auch vieles, das wir sehr wohl tun sollen und an dem wir auch unsere Freude finden.
Hier lautet also die Aufforderung, sich zu den Mägden von Boas zu halten, die auf dem Feld arbeiten. Diese Mägde sind keine Schnitter, die das Korn schneiden, oder Knaben, die das Wasser schöpfen, aber es sind solche, die das Geschnittene auflesen und das Geschöpfte trinken. Auf dem Feld von Boas gibt es nicht nur unterschiedliche Aufgaben, es gibt auch einen unterschiedlichen Wachstumsgrad. Nicht jeder ist berufen, ein Schnitter zu sein, aber jeder darf auflesen und jeder darf trinken.
Diese Mägde sind junge Mädchen. Das hier gebrauchte Wort kann man auch mit «Jungfrauen» übersetzen. Eine schöne Erklärung dazu finden wir in Offenbarung 14,4, wo wir lesen: «Dies sind die, die sich mit Frauen nicht befleckt haben, denn sie sind Jungfrauen; dies sind die, die dem Lamm folgen, wohin irgend es geht.» Jungfrauen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie erstens in ihren Beziehungen rein sind und dass sie zweitens dem Herrn Jesus folgen. Auch hier in Offenbarung 14 finden wir eine negative und eine positive Seite. Die negative Seite besteht darin, was sie nicht tun, und die positive Seite darin, was sie wohl tun. Sie halten sich fern von dem, was verunreinigt, aber ihre Herzen schlagen dem Lamm entgegen, um Ihm zu folgen. Zu solchen soll sich Ruth halten, und mit solchen dürfen auch wir Gemeinschaft pflegen. In 2. Timotheus 2 finden wir die ernste Aufforderung, uns von denen zu reinigen (d.h. durch Absonderung zu trennen), die als Gefässe zur Unehre bezeichnet werden (V. 20.21). Dann aber fügt der inspirierte Schreiber die herrlichen Worte hinzu: «Strebe aber nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe, Frieden mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen» (1. Tim 2,22). Genau das sind – in der neutestamentlichen Sprache – die jungen Mädchen auf dem Feld des Boas. Sie trennen sich vom Bösen, sie rufen den Herrn aus reinem Herzen an und möchten Ihm nachfolgen.
Die Frage, die sich uns allen stellt, ist die, ob auch wir mit solchen Kontakt haben, die eine reine Beziehung zum Herrn pflegen und Ihm folgen möchten, oder ob wir lieber die Gemeinschaft mit solchen suchen, die uns vom Herrn abziehen.
Ein bemerkenswerter Unterschied
Ruth war der Aufforderung von Boas gefolgt und hatte gemeinsam mit seinen Mägden aufgelesen. Dabei war sie nicht nur fleissig gewesen, sondern sie hatte diese Mädchen auch aufmerksam beobachtet. Sie kam zur Schlussfolgerung, dass die Mägde des Boas anders waren als sie. Deshalb sagte sie zu ihm: «Und doch bin ich nicht wie eine deiner Mägde» (Rt 2,13). Wir mögen uns die Frage stellen, was Ruth bei dieser Aussage empfunden hat. Sie sah die Mägde auf dem Feld des Boas und verglich sie mit sich selbst. Was sie feststellte, war ein Unterschied zwischen den Töchtern Bethlehems und der Tochter Moabs.
Für uns liegt darin eine praktische Unterweisung, die sich in folgender Frage stellt: Sieht und merkt man den Unterschied zwischen denen, die zu Boas gehören und denen, die (noch) nicht dazugehören? Wir werden von vielen Menschen beobachtet. Gerade Jungbekehrte oder solche, an deren Herz der Herr arbeitet, sind manchmal besonders kritische Beobachter. Sieht man uns an, zu wem wir gehören? Den Jüngern in der Apostelgeschichte konnte man das ansehen. Wir lesen von ihnen: «Und sie erkannten sie, dass sie mit Jesus gewesen waren» (Apg 4,13). Wenige Wochen vorher war es Petrus noch äusserst unangenehm gewesen, dass er sich von denen im Hof des Hohenpriesters unterschied und man ihn als solchen erkannte, der zu den Jüngern des Herrn gehörte. Am Kohlenfeuer der Feinde wäre er lieber unerkannt geblieben.
