Im letzten Kapitel dieses Hirtenbriefs erhält Titus weitere Anweisungen des Apostels Paulus, wie er als Hirte den Gläubigen auf der Mittelmeerinsel Kreta nachgehen sollte.
Unser Verhalten gegenüber der staatlichen Gewalt
Vers 1. «Erinnere sie daran, Obrigkeiten und Gewalten untertan zu sein.» Es fällt auf, dass der Heilige Geist hier das Tätigkeitswort «erinnern» benutzt, während es am Ende des vorhergehenden Kapitels hiess: Rede, ermahne, überführe. «Erinnern» setzt eine Kenntnis voraus. Diese Menschen auf der Insel Kreta wussten, dass sie Obrigkeiten und Gewalten untertan sein sollten. Aber wenn wir an Kapitel 1,12.13 denken, waren dies Leute, die von Natur aus ungezähmt waren und keine Herrschaft über sich wollten. Wie wichtig war daher der Hinweis: «Erinnere sie daran, Obrigkeiten und Gewalten untertan zu sein.»
In Römer 13,1.2 finden wir eine ähnlich lautende Stelle: «Jede Seele sei den obrigkeitlichen Gewalten untertan; denn es gibt keine Obrigkeit, ausser von Gott, diejenigen aber, die bestehen, sind von Gott eingesetzt. Wer sich daher der Obrigkeit widersetzt, widersteht der Anordnung Gottes; die aber widerstehen, werden ein Urteil über sich bringen.»
1. Petrus 2,13-17 geht in die gleiche Richtung. Wir tun gut, diese Gedanken Gottes zu kennen und festzuhalten: «Unterwerft euch jeder menschlichen Einrichtung um des Herrn willen: es sei dem König als Oberherrn oder den Statthaltern als denen, die von ihm gesandt werden zur Bestrafung der Übeltäter, aber zum Lob derer, die Gutes tun. Denn so ist es der Wille Gottes, dass ihr dadurch, dass ihr Gutes tut, die Unwissenheit der unverständigen Menschen zum Schweigen bringt: als Freie und nicht als solche, die die Freiheit zum Deckmantel der Bosheit haben, sondern als Knechte Gottes. Erweist allen Ehre; liebt die Brüderschaft; fürchtet Gott; ehrt den König.»
Es ist interessant, dass uns die Schrift das so definitiv und nachdrücklich auf die Seele bindet. Uns Gläubigen, die wir in eine staatliche Ordnung gestellt sind, wird gesagt, dass wir untertan sein sollen. Zudem sollen wir erkennen, dass es staatliche Gewalten sind, die Gott eingesetzt hat. Das führt uns – selbst wenn wir vieles, was die Regierung tut und entscheidet, mit unserem Herzen und in unserem Kopf ablehnen müssen – zu einer richtigen Grundhaltung. Wir nehmen sie einfach als von Gott kommend an. Diese Grundhaltung geziemt sich auch gegenüber staatlichen Gewalten, die nicht auf dem Boden des Christentums stehen. Es ist egal, welche Staatsform die Obrigkeit hat. Ob es eine Diktatur, eine Demokratie oder eine Zwischenform ist – Gott erwartet von uns eine solche Haltung. Christen fallen ja gerade dadurch auf, dass sie das akzeptieren, was Gott schickt. Sie fügen sich unter Umständen auch in Leiden. Das gilt auch für die Gläubigen in Ländern, in denen antichristliche Regierungen an der Macht sind. Nie werden Gläubige dazu aufgefordert, um ihres Glaubens willen auf die Barrikaden zu gehen.
Wir denken an die Stelle im Philipper-Brief, wo wir lesen, dass unser Bürgertum in den Himmeln ist (Kap. 3,20). Dabei müssen wir bedenken, dass die Stadt Philippi eine römische Kolonie in Griechenland war. Dort waren alte, ausgediente römische Soldaten angesiedelt worden, sogenannte Veteranen. Sie lebten dort nach ihrem römischen Recht. Philippi war also ein kleines Rom. Wer da wohnte, war schon deshalb jemand, für den das römische Bürgerrecht verbindlich war. Und gerade den Gläubigen, die dort wohnten, sagt der Geist Gottes durch den Apostel Paulus: Ihr habt euer Bürgerrecht in dem Himmel. Sehen wir den grossartigen Unterschied? Er sagt: Ihr seid keine Leute, die in Philippi oder sonst irgendwo auf der Erde ihr Bürgerrecht haben. Ihr seid Bürger des Himmels. Dort seid ihr zu Hause. Wie sehr trifft das auch auf uns zu!
Titus musste das den Gläubigen auf Kreta sagen, wo Aufsässigkeit in vorderster Front zu finden war. Wenn wir in einem Umfeld leben, wo eine bestimmte Ideologie – auch Aufsässigkeit – vorherrscht, werden wir Christen leicht angesteckt. Deswegen ist hier die Ermahnung umso berechtigter: den Obrigkeiten und Gewalten untertan zu sein.
