In diesem Kapitel werden besondere Personengruppen angesprochen, mit denen sich Titus zu beschäftigen hatte. Wenn wir diese Verse auf uns anwenden, verstehen wir schnell: Hier sind wir alle gemeint. Jeder von uns passt irgendwie in diese Einteilung. Lasst uns nicht sagen: «Was jetzt kommt, kenne ich schon», sondern den Herrn bitten: «Mach mir wieder gross, was in deinem Wort steht!»
Vers 1. «Du aber rede, was der gesunden Lehre geziemt.» Dann folgt ein Doppelpunkt. Die erste Aufforderung richtet sich also unmittelbar an Titus selbst. Was ist nun «gesunde Lehre»? Wir haben bereits erwähnt, dass die Christenheit immer die Tendenz hatte, geistliche Krankheitskeime zu säen und zu entwickeln, so dass daraus entsprechende Krankheiten entstanden sind, die das Glaubensleben beeinflussen. Dieser Gefahr will das Wort Gottes an vielen Stellen vorbeugen. Hier haben wir eine solche. Titus sollte darauf dringen, dass die gesunde Lehre beachtet wird. Sie ist einfach das, was wir im Neuen Testament finden: Was das Wort Gottes uns sagt, was für uns wichtig war, als wir uns bekehrten, was für uns Gläubige wichtig ist, seitdem wir bekehrt sind, was für uns Christen wichtig sein wird, bis der Herr kommt. Das ist die gesunde Lehre, die zu einem gesunden Glaubensleben führt. Titus sollte das an die Hand nehmen.
«Reden» bedeutet nicht nur, etwas in der Öffentlichkeit zu sagen, sondern auch im persönlichen Gespräch. Titus hatte das Herz eines Hirten. Er sollte seine Hirtengesinnung besonders im persönlichen Umgang entfalten. Er sollte auf diese Weise zurechtweisen oder dem einen oder anderen beibringen, was der gesunden Lehre geziemt. «Du aber rede.» Welche Personengruppen gemeint sind, finden wir anschliessend.
Wenn man von der «gesunden Lehre» spricht oder wenn es heisst: «Du aber rede», dann wollen wir immer im Auge behalten, dass Christus das Ziel eines solchen Verhaltens ist. Alle gute Lehre zielt darauf ab, Ihn zu verherrlichen. Man kann sich über manches lehrmässig äussern. Wichtig ist dabei, dass man Christus bringt. Wenn Er vor die Herzen gemalt wird, ist das die grösste Wirkung der Lehre. Sonst bleibt sie kraftlos und flach.
Wenn wir Christus besser kennen lernen, werden wir automatisch dahin geführt, zu fragen: Wie kann ich Ihn, diesen grossen wunderbaren Herrn, praktisch besitzen? Dann hat die gesunde Lehre bereits einen grossen Eingang in mein Herz gefunden. Wenn ich begreife: Hier geht es um Christus; und wenn auch mein Gesprächspartner, dem ich vielleicht etwas sagen muss, begreift: Dem Bruder, der mit mir redet, geht es um Christus – dann wird die Lehre kraftvoll und wirksam.
Manches spricht uns auf den ersten Blick vielleicht nicht so an, weil es uns trocken vorkommt. Wenn aber Christus gebracht wird und ich das mit einem Herzen aufnehme, das bereit ist, Ihn zu erfassen, dann packt mich das. Dann merke ich: Das ist nicht trocken. So wollen wir das, was Titus den einzelnen Personengruppen hier zu sagen hat, zu uns reden lassen.
Kurzer Überblick über die Verse 2-10
- «Dass die alten Männer nüchtern seien, würdig, besonnen, gesund im Glauben, in der Liebe, im Ausharren.»
- «Die alten Frauen ebenso in ihrem Betragen, wie es dem heiligen Stand geziemt, nicht verleumderisch, nicht Sklavinnen von vielem Wein, Lehrerinnen des Guten; damit sie die jungen Frauen unterweisen.»
- Die jungen Frauen sollen Liebe zu ihren Männern und zu ihren Kindern beweisen, sollen besonnen sein, «keusch, mit häuslichen Arbeiten beschäftigt, gütig, sich den eigenen Männern unterordnen, damit das Wort Gottes nicht verlästert werde».
- Die jungen Männer werden zur Besonnenheit, zur Unverfälschtheit in der Lehre, zum würdigen Ernst, zur gesunden Rede und auch zur nicht zu verurteilenden Rede ermahnt, damit der von der Gegenpartei beschämt werde, da er nichts Schlechtes über sie sagen kann.
