Der Glaubende und sein Gott (2)

Psalm 62

Psalm 62: Das Vertrauen des Glaubenden in Gott

Was ist Gottvertrauen?

«Nur auf Gott vertraut still meine Seele, von ihm kommt meine Rettung» (V. 2). Gottvertrauen zeigt sich im täglichen Leben, z.B. wenn Kinder zur Schule gehen, Jugendliche eine Ausbildung machen, Kranke den Arzt konsultieren oder ältere Menschen in ein Altersheim umziehen. Der Glaubende vertraut dann nicht auf Menschen oder menschliche Institutionen, sondern auf seinen Gott. Das ist nicht mit Leichtfertigkeit zu verwechseln. Wer Gott vertraut, drückt sich nicht vor den Entscheidungen, die das Leben mit sich bringt. Gottvertrauen ist weder ein zweckmässiges Handeln des Verstandes noch ein schwärmerisches Tun, sondern es ist ein Weg des Glaubens in aller Nüchternheit, aber in Gemeinschaft mit Gott.

David kannte dieses persönliche Vertrauen in den grossen und allmächtigen Gott. In unserem Psalm erkennen wir eine Zunahme des Gottvertrauens. Das gibt uns Mut. Auch in unserem Leben darf sich der praktische Glaube an Gott vertiefen.

Wenn David sagt: «Nur auf Gott vertraut still meine Seele», dann lernen wir daraus: 1. David stützte sich nur auf seinen Gott. Er suchte keine Alternativen. Nur zu Ihm nahm er in allen Situationen des Lebens Zuflucht. 2. Er posaunte sein Gottvertrauen nicht aus, denn dies ist eine Sache des Herzens. Still wollte er auf Gott und seine Rettung warten. Es ist etwas Grossartiges, wenn glaubende Menschen ruhig auf Gott vertrauen.

Geduldiges Vertrauen

David fügt dann hinzu: «Von ihm kommt meine Rettung.» Er erwartete unverzüglich die Rettung Gottes aus seinen Schwierigkeiten. Obwohl er Gott vertraute, konnte er nicht auf dessen Zeitpunkt warten. Mit anderen Worten: David hatte Glauben, aber noch keine Geduld. Darum musste er Geduld lernen. Davon gibt uns der Patriarch Abraham ein eindrückliches Beispiel. Dieser wird uns als der Vater der Glaubenden vorgestellt. Er vertraute den Aussagen Gottes in Bezug auf seine Nachkommen, aber er hatte keine Geduld, auf das Handeln Gottes zu warten. Darum versuchte er, auf einem eigenen Weg einen Sohn zu bekommen, indem er sich Hagar zur Frau nahm, die ihm dann Ismael gebar. Er tat dies, weil er nicht auf Gottes Zeitpunkt warten konnte, obwohl er seiner Verheissung glaubte. Ja, so sind wir. Vielleicht sind wir überzeugt, dass Gott seiner Herrlichkeit gemäss mit uns handeln wird. Doch wir benötigen auch Geduld, denn der Zeitpunkt Gottes entspricht ebenso der Grösse seiner Person wie das Handeln selbst.

Das Fundament des Vertrauens

«Nur er ist mein Fels und meine Rettung, meine hohe Festung; ich werde nicht viel wanken» (V. 3). Hier macht David drei Aussagen über Gott.

Der Fels spricht vom Fundament, auf dem das Gottvertrauen basiert. Schon in Psalm 61,3 hiess es: «Du wirst mich auf einen Felsen leiten.» Das sind die sicheren Zusagen Gottes für den Glaubenden, der zu Ihm betet. Doch in unserem Psalm ist Gott selbst der Fels. Das geht einen Schritt weiter. Es ist wichtig, alles zu glauben, was Gott uns sagt. Aber es ist noch viel wichtiger, an diesen Gott zu glauben, Ihm zu vertrauen und Ihn als das Fundament unseres Glaubens zu besitzen. Im Herrn Jesus haben wir durch den Glauben diesen Felsen, dieses Fundament für unser Leben gefunden.

Zweitens ist Gott die Rettung. David hat in seinem Leben vielfach erfahren, dass in den notvollen Situationen nur Gott retten konnte. Vertrauensvoll blickt er deshalb in die Zukunft im Bewusstsein, dass Gott auch in den kommenden Zeiten seine Rettung sein wird.

