Die letzten Worte des Herrn (1)

Johannes 13,1-17

Einleitung

Johannes 13,1

Vor dem Fest des Passah aber, als Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, dass er aus dieser Welt zu dem Vater hingehen sollte – da er die Seinen, die in der Welt waren, geliebt hatte, liebte er sie bis ans Ende.

Der erste Vers des Kapitels leitet die letzten Reden unseres Herrn ein. Er zeigt uns

  • den Anlass, der zu diesen Abschiedsworten führte,
  • die schwierige Situation der Seinen, die sie erforderlich machte und
  • das Motiv, das den Herrn zu diesen Worten bewegte.

Der Anlass war, dass «seine Stunde gekommen war, dass er aus dieser Welt zu dem Vater hingehen sollte». Im Lauf des Lebens unseres Herrn auf der Erde haben wir von anderen «Stunden» gehört. In Kana, das in Galiläa liegt, sagte Er zu seiner Mutter: «Meine Stunde ist noch nicht gekommen» – das ist die Stunde, in der Er seine Herrlichkeit vor der Welt offenbarte (Joh 2,4). In Kapitel 5,25 lesen wir, dass «die Stunde kommt und ist jetzt, da die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und die sie gehört haben, werden leben» – das ist die Stunde seiner Gnade für Sünder. Als sich die Feindschaft des Menschen zeigte, lesen wir zweimal: «Niemand legte die Hand an ihn, weil seine Stunde noch nicht gekommen war» – das ist die Stunde seines Leidens (Joh 7,30; 8,20). Die Stunde, die hier durch seine Abschiedsworte eingeleitet wird, hat einen anderen Charakter. Es ist weder die Stunde seiner Gnade gegenüber Sündern noch die Stunde seines Leidens für die Sünder. Es ist auch nicht die Stunde seiner Offenbarung in Herrlichkeit vor der Welt. Es ist vielmehr die Stunde seiner Rückkehr in seine Herrlichkeit beim Vater, in die Liebe und Heiligkeit des Vaterhauses.

Die Seinen aber würden in einer unreinen Welt zurückbleiben, die den Vater hasst und Christus ablehnt. Wie nötig ist da sein letzter Dienst der Gnade mit seinem Trost, seiner Belehrung und seinen Warnungen. Dieser Dienst soll sie vor dem Bösen in der Welt bewahren und die Gemeinschaft mit Christus im Haus des Vaters – das durch Liebe und Heiligkeit gekennzeichnet ist – geniessen lassen.

Darüber hinaus erfahren wir das Motiv, das den Herrn zu diesem letzten Dienst der Gnade bewegte, als Er diese Abschiedsworte äusserte und das abschliessende Gebet sprach. Seine Rückkehr zum Vater war der Anlass und seine Liebe zu den Seinen der Beweggrund. Er verlässt diese Welt. Zurück bleiben aber jene, die der Herr mit Freuden «die Seinen» nennt. Sie sind eine Schar von Glaubenden auf der Erde, die zu Christus im Himmel gehören. Sie sind «die Seinen» – die Frucht seines eigenen Werks. Sie sind «die Seinen» – die Gabe des Vaters. Sie mögen in den Augen der Welt wenig bedeuten, doch sie sind in den Augen des Herrn sehr wertvoll. «Da er die Seinen … geliebt hatte, liebte er sie bis ans Ende.» Auch wenn Er sie verlässt, wird Er nicht aufhören, sie zu lieben. Menschenliebe erlischt früher oder später. Wir verlassen einander, wir vergessen einander, wir verlieren das Interesse aneinander. Der Prophet Jesaja redet sogar davon, dass eine Frau ihr Kind vergessen könnte. Doch der HERR sagt: «Ich werde dich nicht vergessen» (Jes 49,15). Wenn der Herr auch die Welt verlässt, so wird Er doch die Seinen nicht vergessen und nicht aufhören, sie zu lieben. Leider können unsere Herzen Ihm gegenüber kalt werden, unsere Hände im Gutes tun müde werden, unsere Füsse abgleiten. Doch wir können sicher sein: Er wird uns niemals vernachlässigen! Seine Liebe wird uns «bis zum Ende» tragen und umsorgen. Und am Ende nimmt uns die Liebe in ihre ewige Heimat auf. Dort gibt es keine kalten Herzen, keine schlaffen Hände und keine abirrenden Füsse mehr.