- Den Knechten wird gesagt: «Sich ihren eigenen Herren unterzuordnen, in allem wohlgefällig zu sein, nicht widersprechend, nichts unterschlagend, sondern alle gute Treue erweisend, damit sie die Lehre, die unseres Heiland-Gottes ist, zieren in allem.»
Es ist interessant, wie der Heilige Geist jeder Personengruppe bestimmte Ermahnungen zuordnet. Ich bin aber überzeugt, dass die jeder entsprechenden Gruppe Zugehörigen sich auch die Ermahnungen für die andern sagen lassen mussten. Für jeden galt alles und für alle galt jedes. Doch der Heilige Geist weiss genau, den Finger auf die wunde Stelle zu legen. Diese ist bei den Alten anders als bei den Jungen, und bei den Frauen anders als bei den Männern. Darum geht es hier.
Diese fünf Gruppen weisen bestimmte Ähnlichkeiten auf, und doch gibt es auch Unterscheidendes.
Solche Ermahnungen sind ja nicht einmalig in der Schrift. Etwas Ähnliches finden wir im Epheser- und Kolosser-Brief, nur in einer etwas anderen Form. In Epheser 5 werden zuerst die Frauen ermahnt, dann ihre Männer; in einer weiteren Stelle zuerst die Kinder, dann die Väter; und etwas später werden die Sklaven angesprochen und dann die Herren. Die Reihenfolge im Kolosser-Brief ist die gleiche. Der, der bei Gott der Untergeordnete ist, wird zuerst genannt. – Im ersten Petrus-Brief findet man Ähnliches. – Wir haben aber hier im Titus-Brief eine Ordnung nach Geschlecht und nach Alter.
Verse 1.2. Die alten Männer sollen also nüchtern sein. Diese Nüchternheit müssen wir alle immer wieder neu lernen. Da ist eine Gefahr, die uns alten Brüdern besonders droht. Wir wollen uns dies auch sagen lassen. Nüchternheit hat zwar jeder nötig. Trotzdem sagt es der Heilige Geist hier nur den alten Männern. «Nüchtern» kann man sicher auch mit «wachsam» wiedergeben. Unser Glaubensleben sollte uns immer dazu anhalten.
Zudem wird auch das Würdigsein erwähnt. Es fällt auf, dass auch dies den alten Männern gesagt wird. Hatten sie das noch nicht genügend gelernt?
Dann finden wir wieder den Ausdruck «gesund im Glauben». Der Text fügt noch hinzu: gesund … in der Liebe, im Ausharren. Dieser berühmte Dreiklang – Glauben, Liebe, Ausharren oder Hoffnung – ist wegen seines häufigen Vorkommens fast charakteristisch für das Neue Testament.
In 1. Könige gibt es einige Stellen, in denen alte Männer eine Rolle spielen, und zwar in gutem und in schlechtem Sinn. Sie zeigen, wie berechtigt die Ermahnung zur Würdigkeit und Besonnenheit ist:
Salomo in 1. Könige 11,4.5: Er war ein Mann, der im Alter erleben musste – er hat sich wohl kaum dagegen gewehrt –, dass seine Frauen sein Herz ihren Göttern nach neigten. Er machte mit. Im Alter verlor er die Beherrschung und seine Entschiedenheit für den HERRN.
Wenn wir in 1. Könige 12 zu seinem Nachfolger kommen, taucht da eine Gruppe von alten Männern auf. Es waren Männer mit grosser Weisheit und Besonnenheit, die den jungen Leuten ihrer Zeit sagten, was sie tun sollten. Sie gaben ihnen einen weisen Rat. Diese Alten, die den König Rehabeam berieten, kann man sicher als besonnen und nüchtern bezeichnen.
In 1. Könige 13,11 finden wir einen ganz schlimmen Fall. Da war ein alt gewordener Prophet in Bethel, der es fertigbrachte, den Mann Gottes aus Juda in seinem Dienst lahmzulegen und ihn zu belügen. Er – ein alter Prophet – wurde die Ursache dafür, dass der Mann Gottes vom HERRN weggenommen wurde und starb.
1. Könige 14,1-5 stellt uns einen sympathischen Mann vor: den Propheten Achija. Er konnte wegen seines Alters nicht mehr sehen. Aber Gott konnte ihn in seinem Alter gebrauchen.
Ein letztes Beispiel aus 1. Könige 15. Da wurde Asa, der König von Juda, krank. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches. Doch das Wort Gottes sagt uns in Vers 23: «Zur Zeit seines Alters erkrankte er an seinen Füssen.» Können wir aus dieser Mitteilung nicht erkennen, dass man im Alter Schwierigkeiten mit dem Laufen hat, dass der christliche Lebenswandel jetzt in Gefahr steht, dass man krank wird, ungesund im Glauben?