Drittens bezeichnet er Gott als seine hohe Festung. Das spricht von Geborgenheit. Wenn wir schwere Wege zu gehen haben, brauchen wir einen Ort der Geborgenheit, denn in diesen Tagen fühlen wir die Einsamkeit besonders. In diesen dunklen Stunden können uns die Menschen um uns her oft nicht verstehen. Doch Gott will uns am Tag des Übels in seiner Hütte bergen. Bei Ihm dürfen unsere Herzen diese Geborgenheit finden.

Weil David noch nicht gelernt hat, auf Gottes Zeitpunkt der Rettung zu warten, sagt er jetzt: «Ich werde nicht viel wanken.» Da Gott nicht sogleich eingegriffen hat, wankt sein Gottvertrauen doch ein wenig. Haben wir das nicht auch schon erlebt? In schweren Momenten unseres Lebens haben wir zu Gott geschrien, und Er hat nicht sofort geantwortet. Da wurden unsere Herzen vielleicht ein bisschen wankend: Wird Gott wirklich eingreifen? Doch dieser Ausdruck zeigt uns auch die Redlichkeit im Herzen Davids. Er wollte sich und Gott nichts vormachen. Zudem traute er sich selbst nichts zu.

Gefahren für das Gottvertrauen

Die Verse 4 und 5 zeigen uns, wie Satan unser Gottvertrauen zerstören will. Gott ist bemüht, unser Vertrauen in Ihn zu stärken und zu vermehren, aber Satan will uns davon abbringen. Er möchte, dass wir uns von Gott lossagen. Dieses Spannungsfeld kennen wir alle aus unserem praktischen Glaubensleben. In Vers 4 entfaltet der Feind Gottes seine Macht, um uns zu erschrecken, damit wir unser Gottvertrauen aufgeben. In Vers 5 gebraucht er seine List mit dem gleichen Ziel. Er will unseren Glauben an Gott erschüttern. Die zweite Angriffsart scheint gefährlicher zu sein als die erste, aber wir dürfen die erste auch nicht unterschätzen.

a) Die Macht des Feindes

«Bis wann wollt ihr gegen einen Mann anstürmen, ihr alle ihn niederreissen wie eine überhängende Wand, eine angestossene Mauer?» (V. 4). «Bis wann?», so haben die Glaubenden durch alle Jahrtausende gefragt. In Psalm 13,2.3 heisst es: «Bis wann, HERR, willst du mich für immer vergessen? Bis wann willst du dein Angesicht vor mir verbergen? Bis wann soll ich Pläne in meiner Seele hegen, Kummer in meinem Herzen bei Tag? Bis wann soll sich mein Feind über mich erheben?» Hatten wir auch schon solche Fragen im Herzen: Wie lang wird diese Prüfung in meinem Leben noch dauern? Bis wann ist es dem Feind erlaubt, seine Macht zu entfalten, um mich vom Glauben abzubringen? Er erscheint dann wie ein brüllender Löwe.

Auch der Apostel Paulus machte am Ende seines Lebens diese Erfahrung. Als er in Rom gefangen war, schrieb er in 2. Timotheus 4,16.17: «Bei meiner ersten Verantwortung stand mir niemand bei, sondern alle verliessen mich; es werde ihnen nicht zugerechnet. Der Herr aber stand mir bei und stärkte mich, damit durch mich die Predigt vollbracht würde und alle die aus den Nationen hören möchten; und ich bin gerettet worden aus dem Rachen des Löwen.» Was meint Paulus, wenn er sagt, er sei aus dem Rachen des Löwen gerettet worden? Will er nicht deutlich machen, dass es dem Feind nicht gelang, sein Vertrauen auf Gott zu erschüttern? Der Löwe hat wohl den Rachen aufgesperrt, um ihn zu erschrecken, aber Paulus ist in seinem Gottvertrauen nicht wankend geworden.