In diesen Kapiteln beschäftigen wir uns also mit den abschliessenden Szenen des Lebens unseres Herrn auf der Erde mit seinen Jüngern. Wir sehen sein letztes Tun, lauschen auf seine letzten Worte und hören sein letztes Gebet in der Mitte seiner Jünger. Doch zuvor wird der Anlass erwähnt, der diesen abschliessenden Dienst auslöste, die Notwendigkeit hervorgehoben, der ihn erforderlich machte, und die Liebe beschrieben, mit der er getan wurde.

Bevor wir auf die Einzelheiten dieser letzten Gespräche eingehen, sind ein paar Hinweise zum allgemeinen Charakter dieser Wahrheiten und zur Reihenfolge, in der sie entfaltet werden, nützlich:

  • In Kapitel 13 werden die Jünger in die richtige Beziehung zueinander gebracht. Sie sollen einander die Füsse waschen und einander lieben.
  • In Kapitel 14 finden wir ihre richtige Beziehung zu den göttlichen Personen – zum Sohn, zum Vater und zum Heiligen Geist.
  • In Kapitel 15 werden sie in die richtige Beziehung zum christlichen Bekenntnis gesetzt, damit sie Frucht für den Vater bringen und Zeugnis für Christus ablegen. Beides tun sie in der Welt, die der Herr Jesus verlassen hat.
  • In Kapitel 16 werden sie über das unterrichtet, was ihnen bevorsteht. Ihr Weg wird durch eine feindselige Welt führen, von der sie gehasst, missverstanden und verfolgt werden.

Wir können also Folgendes erkennen:

  • In Kapitel 13 werden die Füsse der Jünger gewaschen,
  • in Kapitel 14 ihre Herzen getröstet,
  • in Kapitel 15 ihnen die Lippen zum Zeugnis geöffnet
  • und in Kapitel 16 wird ihr Verstand belehrt, damit sie sich von keinerlei Verfolgungen entmutigen lassen.

Zudem kann man feststellen, dass die Belehrungen einen fortschreitenden Charakter haben. Die Wahrheit des einen Kapitels ist die Vorbereitung für die neue Offenbarung im darauffolgenden Kapitel. Der Dienst von Kapitel 13 bereitet die Jünger auf die Gemeinschaft mit den Personen der Gottheit vor, wie sie in Kapitel 14 vorgestellt wird. Die Gemeinschaft mit Gott in ihrer eigenen inneren Sphäre bereitet die Jünger darauf vor, in der Welt Frucht zu bringen und Zeugen zu sein, und zwar nach aussen hin, wie es in Kapitel 15 gezeigt wird. Darüber hinaus führen Frucht und Zeugnis von Kapitel 15 zum Widerstand, auf den der Herr die Jünger mit den Belehrungen von Kapitel 16 vorbereitet. Doch um sie in der Welt als Vertreter von Christus zu erhalten, genügt es nicht, diese grossen Wahrheiten den Jüngern zu entfalten. Dazu ist auch das Gebet nötig. So werden die Worte an die Jünger mit dem Gebet des Herrn zum Vater in Kapitel 17 abgeschlossen.