Vers 3. Die nächste Gruppe sind die alten Frauen. Sie sollen sich in jeder Hinsicht betragen, wie dies dem heiligen Stand geziemt, nicht nur in ihrem äusseren Aussehen, wie dies der erste Timotheus-Brief sagt. In unserer Übersetzung steht: «wie es dem heiligen Stand geziemt». In der französischen und englischen Übersetzung heisst es: «wie es heiligen Frauen geziemt». Das erhöht die Bedeutung der Stelle noch. Ihr ganzes Betragen soll so sein, wie es solchen Frauen würdig ist.
«Nicht verleumderisch.» Vielleicht lag oder liegt da ein wunder Punkt. Die Frauen der Diener müssen sich das auch sagen lassen (1. Timotheus 3,11). Verleumden heisst, falsch anklagen. Verleumden ist – auch vom griechischen Text her – eine ausgesprochen teuflische Sache. Der Heilige Geist stellt das hier in den Vordergrund, um eine Warnung auszusprechen.
«Nicht Sklavinnen von vielem Wein.» Man fragt sich: Warum diese Ermahnung? Ob nicht auch da konkrete Gefahrenpunkte lagen? Spielte das milde Klima des Mittelmeeres auf Kreta oder vielleicht das Alter eine erhebliche Rolle, Sklavinnen von vielem Wein zu werden? Wir wollen auch da bedenken, dass die Schrift auf der anderen Seite einem Timotheus sagt, dass er seines kranken Magens wegen und seines häufigen Unwohlseins willen ein wenig Wein trinken sollte. Die Schrift bewegt sich nicht in Extremen. Das ist wichtig. Aber kennen wir die grosse Gefahr des Alkoholmissbrauchs?
Es ist beeindruckend, was die Schrift über Noah sagt. Dieser Mann, dem Gott die Herrschaft über die nach der Flut erneuerte Welt anvertraute, betrinkt sich, weil er sich nicht beherrschen kann. Eine ungemein ernste Sache! Über diesen Punkt sollte man auch in unserer Zeit nachdenken. Ich habe manchmal den Eindruck, dass wir zu grosszügig sind, wenn es um die Frage des Alkohols geht.
Im Weiteren sollten diese alten Frauen Lehrerinnen des Guten sein, keine Predigerinnen oder Referentinnen, sondern Lehrerinnen. Das heisst einfach: durch ihr ganzes Verhalten. Bei solchen alten Schwestern kann man lernen, was gut ist. Das ist der Sinn dieser Stelle. Solche Frauen sind bestimmt auch Beterinnen – obwohl es hier nicht besonders steht. Ein alter Bruder sagte einmal: Man merkt bei einer Versammlung eines Ortes bald, ob da alte Schwestern als Beterinnen tätig sind, die das Wohl der Geschwister auf dem Herzen tragen. Doch er fügte hinzu: Man kann auch feststellen, wenn keine solchen Beterinnen da sind. Über welch einen Reichtum verfügt doch eine Versammlung, in der es betende Schwestern gibt!
Vers 4. Nun sind die jungen Frauen an der Reihe. Es fällt auf, dass Timotheus die jungen Frauen direkt ermahnen konnte und durfte, Titus hingegen nicht. Er sollte den alten Frauen sagen, dass es ihre Aufgabe sei, die jungen Frauen zu unterweisen. Timotheus hatte direkt die Möglichkeit, die jungen Frauen zu ermahnen. Warum Titus nicht? Möglicherweise waren Besonderheiten der Bevölkerung oder andere Besonderheiten in Kreta der Grund dafür. Es gibt namentlich im Bereich der Geschlechter bestimmte Grenzen, die er einhalten musste und die auch wir einhalten müssen. Titus jedenfalls musste die alten Frauen anhalten oder ermahnen, entsprechend auf ihre jungen Mitschwestern einzuwirken.
«Damit sie die jungen Frauen unterweisen.» Die Fussnote an dieser Stelle lautet «anleiten», d.h. ihnen eine Art Hilfestellung geben, sie hinführen, ihnen in den jetzt zu beachtenden Punkten behilflich sein.