So erlebte auch David die Macht des Feindes, und er spricht dann von sich als von einer überhängenden Wand oder einer angestossenen Mauer. Damit bringt er zum Ausdruck, dass er nicht viel von sich und seiner eigenen Kraft hält. Er hat kein grosses Selbstvertrauen. Als David auf der Flucht vor Saul war, sagte er einmal: Was jagst du einem toten Hund, einem Floh nach? Er verglich sich mit einem nichtigen Insekt. So wollen auch wir angesichts der Einschüchterung des Feindes uns nicht auf uns selbst, sondern auf unseren Gott stützen.

b) Die List des Feindes

«Sie beraten nur, ihn von seiner Höhe zu stossen; sie haben Wohlgefallen an der Lüge; mit ihrem Mund segnen sie, und in ihrem Innern fluchen sie» (V. 5). Hier gebraucht der Feind seine List, um den Glaubenden in seinem Gottvertrauen wankend zu machen. Mit der Höhe ist hier der Adel des Gottvertrauens gemeint. Ich habe auf meinen Reisen glaubende Menschen kennen gelernt, die keine hohe Stellung in der Gesellschaft einnahmen, aber in ihrem Leben echtes Gottvertrauen zeigten. Ein gewisser geistlicher Adel hat sie charakterisiert, weil sie sich in allen Lagen auf Gott stützten. Von dieser geistlichen Höhe möchte uns der Feind durch seine List hinunterstossen. Dazu gebraucht er Unwahrheit und Falschheit. Sein Angriff besteht darin, dass er die Tatsachen umdreht und in ein falsches Licht stellt. Damit möchte er uns verunsichern und vom einfachen Vertrauen auf Gott abbringen. Bei David ist es ihm nicht gelungen. Im Gegenteil! Die Macht und List des Feindes haben sein Gottvertrauen vertieft. Ist es nicht bemerkenswert, dass Gott die Angriffe des Feindes benutzt, um uns im Glauben zu befestigen?

Vertieftes Gottvertrauen

«Nur auf Gott vertraue still meine Seele, denn von ihm kommt meine Erwartung» (V. 6). David hat in der Prüfung durch die Angriffe des Feindes Geduld gelernt. Er sehnt sich nicht mehr unmittelbar nach der Rettung Gottes wie in Vers 2, sondern setzt seine Erwartung ruhig auf Ihn, indem er den Zeitpunkt der Rettung völlig Gott überlässt. Diese Veränderung ist sehr schön, denn sie zeigt sein Wachstum im Gottvertrauen.

In Vers 7 wiederholt er die Aussagen von Vers 3: «Nur er ist mein Fels und meine Rettung, meine hohe Festung.» Noch immer ist Gott sein Fundament, seine einzige Rettung und die Geborgenheit in dunklen Tagen. Doch dann fügt er hinzu: «Ich werde nicht wanken», im Gegensatz zu Vers 3, wo es heisst: «Ich werde nicht viel wanken.» Jetzt ist sein Vertrauen in Gott stärker geworden. Es ist Gottes Absicht, auch unser Vertrauen in Ihn zu vertiefen. Dazu benutzt Er gerade schwierige Umstände und manchmal den Feind, um dieses Wachstum in unserem Leben zu bewirken.

Völliges Gottvertrauen

Eigentlich konnte nur einer sagen: «Ich werde nicht wanken.» So finden wir hier einen schönen Hinweis auf den Herrn Jesus. Sein ganzes Leben war von Gottvertrauen geprägt. Selbst als Er am Ende seines Lebens von uns Menschen ans Kreuz geschlagen wurde und in die drei Stunden der Finsternis kam, da wankte Er nicht. Dieses vollkommene Gottvertrauen beim Herrn Jesus berührt und beeindruckt uns tief. Viele treue Männer Gottes werden uns in der Schrift vorgestellt:

  • Mose war ein Mann des Glaubens, doch er hatte Momente in seinem Leben, da sein Gottvertrauen wankte. Als er Gott bat: «Lösche mich doch aus deinem Buch», da wollte er nicht mehr weiterleben. Kennst du auch solche Momente in deinem Leben, wo du sagtest: Ich möchte am liebsten sterben?
  • Als Hiob all seinen Reichtum und seine Kinder verloren hatte, sprach er im Glauben: «Der HERR hat gegeben, und der HERR hat genommen, der Name des HERRN sei gepriesen!» Auch als er krank wurde, wankte er nicht in seinem Gottvertrauen. Als aber die Krankheit anhielt und seine drei Freunde vor Erschütterung sieben Tage schweigend bei ihm sassen, verfluchte er den Tag seiner Geburt. So kann es auch uns ergehen. Wenn schwere Schläge kommen, dann vermögen wir oft noch im Glauben dazustehen. Aber wenn die Schwierigkeit anhält, wenn die Rettung Gottes auf sich warten lässt, dann stehen wir in Gefahr, im Gottvertrauen einzuknicken.
  • Jeremia, der geplagte Prophet, hat wegen seines treuen Dienstes schreckliche Leiden erduldet. Einmal verfluchte er den Mann, der zu seinem Vater gekommen war und gesagt hatte: «Ein männliches Kind ist dir geboren.» Er verfluchte auch den Tag seiner Geburt. So erlebte auch er Momente, in denen sein Glaube schwach wurde.