Die Fusswaschung

Johannes 13,2-17

Der Herr kann nun nicht mehr der Begleiter seiner Jünger auf ihrem Lebensweg sein. Sein Liebesdienst für die Seinen auf der Erde geht zu Ende. Doch Er will nicht aufhören, ihr Diener an seinem neuen Ort im Himmel zu sein. Einen Vorgeschmack von diesem Dienst haben wir in der Fusswaschung vor uns (Kap. 13,2-17). Damit zeigt Er, welchen Dienst Er für die Seinen tut, sobald Er seinen neuen Platz in der Herrlichkeit einnimmt. Der Herr Jesus kann nicht mehr länger persönlich mit uns den demutsvollen Weg auf der Erde gehen. Aber Er will es möglich machen, dass wir mit Ihm an seinem Platz in der Herrlichkeit teilhaben können. Das, so glauben wir, ist die Bedeutung der gnädigen Handlung der Fusswaschung. Während seines ganzen vollkommenen Lebens war es immer die Gesinnung von Jesus Christus, sich selbst in liebevollem Dienst für andere zu vergessen. So vergisst Er auch jetzt in dieser letzten Tat sich selbst, um den Seinen zu dienen – obwohl Er sich der dunklen Schatten des Kreuzes zutiefst bewusst ist.

Verse 2,3

Und während des Abendessens, als der Teufel schon dem Judas, Simons Sohn, dem Iskariot, ins Herz gegeben hatte, ihn zu überliefern, steht Jesus, wissend, dass der Vater ihm alles in die Hände gegeben hatte und dass er von Gott ausgegangen war und zu Gott hingehe, …

Diese Verse leiten diesen demütigen Dienst ein. Es wird gezeigt, wie absolut notwendig die Fusswaschung ist. Gleichzeitig wird klar, wie vollkommen fähig der Herr für diesen Dienst ist.

In der Welt verbinden sich der Teufel und das Fleisch zu tödlicher Feindschaft gegen Christus. Weil die Jünger in dieser Welt zurückbleiben werden, haben sie die Fusswaschung unbedingt nötig. Der Hinweis auf den Verrat von Judas in dieser einleitenden Szene und die Voraussage der Verleugnung von Petrus in Vers 38 zeigen klar: Der Teufel gebraucht das Fleisch im Ungläubigen wie im Gläubigen für seine Zwecke. Die uneingeschränkte Wirksamkeit des Fleisches hatte das Herz von Judas für die Einflüsterungen des Teufels geöffnet. Den Freund zu verraten – und dann noch mit einem Zeichen der Liebe – ist selbst dem natürlichen Menschen zuwider. Aber das übermächtige Verlangen, seine Begierden zu befriedigen, macht das Herz auch für Einflüsterungen zugänglich, die unnatürlich sind und nur vom Teufel kommen können.

Vor dieser beängstigenden Machtentfaltung des Fleisches und des Teufels kann für die Jünger der Gedanke an das Zurückbleiben in einer solch bösen Welt erschreckend sein. Sogleich aber werden unsere Herzen dadurch getröstet, dass wir von Fleisch und Teufel weg auf Christus und den Vater hingewiesen werden. Wir erfahren, dass «der Vater alles in die Hände» des Sohnes gegeben hat. Der Teufel, der uns hasst, hat grosse Macht in seinen Händen. Aber «alle Macht» liegt in den Händen von Christus, der uns liebt. Er hat nicht nur «alle Macht» bekommen, Er ist auch an den Ort der Macht gelangt – Er kam von Gott und ging nun zu Gott.

Mit seinem vollkommenen Empfindungsvermögen fühlte Jesus den Verrat eines falschen Jüngers und die bevorstehende Verleugnung eines echten Jüngers. Dennoch ging Er seinen Weg ruhig weiter, weil Er wusste, dass Er alle Macht in seinen Händen hielt und dem Thron der Macht entgegenging. Genauso möchte Er, dass wir in dem Bewusstsein durch eine böse Welt gehen, dass Er alle Macht besitzt und sie auch ausüben kann. Zudem nimmt der Herr nicht nur eine absolute Machtposition ein. Nein, Er lässt uns in der folgenden Begebenheit auch wissen, dass es Ihm eine Freude ist, diese Macht für uns zu gebrauchen! Der Eine, der alle Macht in seinen Händen hat, ist auch der Eine, der eine unendliche Liebe in seinem Herzen trägt. Dieser Allmächtige lässt sich von seinem Herzen voll Liebe bewegen, die beschmutzten Füsse seiner müden Jünger in seine mächtigen Hände zu nehmen und zu waschen. Er, der Herr über alles ist, wird Diener von allen.