«Ihre Männer zu lieben, ihre Kinder zu lieben.» Man möchte fast fragen: Ist das denn nicht selbstverständlich? Obwohl es für eine Frau eigentlich selbstverständlich ist, muss es der Heilige Geist uns noch einmal auf die Seele binden: Tut das doch! Manches muss uns von Gott ausdrücklich nahegelegt werden. Wir haben hier einen solchen Fall. Auf Kreta muss die Gefahr bestanden haben, dieses Lieben von Mann und Kindern zu vernachlässigen. Zudem gab es viel Missbrauch in dieser Richtung. Wir wollen bedenken, dass der Heilige Geist den Finger immer auf die wunde Stelle der jeweiligen Personengruppe legt.
Vers 5. Sie sollten besonnen leben. Die Besonnenheit finden wir fast bei allen Gruppen. Ein weiterer Punkt ist die Keuschheit, die geschlechtliche Reinheit. Darüber kann man lange reden und doch weiss jeder, was gemeint ist. Heute lacht man in der Welt darüber. Man kennt diesen Ausdruck kaum noch. In der Zeit, als das Neue Testament niedergeschrieben wurde, lag es den Aposteln sehr am Herzen, dass dies bei den Gläubigen in Ordnung war. In dieser Sache gleichen sich unsere Zeit und die Antike. Im Altertum gab es kaum Grenzen in dieser Hinsicht, und in unserer modernen Zeit ist es nicht anders. Deshalb ist diese Ermahnung ausserordentlich aktuell und sicher ernst zu nehmen, nicht nur von jungen Frauen. Wir leben in einem Umfeld, in dem Leichtigkeit und Leichtfertigkeit gross geschrieben werden.
Auf die Ermahnung, mit häuslichen Arbeiten beschäftigt zu sein, folgt direkt das Wort «gütig». Nur mit der Arbeit im Haushalt zu tun zu haben, ist sicher nicht immer einfach. Denken wir z.B. an eine junge Frau mit Kindern und Haushalt und der täglichen «Plackerei». Da gibt es manches, was zu Aufregung und Erregung führen und das Gleichgewicht stören kann. Doch der Heilige Geist spricht sofort von Güte. Er erwartet von dieser Personengruppe, die hautnah mit dem täglichen Leben in Kontakt steht, dass sie gütig ist und Güte zeigen kann, so dass man merkt: In diesem Haushalt herrscht Christus. Da hat Er das Heft in der Hand. Da ist die Atmosphäre des Himmels. Dieser Punkt gilt besonders den jungen Frauen. Ist das nicht schön?
Doch wir wollen nicht vergessen, dass die alten Frauen die jungen darin anleiten sollen. Dazu ist Fingerspitzengefühls nötig. Dazu muss man sich Zartheit geben lassen. Ich weiss nicht, ob jede Frau das könnte. Ich kann mir denken, dass die alten Frauen, die hier in Vers 3 gemeint sind, dank ihrer eigenen Erfahrung als Ehefrauen und Mütter diese Erfahrungen den jungen Frauen weitergeben konnten. Das war Erlebtes. Darüber konnten sie reden, das konnten sie als etwas Erfahrenes, nicht als etwas Theoretisches weitergeben. Das war ihnen selbst nicht fremd. Wie wichtig ist das! Ich weiss nicht, ob es diese Haltung auf beiden Seiten heute noch gibt, ob es noch viele alte Schwestern gibt, die das können, und ob es junge Frauen gibt, die das annehmen.
Den eigenen Männern untergeordnet zu sein, damit das Wort Gottes nicht verlästert werde, ist sicher auch in einer Zeit, die von Feminismus und Emanzipation erfüllt ist, zu betonen. Das Wort Gottes drückt sich einfach so aus.
Vers 6. Zur nächsten Gruppe – den jungen Männern – gehörte Titus selbst. Es wird ihm gesagt, dass er sich ihnen als Vorbild darstellen soll. Das bedeutet bestimmt nicht, dass er erst 20 Jahre alt war, als Paulus ihm das schrieb. Trotzdem war er wohl ein relativ junger Mann, der eine besondere Beziehung zu diesen anderen jungen Männern hatte, für die er ein nachahmenswertes Beispiel sein sollte. Was hatte er ihnen im Einzelnen zu sagen? Zunächst musste er sie ermahnen, besonnen zu sein. Vielleicht braucht man das als junger Mann besonders. Doch wir erinnern uns, dass die alten Männer ebenso zur Besonnenheit aufgerufen werden.
Vers 7. «Indem du in allem dich selbst als ein Vorbild guter Werke darstellst.» Wir sollten alle den Wunsch haben, ein Vorbild zu sein – nicht um herauszuragen, nicht um uns zu rühmen, sondern einfach, weil wir merken, dass das unter den Gläubigen wichtig und nötig ist. Wenn wir Vorbild sein wollen, dann geht das nur, indem wir unseren Herrn im Blickfeld haben, der allein wert ist, als Orientierung und Vorbild zu gelten.
