Im ersten Teil seiner Ansprache an die Ältesten von Ephesus (V. 17-27) stellt der Apostel ihnen neben der Art und Weise, wie er unter ihnen gearbeitet hatte, auch seine Botschaft vor, die er in seinem Dienst verkündete. Wir können vier Aspekte erkennen:
1) Buße zu Gott und Glauben an den Herrn Jesus
«… indem ich sowohl Juden als auch Griechen die Buße zu Gott und den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus bezeugte» (V. 21).
Gemeint ist damit das Evangelium Gottes, wie es im Alten Testament angekündigt wurde (Röm 1,1.2) und wie Paulus es in der Lehre des Römer-Briefs (Kap. 1 – 8) darlegt. Die Buße zu Gott und den Glauben an Jesus Christus – zwei Teile, die eng miteinander verbunden sind. Wir finden diese beiden Elemente auch in einem Vers aus dem Epheser-Brief, der die Lehre des Römer-Briefs zusammenfasst: «Nachdem ihr gehört habt das Wort der Wahrheit, das Evangelium eures Heils» (Eph 1,13). Das Wort der Wahrheit können wir auf die Buße zu Gott und das Evangelium des Heils auf den Glauben an den Herrn Jesus Christus beziehen.
a) Die Buße zu Gott
Wann beginnt Buße? Buße fängt im Gewissen eines Menschen an, wenn er ein Empfinden von der Gnade Gottes bekommt. Weil er merkt, dass Gott gnädig ist, ist er bereit, sich ins göttliche Licht zu stellen. Wir möchten das durch zwei Beispiele klarmachen:
- In Lukas 7 kommt eine sündige Frau ins Haus des Pharisäers Simon, wo Jesus zu Besuch ist. Nicht der strenge Pharisäer, sondern der gnädige Herr zieht diese schwere Sünderin wie ein Magnet an. Bei Ihm will sie ihr Leben in Ordnung bringen.
- In Lukas 5 erfährt Petrus durch den Fischfang die Grösse der Gnade des Herrn. Er ist zwar schon bekehrt, aber er erkennt in der Gegenwart des gnädigen Herrn seinen sündigen Zustand. Obwohl er weiss, dass er so, wie er ist, nicht zu Jesus Christus passt, wird er von Ihm angezogen.
Was ist Buße? Es ist das persönliche Anerkennen des göttlichen Urteils über uns selbst. Wir nehmen das «Wort der Wahrheit» an, indem wir glauben, was es über Gott und über uns sagt. Einerseits anerkennen wir, dass Gott heilig und gerecht ist. Anderseits geben wir zu, dass wir gesündigt haben und die Sünde in uns ist.
Genauso hat der jüngere Sohn in Lukas 15 Buße getan. Als er zu sich kam, wollte er zu seinem Vater umkehren und zuerst zu ihm sagen: «Ich habe gesündigt» (Lk 15,18). Dabei denkt er an das Problem der Sünden, wie es Paulus in Römer 1,17 – 5,11 behandelt. Doch der Sohn fügt hinzu: «Ich bin nicht würdig» (Lk 15,19). Dabei denkt er an das Problem der in uns wohnenden Sünde, das der Apostel in Römer 5,12 – 8,39 aufgreift. Im Bild gesprochen akzeptiert der verlorene Sohn die ganze Lehre des Römer-Briefs.
Das ist echte Buße: das Bekenntnis unserer Sünden und die Anerkennung, dass wir Sünder sind. Wir begreifen, dass wir durch unsere Taten und so wie wir sind, vor dem heiligen Gott nicht bestehen können.
b) Der Glaube an den Herrn Jesus
Sobald uns unsere Schuld und unser sündiger Zustand bewusst werden, sehnen wir uns nach einem Ausweg aus unserer Not. Die göttliche Lösung für unsere hoffnungslose Situation ist das «Evangelium des Heils». Durch den persönlichen Glauben an Jesus Christus, der am Kreuz für uns gestorben ist, werden wir errettet.
Diese gute Botschaft unseres Heils beinhaltet erstens, dass jeder, der an den Namen und das Werk des Herrn Jesus glaubt, Vergebung der Sünden empfängt. Das Blut des Heilands ist am Kreuz geflossen, damit jeder Glaubende von seiner ganzen Schuld freigesprochen wird.
Zweitens bringt das Evangelium auch eine Lösung für die in uns wohnende Sünde. Weil Jesus Christus in den drei Stunden der Finsternis zur Sünde gemacht worden ist und Gott die Sünde an Ihm verurteilt hat, ist jeder Glaubende völlig von Gott angenommen, obwohl die Sünde noch in ihm ist. Der Tod des Sohnes Gottes ist die Grundlage, damit jeder Erlöste von der Macht der Sünde befreit wird.
