Ja, so geht unser Leben dahin: Jahr für Jahr, bis unser Lauf zu Ende ist.
Gott selber verlieh dem Leben des Menschen eine bestimmte Regelmässigkeit. «Alle Tage sollen nicht aufhören Saat und Ernte, und Frost und Hitze, und Sommer und Winter, und Tag und Nacht» (1. Mo 8,22). Und der Psalmist fügt hinzu: «Die Sonne geht auf: … Der Mensch geht aus an sein Werk und an seine Arbeit, bis zum Abend» (Ps 104,23).
Beim Israeliten war auch das geistliche Leben festgeprägt durch die Verordnungen und die Feste des HERRN (3. Mo 23), die jedes Jahr in der gleichen Reihenfolge beachtet werden mussten. Für uns Christen gilt dieser Feiertagskalender nicht mehr. Jene Feste sind sozusagen im Mahl des Herrn zusammengefasst, das wir regelmässig an jedem ersten Tag der Woche feiern. Wir erinnern uns dabei an all die kostbaren Wahrheiten, die in jenen Festen im Vorbild zum Ausdruck gebracht worden sind. Auch sonst versammeln wir uns jede Woche zum Namen des Herrn hin. Alle diese Zusammenkünfte sollen wir nicht versäumen.
Besteht aber bei einem solch gleichförmigen Ablauf unseres Lebens nicht die Gefahr, dass es in äussere Gewohnheiten und tote Formen erstarrt?
Gewiss, und zwar dann, wenn unser Inneres unbeteiligt ist an dem, was unsere Zunge sagt und unsere Hand tut. Darum ruft uns das Wort zu: «Alles, was immer ihr tut, im Wort oder im Werk, alles tut im Namen des Herrn Jesus, danksagend Gott, dem Vater, durch ihn» … «Was irgend ihr tut, arbeitet von Herzen, als dem Herrn …» (Kol 3,17.23). In Verbindung mit Ihm werden Gewohnheiten und Formen mit seinem Leben erfüllt. «Geistliche Pflichten» werden so zu tiefen Freuden im Geist. Selbst die immer wiederkehrenden täglichen Aufgaben erhalten vor Ihm einen grossen Wert.
Unser unbeständiges Herz ist zu tadeln, nicht die gute Gewohnheit, die helfen kann, uns auf die Segnungen und Vorrechte zu besinnen, die dem Christen gegeben sind.
Die Geschichte der Familie Elkanas in den ersten Kapiteln des ersten Buches Samuel kann uns hier als Beispiel dienen. Darin kommt mehrmals der Ausdruck «Jahr für Jahr» vor, der davon spricht, dass sich in ihrem Leben immer wieder etwas wiederholte.
Dieser Mann «ging Jahr für Jahr aus seiner Stadt hinauf, um den HERRN der Heerscharen anzubeten und ihm zu opfern in Silo» (1. Sam 1,3). Wohl war dies im Gesetz vorgeschrieben (5. Mo 16,16). Aber in der Zeit der Richter war das keine Selbstverständlichkeit. Statt Gott zu fürchten, «tat jeder was recht war in seinen Augen». Sogar das Priestertum war in Verfall geraten. Die Priester Hophni und Pinehas waren «Söhne Belials» und lebten in Hurerei. Sie mästeten sich mit dem Opferfleisch, das Gott dargebracht wurde. Als Folge davon verachteten die Leute die Opfergaben (1. Sam 2,17). Und Eli, der verantwortliche Hauptpriester, liess seine Söhne gewähren!
Elkana kam trotzdem. Er brachte nicht nur gewohnheitsmässig das vorgeschriebene Opfer dar. Die Schrift erwähnt ausdrücklich, dass dieser Mann Jahr für Jahr hinaufging, um den HERRN der Heerscharen anzubeten (vgl. auch Vers 19). Er kam mit diesem Wunsch dahin. In seinem Leben zuhause wurde ihm der Name des Gottes Israels gross. Und so ging er mit gefülltem «Korb» nach Silo. Das tat er Jahr für Jahr.
So darf auch heute jedes Kind Gottes Ihm mit Anbetung nahen, an dem Ort, wo man zum Namen des Herrn versammelt ist. Der Vater sucht solche, die Ihn in Geist und Wahrheit anbeten. Wir dürfen es «Jahr für Jahr» d.h. immer wieder tun, solange wir noch hier auf der Erde gelassen sind, inmitten des Verfalls der Christenheit. Es ist ein Vorgeschmack des Himmels, wo alle Erlösten in die ewige Anbetung einstimmen werden.