«In der Lehre Unverfälschtheit.» Unverfälschtheit oder Unverdorbenheit im Blick auf die Lehre – trifft das auf uns zu? Oder sind wir nur da, um uns an den schönen Ausführungen des Wortes zu erfreuen? Kennen wir die Lehre? Unter den Gläubigen gibt es viele, die noch in der bangen Not leben, sie könnten das Heil wieder verlieren. Sie leben in der Vorstellung: Je nach dem, wie ich mich benehme, gehe ich doch noch verloren. Man hört auch immer wieder die Vorstellung, gläubige Christen müssten noch durch die Drangsal der Offenbarung, durch die Gerichte, gehen. Wie ist das bei dir? Ist diese Frage bei dir klar? Könntest du, weil du die Lehre kennst, darlegen, dass die Schrift dies anders sagt? Die Bibel erklärt, dass man das Heil nicht wieder verlieren kann und dass gläubige Christen nicht durch die Drangsal gehen werden. Ist diese Lehre mein innerer Besitz geworden, oder habe ich das nur jahrlang gehört und kann es gar nicht durch das Wort belegen? Um die Lehre zu besitzen, ist Mühe und Einsatz erforderlich.
Vielleicht ergibt sich mit dem einen oder anderen ein Gespräch, wo solche Fragen gestellt werden. Dann merkt man: Jetzt muss ich dem Bruder oder der Schwester mit der Schrift belegen können, dass das so und so ist. Können wir das? Darin sollte Titus die jungen Brüder ermahnen. Diese Ermahnung richtet sich auch an uns. Verstehen wir die Lehre der Schrift und sind wir in der Lage, sie auch weiterzugeben? Das gilt nicht nur für die Brüder. Der Herr sagt uns vieles in seinem Wort, und Er erwartet, dass wir von Ihm lernen. Wenn Er es möchte und Er dadurch verherrlicht wird, ja, wenn Er es ist, um den es geht, dann kann ich doch die kleine Mühe auf mich nehmen und Zeit für eine vertiefte Untersuchung einsetzen. Um bei einer Unklarheit zur Gewissheit zu kommen, ist es vielleicht nötig, sich einmal intensiver mit der Frage zu beschäftigen und gewisse Hilfsmittel wie Konkordanz, Bibelauslegungen und Betrachtungen zur Hand zu nehmen.
Vers 8. «Gesunde, nicht zu verurteilende Rede, damit der von der Gegenpartei beschämt wird, da er nichts Schlechtes über uns zu sagen hat.» Unser Christentum führt uns manchmal in Lagen, wo wir Feindschaft, Gegnerschaft spüren. Daher ist es nötig, in der Schrift fest gegründet zu sein. Aber nicht nur das. Auch die Art und Weise, wie die Wahrheit verteidigt wird, ist wichtig. Wie schnell hat die Gegenpartei Grund, bei uns und unseren Worten Kritik anzubringen.
Es gibt in der Bibel einen ganz jungen Mann, der eine beeindruckende Entwicklung genommen hat. Es ist König Josia. Mit 8 Jahren wurde er König. Mit 16 Jahren besann er sich darauf, in seinem Haus und in seinem Königreich Ordnung zu schaffen. Aus 2. Chronika 34,3 erfahren wir, dass er im 12. Jahr seiner Regierung anfing, Juda und Jerusalem zu reinigen. Da war er 20 Jahre alt. In seinem 26. Lebensjahr fand er das Wort Gottes, die Bücher Mose, wieder. Es kam dann zu einer bemerkenswerten Erweckung im Land. Man staunt über die grossartige Entwicklung dieses jungen Mannes. Dann ist es aber erschütternd, sein Ende zu sehen. Im Alter von 39 Jahren nahm ihn Gott weg. Gerade in dem Punkt, in dem er vorher jahrelang gehorsam war, zeigte er im entscheidenden Moment Ungehorsam. Oft, wenn wir meinen, wir seien in einem bestimmten Punkt besonders stark, vielleicht in der Lehre des Wortes Gottes, dann werden wir übermütig. Dann muss der Herr uns zeigen, dass gerade da die Schwachstelle ist. Davon ist Josia ein trauriges Beispiel. Lasst uns solche Ermahnungen ernst nehmen!