Doch der Herr Jesus wankte auch in den schwersten Leiden nicht. In alle Ewigkeit werden wir nie ergründen, wie furchtbar unser Heiland in den drei Stunden der Finsternis gelitten hat. Die Schrecklichkeit des Gerichts Gottes, das Er dort erfahren hat, als Er zur Sünde gemacht wurde und unsere Sünden trug, können wir nur ein wenig erahnen und werden auch in Ewigkeit nur wenig davon verstehen. In all diesen Stunden wankte Er keinen einzigen Augenblick in seinem Gottvertrauen. Psalm 22 zeigt uns als Hauptgedanke die drei Stunden der Finsternis. In den Versen 10 und 11 sagt der Herr Jesus prophetisch zu seinem Gott, als Er in diesen tiefen Leiden war: «Du bist es, der mich aus dem Mutterleib gezogen hat, der mich vertrauen liess an meiner Mutter Brüsten. Auf dich bin ich geworfen von Mutterschoss an, von meiner Mutter Leib an bist du mein Gott.» Diese Worte lassen uns in das Herz unseres Heilands blicken, und wir sehen vollkommenes Vertrauen in seinen Gott. Nur Er allein konnte wirklich sagen: «Ich werde nicht wanken.»

Was Gott uns sein möchte

«Auf Gott ruht mein Heil und meine Herrlichkeit; der Fels meiner Stärke, meine Zuflucht, ist in Gott» (V. 8). Auch diese Aussage ist vollkommen wahr vom Herrn Jesus. In den Schwierigkeiten und Leiden ruhte Er in der versprochenen Rettung Gottes. Dies geschah in seiner Auferweckung, nachdem Er durch seinen Tod das Erlösungswerk vollbracht hatte und in das Grab gelegt worden war. Auch seine Herrlichkeit ruhte auf seinem Gott. Es war seine Absicht, in allen Umständen des Lebens Ihm allein die Ehre zu geben. Als Mensch fand Jesus täglich seine Kraft in seinem Gott, und Er suchte seine Zuflucht nur bei Ihm. War Er nicht der vollkommen von Gott abhängige Mensch, als Er einst hier lebte?

Wir dürfen ebenfalls in der Rettung Gottes ruhen, auch wenn sie noch nicht gekommen ist. Unsere Herrlichkeit liegt darin, dass wir auf Gott vertrauen und Ihm die Ehre geben. Wir dürfen uns rühmen, aber nicht über uns selbst, sondern: «Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn.» In Gott finden wir auch das Fundament unserer Kraft: «Die auf den HERRN harren, gewinnen neue Kraft» (Jes 40,31). Zudem ist Er selbst unser Schutz in dunklen Tagen. Bei Ihm finden wir Zuflucht, wenn die Stürme des Lebens über uns hereinbrechen.

Beständiges Gottvertrauen

«Vertraut auf ihn allezeit, o Volk! Schüttet euer Herz vor ihm aus! Gott ist unsere Zuflucht» (V. 9). Hier wird uns ein wichtiger biblischer Grundsatz vorgestellt: Alles, was wir aus der Hand des Herrn bekommen, empfangen wir, um es weiterzugeben. Einige Beispiele dazu:

  • Durch Buße und Umkehr haben wir im Glauben an das Erlösungswerk des Herrn Jesus Errettung vom Gericht und Vergebung unserer Sünden empfangen. Nun sind wir berufen, diese frohe Botschaft anderen Menschen weiterzusagen.
  • Durch das Lesen und Hören des Wortes Gottes haben wir Belehrungen und Segen erhalten. Wir haben die geistlichen Segnungen und die christlichen Reichtümer in der Heiligen Schrift entdeckt, sie im Glauben in unsere Herzen aufgenommen und im täglichen Leben einen Gewinn davon gehabt. Gott möchte, dass wir auch diesen Segen weitergeben.
  • In 2. Korinther 1 spricht der Apostel Paulus davon, dass er Gott als einen Vater der Erbarmungen und einen Gott allen Trostes erfahren hat. Der Vater der Erbarmungen hat mit den Schwierigkeiten von Paulus mitempfunden und der Gott allen Trostes war für seinen Apostel tätig geworden. Paulus hat diesen Trost erlebt, um die trösten zu können, die in allerlei Bedrängnis sind.