Verse 4,5

… von dem Abendessen auf und legt die Oberkleider ab; und er nahm ein leinenes Tuch und umgürtete sich. Dann giesst er Wasser in das Waschbecken und fing an, den Jüngern die Füsse zu waschen und mit dem leinenen Tuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war.

Um diesen Dienst der Gnade zu tun, steht Er vom Abendessen auf. Er erhebt sich vom Passahmahl, das von seiner Vereinigung mit uns in der Herrlichkeit des Reiches spricht (Lk 22,15.16), um das zu tun, was zu unserer Gemeinschaft mit Ihm in der himmlischen Herrlichkeit führt. In seiner vollkommenen Gnade gürtet Er sich für diesen letzten Dienst und giesst Wasser in ein Waschbecken. Dann fängt Er an, die Füsse der Jünger zu waschen und sie mit dem leinenen Tuch, mit dem Er umgürtet war, abzutrocknen.

Verse 6,7

Er kommt nun zu Simon Petrus, und der spricht zu ihm: Herr, du wäschst mir die Füsse? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was ich tue, weisst du jetzt nicht, du wirst es aber nachher verstehen.

«Er kommt nun zu Simon Petrus.» Wenn die anderen den Dienst des Herrn in staunendem Schweigen annehmen, spricht Petrus – getrieben von seinem impulsiven Charakter – alle seine Gedanken aus. Dreimal redet er und jedes Mal offenbart er seine völlige Unkenntnis über die Gedanken des Herrn:

  • Mit seiner ersten Äusserung missbilligt er den demütigen Dienst seines Herrn.
  • In seiner zweiten Äusserung lehnt er die Fusswaschung völlig ab.
  • Mit seiner letzten Äusserung unterwirft er sich diesem Dienst auf eine so unbedachte Art, die der Fusswaschung ihre tiefe Bedeutung wegnehmen würde.

Jemand hat dazu gesagt: «Wenn wir schon durch die Fehler der Jünger gewarnt werden, so belehren uns die Antworten, mit denen sie berichtigt werden, noch viel mehr.» Aus der Antwort des Herrn erkennen wir die tiefe geistliche Bedeutung der Fusswaschung.

Für Petrus war es unbegreiflich, dass der Herr der Herrlichkeit sich bücken sollte, um diese widerspenstigen Füsse zu waschen. Daher ist seine erste Aussage ein mit Staunen vermischter Protest: «Herr, du wäschst mir die Füsse?» Jesus Christus antwortet ihm: «Was ich tue, weisst du jetzt nicht, du wirst es aber nachher verstehen.» Damit erfahren wir, dass es den Jüngern im Augenblick nicht möglich war, die geistliche Bedeutung der Fusswaschung zu erfassen. Erst nach dem Kommen des Heiligen Geistes würde alles klar werden. Das zeigt uns deutlich: Der Herr tat diesen Dienst nicht, um uns durch seine demütige Handlung eine Lektion in Demut zu erteilen. Denn Petrus hätte nicht auf einen späteren Tag warten müssen, um die Demut dieser Handlung zu erkennen. Gerade seine Worte zeigen, dass ihm damals die Demut unseres Herrn durchaus bewusst war.

Vers 8

Petrus spricht zu ihm: Niemals sollst du mir die Füsse waschen! Jesus antwortete ihm: Wenn ich dich nicht wasche, hast du kein Teil mit mir.