Als Nächstes sollte er sie daran erinnern, «Gehorsam zu leisten». Man kann dies auf die Obrigkeiten und Gewalten beziehen. Aber will diese Stelle nicht sagen, dass ein Christ ganz allgemein eine Haltung des Gehorsams zeigen soll? Er ist ein gehorsames Wesen. Er lebt nicht hier, um seinen eigenen Willen zu tun, sondern um dem Wort Gottes zu gehorchen. Das bedeutet gewiss nicht, dass er zu allem, was in der Welt auf ihn zukommt, «Ja» sagen müsste. Er muss sehr oft deutlich machen, dass er nicht zu allem «Ja» sagen kann. Aber grundsätzlich ist der Glaubende zum Gehorchen verpflichtet.
Wenn wir im Dienst und in der Nachfolge Dessen stehen, der gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz, dann gilt das selbstverständlich auch für uns. Wir sind Menschen, die auf der Spur dieses Mannes sind, und wir sollen daher in jeder Beziehung unseres Lebens gehorsam sein. Das ist die Bedeutung von «Gehorsam leisten».
Eine solche Erinnerung ist in unserer modernen Zeit unbeliebt. Gehorchen aber macht frei und glücklich. Es ist nicht etwas, was versklavt. Es macht nicht unglücklich. Der biblische Gehorsam oder der Gehorsam gegenüber dem Wort des Herrn ist zugleich der Weg in die totale Freiheit – eine Freiheit, die man sich nur unter christlichem Vorzeichen denken kann. Es gibt keine grössere Freiheit als die des Gehorsams. Das hört sich paradox an, ist aber so. Der Gläubige, der dem Wort Gottes gehorcht, ist der freieste Mann in dieser Welt. Zugleich ist er auch der glücklichste.
Manche meinen, Gehorsam gehöre in den Bereich der Gesetzlichkeit. Das stimmt aber nicht. Natürlich gibt es Gesetzlichkeit. Das ist nicht zu leugnen. Ich bedaure heute, dass ich früher manches als Gesetzlichkeit beurteilt habe, was ich heute anders sehe. In gewissen Punkten ist man geneigt, bei anderen schnell von Gesetzlichkeit zu sprechen, weil man in seinem eigenen Herzen im Grund einen Mangel an Gehorsam spürt. Man verdeckt und kaschiert dies dann mit dem Vorwurf, das sei gesetzlich. Seien wir doch aufrichtig! Ich möchte noch einmal betonen, dass Gehorsam vor dem Herrn frei und glücklich macht. Aber jede Form von Ungehorsam, auch wenn es nur ein wenig in die Richtung von Ungehorsam geht, macht unfrei und unglücklich.
Weiter sollte Titus sie daran erinnern, «zu jedem guten Werk bereit zu sein». Die Christen in Kreta oder wir heute sollen nicht nur gerechte Menschen sein, die nach Kapitel 2 besonnen und gerecht im Umgang mit anderen leben. Wir sollen auch gute Menschen sein, die zu guten Werken, zu Aktivität im Guten bereit sind. Lasst uns auch da ein Herz und ein offenes Auge haben, wo vielleicht unser ungläubiger Nachbar in Not ist und Hilfe braucht. Wir können uns nicht hinter der Auffassung verschanzen, dass er kein Kind Gottes sei. Wo der Herr uns eine solche Notlage zeigt, dürfen und sollen wir helfen. Vielleicht schenkt uns der Herr dabei die Gelegenheit, etwas von Ihm zu sagen. Unser Verhalten ist dann die Basis, um überhaupt etwas sagen zu können.
Wir müssen uns natürlich fragen, was in den Augen Gottes gut ist. Vieles, was wir gut nennen, ist es in den Augen Gottes sicher nicht. Anderseits ist vieles in den Augen Gottes gut, was wir nicht gut nennen. Wir müssen deshalb den Herrn immer wieder bitten, uns zu zeigen, was Er billigen und was vor seinen Augen bestehen kann, um keinen Fehltritt zu tun. Wenn es sich um solch einfache Fälle der Notlage handelt wie den eben erwähnten, ist das kein Problem. Aber es gibt andere Fragen, wo das Tun guter Werke sicher problematisch sein kann.
Unser Lebensstil – jetzt und einst
Vers 2. «Erinnere sie …, niemand zu lästern, nicht streitsüchtig zu sein, milde, alle Sanftmut zu erweisen gegen alle Menschen.» Diese Stelle kann man eigentlich nur im Zusammenhang lesen. Es ist der Lebensstil von Gläubigen, der sich an dieser Stelle besonders im Umgang mit der Aussenwelt zeigt. «Niemand zu lästern» wird in anderen Sprachen übersetzt mit: niemand etwas Übles nachsagen oder über niemand Übles sagen, niemand beschimpfen, über niemand Schlechtes sagen. Das ist hier gemeint. Das Wort «lästern» hat hier nicht die Qualität von «Gott lästern». Es geht einfach darum, dass wir über unseren Nächsten nichts Schlechtes sagen, wie wir das so leicht in Form von Schimpf- oder anderen Worten tun, von denen wir sagen müssen, dass sie vor dem Herrn nicht bestehen können.