Verse 9.10. Schliesslich werden noch die Sklaven ermahnt. Sie waren damals eine bedauernswerte Gesellschaftsschicht. Sie hatten nicht so viel zu leiden wie die Sklaven in Nordamerika oder Afrika vor 200 Jahren. Die Sklaven in Rom und in Griechenland waren oft hochgebildete Leute, aber Sklaven. Mit ihnen konnte man machen, was man wollte. Sklaven waren nach römischem Recht eine Sache. Man konnte sie verkaufen und gegebenenfalls auch umbringen. Es waren Menschen, die nichts galten. Ihnen wird nun gesagt, wie sie sich verhalten sollen.
Unser Leben – von der Bekehrung bis zur Entrückung
Vers 11. Dieser Vers bildet den moralischen Mittelpunkt in diesem Kapitel. «Denn die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend für alle Menschen.» Was heisst «für alle Menschen»? Für diese Sklaven, für diese Menschen die in der damaligen Gesellschaft nichts galten, und für diese Kreter, die eine solch aufsässige Bevölkerung waren, auch für sie ist die Gnade Gottes erschienen. Auch für die Juden ist sie erschienen, kurzum für alle Menschen. Das ist an dieser Stelle ausserordentlich schön. Gnade bedeutet etwas Unverdientes.
Auch das Wort «erschienen» taucht hier auf. Man wird an die Sonne, die am Himmel erscheint, erinnert. Wieso erscheint die Gnade Gottes oder in Kapitel 3,4 die Güte und Menschenliebe unseres Heiland-Gottes wie die Sonne am Himmel? Die Gnade ist im Evangelium erschienen. In dieser Botschaft ist auch Gottes Gerechtigkeit offenbart worden: die Gerechtigkeit aus Glauben, die rechtfertigt anstatt zu verdammen. Deswegen ist die Gnade Gottes eine heilbringende Gnade. Sie bringt Rettung.
Diese Gnade ist nun für alle Menschen da. Nicht mehr wie im Alten Testament nur für Israel. Das ist vorbei. Die Gnade Gottes wird vom Herrn durch das Evangelium jedem angeboten. Du hast die Möglichkeit, zuzugreifen. Hast du sie schon angenommen?
Vers 11 bedeutet auf keinen Fall, dass alle Leute automatisch errettet werden. Das wäre eine Verkehrung des Textes und der ganzen Lehre des Neuen Testaments. Das wäre eine ungesunde Lehre. Es heisst also einfach, dass die Gnade Gottes jetzt jedem angeboten wird. Auch dir! Hast du sie schon angenommen?
Gnade ist unverdient. Als Christen verbinden wir sie zu Recht immer damit, dass wir von Natur aus ganz und gar verlorene Menschen sind. Wenn Gott uns trotzdem etwas schenkt, dann kann das nur seine Gnade sein. Hast du es schon erlebt, dass die Gnade Gottes auch in deinem Leben erschienen ist? Das muss man wissen!
Vers 11 ist der Ausgangspunkt. Mit Rettung beginnt es. In Vers 13 finden wir die Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit. Das ist der Endpunkt. Der Anfang war die Bekehrung, und wir wissen, dass wir einst beim Herrn in der Herrlichkeit sein werden. Was liegt dazwischen? Unser Leben hier auf dieser Erde! Das wird uns in Vers 12 beschrieben. Er spricht von unserem Verhalten zwischen Bekehrung und Entrückung. In Vers 14 schliesslich finden wir die grosse Motivation, warum wir uns so verhalten sollen. Es ist ausserordentlich interessant, wie Gott sich an dieser Stelle ausdrückt.
Vers 12. «Und unterweist uns.» Hier wird ein engerer Kreis als im vorigen Vers angesprochen, wo es um alle Menschen ging. Jetzt wendet sich der Heilige Geist gezielt an jene Leute, die die Gnade wirklich kennen gelernt und in Anspruch genommen haben. Für sie hat sie eine unterweisende Funktion. Warum spricht der grosse Gott hier nicht von Gerechtigkeit? Das läge uns Menschen viel mehr: durch Gerechtigkeit unterwiesen zu werden. Aber das sagt Gott nicht. Er weiss, dass wir, wenn wir dem Herrn nachfolgen möchten, immer noch die Unterweisung der Gnade nötig haben. Sie hat uns aus dem Elend herausgezogen und begleitet uns jetzt. Sie unterweist uns, damit wir das Ziel erreichen.
Sie «unterweist uns, damit wir, die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden verleugnend», leben. Man soll also als Christ etwas verleugnen. Das bedeutet nichts anderes, als dass ich ablehnen muss, was an mich herantritt, nämlich die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden. Ich muss mich so einstellen, als ob sie nicht existierten. Gottlosigkeit ist eine völlige Bindungslosigkeit, ein Verhalten, das Gott negiert. Man tut, als ob Gott nicht da wäre. Man kann es auch als Unabhängigkeit bezeichnen. Alles, was wir in unserem Leben unabhängig von Gott tun, ist im Grund Gottlosigkeit. Dieser Gefahr sind wir alle ausgesetzt.