So hat auch David im Vertrauen auf Gott seine Rettung erlebt, um diese Erfahrung anderen mitzuteilen. Der Zuruf gilt auch uns: «Vertraut auf ihn allezeit, o Volk!» Damit sagt er uns gleichsam: Es lohnt sich, in guten wie in schweren Tagen auf Gott zu vertrauen, ich selbst habe es erfahren. Ja, Gott selbst wünscht, dass wir uns alle Tage unseres Lebens, d.h. ständig auf Ihn stützen.

Weiter fordert er uns auf: «Schüttet euer Herz vor ihm aus!» Da werden unsere Gedanken zu Philipper 4,6.7 gelenkt. Dort werden wir ermuntert, alle unsere Anliegen vor Gott kundwerden zu lassen. Dieses Ausschütten des Herzens bedeutet, dass wir unsere Lebensumstände im Gebet vor Gott hinlegen. Kennen wir die Gewohnheit, alles vor Gott auszubreiten? Vielleicht beten wir zu Gott, wenn Schwierigkeiten uns bedrücken. Doch wir dürfen auch das vor Ihn hinlegen, was unser Herz erfreut, die geistlichen Segnungen und vielleicht auch irdische Freuden. Die Dichterin sagt:

  • In frohen, lichten Tagen,
    auf blumenreicher Bahn
    darf ich mein Glück Dir sagen
    und Du nimmst teil daran.

Gott nimmt teil an unserer Freude.
Aber die Dichterin fährt fort:

  • Doch wenn die Wunden brennen,
    der Pfad voll Dornen ist,
    dann lernt man erst erkennen,
    wie stark und treu Du bist.

Auch in solchen Situationen dürfen wir unser Herz vor Gott ausschütten.

«Gott ist unsere Zuflucht.» Das ist der dritte Teil von Vers 9 und zeigt uns die Geborgenheit der Gemeinschaft mit Gott. Wenn wir im Vertrauen unsere Anliegen vor Gott ausgedrückt haben, werden wir die wunderbare Erfahrung machen, dass unsere Gedanken und Empfindungen bei Ihm zur Ruhe kommen. Der Friede Gottes wird dann unsere Herzen und unseren Sinn bewahren (Phil 4,7).

Erste Warnung: Nicht auf Menschen vertrauen

«Nur ein Hauch sind die Menschensöhne, Lüge die Männersöhne. Auf der Waagschale steigen sie empor, sie sind allesamt leichter als ein Hauch» (V. 10). Die Verse 10 und 11 warnen uns vor zwei Gefahren. Vers 10 ermahnt uns, nicht auf Menschen zu vertrauen. Diese Gefahr besteht in unserem Glaubensleben immer wieder. Wie leicht leihen wir unser Ohr den menschlichen Empfehlungen, den philosophischen Gedanken oder Ratschlägen. Doch die Menschen sind ein Hauch, und das, was sie uns raten, ist eine Lüge. Diese menschlichen Ratgeber werden auf der göttlichen Waage gewogen. Auf der Waagschale steigen sie empor, d.h. sie sind zu leicht befunden.

Wer auf Menschen vertraut, wird immer enttäuscht. Das haben wir alle schon erfahren müssen. Auch die Bibel zeigt uns dies:

  • Joseph war ein Mann des Gottvertrauens. Von keinem Glaubenden wird uns so wenig Negatives in der Bibel mitgeteilt wie von Joseph. Doch einmal setzte er seine Hoffnung auf einen Menschen – den Mundschenken, der wieder in sein Amt eingesetzt werden sollte. Er bat diesen, an ihn zu denken und ihn vor dem König zu erwähnen. Dann lesen wir den kurzen Satz: «Aber der Oberste der Mundschenken dachte nicht mehr an Joseph und vergass ihn» (1. Mo 40,23).
  • Der jüngere Sohn im Gleichnis in Lukas 15 hatte all sein Erbe verprasst. In der Hungersnot hängte er sich an einen Bürger jenes Landes. Dieser stellte ihn als Schweinehirt an. Und er begehrte seinen Bauch mit den Futterpflanzen zu füllen, die die Schweine frassen. Doch niemand gab ihm. Soger in seinem Elend hat er noch auf Menschen vertraut und wurde enttäuscht.