Dem Ausdruck «nicht streitsüchtig zu sein» wird sofort das Gegenstück gegenübergestellt: «milde, alle Sanftmut zu erweisen gegen alle Menschen.» Wenn wir das Beispiel von Christus vor uns haben, dann wissen wir, worum es geht. Dann ist kaum eine Erklärung dessen nötig, was hier im Einzelnen gemeint ist. Wenn Christus vor unseren Blicken steht, nimmt dies die meisten Schwierigkeiten unseres Christenlebens weg, weil wir dann wissen, wie wir uns zu verhalten haben.
«Nicht streitsüchtig» heisst natürlich nicht, dass man ohne Kampf auskommt. Die Schrift kennt den notwendigen Kampf des Glaubens. Sie kennt die Notwendigkeit, für das Glaubensgut, das den Heiligen überliefert worden ist, zu kämpfen. Das ist keine Streitsucht. Manchmal werden Gläubige als streitsüchtig bezeichnet, wenn sie in den Grundsatzfragen, bei denen es um wichtige biblische Lehrfragen geht, Festigkeit zeigen. Das ist keine Streitsucht, denn es geht um elementare Grundsätze, die wir festhalten müssen. Doch wir wollen das in der nötigen, richtigen Form tun. Das ist bestimmt auch wichtig.
«Nicht streitsüchtig» warnt einfach vor einer Schlinge, einer bösen Haltung der Diskussionsfreudigkeit oder wie man es auch nennen mag. Jeder weiss, was der Sinn von Streitsucht ist. Aus dem Gegensatz zu «milde» wird er noch ersichtlicher. «Lasst eure Milde kundwerden allen Menschen» (Phil 4,5). Milde ist eine Haltung, die sich darin zeigt, dass man nicht auf seinen Rechten besteht. Das wird dann mit der Sanftmut verknüpft, die wir gegenüber allen Menschen zeigen sollen. Bei Sanftmut sind wir wieder bei Christus. Wir denken an Ihn, der in Sanftmut durch diese Welt ging. Er ist das Beispiel, an dem wir uns orientieren dürfen.
Die sieben Punkte, die wir in den Versen 1 und 2 haben, sind so etwas wie Orientierungsmarken für unser Leben im Umgang mit anderen.
Vers 3. In diesem Vers werden sieben Punkte genannt, die uns früher kennzeichneten: «Denn einst waren auch wir unverständig, ungehorsam, irregehend, dienten mancherlei Begierden und Vergnügungen, führten unser Leben in Bosheit und Neid, verhasst und einander hassend.» Man hat den Eindruck, dass der Geist Gottes teilweise genau das Gegenstück von dem vorher Erwähnten sagt: So soll es heute nicht sein, aber so war es früher mit euch.
Epheser 2,2.3 spricht von Vergehungen und Sünden, «in denen ihr einst wandeltet nach dem Zeitlauf dieser Welt, nach dem Fürsten der Gewalt der Luft, des Geistes, der jetzt wirksam ist in den Söhnen des Ungehorsams; unter denen auch wir einst alle unseren Wandel führten in den Begierden unseres Fleisches, indem wir den Willen des Fleisches und der Gedanken taten und von Natur Kinder des Zorns waren wie auch die Übrigen.» Diese Stelle ist ein Begleitkommentar zu Titus 3,3.
Auch in Epheser 4,18.19 steht, wie es früher mit uns war: «Verfinstert am Verstand, entfremdet dem Leben Gottes wegen der Unwissenheit, die in ihnen ist, wegen der Verhärtung ihres Herzens, die, da sie alle Empfindung verloren, sich selbst der Ausschweifung hingegeben haben, um alle Unreinheit mit Gier auszuüben.» Das können wir gut mit unserer Stelle verbinden.
«Unverständig und ungehorsam» zeigt uns, dass das Leben des natürlichen Menschen durch Ungehorsam gekennzeichnet ist. Entsprechend soll das Leben des geistlichen, des neuen Menschen durch Gehorsam gekennzeichnet sein. Weiter waren wir «irregehend». Jesaja 53,6 vergleicht uns mit Schafen. Dort heisst es: «Wir wandten uns jeder auf seinen Weg.» Von Natur aus gleichen wir eigenwilligen, irrenden Schafen. Wir waren im Irrtum verhaftet, befanden uns ständig in der falschen Richtung.
Dann finden wir den Gedanken der Sklaverei: Wir «dienten mancherlei Begierden und Vergnügungen». Diese Knechtschaft kennzeichnete mehr oder weniger das Leben von uns allen. Manchmal kommt der Gedanke auf, wir seien frei gewesen. Wenn Gottes Wort uns die Augen öffnet und uns den Herrn Jesus zeigt, dann stellen wir erst fest, wie versklavt wir waren. Einst, als wir Ihn, unseren Herrn, noch nicht hatten, da waren wir Sklaven der Sünde und dienten mancherlei Begierden und Vergnügungen. Auch wir können nur bestätigen, dass wir unser Leben in Bosheit und Neid, verhasst und einander hassend, führten.
Das spricht ja auch zu Gläubigen, besonders wenn wir an den Neid denken. Ob nicht hie und da manches wieder aufkommt, was wir nachdrücklich verurteilen müssen? Wie aktuell sind doch die Stellen dieses Briefes! Das gilt für jede Generation. Weil die Menschen gleich bleiben, haben sie auch die gleichen Hinweise immer wieder nötig. Sie müssen sich auch immer wieder an die traurige Vergangenheit erinnern lassen. Insofern kommen wir nicht los von unserem früheren Leben ohne Christus.