Man könnte diesen 12. Vers als summarisch für all das ansehen, was den fünf Personengruppen gesagt wird. Wenn alle bejahten, was darin steht, wären die Einzelermahnungen unnötig. Doch Gott ist so gnädig und sagt uns, was jeder Einzelne nötig hat. Hier fasst Er es in einer grossartigen Weise zusammen. Wir sollen die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden verleugnen und in der jetzigen Zeit im persönlichen Bereich besonnen, im Umgang mit anderen gerecht und im Verhältnis zu Gott gottselig, d.h. in wahrer Gottesfurcht, leben.
Vers 13. Dann kommt die grosse Erwartung: «indem wir erwarten die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres grossen Gottes und Heilandes Jesus Christus». Das ist eine sehr interessante Stelle, weil wir gewohnt sind, zwischen der glückseligen Hoffnung, die den Blick auf die Ankunft des Herrn für uns richtet, und der Erscheinung, wenn wir mit dem Herrn Jesus auf die Erde zurückkommen, zu unterscheiden. Zuerst kommt Er für uns. Das ist unsere Hoffnung. Dann gehen wir mit Ihm in den Himmel. Doch wir kommen mit Ihm auf die Erde zurück. Das ist seine Erscheinung.
Aber diese Stelle fasst die glückselige Hoffnung und Erscheinung zusammen. Der Artikel «die» klammert zwei Ereignisse, die getrennt sind, bewusst zusammen. Warum das? Weil der Heilige Geist wünscht, dass uns nicht nur das glückselige Kommen für uns beschäftigt, sondern auch die Erscheinung des Herrn Jesus. Das ist der Moment, da die Sünde äusserlich in der Welt besiegt ist. Wir erwarten sein Kommen für uns, und wir erwarten seinen grossen Triumph vor dieser Welt. Darum wird das zusammen genannt.
Erfüllt das unser Herz? Hier sind wir bei einer delikaten Frage. Viele von uns sind seit ihrer Jugend an den Gedanken gewohnt: Der Herr kommt. Bewegt uns das wirklich noch? Oder nehmen wir das einfach sachlich zur Kenntnis? Das ist immer wieder ein ernster Kampf in unseren Herzen, dass wir wirklich festhalten: Der Herr kommt. Im Zeichen seines Kommens verliert vieles in unserem Leben seine Bedeutung. Auch das wollen wir an dieser Stelle lernen oder neu lernen. Eine neue begehrliche Erwartung seines Kommens, indem ich an Ihn denke, dass Er mich endlich zu sich nimmt; oder umgekehrt, dass ich an Ihn denke, dass ich Ihn endlich sehen darf. Seine Erwartung ist übrigens viel grösser als meine und deine. Wollen wir das nicht noch einmal neu lernen, damit wir die vielen Lieder, die von seinem Kommen reden, auch wirklich mit ganzem Herzen singen? Die Brüder, die diese vor etwa 150 und mehr Jahren gedichtet haben, waren sicher ganz anders davon erfüllt als wir. Und doch hätten wir eigentlich viel mehr Veranlassung, davon erfüllt zu sein als sie. Wir stehen wirklich kurz vor diesem Augenblick, der uns zu Ihm bringt.
Am Schluss von Vers 13 steht der Ausdruck: «unser grosser Gott und Heiland Jesus Christus». Diese bemerkenswerte Aussage ist eine der wenigen Stellen im Neuen Testament, in denen direkt gesagt wird, dass der Herr Jesus Gott ist. Wir wissen, indem wir Stellen verstehen und erklären, dass dies oft gesagt ist. Aber die klare Aussage: Jesus Christus ist Gott, finden wir nur einige Male im Neuen Testament. Hier haben wir eine Stelle, die den Empfängern des Briefes, uns und vielen ungläubigen Menschen deutlich macht: Dieser Jesus Christus, dieser Mann von Nazareth, das ist Gott. «Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben» (1. Johannes 5,20). Wir wollen das immer wieder festhalten, besonders in unserer Zeit, die zunehmend durch Unglauben bzw. durch Halbglauben vieler Leute charakterisiert wird.