Wenn wir also im Werk des Herrn aufbauen möchten, dann geht es immer wieder darum, öffentlich und in den Häusern diese einfachen göttlichen Tatsachen des Evangeliums Gottes darzulegen: die Buße zu Gott und den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus!
2) Das Evangelium der Gnade Gottes
«… den Dienst, den ich von dem Herrn Jesus empfangen habe, zu bezeugen das Evangelium der Gnade Gottes» (V. 24).
Paulus hatte vom Herrn Jesus diesen Dienst empfangen: Er sollte das Evangelium der Gnade Gottes bezeugen. Was ist damit gemeint? Damit wir den Ausdruck «Evangelium der Gnade Gottes» richtig verstehen, müssen wir zuerst über das Wort «Evangelium» nachdenken. «Evangelium» bedeutet «gute Botschaft», aber es ist nicht an jeder Stelle die gleiche gute Botschaft gemeint. In Vers 21 geht es um das Evangelium Gottes, wie es uns im Römer-Brief dargelegt wird (Röm 1,1). Aber das Wort «Evangelium» wird auch für den Ratschluss Gottes benutzt. Paulus nennt ihn das «Geheimnis des Evangeliums» (Eph 6,19). Dieser ewige Vorsatz – der in früheren Zeiten nicht bekannt war, aber jetzt offenbart ist – ist ebenfalls eine gute Botschaft.
Hier sagt der Apostel, dass er in seinem Dienst die gute Botschaft der Gnade Gottes bezeugt hat. Wie kein anderer hat er klargemacht, dass die Christen auf dem Boden der göttlichen Gnade stehen. Er erklärte mit aller Deutlichkeit, dass der Mensch nicht aus Gesetzeswerken, sondern aus Gnade gerechtfertigt und gerettet wird (Röm 3,24; Eph 2,8). Aber nicht nur das, der Glaubende lebt auch von der Gnade. Das Gesetz ist nicht seine Lebensregel. Es ist die Gnade, die ihn zu einem besonnenen, gerechten und gottseligen Leben anweist (Tit 2,11.12).
Die Verkündigung der Gnade Gottes brachte dem Apostel Kampf und Leiden ein, denn es gab immer wieder Menschen, die gesetzliche Grundsätze einführen wollten. Wir wissen aber: «Das Gesetz wurde durch Mose gegeben; die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden» (Joh 1,17). Wir stehen als Christen tatsächlich auf dem Boden der Gnade. Das bezeugte der Apostel in seinem ganzen Dienst – auch am Ende, als der Niedergang im christlichen Zeugnis bereits einsetzte. Da forderte er Timotheus auf: «Du nun, mein Kind, sei stark in der Gnade» (2. Tim 2,1). Timotheus sollte angesichts des Ruins nicht gesetzliche Grundsätze aufstellen, sondern in der Gnade erstarken. Wie geschieht das in der Praxis? Wir beschäftigen uns zuerst mit dem, was Gott uns in Christus aus Gnade geschenkt hat. Aus dem tiefen Bewusstsein der persönlich erfahrenen Gnade Gottes geht dann ein Leben der Gottesfurcht und des Glaubens hervor.
Der Schreiber des Hebräer-Briefs erklärt: «Es ist gut, dass das Herz durch Gnade befestigt wird» (Heb 13,9). Das ist bis heute wahr! Wir können dem Bösen und dem Verfall, dem wir heutzutage begegnen, nicht mit einem gesetzlichen Grundsatz widerstehen. Dadurch würde die Situation nur noch schlimmer. Nein, das Wort zeigt uns einen anderen Weg. Wir sollen in der Gnade befestigt sein, in der Gnade ruhen, in der Gnade stehen und aus dem Bewusstsein der Gnade heraus ein Leben der Gottesfurcht und des Gehorsams führen.
Im Blick auf den Grundsatz des Gesetzes gibt es zwei Gefahren:
- Man lehrt die Menschen, dass sie sich durch gute Werke den Himmel verdienen können. Das ist aber völlig unbiblisch: «Aus Gesetzeswerken wird kein Fleisch vor ihm gerechtfertigt» (Röm 3,20).
- Man lehrt die Glaubenden, dass sie sich durch das Halten von gewissen Geboten eine höhere Stufe im Glauben erwerben können. Auch das ist ein gesetzlicher Grundsatz und spricht unser Fleisch an. Wie stolz wären wir, wenn wir uns selbst durch das Einhalten von einigen Vorschriften geistlich emporarbeiten könnten. Dann würden wir uns zu den Treuen zählen und ein wenig auf die herabsehen, von denen wir glauben, dass sie weniger treu sind. Auch dieser Ansatz ist verkehrt. Wir sind als Christen in jeder Hinsicht vom gesetzlichen Grundsatz frei gemacht, um aus Liebe zum Herrn für Ihn zu leben.