Wie Gott uns errettete
Vers 4. Nun ändert sich die Lage. Jetzt wird ein Einschnitt im Text gemacht. Es folgt eine höchst wichtige Lehraussage. Dieser Brief enthält ja sonst kaum Lehraussagen. Aber hier haben wir eine, wenn in Vers 5 von der Waschung der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes die Rede ist. Obwohl dieser Brief praxisnah ist und das tägliche Leben zeigt, finden wir darin doch auch einmalige Aussagen über die christliche Lehre.
In Vers 4 steht wieder das Bild vom Sonnenaufgang vor uns. Es erscheint etwas am Firmament. Es ist die Güte und Menschenliebe unseres Heiland-Gottes. Das Wort «erscheinen» fanden wir schon in Kapitel 2,11. Wenn die Sonne aufgeht, weicht die Nacht. Als die Güte und Menschenliebe Gottes erschien, wich die Nacht; oder besser gesagt: Da wurde die Grundlage dafür gelegt, dass die Nacht in unseren Herzen weichen konnte.
Der Gegensatz zu Vers 3 ist interessant. Dort lesen wir, was wir waren und taten. In Vers 4 finden wir, was Gott ist und immer war und was Er tut und getan hat. Die Güte und Menschenliebe stehen im Gegensatz zum Hass, der uns gekennzeichnet hat. Jetzt erscheint Gott sozusagen wie die Sonne am Himmel in seiner Güte und Menschenliebe und handelt dann in seiner unumschränkt, unermesslichen Gnade. Im Griechischen steht für das Wort Menschenliebe oder Menschenfreundlichkeit «philanthropia». Wir kennen im Deutschen das Wort Philanthropie als Fremdwort. Man bezeichnet Wohltäter als Philanthropen. Man sagt von jemand, der im Bereich der Wohltätigkeit eine offene Hand hat: Er handelt wie ein Philanthrop. Doch diese Leute sind meistens Menschen, die von sich überzeugt sind und nie meinen, dass sie Sünder sind. Sie tun ja nur Gutes. Aber hier finden wir die einzige Handlungsweise, die wirklich die Bezeichnung Philanthropie (Menschenliebe) verdient. Gott hat aus seinem Herzen heraus so gehandelt und den Herrn Jesus in diese Welt gesandt.
Vers 5. Als seine Güte und Menschenliebe erschien, hat Er uns errettet, aber nicht aufgrund von Werken. Aus Werken errettet zu werden, liegt uns ja nahe. Wir denken an die Werke eigener Gerechtigkeit, die vor Gott wie ein unflätiges Kleid sind (Jes 64,5). Die eigene Gerechtigkeit zählt vor Ihm überhaupt nicht. Im Gegenteil! Wenn der Herr uns die Augen darüber öffnet, sehen wir, dass diese Werke Ausdrucksformen unseres Eigenwillens und unserer Selbstgerechtigkeit sind.
Vor Gott zählt nur ein grosses Werk, das in Gerechtigkeit vollbracht worden ist: das Erlösungswerk des Herrn Jesus. Dieses hat Er mit den Worten abgeschlossen: «Es ist vollbracht!» Daran wollen wir beim Lesen dieser Verse denken. Wir waren nicht fähig, irgendetwas in Gerechtigkeit zu tun, das Gott hätte anerkennen können. Als Menschen haben wir unsere Massstäbe über gerecht und ungerecht. Doch das ist hier nicht gemeint. Es geht um die Gerechtigkeit nach Gottes Massstäben. Er «errettete uns, nicht aus Werken, die, in Gerechtigkeit vollbracht, wir getan hatten». Ist das jetzt die Sprache unserer Herzen? Kannst du sagen: Er errettete auch mich? Das ist hier die Aussage: Er errettete uns, weil Er durch den Herrn Jesus das entscheidende Werk der Gerechtigkeit getan hat.
Weiter finden wir, dass Er das in einer entsprechenden Gesinnung getan hat: «nach seiner Barmherzigkeit.» Was ist Barmherzigkeit? Sie ist auf das Gegenüber fixiert, auf den Erbärmlichen. Gott sah uns und schenkte uns deshalb seine Barmherzigkeit. Es ist sein Herz, das einfach reagierte, als Er uns in unserer Erbärmlichkeit sah. Das hat sich besonders ausgedrückt, als Er Jesus sandte. Der Apostel Paulus scheint vom Gedanken der Barmherzigkeit erfüllt gewesen zu sein. In 1. Timotheus 1,13.16 schreibt er zweimal davon: «Indem er den in den Dienst stellte, der zuvor ein Lästerer und Verfolger und Gewalttäter war; aber mir ist Barmherzigkeit zuteilgeworden, weil ich es unwissend im Unglauben tat.» – «Aber darum ist mir Barmherzigkeit zuteilgeworden.»