Da wurde aber auch, Jahr für Jahr, sooft sie nach Silo hinaufzogen, eine böse Gewohnheit offenbar: Die eine Frau Elkanas kränkte die andere. Das war eine Folge der Doppelehe, die gar nicht nach Gottes Gedanken ist, wenn Er sie im Volk Israel auch duldete (5. Mo 21,15). Elkana liebte Hanna; sie waren nicht nur ehelich, sondern auch im Glauben verbunden. Doch war diese Frau unfruchtbar, weshalb er wohl auch Peninna heiratete, die ihm Söhne und Töchter gebar. Auf jede Bevorzugung Hannas reagierte diese mit schrecklicher Eifersucht und verwundete das Herz Hannas an der empfindlichsten Stelle. Wir wollen jetzt nicht untersuchen, wer da mitschuldig war. Bleiben wir aber einmal dabei stehen, dass eine Frau, die zu Gottes Volk gehörte, Jahr für Jahr einen Zustand der Eifersucht in ihrem Herzen duldete!
Wie viel schlimmer noch ist es, wenn heute im Herzen eines Gläubigen, der Christus angehört und das Fleisch gekreuzigt hat samt den Leidenschaften und Begierden, Jahr für Jahr «Werke des Fleisches» bestehen bleiben, wie: Eifersucht, Unversöhnlichkeit, Empfindlichkeit, Rechthaberei, ungerichtete Vergehen gegenüber einer Schwester oder einem Bruder. Möge doch jeder, der solches bei sich feststellen muss, Galater 5,16-26 sorgfältig lesen und sich fragen: «Ist das für mich nur eine papierene Wahrheit?»
Wie Hanna in ihrem Flehen zu Gott gelobt hatte (1. Sam 1,11), wollte sie ihr erstes Kind «dem HERRN geben alle Tage seines Lebens». Und als Er ihr nach langer Prüfungszeit einen Sohn gab, den sie Samuel nannte, da machte sie Ernst mit ihrem Gelöbnis. Sie behielt ihn nicht für sich selbst, sondern pflegte und erzog den Knaben von Anfang an für Gott. Ihr Ziel war, dass er Ihm diene, und zwar an dem Ort, wo Gott damals «seines Namens gedenken liess» (2. Mo 20,24), nämlich in Silo. Da galt es also, den kleinen Samuel früh und unter Gebet im Wort und Gesetz Gottes zu unterweisen. Ihr ernstes Anliegen musste es sein, dass er frühzeitig zum Glauben kam und darin wandeln lernte. Der bedenkliche Zustand des Priestertums in Silo war ihr gewiss bekannt. Der Knabe hatte innere Festigkeit nötig, um vom Bösen, das dort herrschte, nicht beeinflusst zu werden. Sie brachte ihn erst nach Silo, als Samuel «entwöhnt» war, was zweifellos Jahre gedauert hatte (vgl. 2. Mose 2,9.10). Nicht nur Muttermilch benötigte er nicht mehr. Auch sonst war er genügend selbständig geworden, um «dem HERRN zu dienen vor Eli, dem Priester».
Auch in Silo hielt Hanna den Kontakt mit ihrem Knaben aufrecht. Sie nahm weiter innigen Anteil an seiner inneren und äusseren Entwicklung. Jahr für Jahr brachte sie ihm ein kleines Oberkleid mit, das seiner zunehmenden Körpergrösse entsprach (1. Sam 2,19). Durch Gottes Gnade war bei ihm aber auch Wachstum im Glauben zu sehen. «Der der Knabe Samuel wurde immer grösser und angenehmer, sowohl bei dem HERRN als auch bei den Menschen» (1. Sam 2,26).
Wie ist Hanna uns gläubigen Eltern, denen Gott Kinder anvertraut hat, in all den erwähnten Punkten ein schönes Beispiel! Wir möchten sie, wie jene Mutter in Israel, für den Herrn erziehen. Aber auch sie sind dem Einfluss des zunehmenden Bösen in dieser Welt ausgesetzt. Da brauchen sie Jahr für Jahr das Beispiel und die Hilfe von Eltern, die «mit Herzensentschluss bei dem Herrn verharren.»
Schliesslich zeigte sich auch im Dienst, den Samuel später als Richter unter dem Volk ausübte, grosse Regelmässigkeit. «Er ging Jahr für Jahr und zog umher nach Bethel und Gilgal und Mizpa und richtete Israel an allen diesen Orten; und er kehrte nach Rama zurück, denn dort war sein Haus, und dort richtete er Israel» (1. Sam 7,15-17).
Weshalb ging er immer wieder an diese Plätze? Weil sie in der Nähe seines Wohnorts, im Stamm Benjamin lagen? Kaum; er richtete doch Israel und hatte das ganze Volk vor sich. Die Erklärung liegt vielmehr darin, dass diese Stätten für Israel (und in übertragenem Sinn auch für uns) eine besondere Bedeutung hatten.