Durch die Antwort des Herrn hätte Petrus merken müssen, dass er schweigen sollte, bis das «Nachher» alles verständlich machen würde. Doch er fährt kühn fort: «Niemals sollst du mir die Füsse waschen!» Der Herr übergeht in seiner geduldigen Güte diese Kränkung und korrigiert die impulsive Art von Petrus mit den Worten: «Wenn ich dich nicht wasche, hast du kein Teil mit mir.» In dieser kurzen Antwort erkennen wir jetzt, nachdem der Geist gekommen ist, die geistliche Bedeutung der Fusswaschung: Sie veranschaulicht den gegenwärtigen Dienst des Herrn Jesus, durch den Er alles aus unserem Geist und Leben entfernt, das unsere Gemeinschaft mit Ihm verhindert.

Beachten wir, dass der Herr nicht sagt: teilhaben an mir. Der Dienst der Fusswaschung ist wirklich wertvoll und wichtig. Doch er könnte niemals unser «Teilhaben an Christus» sicherstellen. Dafür war ein grösseres Werk erforderlich. Es ist das Erlösungswerk am Kreuz, das einmal vollbracht worden ist und nie mehr wiederholt werden kann. Durch dieses grosse Werk ist das Teilhaben an Jesus Christus für jeden Glaubenden auf ewig gesichert worden. Die Fusswaschung auf der Erde ist die symbolische Darstellung eines Dienstes, der im Himmel fortgesetzt wird – eines Dienstes, der die Glaubenden auf der Erde befähigt, mit Christus im Himmel Gemeinschaft zu haben. Denn die Worte des Herrn «Teil mit mir» bedeuten Gemeinschaft mit Ihm im Bereich der heiligen Zuneigung des Hauses des Vaters. Wir besitzen hier auf der Erde zunächst das gesegnete Vorrecht, dass der Herr zu uns kommt und in unseren Häusern Gemeinschaft mit uns hat. Genauso wie damals, als Er das Haus der beiden Jünger in Emmaus betrat. Doch «teilhaben mit Ihm» beinhaltet ein höheres Vorrecht: Wir können in seinem Haus Gemeinschaft mit Ihm haben. So erlebten es auch die Emmaus-Jünger, als sie noch am gleichen Abend den Herrn inmitten der versammelten Glaubenden in Jerusalem fanden. Stellen nicht auch die Worte des Herrn an die Christen in Laodizea diese doppelte Wahrheit heraus, wenn Er sagt: «Wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, zu dem werde ich hineingehen und das Abendbrot mit ihm essen, und er mit mir» (Off 3,20)?

Ausserdem scheint es, dass die Fusswaschung streng genommen kein Symbol für den Dienst unseres Herrn als Sachwalter ist, noch seines Dienstes als Hoherpriester, obwohl sie vom Wesen beider etwas an sich hat.1

Beim Priesterdienst des Herrn geht es um unsere Schwachheiten. Die Sachwalterschaft unseres Herrn beschäftigt sich mit wirklichen Sünden. Die Fusswaschung nimmt die Mattheit der Seele und das Erkalten der Zuneigung weg, die sich im Alltagsleben einstellen können. Sie nimmt weg, was die Gemeinschaft mit Christus hindert.

Wenn Müdigkeit oder körperliche Schwäche unser Zeugnis für den Herrn Jesus behindern, dann wird Er als Hoherpriester tätig, um uns in unserer Schwachheit zu stützen. Wenn wir sogar fallen und sündigen, sind wir nicht mehr fähig, für Christus zu zeugen. Dann stellt der Sachwalter unsere Seele wieder her. Wenn jedoch unsere Zuneigungen erkaltet sind, obwohl nichts vorliegen mag, besteht doch ein schwerwiegendes Hindernis für die Gemeinschaft mit Christus. In diesem Fall kommt der Dienst der Fusswaschung zum Zug, der das Hindernis beseitigt. Darüber hinaus besteht ein weiterer Unterschied zwischen Sachwalterschaft und Fusswaschung:

  • Die Fürsprache heilt uns dort, wo wir stehen.
  • Die Fusswaschung stellt uns zur Gemeinschaft mit Christus an dem Ort wieder her, wo Er ist.