Wir wollen uns deshalb noch einmal die Frage stellen: Kennen wir den Augenblick, als diese göttliche Barmherzigkeit in unser Leben einkehrte, als wir uns als erbärmlich verlorene Sünder sahen und merkten, dass wir auf Gottes herzliches Erbarmen angewiesen waren? Das müssen auch die Kinder der Gläubigen unbedingt wissen, dass durch den Herrn Jesus das Heil in ihr Leben gekommen ist. Man kann bei den Gläubigen aufwachsen, treue Eltern haben, immer in die Versammlung und in die Sonntagsschule mitgehen. Das ist schön und gut, aber das genügt nicht. Man kann das Heil nicht erwerben, indem man dasitzt. Das Heil empfängt man nur durch eine persönliche Umkehr und durch Buße tun. Das gilt für Klein und Gross.
Die Waschung der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes
«Er errettete uns … nach seiner Barmherzigkeit durch die Waschung der Wiedergeburt und die Erneuerung des Heiligen Geistes.» Die kommenden Gedanken führen uns in die christliche Lehre ein. Gott errettete uns nach seiner Barmherzigkeit. Er hat uns das ewige Leben geschenkt. Der Herr Jesus ist für uns gestorben. Dann heisst es: «durch die Waschung der Wiedergeburt und die Erneuerung des Heiligen Geistes.»
Wiedergeburt ist an dieser Stelle nicht das, was in Johannes 3 steht, wenn der Herr Jesus davon spricht, dass man von neuem oder von oben her geboren werden muss. Wiedergeburt ist hier ein Begriff, den wir nur noch in Matthäus 19,28 finden. Dort spricht der Herr Jesus davon: «Wahrlich, ich sage euch: Ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auch ihr werdet in der Wiedergeburt, wenn der Sohn des Menschen auf seinem Thron der Herrlichkeit sitzen wird, auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten.» Diese Stelle meint Wiedergeburt im Sinn des Tausendjährigen Reiches.
Daraus erkennen wir, was unsere Stelle überhaupt bedeutet. Gemeint ist einfach, dass wir in einen neuen Zustand kommen. Wenn jemand mit seinen Sünden zum Herrn Jesus geht, an das Erlösungswerk glaubt, dann versetzt Gott ihn in einen ganz neuen Zustand. Dafür gebraucht die Schrift an anderer Stelle den Ausdruck: die neue Schöpfung. Im Augenblick unserer Bekehrung sind wir eine neue Schöpfung geworden, obwohl äusserlich alles so bleibt. Wir sind schon jetzt in einer völlig neuen Position. Sie hat gewechselt vom Zustand des Verlorenseins in den Zustand der Wiedergeburt, der neuen Schöpfung. Das meint die Stelle hier. Diese objektive Veränderung erfolgt durch Gottes Gnade.
Weiter sagt Er mir, dass das auch geschieht, indem in meinem Herzen etwas vorgeht und ich Kenntnis davon bekomme. Er drückt das durch die Worte aus: «Erneuerung des Heiligen Geistes.» Wenn wir uns zum Heiland bekehren, bewirkt der Heilige Geist in mir und in dir eine Erneuerung. Das merkt man. Das ist die subjektive Seite des Geschehens.
Gott bringt uns in einen völlig neuen Zustand, macht uns zu einer neuen Schöpfung, und lässt uns das zugleich auch erleben. Was wir hier haben, hat also nicht unmittelbar mit dem Gedanken der Neugeburt zu tun. Wir haben hier ein besonderes griechisches Wort, und das zwingt uns, die Stelle entsprechend zu untersuchen. Wenn also jemand zum Heiland kommt, dann findet eine totale Veränderung statt, eine Veränderung im objektiven Sinn. Gott versetzt ihn in einen neuen Zustand, und zugleich vollzieht sich auch in seinem Herzen eine bewusst erlebte Erneuerung.
Vers 6. «Den er reichlich über uns ausgegossen hat durch Jesus Christus, unseren Heiland.» Das bezieht sich auf den Heiligen Geist. Er ist eine Person der Gottheit. Er wohnt in deinem und meinem Herzen, sobald wir wirklich an das Evangelium geglaubt haben. Dann tritt die Versiegelung ein. Das bedeutet, das bewusste Empfinden zu haben: Jetzt bist du ein Kind Gottes. Deine Sünden sind vergeben. Du bist errettet. Das ist der Augenblick, da der Heilige Geist ein ganz bewusstes Zeugnis in meinem Herzen bewirken kann.
Der Heilige Geist ist ein ganz grosses Geschenk Gottes an uns. Man kann unser Zeitalter – das des Christentums – als Zeitalter des Heiligen Geistes bezeichnen. Vor Pfingsten gab es so etwas nie, und nach der Entrückung wird es das nie wieder geben. Wir leben in einer ganz privilegierten Zeit der Wege Gottes. Er hat uns seinen Geist gegeben, der nun in uns wohnt. Gott nimmt Ihn nie wieder von uns. Die Gläubigen vor Golgatha oder vor Pfingsten haben das nicht gehabt, und jene nach der Entrückung werden das nie haben. Wir wissen nicht, warum wir so privilegierte Menschen sind. Gott hat dies für uns vorgesehen, weil wir die Gefährten eines verworfenen Christus sind.