So werden wir gewarnt, nicht auf Menschen – auch nicht auf Glaubensgeschwister –, sondern auf Gott zu vertrauen, sonst werden wir enttäuscht.

Zweite Warnung: Nicht auf sich selbst vertrauen

«Vertraut nicht auf Erpressung, und setzt nicht eitle Hoffnung auf Raub. Wenn der Reichtum wächst, so setzt euer Herz nicht darauf!» (V. 11). Hier werden wir vor dem Selbstvertrauen gewarnt. Das geschieht dann, wenn wir in schwierigen Situationen mit fleischlichen Mitteln uns selbst Hilfe verschaffen, anstatt auf Gott zu vertrauen. Es werden drei Punkte erwähnt, die dabei eine besondere Gefahr sind: Erpressung, Raub und Reichtum.

  • Gibt es denn Erpressung unter Gläubigen? Ja, leider kommt es vor, dass Eheleute, Eltern oder Kinder versuchen, durch Erpressung zu ihrem Recht zu kommen. Auch unter Glaubensbrüdern besteht die Gefahr, dass man andere unter Druck setzt, indem man irgendwelche Drohungen ausspricht, um seine Ansichten durchzusetzen. Das ist Erpressung.
  • Auf Raub vertrauen bedeutet, dass man sich auf Kosten anderer aus schwierigen Situationen befreien will. Wir können auch Raub begehen, indem wir etwas als unser geistiges Eigentum hinstellen, das wir nur von anderen übernommen haben.
  • Die dritte Gefahr des Selbstvertrauens ist der Reichtum. In 5. Mose 8,11-14 heisst es: «Hüte dich, dass du den HERRN, deinen Gott, nicht vergisst, so dass du seine Gebote und seine Rechte und seine Satzungen nicht hältst, die ich dir heute gebiete, damit sich dein Herz nicht erhebt, wenn du isst und satt wirst und schöne Häuser baust und bewohnst und dein Rind- und dein Kleinvieh sich mehrt und Silber und Gold sich dir mehren und alles, was du hast, sich mehrt und du den HERRN, deinen Gott, vergisst.» Sind das nicht ernste Worte für unsere Tage? Besteht nicht auch bei uns die Gefahr, dass wir auf materiellen, irdischen Reichtum, sei es Geld, Bildung oder Alter, vertrauen? Man trifft manchmal Menschen, die stolz auf ihr Alter sind. Aber alt wird man von selbst, das ist kein Verdienst. Und das Alter schützt vor Torheit nicht. Wenn wir auf die Erfahrung unseres Alters statt auf Gott vertrauen, dann handeln wir töricht. Das ist Selbstvertrauen auf Reichtum.

Das Vertrauen auf Gottes Wort

«Einmal hat Gott geredet, zweimal habe ich dies gehört, dass die Stärke bei Gott ist» (V. 12). Nun werden wir aufgefordert, uns von uns selbst und von anderen Menschen wegzuwenden und unser Vertrauen auf das Wort Gottes zu setzen. Wenn Gott einmal geredet hat, dann genügt das für den Glaubenden. Doch wir lesen und hören das Wort Gottes mehrmals. Immer wieder dürfen wir uns daran erinnern, dass die Stärke bei Gott und nicht bei den Menschen ist – auch nicht in uns selbst.

«Und dein, o Herr, ist die Güte; denn du vergiltst jedem nach seinem Werk» (V. 13). Am Ende werden uns die beiden Seiten Gottes vorgestellt: Güte und Gerechtigkeit. Güte spricht von der Gnade Gottes in unserem Leben, und Gerechtigkeit hat mit unserer Verantwortung zu tun. Wir vertrauen einem gütigen Gott, aber wir wollen seine Gerechtigkeit nicht vergessen. «Irrt euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten! Denn was irgend ein Mensch sät, das wird er auch ernten» (Gal 6,7).

Schluss

Dieser Psalm macht uns Mut, uns in allen Lebenslagen nur auf Gott zu stützen. Ob wir jung sind, ob wir in der Mitte des Lebens stehen oder ob wir schon älter geworden sind: Er möchte unser Vertrauen auf Ihn vermehren, zu seiner Ehre und zu unserem Segen.