3) Das Reich Gottes
«Und nun siehe, ich weiss, dass ihr alle, unter denen ich, das Reich predigend, umhergegangen bin, mein Angesicht nicht mehr sehen werdet» (V. 25).
Der Apostel predigte auch das Reich Gottes, das bereits im Alten Testament angekündigt worden ist (Ps 22,29; Dan 2,44; 7,27; Obad 21). Im Neuen Testament wird es das Reich Gottes oder das Reich der Himmel genannt. Beide Begriffe bezeichnen ein und dasselbe Reich. Dieses Königreich hat mit dem Kommen des Herrn Jesus auf die Erde begonnen (Lk 17,21) und wird mit dem Abschluss des Tausendjährigen Reichs zu Ende gehen (1. Kor 15,24). Das ist die ganze Spanne dieses Reichs, das sich auf der Erde entwickelt.
Doch es konnte sich damals nicht in der eigentlichen Form entfalten, weil Jesus Christus, der König dieses Reichs, abgelehnt wurde. Seit seiner Verwerfung hat das Reich eine geheimnisvolle Form angenommen.
Diese spezielle Phase besteht während der ganzen Zeit des christlichen Zeugnisses. Sie dauert auch während der Drangsalszeit noch an, bis Christus ein zweites Mal kommen und offiziell anerkannt werden wird. Dann wird Er das angekündigte Reich öffentlich aufrichten und 1000 Jahre auf der Erde herrschen. Die geheimnisvolle Form des Reichs ist durch zweierlei charakterisiert: Erstens wird der König oder Herr dieses Reichs abgelehnt. Zweitens haben seine Untertanen oder Jünger in diesem Reich zu leiden.
Bei der Erscheinung des Herrn Jesus in Macht und Herrlichkeit wird in diesem Reich aber die grosse Wende eintreten. Es wird seine eigentliche Form annehmen und 1000 Jahre bestehen. Christus wird als König anerkannt sein und seine Jünger werden an seinem Triumph teilhaben. Dieses Tausendjährige Reich wird sich auf zwei Ebenen entfalten, aber immer in Verbindung mit der Erde stehen:
- Es wird eine Ebene ganz auf der Erde geben, die in der Bibel das Reich des Sohnes des Menschen genannt wird. In diesen Bereich werden die Menschen des gläubigen Überrests aus Israel eingehen, die während der Drangsalszeit nicht getötet werden. Hinzu kommen die Glaubenden anderer Nationalitäten, die das Evangelium des Reichs in dieser Notzeit angenommen haben. Alle diese Menschen werden mit einem Körper von Fleisch und Blut in dieses Reich eingehen und sich auf der Erde weiter fortpflanzen.
- Es wird auch eine himmlische Ebene geben, die aber in Verbindung mit der Erde steht. In diesem himmlischen Bereich des Reichs werden alle sein, die einen Auferstehungsleib haben. Es sind die Glaubenden aus der Zeit des Alten Testaments, die Erlösten der Gnadenzeit und die Märtyrer der Drangsalszeit. Sie alle werden das Tausendjährige Reich im himmlischen Teil verbringen. Die Bibel nennt diesen Bereich das Reich des Vaters.
Diese Wahrheiten über das Reich verkündigte der Apostel mündlich. Doch wir finden sie auch in seinen Briefen niedergeschrieben. Dabei macht er deutlich, dass wir – die Glaubenden der Zeit der Gnade – uns auch in diesem Reich befinden. Wir sind berufen, dem Herrn Jesus in unserem Leben hier nachzufolgen. Das bringt einerseits eine tiefe geistliche Freude mit sich. Anderseits tragen wir die Schmach des Christus, weil wir einem verworfenen Herrn nachfolgen. Wir können das Eine nicht ohne das Andere haben. Nur in einer treuen, kompromisslosen Nachfolge und in der Bereitschaft, für seinen Namen zu leiden, erfahren wir diese Freude als seine Jünger.
4) Der Ratschluss Gottes
«Deshalb bezeuge ich euch an dem heutigen Tag, dass ich rein bin von dem Blut aller; denn ich habe nicht zurückgehalten, euch den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen» (V. 26.27).
Wenn der Apostel hier sagt, dass er «rein ist vom Blut aller», dann meint er damit, dass er seinen Dienst ganz erfüllt hat. Das ist auch eine wichtige Lektion für uns. Im Werk des Herrn ist ganze Arbeit gefragt. Der Herr möchte keine halben Sachen, sondern dass wir seinen Auftrag bis zum Ende ausführen.