Was der Herr Jesus selbst in Johannes 14 – 16 über diesen Geist Gottes sagt, ist besonders gross und wunderbar. Da wir diese Stellen kennen, beschränke ich mich hier auf einen kurzen Hinweis darauf. Dieser Geist Gottes ist in der Lage, sich für uns in unaussprechlichen Seufzern zu verwenden, wenn es sein muss. Dass wir diesen Geist in uns tragen dürfen, ist eine besondere Gnadenerweisung Gottes. Was wir an geistlichen Gütern, an geistlichen Segnungen geniessen, geniessen wir durch den Heiligen Geist. Wenn ich den Herrn Jesus mehr kennen lernen will, wenn ich begreifen will, was Titus 3 mir sagen will, dann wirkt Gott durch seinen Geist an meinem Herzen, um mir das klarzumachen. Sein Geist ist das Mittel, um mich in die Wahrheit einzuführen. Er ist reichlich über uns ausgegossen durch Jesus Christus.
Vers 7. «Damit wir, gerechtfertigt durch seine Gnade, Erben würden nach der Hoffnung des ewigen Lebens.» Die Gegensätzlichkeit dieses Ausdrucks ist auffallend. Wenn die menschliche Justiz einem schlimmen Verbrecher Gnade erweist, dann hat das mit Gerechtigkeit nichts zu tun. Im Gegenteil! Das ist gar keine Gerechtigkeit. Dann wird Gnade vor Recht erwiesen. Wenn aber Gott Gnade erweist, ist das etwas anderes. Er rechtfertigt uns durch Gnade. Er sieht uns so an, wie Er uns sehen will. Er betrachtet uns so, als wenn wir nie gesündigt hätten. Wir stehen gerecht vor Ihm. Wir sind weit mehr als begnadigte Sünder. In Römer 5,9 haben wir die Grundlage: gerechtfertigt durch das Blut Jesu. Die andere Tatsache finden wir in Römer 5,1: gerechtfertigt durch Glauben. Der Glaube ist die Hand, die das annimmt, was Gott schenkt. Dann haben wir die Aussage, dass das Ganze eine göttliche Gnadenerweisung ist: gerechtfertigt durch seine Gnade. So spricht die Schrift über Gnade und Rechtfertigung.
Es ist etwas Grosses und Wunderbares, dass wir Christen gerechtfertigte Leute sind. Lasst uns versuchen, darüber ein klein wenig nachzudenken! Rechtfertigung ist nichts anderes als eine Gerechterklärung durch Gott. Er erklärt offiziell durch sein Wort: Du bist gerecht, weil du an meinen Sohn glaubst. Weil Er deine Sünden gesühnt hat und dein Stellvertreter geworden ist, deswegen erkläre ich dich für gerecht. Der Heilige Geist führt uns das in einem so praktischen Brief wie diesem plastisch vor Augen. Jetzt können wir nach der Aussage in Vers 7b «Erben nach der Hoffnung des ewigen Lebens» werden. Diese Hoffnung verwirklicht sich völlig beim Kommen des Herrn, weil dann auch unser Leib der Niedrigkeit und Schwachheit «erlöst» wird (Röm 8,23).
Vers 8. «Das Wort ist gewiss.» Es könnte keine bessere Schlussaussage geben als diese. Worauf bezieht sie sich, auf das Vorhergehende oder auf das Nachfolgende? In der Regel bezieht sich der Satz «Das Wort ist gewiss» auf das Vorherige. Gott sagt also noch einmal: Ihr könnt gewiss sein, dass das, was ich euch sage, stimmt.
Dann kommen wir zum Schluss des Briefes. «Ich will, dass du auf diesen Dingen fest bestehst.» Das Festbestehen ist keine Härte. Das ist für uns oft schwer zu unterscheiden. Wo ist Festigkeit und wo ist Härte? Der Grat dazwischen ist oft sehr schmal. Wir benötigen der Leitung des Herrn, um zu erkennen, wo wirklich biblische Festigkeit nötig ist und wo wir vielleicht – weil wir die alte Natur in uns tragen – in eine Härte abgleiten können. Äusserlich ist das kaum zu unterscheiden. Wir wollen den Herrn bitten, dass Er uns hilft, wirklich die Festigkeit zu haben, wie sie die Schrift uns hier zeigt. Das war für Titus sicher nicht einfach. Er musste die einen zurechtweisen, den anderen den Mund stopfen. Dass man da schon einmal die Grenzen überschreitet und in guter Absicht zu weit geht, liegt auf der Hand.
«Ich will, dass du auf diesen Dingen fest bestehst, damit die, die Gott geglaubt haben, Sorge tragen, gute Werke zu betreiben.» Hier haben wir eine biblische Sorge, die berechtigt ist. Das Wort Gottes spricht auch in Epheser 2,10 von guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat: «Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen.» Das sind sicher solche Werke, die in den Augen Gottes das Attribut «gut» verdienen. Der Heilige Geist sagt weiter: «Dies ist gut und nützlich für die Menschen.» Beachten wir: Gut und nützlich für die Menschen, nicht nur für die Gläubigen, sondern für alle.
Vers 9. «Törichte Streitfragen aber und Geschlechtsregister und Zänkereien und Streitigkeiten über das Gesetz vermeide, denn sie sind unnütz und wertlos.» Hier haben wir das Gegenstück zu Vers 8. Die Worte gut und nützlich stehen den Ausdrücken unnütz und wertlos gegenüber.