Bethel
Jakob hatte dem Ort, wo er einst auf der Flucht übernachtete, diesen Namen gegeben, was «Haus Gottes» bedeutet, weil Er ihm dort in Gnade erschienen war (1. Mo 28). Israel sollte die dem Patriarchen und seinem Samen dort gegebenen Verheissungen nicht vergessen.
Wie Samuel zuerst nach Bethel ging, sollen auch wir als erstes Jahr für Jahr im Gedächtnis behalten, dass es auf der Erde eine Behausung Gottes im Geist gibt (Eph 2,19-22). Das ist ein Bild von der Versammlung Gottes, bestehend aus allen Erlösten, die durch Glauben an Christus Jesus von neuem geboren sind. Dieses Haus Gottes allein kann Er anerkennen und – auch in der heutigen Zeit des Verfalls der Christenheit – darin wohnen. Das ist ein sehr wichtiger Gegenstand des Neuen Testaments. Wenn wir ihn zu wenig beachten, bleibt uns vieles unklar über den Ratschluss und die Wege Gottes mit den Menschen. Auch bleiben uns dann die biblischen Grundsätze über das Zusammenkommen der Gläubigen und über die Ausübung der Gaben, die der Herr zur Auferbauung seiner Versammlung gegeben hat, unbekannt.
Gilgal
Auch das war in der Geschichte Israels eine bedeutende Erinnerungsstätte. Beim Einzug ins verheissene Land hatten sie dort den Jordan, ein Sinnbild des Todes, überschritten. An jener Stelle waren für die zwölf Stämme zwölf Steine im Fluss aufgerichtet worden. Und zwölf Steine aus dem Fluss wurden im Lager von Gilgal aufgeschichtet (Josua 4). Zudem wurde das Volk Israel, die Söhne der aus Ägypten ausgezogenen Männer, in Gilgal beschnitten (Josua 5). Für das irdische Volk waren das wichtige Ereignisse. Sie sollten immer wieder daran denken, wenn sie auch von der vorbildlichen Bedeutung wenig verstanden.
Für alle, die jetzt zum himmlischen Volk gehören, reden diese Steine von der gewaltigen Tatsache, dass sie mit Christus gestorben und mit Ihm auferstanden sind. Sie haben nun teil an seinem Auferstehungsleben. Der Apostel redet in Römer 6, Kolosser 2 und 3 und anderen Stellen eindringlich von dieser unumstösslichen Wahrheit. Jahr für Jahr, Tag für Tag soll sie uns vor Herz und Augen stehen, damit wir sie fortwährend praktizieren.
Lasst uns gleichzeitig auch nie vergessen, dass wir in Christus «beschnitten worden sind mit einer nicht mit Händen geschehenen Beschneidung.» Ja, «wir sind die Beschneidung, die wir durch den Geist Gottes dienen und uns Christi Jesu rühmen und nicht auf Fleisch vertrauen.» Der Apostel sagt uns daher: «Wandelt im Geist, und ihr werdet die Lust des Fleisches nicht vollbringen» (Kol 2,11; Phil 3,3; Gal 5,16). Wie nötig haben wir doch, in einem fort an diese Beschneidung erinnert zu werden!
Mizpa
Die Geschichte, die diesem Ort seine Bedeutung gab, lag nicht weit zurück. Wir denken dabei weniger an die Ereignisse in Richter 20 und 21, wobei ganz Israel gezüchtigt werden musste. Samuel lag es besonders daran, die jüngsten Erfahrungen einer Wiederherstellung des Volkes (1. Sam 7) Jahr für Jahr in Erinnerung zu behalten. Was sich da ereignete, lässt sich in folgende Punkte zusammenfassen:
- Das Haus Israel wehklagte dem HERRN nach
- Sie taten die fremden Götter weg (auf uns bezogen: alle die Dinge, die im Herzen den Platz einnehmen, der Christus gehört)
- Sie dienten ihrem Gott allein
- Sie schöpften Wasser und gossen es vor Ihm aus. Damit sagten sie: Wir haben unser Leben und unsere Zeit unnütz vertan, ja mit Bösem vergeudet
- Sie fasteten und bekannten Gott ihre Sünden
- Sie opferten ein Milchlamm zum Brandopfer. (Für uns: In Christus hat uns Gott angenommen. Er hat uns «begnadigt in dem Geliebten». Sind wir einmal abgewichen, dürfen wir uns wieder auf diesen Boden zurückfinden. «Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit» – 1. Johannes 1,9)
- Jetzt stand ihnen Gott mächtig bei, und Samuel konnte den Stein Eben-Eser als Denkmal seiner Durchhilfe aufrichten
Auch wir bekennen voll Dank: Bis hierher hat uns der Herr geholfen! Das spornt uns an, auf dem Pfad des Glaubens weiterhin Jahr für Jahr in Treue mit Ihm zu wandeln.