Paulus hat nicht zurückgehalten, den ganzen Ratschluss Gottes zu verkünden. Damit kommt er auf die vierte Botschaft zu sprechen. In diesem Zusammenhang wiederholen wir: Das Evangelium Gottes war durch prophetische Schriften verheissen und das Reich Gottes wurde im Alten Testament angekündigt. Aber der ewige Vorsatz Gottes war im Alten Testament verborgen. Es gibt dort keine einzige prophetische Aussage im Blick auf den Ratschluss Gottes. Der Apostel erklärt uns das in Epheser 3,2-5: «Wenn ihr nämlich gehört habt von der Verwaltung der Gnade Gottes, die mir in Bezug auf euch gegeben ist, dass mir durch Offenbarung das Geheimnis kundgetan worden ist – wie ich es zuvor in kurzem beschrieben habe, woran ihr beim Lesen mein Verständnis in dem Geheimnis des Christus wahrnehmen könnt –, das in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden ist, wie es jetzt offenbart worden ist seinen heiligen Aposteln und Propheten im Geist.»
Dann entfaltet er in Epheser 3,6 den Inhalt des Geheimnisses oder Ratschlusses. Wir staunen, wie kurz und bündig der Heilige Geist den ganzen Vorsatz Gottes, den Er vor Grundlegung der Welt gefasst hat, in einem einzigen Vers zusammenfasst: Wir sind Miterben, Miteinverleibte und Mitteilhaber der Verheissung! Das ist im Wesentlichen die Lehre des Epheser-Briefs. Im Römer-Brief erklärt Paulus das Evangelium Gottes, das durch die alttestamentlichen Schriften verheissen wurde. Im Epheser-Brief stellt er den Ratschluss Gottes dar, der im Alten Testament verborgen war, aber den Aposteln und Propheten durch Offenbarung mitgeteilt wurde. Paulus war dann das Werkzeug, um diese Wahrheit zu verwalten und uns mitzuteilen:
- Wir sind Miterben. Paulus spricht in Epheser 1,10.11 etwas ausführlicher davon. Der Herr Jesus wird in Herrlichkeit als Sohn des Menschen erscheinen und dann über das ganze Universum herrschen. Das ist an sich kein Geheimnis, denn es wurde schon im Alten Testament mitgeteilt: «Ein wenig hast du ihn unter die Engel erniedrigt; und mit Herrlichkeit und Pracht hast du ihn gekrönt. Du hast ihn zum Herrscher gemacht über die Werke deiner Hände» (Ps 8,6.7). Aber es war noch nicht bekannt, dass Christus sein Erbe nicht allein antreten wird. Er wird es mit uns teilen. Als seine Miterben werden wir mit Ihm über die ganze Schöpfung herrschen.
- Wir sind Miteinverleibte oder Mit-Leib (siehe Fussnote). Diesen Gedanken stellt der Apostel in Epheser 1,22.23 vor. Christus ist als Haupt über alles der Versammlung gegeben. Sie ist sein Leib. Alle Erlösten von Pfingsten bis zur Entrückung bilden zusammen diesen Leib, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt. Ist das nicht wunderbar? Die Versammlung macht die Fülle des Christus aus!
- Wir sind Mitteilhaber seiner Verheissung. Das ist das grösste Vorrecht. Alle Menschen, die in der Zeit der Gnade zum Glauben an den Herrn Jesus kommen, besitzen das ewige Leben. Sie haben nicht nur Leben, sondern Leben in Überfluss (Joh 10,10)! Paulus spricht an anderen Stellen von der «Verheissung des Lebens» oder von «der Hoffnung des ewigen Lebens, das Gott, der nicht lügen kann, verheissen hat vor ewigen Zeiten» (2. Tim 1,1; Tit 1,2). Weil wir ewiges Leben besitzen, werden wir in das Haus des Vaters eingehen und dort – in der Heimat des ewigen Lebens – für immer glücklich sein.
Zusammenfassung
Im Dienst für den Herrn verkünden wir die christlichen Wahrheiten:
- Die Buße zu Gott und den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus: Jeder Mensch, der seine Sünden einsieht und an den Erlöser glaubt, wird gerettet.
- Das Evangelium der Gnade Gottes: Als Christen stehen wir in der göttlichen Gnade und leben von der göttlichen Gnade.
- Das Reich Gottes: Als Jünger folgen wir dem Herrn Jesus nach und gehorchen Ihm.
- Der Ratschluss Gottes: Die Glaubenden der Gnadenzeit besitzen ewiges Leben, gehören zur Versammlung Gottes und werden mit Christus regieren.