Sekte, Sektiererei
Verse 10.11. Über diese Verse, in denen es um einen sektiererischen Menschen geht, möchte man am liebsten nichts sagen. Was ist eine Sekte? Im Altertum fanden sich oft Leute zusammen, die eine bestimmte Lehre vertraten. Sie bildeten eine Philosophenschule. Das war in der Sprache der Apostelgeschichte eine Sekte. Genauso war es, wenn Leute sich um eine bestimmte religiöse Auffassung scharten. Dann bildeten sie eine bestimmte religiöse Schule, eine Sekte. Häresie ist das ursprüngliche Wort dafür. Wenn wir Christen davon reden, dann versteht die Schrift darunter eindeutig eine Gruppenbildung ausserhalb des einen Leibes des Christus. Nach dem Neuen Testament ist Sektiererei ganz klar ein Werk des Fleisches.
In der Apostelgeschichte wird die Sekte der Pharisäer und Sadduzäer erwähnt (Apg 5,17; 15,5). Der Rechtsanwalt Tertullus spricht von den Christen als von der Sekte der Nazaräer. Für ihn war Paulus ein Anführer dieser Sekte (Apg 24,5). Das Wort Sekte wird also häufig in diesem negativen Sinn gebraucht. Bei näherer Prüfung des Wortes Gottes finden wir einige Aussagen darüber. 2. Petrus 2,1 spricht von «Verderben bringenden Sekten». Wir haben auch in Korinth die Gefahr der Sektenbildung. «Denn es müssen auch Parteiungen unter euch sein, damit die Bewährten unter euch offenbar werden» (1. Kor 11,19). Das Wort «Parteiungen» ist das gleiche wie das Wort «Sekte» im Griechischen und in anderen Sprachen.
In Korinth finden wir Spaltungen. Wir gebrauchen dieses Wort in unserer Sprache fast gleichbedeutend mit Sekte. Wir reden von Spaltungen und meinen damit Sekten. Ist das der biblische Sprachgebrauch? Gottes Wort sagt, dass in Korinth Spaltungen waren, d.h. Gruppierungen innerhalb der örtlichen Versammlung. Das waren aber noch keine Sekten. Nach der Bibel ist eine Sekte ausdrücklich eine Gruppierung ausserhalb der örtlichen Versammlung. Aber eine Spaltung ist eine genauso betrübliche Erscheinung innerhalb der Versammlung. Das war in Korinth der Fall. Deshalb warnt der Apostel ausdrücklich und sagt: Passt auf, dass eure Spaltungen keine Sekten werden. Diese Gefahr besteht.
Um einem gefährlichen Missverständnis vorzubeugen noch diese Bemerkung: Es ist nicht so, dass Sekte automatisch gleichbedeutend mit falscher Lehre ist. Das kann der Fall sein (2. Pet 2,1), muss es aber nicht. In Korinth ging es nicht um falsche Lehre, und doch sagte der Geist Gottes: Es müssen Parteiungen unter euch sein, damit die Bewährten offenbar werden. Wenn ich damals auf der Insel Kreta gewohnt hätte und aus irgendwelchen unbiblischen, unberechtigten Gründen auf die Idee gekommen wäre, die Versammlung an einem Ort zu verlassen und hätte dann mit einigen anderen Gleichgesinnten eine Gemeinde nach gewissen biblischen Grundsätzen gegründet, wo überhaupt keine Irrlehre war, dann wäre ich ein Sektierer, ein Sektierer schlimmster Form. Warum? Weil ich den Weg des biblischen Grundsatzes von dem einen Leib verlassen hätte. Das ist ein Sektierer im Sinn der Schrift. Dass wir auch Sektierer haben, die böse Lehren bringen, ist eine zweite Sache. Doch der typische Sektierer im Sinn der Schrift ist einer, der den Grundsatz von dem einen Leib verlässt und eine eigene Gruppe, eine eigene Gemeinde gründet.
In 2. Petrus 2,1 heisst es: «Wie auch unter euch falsche Lehrer sein werden, die Verderben bringende Sekten nebeneinführen werden.» Nach der Fussnote kann man statt Sekten auch Parteiungen lesen (vgl. 1. Kor 11,19). Das ist ein trauriges Thema, weil es davon spricht, was in meinem und deinem Herzen ist. Diese Neigung zum Sektierertum ist uns so angeboren, dass der Geist Gottes das mit stärksten Worten verurteilt.
Im Blick auf unsere Verse taucht die Frage auf: War das schon ein sektiererischer Mensch oder bestand in diesem Fall erst die Gefahr, ein solcher zu werden? Ein besonders gründlicher und genauer Schrifterklärer sagt dazu: Hier war schon echte Sektiererei vorhanden. Hier bestand nicht nur die Gefahr, hier war bereits ein Mann da, der sektiererisch geworden war. Auf ihn bezieht sich die ernste Aufforderung: Weise ihn nach einer ein- und zweimaligen Zurechtweisung ab. Wenn nur die Gefahr vorhanden gewesen wäre, dann hätte die Schrift bestimmt noch auf mehrere Möglichkeiten der Zurechtbringung hingewiesen. Aber diese kurze, knappe, abrupte Stelle in Vers 10 scheint anzudeuten, dass im Grund genommen schon alles geklärt war. Der Mann war ein Sektierer, ihm war kaum noch zu helfen.