Während der Wüstenwanderung Israels hatten die Priester die Pflicht, sich die Füsse zu waschen, bevor sie die Stiftshütte betraten. Sie mochten passend gewesen sein für das Volk, das Lager und die Wüste. Aber um der Gegenwart des Herrn zu entsprechen, war die Fusswaschung unbedingt erforderlich. Darum stand das Waschbecken vor dem Eingang der Stiftshütte (2. Mo 30,17-21; 40,30-32).

Verse 9-11

Simon Petrus spricht zu ihm: Herr, nicht meine Füsse allein, sondern auch die Hände und das Haupt! Jesus spricht zu ihm: Wer gebadet ist, hat nicht nötig, sich zu waschen, ausgenommen die Füsse, sondern ist ganz rein; und ihr seid rein, aber nicht alle. Denn er kannte den, der ihn überliefern würde; darum sagte er: Ihr seid nicht alle rein.

Wie geschieht nun der Dienst, der durch die Fusswaschung symbolisiert wird? Die Antwort auf die erste Bemerkung von Petrus zeigt, dass sie eine geistliche Bedeutung hat. Die Antwort auf sein zweites Wort erklärt uns, welches Ziel sie verfolgt. Die Antwort auf seine letzte Aussage macht uns das Wesen oder die Art dieses Dienstes klarer.

Nachdem Petrus eine flüchtige Ahnung davon bekommen hat, wie gesegnet die Fusswaschung ist, kommt er jetzt auf seine entschiedene Erklärung zurück: Der Herr solle ihm niemals die Füsse waschen. Bewegt von seiner echten Liebe zu Jesus Christus und in seiner typisch impulsiven Art sagt er: «Herr, nicht meine Füsse allein, sondern auch die Hände und das Haupt.» Wie viel Unkenntnis seine Bemerkung auch erkennen lässt – sie drückt doch eine Liebe aus, die die Gemeinschaft mit Christus wertschätzt.

Der Herr antwortet: «Wer gebadet ist, hat nicht nötig, sich zu waschen, ausgenommen die Füsse, sondern ist ganz rein.» In der Bibel wird Wasser oft als Bild für die reinigende Wirkung des Wortes Gottes gebraucht. Bei der Bekehrung wird das Wort durch die Kraft des Geistes angewandt. Dies bewirkt eine gründliche Wandlung. Der Glaubende bekommt eine neue Natur, die seine Gedanken, Worte und Taten völlig verändert. Diese Veränderung wird durch die Worte des Herrn mit «gebadet» (Fussnote: ganz gewaschen) beschrieben. Es kann keine Wiederholung dieser grossen Veränderung geben. Doch die Gebadeten können geistlich träge werden. Die Füsse des Wanderers werden vom Staub der Strasse schmutzig und müde. Genauso kann der Glaubende an der vollen Gemeinschaft mit Christus gehindert werden. So machen ihn zum Beispiel die Beschäftigungen des Alltags, die familiären Pflichten, die Belastungen im Geschäftsleben oder der ständige Kampf mit dem Bösen innerlich müde und matt. Er hat nichts getan, was sein Gewissen belastet hätte, nichts, was zu bekennen wäre und einen Sachwalter nötig machte. Nein, sein Geist ist müde und muss erfrischt werden. Christus freut sich, solche Erfrischung zu geben, wenn wir nur unsere Füsse seinen Händen überlassen! Wenden wir uns zu Ihm. Dann wird Er uns innerlich beleben, indem Er uns durch das Wort sich selbst in seiner ganzen Vollkommenheit vorstellt.

So erkennen wir durch die liebevollen Antworten des Herrn an Petrus

  • den geistlichen Charakter dieses Dienstes,
  • das Ziel, das er erreichen will, und
  • die Art, wie er erfüllt wird.