Wie steht es mit uns? Setzen wir uns durch unser Verhalten, durch unser Reden und unser gesamtes Erscheinungsbild von den Menschen dieser Welt ab? Merkt man, dass wir einem himmlischen Herrn angehören und deshalb anders sind? Oder ist es uns manchmal unangenehm, wenn andere uns als solche identifizieren, die wirkliche Christen sind? Wenn wir uns am falschen Ort aufhalten, mag es so sein. Auf dem Feld des Boas darf man diesen Unterschied aber ruhig merken.
Natürlich geht es dem Herrn in erster Linie um unsere Herzen. Er sagt: «Gib mir, mein Sohn, dein Herz» (Spr 23,26). Aber ist unser gesamtes Erscheinungsbild deshalb egal? Spiegelt das, was man uns ansieht, nicht unser Inneres wider? Wenn unser Herz dem Herrn gehört, dann wird das ohne Frage auch in unserem äusseren Verhalten, in unserem Tun und Lassen, in unserem Reden und Schweigen sichtbar werden. Als die Königin von Scheba zu Salomo kam, war sie tief beeindruckt von dem, was sie sah. Der inspirierte Bericht sagt uns dazu Folgendes: «Als die Königin von Scheba die Weisheit Salomos sah und das Haus, das er gebaut hatte, und die Speise seines Tisches und das Sitzen seiner Knechte und das Aufwarten seiner Diener und ihre Kleidung und seine Mundschenken und ihre Kleidung und seinen Aufgang, auf dem er in das Haus des HERRN hinaufging, da geriet sie ausser sich und sprach zum König: Das Wort ist Wahrheit gewesen, das ich in meinem Land über deine Sachen und über deine Weisheit gehört habe. Und ich habe ihren Worten nicht geglaubt, bis ich gekommen bin und meine Augen es gesehen haben. Und siehe, nicht die Hälfte ist mir berichtet worden von der Grösse deiner Weisheit; du übertriffst das Gerücht, das ich gehört habe» (2. Chr 9,3-6). Davon dürfen wir sicher etwas lernen.
Ein weiser Rat
Nicht nur Boas gibt Ruth den guten Hinweis, sich zu seinen Mägden zu halten. Auch Noomi – das Bild einer älteren und erfahrenen Gläubigen – gibt ihrer Schwiegertochter diesen guten Rat. Sie soll mit den Mägden des Boas ausgehen, damit sie woanders nicht angefallen wird (Rt 2,22). Auf diese Art und Weise bindet sie Ruth an Boas – ein treffendes Bild des Herrn Jesus – und gleichzeitig schafft sie die Voraussetzung dafür, dass Ruth keinen Schaden erleidet.
Zum einen wollen wir uns selbst warnen lassen, und die Gemeinschaft und Nähe unseres Herrn und derer, die Ihn lieben, nicht aufgeben. Zum anderen aber wollen wir uns an dieser Stelle auch die abschliessende Frage stellen, ob wir wie Noomi solche sind, die jüngeren Glaubensgeschwistern einen guten Rat geben. Weisen wir sie zuerst auf den Einen hin, der jedes Bedürfnis stillen kann und bei dem wirklich Ruhe und Befriedigung zu finden ist? Und sind wir dann auch solche, die darauf achten, welchen Umgang sie haben? Das gilt ganz besonders für unsere Kinder und jungen Leute. Die Verantwortung für den Umgang unserer Kinder liegt in erster Linie bei den Eltern, aber auch Freunde und Geschwister dürfen ein Auge darauf haben, welche Kontakte sie pflegen. Wie gut, wenn es uns ein Herzensanliegen ist, dass sie mit solchen zusammen sind, die sich auch auf dem «Feld des Boas» befinden, d.h. ein Interesse an dem haben, was der Herr uns an Segen schenken möchte.