Wenn man die Bibel zwar nicht ablehnt, aber doch nicht ganz akzeptiert, dann ist das, vorsichtig formuliert, ein Halbglaube. Viele mit einem solchen Glauben, weichen zurück, wenn man sagt, dass der Herr Jesus Christus Gott ist. Daher wollen wir das mit Nachdruck festhalten. Wir verlieren den Boden unter den Füssen, wenn wir das in irgendeiner Weise aufgeben. Für uns Gläubige ist dies eine Wahrheit, die uns selbstverständlich vorkommt. Und doch ist es wichtig, dass der Text hier so ausdrücklich von der Herrlichkeit unseres grossen Gottes und Heilandes Jesus Christus spricht.
Wir finden die Gottheit und Menschheit unseres Herrn oft direkt nebeneinander vorgestellt. Ein einfaches Beispiel davon: die Speisung der 5000. Jesus ist da und Tausende von Menschen sind um Ihn herum. Er betet, Er dankt wie ein Mensch. Dann nimmt Er das Wenige, das vorhanden ist – die fünf Brote und die zwei Fische – und handelt ganz bewusst als Gott. Die Vermehrung dieser wenigen Nahrungsmittel zeigt unzweifelhaft: Da ist Gott am Werk, ohne dass dies wörtlich gesagt wird. – So gibt es viele Stellen über Jesus, die aus der Sache heraus deutlich machen: Dieser Mann, der da handelt, das ist Gott in Person und zugleich als Mensch auf der Erde. – Als alle gesättigt sind, gibt Er den Befehl, nichts umkommen zu lassen, wie ein wahrer Mensch.
Dass der Herr Jesus Gott und Mensch in einer Person ist, wird oft fast gleichzeitig sichtbar, was einen immer wieder zur Anbetung bringt. Manchmal scheint es, dass das Gewand seiner Niedrigkeit für kurze Zeit ein wenig auf die Seite geschoben wird. Dann blitzt für einen Moment seine Gottheit hervor. So finden wir das öfter in der Heiligen Schrift. Doch hier in Titus 2 wird der Herr Jesus ausdrücklich als unser grosser Gott bezeichnet.
Vers 14. Hier haben wir nun die Motivation für unser Verhalten. Jesus Christus, «der sich selbst für uns gegeben hat, damit er uns von aller Gesetzlosigkeit loskaufte und sich selbst ein Eigentumsvolk reinigte, das eifrig sei in guten Werken». Die einfache Grundwahrheit des Evangeliums ist: Er hat sich für uns gegeben. Er hat uns losgekauft von aller Gesetzlosigkeit. Er hat uns gereinigt und uns zu seinem Eigentumsvolk gemacht. Das sind ganz massive Aussagen.
Mit dem «Eigentumsvolk» wird auf 2. Mose 19,5.6 angespielt, wo von Israel gesagt wird, sie sollten als Gottes Eigentum ein Volk von Königen und Priestern sein. Wir finden diese Wendung in 1. Petrus 2,9 nochmals: ein Volk zum Besitztum. Gott möchte uns haben. Der Herr will uns haben. Wir sind sein persönliches Eigentum und nicht mehr unser selbst. Aber auch gemeinsam gehören wir Ihm, und zwar als Losgekaufte, als Erlöste.
Das bedeutet nicht, dass Er Satan etwas bezahlt hätte. Nein, Jesus hat nichts mit Satan zu tun gehabt. Im Gegenteil, Er hat durch sein Erlösungswerk Satan gezwungen, zu kapitulieren und alles herauszugeben. Er hat ihm nichts abgekauft. Der Heilige Geist benutzt einfach hier ein Bild, um die grosse Tatsache aufzuzeigen, dass wir frei sind. Wir sind jetzt aus der Knechtschaft der Sünde herausgekommen und in die Freiheit, die der Herr uns geschenkt hat, hineingekommen. Den Ansprüchen eines heiligen Gottes ist vollauf Genüge getan.
Vers 15 bringt noch einen Hinweis für Titus persönlich. Man kann sich denken, dass es für diesen relativ jungen Mann nicht einfach gewesen war, zu reden, zu ermahnen und zu überführen. Vielleicht zog er sich dadurch manche Antipathie zu. Doch er war ein Mann, der für den Herrn dort stand und bestimmt in seiner Gesinnung zu handeln wünschte. Er sollte mit allem Nachdruck auftreten. Möge das, was wir in diesen Versen haben, auch nachhaltig zu unseren Herzen reden! Lasst es uns wirklich so aufnehmen, dass wir uns wieder neu darauf besinnen, uns durch die Gnade Gottes darin unterweisen lassen, die Gottlosigkeit, die weltlichen Begierden zu verleugnen, besonnen, gerecht, gottselig zu leben und die grossartige Erwartung auf sein Kommen und seine Erscheinung in unseren Herzen zu pflegen.