Leider war einer anwesend, für den dies keine Bedeutung hatte. Der Herr muss sagen: «Ihr seid rein, aber nicht alle.» Er kannte den, der Ihn überliefern würde. Darum erklärte Er: Ihr seid nicht alle rein. Der Verräter war niemals «ganz gewaschen» worden. Er war nicht wiedergeboren. Darum verspürte er kein Bedürfnis nach dem Dienst des Herrn und kannte dessen Erfrischung nicht.

Johannes 13,12-17

Als er ihnen nun die Füsse gewaschen und seine Oberkleider genommen hatte, legte er sich wieder zu Tisch und sprach zu ihnen: Versteht ihr, was ich euch getan habe? Ihr nennt mich Lehrer und Herr, und ihr sagt es zu Recht, denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und der Lehrer, euch die Füsse gewaschen habe, so seid auch ihr schuldig, einander die Füsse zu waschen. Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit, wie ich euch getan habe, auch ihr tut. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ein Knecht ist nicht grösser als sein Herr, noch ein Gesandter grösser als der, der ihn gesandt hat. Wenn ihr dies wisst, glückselig seid ihr, wenn ihr es tut.

Nachdem der Herr diesen Dienst getan und seinen Platz am Tisch wieder eingenommen hat, gibt Er uns noch weitere Belehrungen über die Fusswaschung. Während es im Wesentlichen sein eigener Dienst ist, führt Er ihn doch oft durch die Hände anderer aus. So wird uns die Pflicht auferlegt und das Vorrecht gewährt, einander die Füsse zu waschen. Es ist ein gesegneter Dienst, der nicht den anderen zu korrigieren sucht – so nötig das manchmal auch sein mag – und noch weniger nach dessen Fehlern forscht. Nein, mit diesem Dienst sollen wir einander Christus vor die Herzen bringen. Nur Christus kann eine müde Seele aufrichten! Jahre nach der Szene im Obersaal sagt uns der Apostel Paulus, dass es zu den Voraussetzungen einer gottesfürchtigen Witwe gehört, dass sie die Füsse der Heiligen wäscht (1. Tim 5,10). Damit ist gewiss nicht gesagt, dass sie nur das Böse tadelt oder Fehler korrigiert. Nein, sie richtet den müden Geist der Glaubenden auf, indem sie von Christus her kommt, mit einem Dienst von Ihm.

Wusch nicht Onesiphorus die Füsse von Paulus? Von ihm kann der Apostel schreiben: «Er hat mich oft erquickt und sich meiner Kette nicht geschämt» (2. Tim 1,16). Kam nicht auch Philemon dieser Verpflichtung nach? Zu ihm kann Paulus sagen: «Die Herzen der Heiligen sind durch dich, Bruder, erquickt worden» (Phlm 7). Tat nicht der Herr selbst diesen gesegneten Dienst an seinem müde gewordenen Diener Paulus, als Er in der Nacht zu ihm sagte: «Fürchte dich nicht … ich bin mit dir» (Apg 18,9.10)?

Doch die Fusswaschung erquickt nicht nur die müde Seele der anderen. Sie erfreut auch das Herz dessen, der diesen Dienst tut, denn der Herr erklärt: «Wenn ihr dies wisst, glückselig seid ihr, wenn ihr es tut.»

  • 1Anmerkung des Herausgebers: Wir glauben, dass die Fusswaschung vom Dienst des Herrn Jesus im Himmel spricht, wie Er alle Verunreinigungen – die wir uns im Alltagsleben in einer sündigen Welt zuziehen – beseitigt, weil sie die Gemeinschaft des Herzens mit dem Herrn belasten oder sogar unmöglich machen. So kommt die Fusswaschung seinem Dienst als Sachwalter (1. Joh 2,1) sehr nahe, geht aber darüber hinaus. Neben der Reinigung bewirkt sie auch Erfrischung.