Verse 12.13. Hier werden zum Teil Namen genannt, die wir sonst an keiner Stelle im Neuen Testament finden. Artemas taucht nirgendwo sonst auf. Auch Zenas, den Gesetzgelehrten, finden wir nur hier. Tychikus und Apollos kennen wir. Das waren Männer, die im Umfeld von Paulus arbeiteten. Apollos war ein eigener Bote und Knecht Gottes, der auch in Korinth mit grossem Segen gedient hat. Tychikus kennen wir als den, der die Briefe des Apostels Paulus an die Epheser und Kolosser überbracht hat.
Der Auftrag des Apostels Paulus an Titus für die Arbeit in Kreta war zeitlich begrenzt. Titus war also nicht bis an sein Lebensende auf jener Insel, um diese Arbeit zu tun. Paulus sagt zu ihm: Wenn Artemas oder Tychikus kommt, musst du dort aufhören. Dann geh nach Nikopolis, dort triffst du mich. Damit war dann dieser Auftrag in diesem Zusammenhang zu Ende. Gott machte ihm also klar – und das Wort Gottes macht uns klar –, dass ein solcher Auftrag durchaus zeitlich begrenzt sein kann.
Titus sollte sich befleissigen, nach Nikopolis zu kommen. Das ist eine Stadt in Mazedonien oder im südlichen Serbien. Es hat wohl eine ganze Reihe von Städten gegeben, die so geheissen haben. Man kann heute nicht genau erkennen, wohin er zu gehen hatte. Auf jeden Fall ging die Tätigkeit von Titus auf Kreta dann zu Ende, und er sollte den Apostel Paulus dort treffen.
Ein weiterer Auftrag an Titus war, Zenas, dem Gesetzgelehrten, und Apollos mit Sorgfalt das Geleit zu geben. Es ist sehr eindrucksvoll, dass der Apostel Paulus in diesem Brief von der Verheissung des ewigen Lebens in der Ewigkeit spricht. Gott hat sie gegeben. Der Apostel spricht auch von der Gnade Gottes, die erschienen ist. Er redet von der Wiedergeburt, der Erneuerung des Heiligen Geistes, also von grossartigen Wahrheiten, und er spricht in diesem Brief auch von ganz einfachen Dingen. Im Wort Gottes steht das Tiefsinnige, das so unergründlich Tiefe, oft direkt neben dem, was ganz alltäglich ist. So ist es durchaus nichts Besonderes, dass Paulus hier völlig unerwartet ganz einfach sagt: Gib ihnen mit Sorgfalt das Geleit. Tu alles, was in deinen Kräften steht, damit ihnen nichts mangelt. In der Fussnote heisst es: Rüste mit Sorgfalt für die Reise aus. Der Apostel Paulus kümmerte sich auch um solche, einem fast unwichtig vorkommenden Belange. Ihm war das Schicksal und das Wohlergehen seiner Freunde und Mitarbeiter nicht egal.
Vers 14. «Lasst aber auch die Unseren lernen, für die notwendigen Bedürfnisse gute Werke zu betreiben.» Wie schön ist der Ausdruck «die Unseren»! Wir brauchen nicht unbedingt davon zu reden, dass sie den gleichen Weg gehen. Das tun sie auch. Aber es sind die Unseren. Sie sollen lernen, für die notwendigen Bedürfnisse gute Werke zu betreiben, damit sie nicht unfruchtbar seien. Was ist denn Fruchtbringen überhaupt? Es bedeutet nicht nur, dass es der Herr einem schenkt, einen Menschen zum Glauben zu führen. Das Fruchtbringen für Gott und den Herrn ist im Wesentlichen etwas anderes. Es bedeutet, den Charakter Christi darzustellen, in meinem und deinem Leben die Wesenszüge des Herrn Jesus zum Ausdruck zu bringen. Das ist Frucht, wenn andere Leute an uns sehen: Dieser oder diese benimmt sich so, wie Christus sich benommen hat. Der Apostel wollte in diesem Zusammenhang, dass die Gläubigen auf Kreta nicht unfruchtbar seien, auch wenn es hier wahrscheinlich nur um Materielles ging.
Vers 15. «Es grüssen dich alle, die bei mir sind.» Man merkt förmlich, wie das Herz von Paulus sich öffnet, wenn er sich jetzt von Titus verabschiedet. Dann folgt der Grusswunsch für die Kreter: «Grüsse, die uns lieben im Glauben.» Mit diesem Wort sollten jene, die teilweise so deutlich ermahnt werden mussten, verstehen: Wir dürfen Paulus und Titus lieben. Es sind ja Werkzeuge unseres Herrn. Es sind Leute, die uns die Botschaft bringen. Sie wollen uns nichts Schlechtes. Wir dürfen sie im Glauben lieben. – Das mag auch uns helfen, unseren Geschwistern in der richtigen Form zu begegnen. Auch dort, wo wir menschlich enttäuscht wurden oder meinten – zu Recht oder Unrecht –, sie hätten uns Falsches getan. Wir dürfen sie im Glauben lieben. Lasst auch uns stets mit Energie versuchen, die Heiligen im Glauben zu lieben.